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Otto Bradfisch 10 Mai 1903 in Zweibrucken 22 Juni 1994 in Seeshaupt war ein deutscher Volkswirt und Jurist SS Obersturmbannfuhrer Fuhrer des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe B der Sicherheitspolizei und des SD Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Litzmannstadt Lodz und Potsdam Otto Bradfisch im Kieler Schwurgericht als Zeuge 27 Februar 1964 Inhaltsverzeichnis 1 Schule und Ausbildung 2 Beruflicher und politischer Werdegang 3 Fuhrer des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe B 4 Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD 5 Kriegsende 6 Nachkriegszeit 7 Literatur 8 EinzelnachweiseSchule und Ausbildung BearbeitenOtto Bradfisch wurde 1903 in Zweibrucken einer Stadt in der bayrischen Pfalz als zweites von vier Kindern des Lebensmittelkaufmanns Karl Bradfisch geboren In Kaiserslautern besuchte er vier Jahre die Volksschule und anschliessend das humanistische Gymnasium 1922 legte er die Reifeprufung ab An den Universitaten Freiburg Leipzig Heidelberg und Innsbruck studierte Bradfisch Volkswirtschaft Sein Studium beendete er 1926 mit der Promotion zum Dr rer pol an der Universitat Innsbruck Anschliessend studierte er noch Rechtswissenschaften in Erlangen und Munchen um seine beruflichen Moglichkeiten in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu verbessern Die erste juristische Staatsprufung legte er am 17 Februar 1932 ab die zweite am 20 September 1935 Beruflicher und politischer Werdegang BearbeitenZunachst als Assessor bei der Regierung von Oberbayern beschaftigt wurde er alsbald als Regierungsassessor in das Bayerische Staatsministerium des Innern versetzt Bereits zum 1 Januar 1931 war Bradfisch der NSDAP beigetreten Mitgliedsnummer 405 869 1 Zur Zeit seines Studiums in Munchen war er als stellvertretender Ortsgruppenleiter in Munchen Freimann tatig Am 26 September 1938 trat er der SS SS Nr 310 180 als Obersturmfuhrer bei In den beiden vorhergehenden Jahren gehorte er dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps NSKK an Auf Anregung eines Bekannten hin bewarb sich Bradfisch fur den Dienst in der Gestapo in die er am 15 Marz 1937 ubernommen und mit der stellvertretenden Leitung der Staatspolizeistelle Neustadt a d Weinstrasse betraut wurde Am 4 November 1938 zum Regierungsrat ernannt verblieb er dort bis zum Uberfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 Fuhrer des Einsatzkommandos 8 der Einsatzgruppe B BearbeitenDie Einsatzgruppe B gehorte zu den insgesamt vier Einsatzgruppen die beim Unternehmen Barbarossa dem Krieg gegen die Sowjetunion fur Sonderaufgaben eingesetzt wurden Sie stand unter der Leitung von Arthur Nebe und gliederte sich in die Einsatzkommandos 8 und 9 die Sonderkommandos 7a und 7b sowie das Vorkommando Moskau und war der Heeresgruppe Mitte zugeteilt Aufgabe der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD war entsprechend dem Kommissarbefehl vom 6 Juni 1941 sowie einem schriftlichen Befehl von Reinhard Heydrich vom 2 Juli 1941 in den eroberten Ostgebieten neben der Sicherung des ruckwartigen Armeegebietes und der Wahrnehmung allgemeiner polizeilicher Aufgaben bis zur Einrichtung einer Zivilverwaltung die Sonderbehandlung der potentiellen Gegner d h die Eliminierung alle r Funktionare der Komintern wie uberhaupt alle kommunistischen Berufspolitiker schlechthin die hoheren mittleren und radikalen unteren Funktionare der Partei des Zentralkomitees der Gau und Gebieteskomitees Volkskommissare Juden in Partei und Staatsstellungen sonstige radikale Elemente Saboteure Propagandeure Heckenschutzen Attentater Hetzer usw 2 Dieser Personenkreis wurde in Heydrichs Befehl noch ausgeweitet auf alle politisch untragbaren Elemente unter den Kriegsgefangenen und schliesslich alle rassisch Minderwertigen wie Juden Zigeuner und asiatische Elemente Zunachst fur die Stelle eines Stabreferenten im Stab der EG B vorgesehen nahm Bradfisch an einer Grundsatzbesprechung in der Grenzpolizeischule Pretzsch unter Leitung von Heydrich und Heinrich Muller Leiter des Amtes IV Gestapo des RSHA teil Anschliessend bat der ursprunglich vorgesehene Fuhrer des EK 8 der kommissarische Leiter der Stapostelle Liegnitz Ernst Ehlers den Fuhrer der EG B Nebe ihn von dieser Aufgabe zu entbinden Nebe entsprach Ehlers Ersuchen und ersetzte ihn durch Bradfisch als Fuhrer des EK 8 Dieser hatte in Kenntnis der bevorstehenden Aufgaben hiergegen keine Einwande Das EK 8 unter Bradfischs Leitung bestand aus sechs Teiltrupps in unterschiedlicher Personalstarke die einem SS Fuhrer unterstellt waren mit insgesamt ca 60 80 Mann Entsprechend seiner bisherigen Dienststellung als Regierungsrat und Leiter der Staatspolizeistelle Neustadt a d Weinstrasse wurde Bradfisch als Fuhrer des EK 8 der Angleichungsdienstgrad eines SS Sturmbannfuhrers verliehen Mit dem Uberfall auf die Sowjetunion am 22 Juni 1941 ruckte das EK 8 im Gefolge der Heeresgruppe Mitte uber Bialystok und Baranowicze Ende Juli 1941 in Minsk ein Am 9 September 1941 erreichte es Mogilew wo im Hinblick auf das Stocken der deutschen Offensive nach der erfolgreichen Kesselschlacht bei Smolensk und dem bevorstehenden Winter fester Aufenthalt genommen wurde Zur Art und Weise wie das EK 8 seine befohlenen Aufgaben erfullte und wie sie mehr oder weniger bei allen Einsatzkommandos gleich waren hat das Landgericht Munchen I im Urteil vom 21 Juli 1961 folgende Schilderung gegeben 3 In Ausfuhrung des Befehls zur Vernichtung der judischen Ostbevolkerung sowie anderer gleichfalls als rassisch minderwertig angesehener Bevolkerungsgruppen und der Funktionare der russischen KP fuhrte das EK 8 nach Uberschreitung der im Jahre 1939 zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion festgelegten Demarkationslinie laufend Erschiessungsaktionen durch bei denen hauptsachlich Juden getotet wurden Die Erfassung der Juden in den jeweils betroffenen Orten im damaligen Sprachgebrauch als Uberholung bezeichnet geschah in der Weise dass die Ortschaften oder Strassenzuge von einem Teil der Angehorigen des Einsatzkommandos umstellt wurden und anschliessend die Opfer durch andere Kommandoangehorige aus ihren Hausern und Wohnungen wahllos zusammengetrieben wurden Die Exekutionsstatten wurden jeweils durch Angehorige des Einsatzkommandos oder diesem unterstellte Polizeibeamte abgeriegelt so dass fur die in unmittelbarer Nahe der Erschiessungsgruben auf ihren Tod wartenden Menschen keine Moglichkeit bestand ihrem Schicksal zu entrinnen Vielmehr hatten sie Gelegenheit dieser Umstand stellt eine besondere Verscharfung ihrer Leiden dar das Krachen der Gewehrsalven oder der Maschinenpistolenschusse zu horen und in einzelnen Fallen sogar die Erschiessungen denen Nachbarn Freunde und Verwandte zum Opfer fielen zu beobachten Angesichts dieses grausigen Geschicks brachen die Opfer haufig in lautes Weinen und Wehklagen aus beteten laut und versuchten ihre Unschuld zu beteuern Zum Teil aber gingen sie ruhig und gefasst in den Tod Bradfisch war als Fuhrer des EK 8 verantwortlich fur alle Massnahmen und Exekutionen Teilweise hat er die Exekutionen selbst geleitet und in Einzelfallen auch eigenhandig geschossen Beispielhaft seien genannt Bialystok zwei Erschiessungsaktionen von mindestens 1100 Juden und angeblichen kommunistischen Funktionaren Baranowicze zwei Erschiessungsaktionen von mindestens 381 Juden Minsk sieben Judenerschiessungen von mindestens 2000 Menschen Mogilew acht Erschiessungsaktionen von mindestens 4 100 judischen Mannern Frauen und Kindern sowie sowjetischen Kriegsgefangenen Bobruisk Grossaktion bei der mindestens 5000 judische Manner Frauen und Kinder erschossen wurdenUber die Tatigkeit seines Einsatzkommandos hatte Bradfisch der ubergeordneten Einsatzgruppe B zu berichten die diese zusammengefasst mit denen der anderen Einsatzkommandos an das RSHA sandte Dort wurden vom Amt IV A die einzelnen Meldungen zu den Ereignismeldungen komprimiert Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD BearbeitenBradfisch war bis Marz 1942 als Leiter des EK 8 tatig Am 26 April 1942 wurde er in das von den Nationalsozialisten Litzmannstadt genannte Lodz versetzt und zum Leiter der dortigen Staatspolizeistelle ernannt In dieser Funktion war er auch verantwortlich fur die Judendeportationen ins Vernichtungslager Kulmhof Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD wurde er im Sommer 1942 Im Herbst desselben Jahres erfolgte seine kommissarische Bestellung zum Oberburgermeister von Litzmannstadt In dieser Eigenschaft wurde er auch am 25 Januar 1943 zum Oberregierungsrat bzw SS Obersturmbannfuhrer befordert Kriegsende BearbeitenNach der kriegsbedingten Raumung der Stadt im Dezember 1944 war Bradfisch wahrend der letzten Kriegsmonate als Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD in Potsdam tatig Er konnte sich beim Herannahen der Roten Armee nach Westen absetzen und ein Wehrmachtssoldbuch auf dem Namen eines Unteroffiziers Karl Evers verschaffen Zunachst in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befindlich wurde er englischer Gewahrsamkeit ubergeben und bereits im August 1945 entlassen Nachkriegszeit BearbeitenBis 1953 konnte Bradfisch unter dem Namen Karl Evers seine wahre Identitat verbergen Er war anfangs in der Landwirtschaft und spater im Bergbau beschaftigt Als Versicherungsangestellter in Kaiserslautern zuletzt bei der Hamburg Mannheimer Versicherung als Bezirksdirektor nahm er wieder seinen richtigen Namen an Am 21 April 1958 wurde Bradfisch vorlaufig festgenommen und mit Urteil des Landgerichts I Munchen vom 21 Juli 1961 Az 22 Ks 1 61 wegen eines in Mittaterschaft begangenen Verbrechens der Beihilfe zum gemeinschaftlichen Mord in 15 000 Fallen zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt 4 1963 wurde er in Hannover ein weiteres Mal verurteilt die beiden Haftstrafen wurden zu einer Dauer von 13 Jahren zusammengefasst Bereits am 16 Oktober 1965 konnte er das Gefangnis fur langere Zeit verlassen 5 1969 wurde er unter Mithilfe des Theologen Hermann Schlingensiepen vorzeitig entlassen 6 Aus seiner am 23 November 1932 geschlossenen Ehe gingen drei Kinder hervor von denen das jungste in Litzmannstadt geborene Madchen 1945 auf der Flucht vor den sowjetischen Truppen umkam Literatur BearbeitenHelmut Krausnick und Hans Heinrich Wilhelm Die Truppe des Weltanschauungkrieges Die Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD 1938 1942 Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart 1981 ISBN 3 421 01987 8 Peter Klein Hrsg Die Einsatzgruppen in der besetzten Sowjetunion 1941 42 Die Tatigkeits und Lageberichte des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD Hentrich Berlin 1997 ISBN 3 89468 200 0 Andrej Angrick amp Klaus Michael Mallmann Hrsg Die Gestapo nach 1945 Karrieren Konflikte Konstruktionen Veroffentlichungen der Forschungsstelle Ludwigsburg 14 WBG 2009 ISBN 978 3 534 20673 5 LG Munchen I 21 Juli 1961 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Bd XVII bearbeitet von Irene Sagel Grande H H Fuchs C F Ruter Amsterdam University Press 1977 Nr 519 S 657 708 Verfahrensgegenstand Erschiessung vieler tausender judischer Manner Frauen und Kinder sowie von Zigeunern und sowjetischen Kriegsgefangenen in den ersten 6 Monaten des Russlandfeldzuges durch das Einsatzkommando 8 auf seinem Marschweg von Bialystok uber Baranowicze und Minsk nach Mogilew sowie in nordlich und sudlich der Route gelegenen Orten durch dahin entsandte Teiltrupps LG Hannover 18 November 1963 In Justiz und NS Verbrechen Sammlung deutscher Strafurteile wegen nationalsozialistischer Totungsverbrechen 1945 1966 Bd XIX bearbeitet von Irene Sagel Grande H H Fuchs C F Ruter Amsterdam University Press 1978 Nr 557 S 485 557 Verfahrensgegenstand Teilnahme an der Totung der Lodzer Juden durch den Leiter der Staatspolizeistelle Lodz und den Leiter des Referats IIB Deportation vieler tausender Juden aus dem Lodzer Ghetto ins Vernichtungslager Chelmno Misshandlung zum Teil mit Todesfolge und Einzelerschiessungen zahlreicher Juden wahrend der Deportationen Erschiessung der noch im Ghetto befindlichen Juden bei seiner Auflosung im August 1944Einzelnachweise Bearbeiten Bundesarchiv R 9361 IX KARTEI 4050601 Ingeborg Fleischhauer Das Dritte Reich und die Deutschen in der Sowjetunion Walter de Gruyter 1983 ISBN 978 3 486 70334 4 S 102 Google Books abgerufen am 1 September 2021 Einsatzgruppenprozess vor dem Munchener Schwurgericht gegen Dr Otto Bradfisch u a Abgerufen am 15 Mai 2018 LG Munchen I vom 21 7 1961 22 Ks 1 61 Einsatzgruppenprozess vor dem Munchener Schwurgericht gegen Dr Otto Bradfisch u a Veroffentlichung des Gemeinnutzigen Vereins fur regionale Kultur und Zeitgeschichte Gelsenkirchen Online Version eingesehen am 8 April 2012 NS Verbrecher Zuchthaus zu Haus Der Spiegel 24 Oktober 1966 Online Version eingesehen am 8 April 2012 Buchbesprechung von Jurgen Schmadeke Gestapo Karrieren nach dem Ende der Nazi Diktatur Februar 2010 Uber Die Gestapo nach 1945 Herausgeber Andrej Angrick amp Klaus Michael Mallmann Mit Texten von 15 Autoren Online Artikel eingesehen am 8 April 2012Normdaten Person GND 124447546 lobid OGND AKS VIAF 30471181 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Bradfisch OttoKURZBESCHREIBUNG deutscher SS Obersturmbannfuhrer Anfuhrer des Einsatzkommandos 8 fur Massenmordaktionen in WeissrusslandGEBURTSDATUM 10 Mai 1903GEBURTSORT ZweibruckenSTERBEDATUM 22 Juni 1994STERBEORT Seeshaupt Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Otto Bradfisch amp oldid 238342094