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Dieser Artikel befasst sich mit dem waldwirtschaftlichen Begriff Niederwald Zu anderen Bedeutungen siehe Niederwald Begriffsklarung Niederwald ist die Bezeichnung fur einen Wald aus Stockausschlag Durchgewachsener ehemaliger Niederwald aus HainbucheNiederwald bei Schoden Rheinland Pfalz Stockausschlag hauptsachlich aus Hasel April 2011Edelkastanien Niederwald in der Nahe von Hindhead Surrey England Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Baumarten 3 Nutzung 4 Heutige Verhaltnisse 5 Biodiversitat und Asthetik 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseEntstehung BearbeitenWahrend die Nutzung und Forderung von Stockausschlagen bereits in der Steinzeit bekannt war entstanden Niederwalder in der Eisenzeit indem Baume wiederholt gefallt wurden und sich so eine regenerationsfahige Vegetation durchsetzte Diese regenerationsfahigen Geholze sind in Mitteleuropa im Wesentlichen Eiche Hainbuche Linde Ahorn Hopfenbuche Esche und Hasel die in einem Zyklus von 10 bis 30 Jahren einzelstammweise oder in Parzellen je nach Bedarf gefallt werden 1 Dadurch entsteht eine lichte und inhomogene Flache die mit strauchartigen Baumen bzw Buschen von etwa 3 bis 10 m Hohe bestanden ist Die Regeneration erfolgt dann aus den im Boden verbliebenen Wurzelstocken und Stumpfen teilweise auch aus Wurzelbrut Niederwalder gibt es in vielen Abwandlungen je nach Nutzung und Standort Formen des Niederwaldes sind unter anderem der Siegerlander Hauberg und die Lohhecken des Rheinischen Schiefergebirges Baumarten BearbeitenDie Verjungung im Niederwald erfolgt ausschliesslich aus Stockausschlag Der Ubergang zum Mittelwald zeigt sich dort wo die Verjungung auch durch Stehenlassen von einzelnen Kernwuchsen sogenannten Lassreiteln erfolgen kann Wo die Verjungung jahrhundertelang ausschliesslich aus Stockausschlag erfolgt ist sind die aus uberalterten Stocken entstandenen Bestande meist schwachwuchsiger als es der jeweilige Standort zulassen wurde Die Niederwaldwirtschaft hat besonders die Baumarten gefordert die gut vom Stock ausschlagen z B Hainbuche Linde oder Hasel Weniger ausschlagfreudig dagegen sind Eichen Pappeln oder Birken 2 Auch lichtbedurftige Baumarten wie Vogelbeere Echte Mehlbeere Elsbeere Speierling Vogel Kirsche Birke Esche oder Zitterpappel die teilweise den Vorwald gesellschaften Lichtungen Sukzessions flachen und Waldrander oder auch den Hecken zuzuordnen sind treten in Niederwaldern oder aus Niederwaldern hervorgegangenen Bestanden haufiger auf Auch ist die Krautflora wegen der gunstigeren Lichtverhaltnisse in Niederwaldern starker vertreten als in Hochwaldern Stellenweise wurden auch Bestande aus Schwarzerle auf Nassstandorten oder Edelkastanie vorwiegend in Weinbaugebieten als Niederwalder bewirtschaftet Im franzosischen Departement Isere und im Suden Englands ist die Niederwaldwirtschaft mit Edelkastanien noch anzutreffen wahrend man im Schweizer Kanton Tessin mit Kastanienniederwaldern zur Wertholzproduktion experimentiert Nutzung BearbeitenDas eingeschlagene Holz wurde meistens als Brennholz verwertet daher auch die alternative Bezeichnung Hauwald Bis ins 19 Jahrhundert spielte auch die Kohlerei eine grosse Rolle Als zusatzliche Nutzung wurde bis in die 1960er Jahre haufig die Lohrindengewinnung praktiziert hierbei wurde die gerbstoffhaltige Rinde von den frisch eingeschlagenen Eichenstangen mit dem Lohloffel und von den dunneren Eichenknuppeln mit einem Rindenhammer abgelost und anschliessend getrocknet Abnehmer waren die ortlichen Gerbereien Der Einschlag des Lohholzes erfolgte im Fruhjahr vor dem Laubaustrieb Im Rheinischen Schiefergebirge z B dem Gebiet der Ahreifel oder dem Osling Luxemburg wurden die Eichen bis Reichhohe stehend geschalt zum Zeitpunkt des grossten Saftflusses d h bis Ende Mai und erst anschliessend gefallt Ebenso in der Siegerlander Haubergswirtschaft Die frisch gehauenen Schlage wurden teilweise landwirtschaftlich genutzt bis die Stockausschlage zu hoch waren Roderwirtschaft Diese Art der Nutzung wurde im Laufe des 18 und 19 Jahrhunderts weitgehend eingestellt Im Siegerland wurde die landwirtschaftliche Nutzung der Hauberge zum Ende des Krieges und in der Nachkriegszeit zur Reduzierung des Hungers von der Bevolkerung vorubergehend wieder durchgefuhrt Heutige Verhaltnisse BearbeitenWahrend in Deutschland weniger als 1 der Waldflache als Niederwald bewirtschaftet wird ist die Ausdehnung in anderen Landern weitaus hoher 1963 betrug sie beispielsweise in Frankreich noch 33 3 Heute werden in Mitteleuropa nur noch sehr wenige Bestande als Niederwalder bewirtschaftet die meisten sind entweder in der Uberfuhrung zum Hochwald oder wie bis in die 1990er Jahre hinein haufig praktiziert in Nadelholzbestande umgewandelt Die durchgewachsenen oder uberfuhrten Bestande sind heute 2005 zum Grossteil zwischen 50 und 80 Jahre alt Baumartenzusammensetzung und Krautflora werden sich in den uberfuhrten Bestanden je nach Standort und Bewirtschaftung in den meisten Fallen langfristig verandern Im Siegerland hat die Haubergswirtschaft weiterhin eine sehr grosse Bedeutung auch wenn seit Ende des 19 Jahrhunderts Hauberge in Hochwalder umgewandelt wurden Alfred Becker stellte fest dass im Jahr 2000 noch ca 6 000 bis 7 000 ha Niederwald im Siegerland vorhanden waren Der Grund liegt in der genossenschaftlichen Eigentumerstruktur Anteilseigner schlagen ihre relativ kleinen Hauberge zur eigenen Brennholzversorgung selbst Da die Baume nicht zu hoch sind bedarf es dazu keiner komplexen Erntemethoden Maschinen oder Fachkenntnisse Fruher reichten Axt Lohloffel und Haubergsknipp heute kommen auch Motorsagen zum Einsatz Im Fellinghauser Hauberg wird aus historischen Grunden der Hauberg weiterhin genauso betrieben wie es jahrhundertelang ublich war 4 In manchen Gebieten wird die Beibehaltung oder Wiederaufnahme des Niederwaldbetriebes gefordert um diese historische Waldnutzungsform und ihre typische Vegetation auf begrenzter Flache zu erhalten Ein Beispiel dafur ist der Niederwald in Teilen des Jasmund Nationalparks auf der Ostseeinsel Rugen Hier ist die vorherrschende Baumart die Rotbuche die nur aufgrund der besonders gunstigen klimatischen und Bodenverhaltnisse an dieser Stelle zum Stockaustrieb in der Lage ist Auch bei der in jungster Zeit zunehmenden Energieholzbewirtschaftung wird wieder mit Niederwaldern experimentiert weil die schnellwachsenden Baumarten kaum forstlicher Pflege bedurfen und schnell Biomasse produzieren Eine moderne vergleichbare Form der Produktion von Biomasse ist die Kurzumtriebsplantage Biodiversitat und Asthetik BearbeitenIn allen Formen des Niederwalds dringt das Licht starker bis in die Krautschicht durch Der grosse landschaftliche Reiz dieser Betriebsarten besteht vor allem in der Holzartenzusammensetzung und in ihrer Eigenschaft als Ubergang zum Feld oder zur dusteren Waldlandschaft 5 Sowohl in ihrer asthetischen Anmutung unterscheiden sie sich vom Hochwald als auch hinsichtlich ihrer Biodiversitat Die mitteleuropaischen Niederwaldbestande gehoren zu 14 Waldgesellschaften Fur die Schweiz zeigte sich dass buchenfreie Laubwaldgesellschaften Waldlabkraut Hainbuchenmischwald Kronwicken Eichenmischwald Platterbsen Eichenmischwald Lindenmischwald deutlich haufiger als Niederwald bewirtschaftet werden Im Schneesimsen Buchenwald ist hier allerdings mit weniger Pflanzenarten als im Hochwald zu rechnen 4 Siehe auch BearbeitenKratt Schneitelung Rodungsname zur Toponomastik Ortsnamenskunde Literatur BearbeitenRenate Barnthol Nieder und Mittelwald in Franken Waldwirtschaftsformen aus dem Mittelalter Schriften und Kataloge des Frankischen Freilandmuseums Frankisches Freilandmuseum Bad Windsheim 2003 ISBN 978 3 926834 54 6 Jost Trier Holz Etymologien aus dem Niederwald Koln und Graz 1952 Munstersche Forschungen 6 S 95 106 Hans Hausrath Geschichte des deutschen Waldbaus Von seinen Anfangen bis 1850 Schriftenreihe des Instituts fur Forstpolitik und Raumordnung der Universitat Freiburg Hochschulverlag Freiburg im Breisgau 1982 ISBN 3 8107 6803 0 Richard B Hilf Der Wald Wald und Weidwerk in Geschichte und Gegenwart Erster Teil Reprint Aula Wiebelsheim 2003 ISBN 3 494 01331 4 Hartmut Kleinschmit Menschen im Wald Waldnutzungen vom Mittelalter bis heute in Bildern hrsg von den Niedersachsischen Landesforsten Husum 2007 Erwin Manz Linksrheinische Niederwalder Zeugen einer historischen Waldnutzungsform Rheinische Landschaften 44 Neusser Druck und Verlag Neuss 1995 ISBN 3 88094 780 5 ders Vegetation und standortliche Differenzierung der Niederwalder im Nahe und Moselraum Pollichia Buch 28 Pollichia Bad Durkheim 1993 ISBN 3 925754 27 X Wilhelm Muller Wille Der Niederwald in Westdeutschland in Beitrage zur Forstgeographie in Westfalen Spieker 27 S 7 38 Geographische Kommission fur Westfalen Munster 1980 Download Wilhelm Stolb Waldasthetik Uber Forstwirtschaft Naturschutz und die Menschenseele Verlag Kessel Remagen Oberwinter 2005Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Niederwald Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Lohseminar mit Beispielen aus L D F und CH Memento vom 16 Marz 2019 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Heinz Ellenberg 1996 Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in okologischer dynamischer und historischer Sicht ISBN 3 8252 8104 3 Heinz Ellenberg Vegetation Mitteleuropas und der Alpen Ulmer Stuttgart 1963 S 44 K Vanselow Zur geschichtlichen Entwicklung der Verjungungsformen in Deutschland Forstwissenschaftliches Centralblatt 82 257 269 a b Alfred Becker Historischer Hauberg Abgerufen am 18 Oktober 2018 deutsch Arnold Vietinghoff Riesch Forstliche Landschaftsgestaltung nach Stolb Waldasthetik S 250Normdaten Sachbegriff GND 4171869 0 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Niederwald amp oldid 232929639