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Michael Mischa Seifert 16 Marz 1924 in Landau heute Schyrokolaniwka Oblast Mykolajiw Ukraine 6 November 2010 in Caserta Italien war ein NS Kriegsverbrecher der von 1950 bis 2002 in Kanada untergetaucht war und 2008 an Italien ausgeliefert wurde Inhaltsverzeichnis 1 Leben 1 1 Zweiter Weltkrieg 1 2 Flucht nach Kanada und erste Versuche einer Belangung 1 3 Wiederaufnahme des Verfahrens ab 1999 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseLeben BearbeitenSeifert wurde als Schwarzmeerdeutscher im ukrainischen Ort Landau geboren der Anfang des 19 Jahrhunderts von deutschen Einwanderern im Kolonistenbezirk Beresan gegrundet worden war Er war das zweite Kind von Michael Seifert sen 17 Mai 1886 in Landau und dessen Frau Berta geb Fritz 9 Februar 1892 in Rosental 1 Sein Vater arbeitete bei der Post verlor aber 1933 seine Arbeitsstelle da er in Verdacht geriet Hitler Sympathisant zu sein Die Familie verliess Landau lebte zunachst bei einer Tante Seiferts auf der Halbinsel Krim und zog einige Monate spater nach Dschankoj im Nordosten der Halbinsel 1939 kehrten sie in die Ukraine zuruck und arbeiteten auf einer Kolchose in der Nahe von Schonfeld etwa 25 km von Landau Schliesslich zogen sie nach Nikolajew nordostlich von Odessa in der Hoffnung dort bessere Arbeit zu finden Seifert fand hier auch eine Arbeitsstelle als Mechaniker in einer Werkzeugfabrik 2 Zweiter Weltkrieg Bearbeiten Nach dem deutschen Uberfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 wurden unmittelbar darauf so genannte Einsatzgruppen A D hinter der Front eingesetzt Nikolajew lag im Bereich der Einsatzgruppe D Bereich der 11 Armee in der sudlichen Ukraine Bessarabien Kischinew Krim Hilfskrafte wurden rekrutiert vorzugsweise aus den volksdeutschen Bevolkerungsgruppen da sie sich weitgehend loyal verhielten und vor allem uber russische Sprachkenntnisse verfugten Seifert bewachte zunachst als Hilfskraft eine Werft in Nikolajew Als die Werft 1943 ihre Arbeit einstellte wurde er als eine Art Hilfspolizist vom SD als Bewacher und Dolmetscher eingestellt Dabei wurde er Augenzeuge von so genannten Verhoren Misshandlungen handelte jedoch nach eigenen Angaben selbst nicht Im April 1944 durfte er seine Eltern besuchen die aufgrund des Vorruckens der sowjetischen Truppen bereits nach Kallies heute Kalisz Pomorski umgesiedelt worden waren 2 Noch wahrend seines Aufenthaltes bei seinen Eltern fiel Nikolajew an die sowjetischen Truppen und ihm wurde befohlen sich beim SD in Verona zu melden Hier wurde er der Bewachungsmannschaft des Durchgangslagers DuLa Fossoli zugeteilt 2 Ende 1944 wurde er von einem deutschen Militargericht wegen Vergewaltigung verurteilt und zusammen mit dem wegen desselben Verbrechens ebenfalls verurteilten Otto Sein strafversetzt Beide kamen im Dezember 1944 ins Polizei Durchgangslager Bozen in der heutigen Reschenstrasse in Bozen das Mitte 1944 errichtet worden war Kommandant war der fruhere Kommandant des Durchgangslagers Fossoli SS Untersturmfuhrer Karl Friedrich Titho Sein Stellvertreter war SS Hauptscharfuhrer Hans Haage 1905 1998 Im DuLa Bozen wurden zunachst die Gefangenen des DuLa Fossoli aufgenommen das wegen des Vorruckens der alliierten Truppen am 2 August 1944 aufgegeben worden war Die Gefangenen waren grosstenteils aus politischen Widerstandskampfer Antifaschisten Deserteure Streikende oder einfach nur unter Verdacht Stehende oder rassistischen Grunden Juden Sinti bzw als Sippenhaftlinge vielfach Familienangehorige von Deserteuren verhaftet worden Darunter waren Kinder Frauen und Manner jeden Alters bis zu uber 80 jahrigen Schatzungsweise zwischen 9 500 3 und 11 000 Personen waren im DuLa Bozen inhaftiert 3 405 wurden in Konzentrationslager deportiert 1930 ins KZ Mauthausen 636 ins KZ Flossenburg 609 ins KZ Dachau 68 Frauen ins KZ Ravensbruck 136 ins KZ Auschwitz 4 2050 von ihnen kehrten nicht mehr zuruck starben oder wurden ermordet Vor der Deportation mussten sie Zwangsarbeit innerhalb des Lagers Wascherei elektromechanische Werkstatt Druckerei Tischlerei Schneiderei oder in einem der Nebenlager z B Virgltunnel IMI Kugellagerfabrik oder Sarntal Strassenbauarbeiten verrichten 5 Die Inhaftierten waren in einer Reihe von Baracken Blocks genannt untergebracht Innerhalb des Lagers wurde im Oktober 1944 ein Gefangnis mit rund 30 sogenannten Zellen gebaut In diesen Tag und Nacht verschlossenen Isolations Zellen die komplett lichtundurchlassig gebaut waren wurden jeweils zahlreiche Haftlinge auf engstem Raum zusammengepfercht Die Uberwachung dieser Zellen lag in der Hand von Albino Cologna und den ihm unterstellten Michael Seifert und Otto Sein Seifert ermordete als Aufseher 18 Menschen im Lager Flucht nach Kanada und erste Versuche einer Belangung Bearbeiten Seifert war unmittelbar nach der Schliessung des Lagers in Deutschland untergetaucht Mitte 1951 beantragte er in Hannover ein Visum fur Kanada was ihm auch bewilligt wurde da er falsche Angaben zu seiner Herkunft machte und vor allem seine Aktivitaten wahrend des Krieges verschwieg 2 Am 10 Juni 1954 erliess Italien einen Haftbefehl gegen Michael Seifert Karl Friedrich Titho Hans Haage und andere Nationalsozialisten und stellte einen Auslieferungsantrag an die Bundesrepublik Deutschland Nach Artikel 16 des Grundgesetzes verweigerte Deutschland bei Titho und Haage die Auslieferung Da Seifert zu diesem Zeitpunkt bereits untergetaucht war geschah in seinem Fall nichts Im Jahr 1956 ergab sich aus einem Briefwechsel zwischen dem Italienischen Aussenminister Gaetano Martino und dem Verteidigungsminister Paolo Emilio Taviani dass die Eroffnung von Prozessen gegen ehemalige deutsche Angehorige der Wehrmacht zu Verstimmungen mit der Bundesrepublik hatte fuhren konnen da diese am 12 November 1955 die Bundeswehr aufgebaut hatte und sich seit dem 6 Mai 1955 als Mitglied der NATO politisch und militarisch in das Bundnis gegen die Sowjetunion und den Warschauer Pakt integrieren wollte Im Jahr 1960 wurden auf Beschluss des damaligen allgemeinen Militarstaatsanwaltes Enrico Santacroce daraufhin 695 Aktenbundel unter anderen mit Akten uber die Kriegsverbrechen von Michael Seifert provisorisch archiviert Diese Archivierung dauerte 34 Jahre und die Akten wurden erst im Jahr 1994 in einem versiegelten mit der Tur zur Wand gestellten Schrank im Palazzo Cesi dem Sitz der Allgemeinen Militaranwaltschaft in Rom im so genannten Schrank der Schande wiederentdeckt Diese Archivierung wurde im Jahr 1998 nach dem Abschluss der Untersuchungen des Militargerichtsrates als vollkommen rechtswidrig erachtet 6 Wiederaufnahme des Verfahrens ab 1999 Bearbeiten Nachdem die italienischen Behorden 1999 durch einen Artikel in der Zeitung La Stampa aufmerksam geworden 7 seinen Aufenthaltsort in Kanada ausfindig gemacht hatten stellten sie ihm die Anklageschrift zu bzw forderten ihn in drei Schreiben August 1999 November 1999 und September 2000 auf an der anstehenden Verhandlung vor dem Militargericht teilzunehmen 8 Seifert weigerte sich an der Gerichtsverhandlung teilzunehmen Vom 20 bis zum 24 November 2000 wurden Seiferts Verbrechen die er in der Zeit von Dezember 1944 seiner Ankunft im Durchgangslager Bozen bis zum 3 Mai 1945 der Schliessung des Lagers begangen hatte vor einem italienischen Militargericht in Verona behandelt Seifert wurde in 15 Fallen des Mordes und der Folter beschuldigt Sechs Morde konnten ihm nicht schlussig nachgewiesen werden auch wegen fehlender inzwischen verstorbener Zeugen In internationalen Medien wurde und wird Seifert deshalb als Bestie von Bozen Beast of Bolzano Boia di Bolzano bezeichnet Es blieben jedoch neun Morde fur die ausreichende Beweismittel vorlagen 8 Das Militargericht verurteilte Seifert daraufhin in Abwesenheit zu einer lebenslangen Haftstrafe Seifert engagierte daraufhin Anwalte in Italien und ging in Revision Die nachsthohere Instanz Corte Militare di Appello di Verona lehnte die Revision des Urteils am 18 Oktober 2001 jedoch ab 9 Das daraufhin von Seifert bemuhte italienische Kassationsgericht Corte Suprema di Cassazione entschied am 8 Februar 2002 dass sein Einspruch keine Grundlage habe da das Urteil des Militargerichts rechtmassig sei 8 Im Oktober 2002 wurde das Urteil damit endgultig rechtskraftig Noch wahrend das Revisionsverfahren vor dem Kassationsgericht lief hatte Italien bereits am 26 April 2002 ein Auslieferungsersuchen an Kanada eingereicht und Seifert war am 1 Mai 2002 in Vancouver verhaftet worden 8 Es musste uber seine Ausweisung entschieden werden und Seifert hierzu angehort werden Die Anhorungen fanden vom 2 April 2003 bis zum 27 August 2003 statt Auch gegen die drohende Ausweisung und die gleichzeitig damit verbundene Aberkennung seiner kanadischen Staatsburgerschaft setzte Seifert sich durch alle kanadischen Instanzen hindurch zur Wehr so dass sein Fall schliesslich den Court of Appeals for British Columbia das oberste Gericht British Columbias erreichte und daruber entschieden wurde Verhandlung 12 bis 14 Marz 2007 Entscheidung 3 August 2007 8 Mitte Februar 2008 wurde Seifert an Italien ausgeliefert und im Militargefangnis von Santa Maria Capua Vetere in der suditalienischen Region Kampanien inhaftiert 10 Seifert verstarb am 6 November 2010 im Krankenhaus in Caserta im Alter von 86 Jahren 11 Da seine in Vancouver lebende Frau und der gemeinsame Sohn nichts unternahmen um Seiferts Leiche nach Kanada zu uberfuhren wurde er auf einem Friedhof unweit von Caserta beerdigt 12 Literatur BearbeitenFriedrich Andrae Auch gegen Frauen und Kinder Der Krieg der deutschen Wehrmacht gegen die Zivilbevolkerung in Italien 1943 1945 Piper 2 Auflage Munchen 1995 Christiane Kohl Der Himmel war strahlend blau Vom Wuten der Wehrmacht in Italien Picus Verlag Wien 2004 Gerhard Schreiber Deutsche Kriegsverbrechen in Italien Tater Opfer Strafverfolgung C H Beck Munchen 1996 ISBN 3 406 39268 7 Stefano Catone La bestia di Bolzano Mit einem Nachwort von Eric Gobetti Busto Arsizio 2022 ISBN 979 12 5979 056 9 Weblinks BearbeitenNazi war criminal deportet to Italy Toronto Star 15 Februar 2008 Bild Seifert mit seinem kanad Anwalt Doug Christie Canada extradites Nazi war criminal to Italy msnbc com 15 Februar 2008 Bild Seifert in jungen Jahren Fondazione Memoria della Deportazione The Bolzano Camp englisch Manner Frauen und Kinder im Durchgangslager von Bozen Eine italienische Tragodie in 7 800 personlichen Geschichten Forschungsbericht von Dario Venegoni Bozen 2004 PDF 308 kB Die Urteile in Italien Sentenza del Tribunale di Verona vom 24 November 2000 Sentenza della Corte Militare di Appello di Verona vom 18 Oktober 2001 Sentenza della Corte Suprema di Cassazione vom 8 Februar 2002 italienisch Entscheidung des Court of Appeal for British Columbia vom 3 August 2007 uber die Rechtmassigkeit der Aberkennung von Seiferts kanadischer Staatsburgerschaft bzw seiner Auslieferung an Italien Canada Minister of Citizenship and Immigration v Seifert 2007 FC 1165 Entscheidung des Federal Court vom 13 November 2007 Jugdgements of the Supreme Court of Canada Bulletin of Proceedings 18 Januar 2008 S 38 Bestatigung des Urteils des Court of Appeal for British Columbia durch den Supreme Court of Canada PDF 221 kB Berichte von Gefangenen uber Michael Seifert im Lager Bozen und uber den Prozess in Verona Artikel mit Bildern 1944 2000 von Michael Seifert englisch Einzelnachweise Bearbeiten Sentenza di Tribunale di Verona vom 24 November 2000 a b c d Canada Min of Citizenship and Immigration v Seifert 2007 FC 1165 Entscheidung des Federal Court vom 13 November 2007 Manner Frauen und Kinder im Durchgangslager von Bozen Eine italienische Tragodie in 7 800 personlichen Geschichten Forschungsbericht von Dario Venegoni Bozen 2004 PDF 316 kB S 23 Manner Frauen und Kinder im Durchgangslager von Bozen Eine italienische Tragodie in 7800 personlichen Geschichten Forschungsbericht von Dario Venegoni Bozen 2004 PDF 316 kB S 26 Ubersicht uber die einzelnen Transporte S 27 Manner Frauen und Kinder im Durchgangslager von Bozen Eine italienische Tragodie in 7 800 personlichen Geschichten Forschungsbericht von Dario Venegoni Bozen 2004 PDF 316 kB S 25f Bericht aus der Bibliothek des Bozner Stadtarchivs uber den Schrank der Schande 1960 1994 Am 26 Juni 1999 erschien in dieser ein Artikel mit dem Titel Die beiden ukrainischen SS Manner angeklagt wegen 14 Morde und Folterungen von Gefangenen sind entdeckt worden Canada Minister of Citizenship and Immigration v Seifert 2007 FC 1165 Entscheidung des Federal Court vom 13 November 2007 a b c d e Entscheidung des Court of Appeal for British Columbia vom 3 August 2007 uber die Rechtmassigkeit der Aberkennung von Seiferts kanadischer Staatsburgerschaft bzw seiner Auslieferung an Italien Memento des Originals vom 11 November 2010 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www2 ca nizkor org Sentenza della Corte Militare di Appello di Verona vom 18 Oktober 2001 italienisch Kanada liefert NS Kriegsverbrecher Seifert aus in Spiegel Online vom 16 Februar 2008 SS Lageraufseher Seifert gestorben Memento vom 15 November 2010 im Internet Archive in RP Online vom 6 November 2010 Bestie von Bozen in Caserta begraben Memento vom 19 Marz 2012 im Internet Archive bei suedtirolnews it abgerufen am 1 Oktober 2012Normdaten Person GND 1277677573 lobid OGND AKS VIAF 2501167391532383590001 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Seifert MichaelALTERNATIVNAMEN Seifert Mischa Spitzname KURZBESCHREIBUNG ukrainischer NS KriegsverbrecherGEBURTSDATUM 16 Marz 1924GEBURTSORT Landau heute Schyrokolaniwka Oblast Mykolajiw UkraineSTERBEDATUM 6 November 2010STERBEORT Caserta Italien Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Michael Seifert amp oldid 235028476