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Der sogenannte Schrank der Schande italienisch Armadio della vergogna war ein brauner Holzschrank der sich im Palazzo Cesi dem Sitz der Allgemeinen Militaranwaltschaft in Rom befand 1960 wurden in diesem Schrank Akten uber deutsche Kriegsverbrechen in Italien wahrend des Zweiten Weltkrieges provisorisch archiviert Um einen Zugriff auf den Inhalt zu erschweren bzw unmoglich zu machen war der versiegelte Schrank mit der Tur zu einer Wand gestellt und mit einem Eisengitter abgesichert worden Die Wiederentdeckung der Akten 1994 hatte eine Serie von Gerichtsprozessen zur Folge Ein Journalist der Wochenzeitung L Espresso verwendete erstmals den Begriff Schrank der Schande Palazzo Cesi Sitz der Allgemeinen Militaranwaltschaft Uffici giudiziari militari superiori Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Prozesse nach 1994 3 Verfilmungen 4 Siehe auch 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenNach dem Waffenstillstand von Cassibile zwischen Italien und den Alliierten vom September 1943 verubten deutsche Truppen zahlreiche Kriegsverbrechen an ihren fruheren Verbundeten Hierzu zahlten Massenexekutionen wie auf der griechischen Insel Kefalonia die Misshandlung und Ausbeutung italienischer Soldaten als sogenannter Militarinternierter die Deportation und Ermordung italienischer Juden in den Vernichtungslagern im Osten sowie Massaker an weiteren Zivilisten beispielsweise in den Ardeatinischen Hohlen sowie in Sant Anna di Stazzema und Marzabotto 1 Nach Forderungen insbesondere von Organisationen des italienischen Widerstands untersuchte das Aussenministerium der Regierung unter Ivanoe Bonomi ab November 1944 die von deutschen Truppen in Italien verubten Massaker Im Sommer 1945 setzte sich die Vorstellung durch die Kriegsverbrechen von der italienischen Militarjustiz verfolgen zu lassen Dementsprechend wurden im August 1945 die vorhandenen Unterlagen an die Militargeneralstaatsanwaltschaft ubergeben Seitens der Alliierten bestanden Vorbehalte Italien die Verurteilung von Kriegsverbrechen zu uberlassen insbesondere Grossbritannien sah das Land weiterhin als besiegte Nation 1947 und 1948 verurteilten britische Militargerichte Verantwortliche fur das Massaker in den Ardeatinischen Hohlen sowie hochrangige deutsche Offiziere darunter den Oberbefehlshaber der deutschen Truppen in Italien Albert Kesselring Dabei verhangte Todesurteile wurden nicht vollstreckt bis 1952 wurden alle Verurteilten vorzeitig freigelassen 2 Einer Untersuchung der italienischen Militarjustiz von 1999 zufolge kam es zwischen 1947 und 1965 zu 13 Prozessen gegen deutsche Kriegsverbrecher mit 25 Angeklagten 3 Dabei liess nach der Grundung der Bundesrepublik Deutschland 1949 die Scharfe der Strafverfolgung nach es kam vermehrt zu Freispruchen und erheblichen Strafnachlassen so dass sich 1952 mit Herbert Kappler und Walter Reder nur noch zwei Verurteilte in Haft befanden 4 Im Vergleich zu Landern wie Frankreich und Danemark war die Zahl der Prozesse in Italien ausgesprochen gering wofur vier Grunde genannt werden 5 Direkt nach Kriegsende zogerten italienische Behorden bei den Alliierten die Uberstellung von Kriegsverbrechern zu beantragen die zu dieser Zeit haufig noch in Italien interniert waren Italienische Behorden sahen bereits 1946 die Gefahr eines Bumerang Effekts und befurchteten dass die Forderung nach Uberstellung deutscher Kriegsverbrecher die Forderung nach Uberstellung italienischer Kriegsverbrecher beispielsweise nach Jugoslawien zur Folge haben konnte 1947 anderten die Alliierten ihre Haltung und uberstellten mutmassliche deutsche Kriegsverbrecher nur noch selten nach Italien Nach der Grundung der Bundesrepublik 1949 anderte sich das deutsch italienische Verhaltnis insbesondere die Regierung unter Alcide De Gasperi strebte enge Beziehungen an 1956 blockierten Aussenminister Gaetano Martino und Verteidigungsminister Paolo Emilio Taviani ein Auslieferungsgesuch eines Militargerichts an Deutschland um Auswirkungen auf die deutsche Debatte um die Wiederbewaffnung zu vermeiden 1960 ordnete der damalige Allgemeine Militarstaatsanwalt Enrico Santacroce die provisorische Archivierung von Unterlagen uber nationalsozialistische Kriegsverbrechen in Italien an Circa 2000 Aktenbundel wurden daraufhin in besagtem Schrank eingelagert Von 1965 bis 1968 wurden hiervon insgesamt etwa 1300 Akten an Staatsanwaltschaften abgegeben Dabei handelte es sich jedoch um Verfahren gegen Unbekannt mit denen keine Anklage erhoben werden konnte 6 Etwa 20 Akten wurden an Deutschland ausgehandigt 7 695 Dossiers in denen die Namen von 415 mutmasslichen Kriegsverbrechern genannt wurden blieben hingegen weiter der Offentlichkeit verborgen 6 In der Zeit der Archivierung der Akten kam es nur zu wenigen Kriegsverbrecherprozessen in Italien so 1979 zu einem Verfahren gegen Josef Oberhauser und Dietrich Allers wegen der Morde im Konzentrationslager Risiera di San Sabba und 1994 zu einem Verfahren gegen Wolfgang Lehnigk Emden wegen des Massakers von Caiazzo Oberhauser und Lehnigk wurden in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt Allers starb kurz nach Prozessbeginn 8 Wahrend seiner Ermittlungen im Fall des SS Offiziers Erich Priebke stiess Militarstaatsanwalt Antonino Intelisano der fur den Distrikt Rom zustandig war und nicht der Generalbehorde angehorte 1994 durch Zufall auf die verschwundenen Akten Als er bei der Generalstaatsanwaltschaft Unterlagen anforderte offnete ein Justizbeamter den vergessenen Schrank und entdeckte haufenweise vergilbte Schriftstucke die dann ohne dass man die Offentlichkeit davon informierte an die ortlichen Staatsanwaltschaften verschickt wurden Der Militarstaatsanwalt in Rom Intelisano bekam 129 Verfahren zugeteilt 214 Verfahren gingen nach La Spezia und 108 Verfahren nach Verona 9 1998 wurde die Archivierung nach Abschluss der Untersuchungen des Militargerichtsrates als rechtswidrig erachtet 10 7 11 Das italienische Parlament setzte einen Untersuchungsausschuss ein der sich jedoch im Februar 2006 nicht auf einen gemeinsamen Abschlussbericht einigen konnte Der Mehrheitsbericht verabschiedet von den Mitte rechts Parteien konnte keine politischen Motive fur eine Prozessverschleppung erkennen und erklarte die Archivierung der Akten mit Nachlassigkeit und Oberflachlichkeit der Verantwortlichen in der Militarjustiz Der Minderheitsbericht der Mitte links Parteien konnte keine individuelle Beteiligung von Politikern nachweisen beklagte aber die geringe Kooperationsbereitschaft verschiedener Behorden und forderte alle Dokumente zu Kriegsverbrechen offentlich zuganglich zu machen 12 Prozesse nach 1994 BearbeitenProzess gegen Theo Saevecke in Turin wegen einer Massenerschiessung auf dem Mailander Loreto Platz Piazzale Loreto Prozess gegen Friedrich Engel in Turin wegen des Massakers am Turchino Pass Passo del Turchino und weiterer Blutbader in Ligurien Am 19 Mai 1944 wurden bei einem Partisanenanschlag gegen ein Soldatenkasino funf Wehrmachtsangehorige getotet Als Vergeltungsmassnahme liess Engel 59 Gefangene aus dem Marassi Gefangnis am Turchino Pass erschiessen Prozess gegen Michael Seifert in Verona wegen der Morde im Durchgangslager Bozen Prozesse gegen zehn Mitglieder der Waffen SS vor einem Militargericht in La Spezia wegen des Massakers von Marzabotto in der Apenninen Gemeinde Marzabotto bei Bologna in der Emilia Romagna Paul Albers Josef Baumann Jahrgang 1926 Hubert Bichler inzwischen verstorben Max Roithmeier inzwischen verstorben Max Schneider Jahrgang 1925 Heinz Fritz Traeger Jahrgang 1923 2010 Georg Wache Jahrgang 1921 Helmut Wulf Jahrgang 1923 Adolf Schneider Jahrgang 1920 Kurt Spieler Jahrgang 1926 Zwischen dem 29 September und dem 1 Oktober 1944 zerstorten Einheiten der 16 SS Panzergrenadier Division Reichsfuhrer SS und der deutschen Wehrmacht die gesamte Region und toteten uber 770 Zivilisten laut einigen Quellen bis zu 1836 Personen vor allem alte Manner Frauen und Kinder Prozesse gegen zehn Mitglieder der Waffen SS vor einem Militargericht in La Spezia wegen des Massakers im toskanischen Bergdorf Sant Anna di Stazzema in den apuanischen Alpen bei Lucca wo im Sommer 1944 mehr als 500 Bewohner erschossen wurden Folgende Personen wurden nach italienischem Recht verurteilt Karl Gropler Georg Rauch Gerhard Sommer Alfred Schoneberg Ludwig Heinrich Sonntag Alfred Mathias Concina Horst Richter Werner Bruss rechtskraftig 13 Heinrich Schendel rechtskraftig 13 Ludwig Goring rechtskraftig 13 In Deutschland hat dieses Urteil allerdings keine praktische Bedeutung so dass keiner der Angeklagten bisher eine Strafe verbussen musste Dazu ware eine Verurteilung vor einem deutschen Gericht notwendig die allerdings aufgrund der deutschen Rechtslage als unwahrscheinlich gilt 14 Prozess gegen den SS Offizier Hermann Langer vom 8 Juli bis zum 10 Dezember 2004 in La Spezia wegen des Massakers in einem toskanischen Kloster der Kartause von Farneta Certosa di Farneta in der Nahe der Stadt Lucca Langer hatte bei einer Razzia entdeckt dass Monche einige Fluchtlinge darunter auch Juden versteckt gehalten hatten und deshalb die Erschiessung von 60 Menschen befohlen Prozess wegen des Massakers auf Kefalonia Prozess wegen des Massakers in den Ardeatinischen HohlenVerfilmungen BearbeitenDer italienische Dokumentarfilm Die Geige aus Cervarolo uber das Massaker an italienischen Zivilisten durch deutsche Truppen im Fruhjahr 1944 im Reggianer Apennin nimmt bei seiner Darstellung des Prozesses in Verona die Hintergrundgeschichte des Schrankes der Schande auf Siehe auch BearbeitenListe von Massakern in der Zeit der deutschen Besetzung ItaliensLiteratur BearbeitenFilippo Focardi Das Kalkul des Bumerangs Politik und Rechtsfragen im Umgang mit deutschen Kriegsverbrechen in Italien In Norbert Frei Transnationale Vergangenheitspolitik Der Umgang mit deutschen Kriegsverbrechern in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg Wallstein Gottingen 2006 ISBN 978 3 89244 940 9 S 536 566 Christiane Kohl Der Himmel war strahlendblau Vom Wuten der Wehrmacht in Italien Reportagenband Picus Wien 2004 ISBN 978 3 85452 484 7 Weblinks BearbeitenBerichte des Untersuchungsausschusses des Italienischen Parlaments vom Februar 2006 italienisch Minderheitenbericht der Parlamentarischen Kommission zum sogenannten Schrank der Schande bei der Stadt Bozen Portale di Sant Anna di Stazzema Die Massaker der Nazis und Faschisten Georg Bonisch Carsten Holm Hans Jurgen Schlamp Schrank der Schande In Der Spiegel Nr 17 2001 S 56 58 online Informationen uber den Schrank der Schande agfossoli deEinzelnachweise Bearbeiten Focardi Kalkul des Bumerangs S 536f Focardi Kalkul des Bumerangs S 539 545 Focardi Kalkul des Bumerangs S 548f Focardi Kalkul des Bumerangs S 547 552 Focardi Kalkul des Bumerangs S 549 552 a b Focardi Kalkul des Bumerangs S 560 a b Georg Bonisch Carsten Holm Hans Jurgen Schlam Schrank der Schande In Der Spiegel Nr 17 2001 S 56 58 online Den Autoren des Spiegelbeitrags lag eine interne Untersuchung der italienischen Militarjustizbehorden vor Focardi Kalkul des Bumerangs S 562 Focardi Kalkul des Bumerangs S 561 Bericht aus der Bibliothek des Bozner Stadtarchivs von Carla Giacomozzi Guido Salvini uber den Schrank der Schande 1960 1994 Schrank der Schande unter www gemeinde bozen it Wolfgang Most Der Schrank im Palazzo Cesi Spate Prozesswelle gegen ehemalige deutsche Soldaten in Italien Memento vom 26 November 2013 imInternet Archive bei www resistenza de Focardi Kalkul des Bumerangs S 563 a b c Frankfurter Rundschau Haftbefehle gegen Ex SS Manner beantragt 26 Juni 2007 Archivierte Kopie Memento des Originals vom 30 Oktober 2018 im Internet Archive nbsp Info Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft Bitte prufe Original und Archivlink gemass Anleitung und entferne dann diesen Hinweis 1 2 Vorlage Webachiv IABot www broschuere resistenza de Das Massaker von Sant Anna di Stazzema am 12 August 1944 Materialiensammlung 1 fur eine bundesweite Kampagne zur Anklageerhebung in Deutschland S 26 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schrank der Schande amp oldid 232149437