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Matthias Waibel Ende des 15 Jahrhunderts in Martinszell 7 September 1525 bei Leutkirch im Allgau war ein katholischer Priester der sich als Prediger der Reformation zu Beginn der Bauernkriege gegen die Obrigkeit stellte und schliesslich als Martyrer starb Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Die Reformation im Allgau 3 Der Bauernkrieg im Allgau 4 Waibels Tod 5 Legendenbildung Heiligenverehrung und Vergessen 6 Literatur 7 Einzelnachweise 8 WeblinksLeben BearbeitenMatthias Waibel wurde Ende des 15 Jahrhunderts als Bauernsohn in Martinszell im Allgau geboren Sein genaues Geburtsjahr ist nicht bekannt da im 15 Jahrhundert Kirchenbucher im Allgemeinen noch nicht gefuhrt wurden schon gar nicht in kleinen Landpfarreien Auch aus anderen Unterlagen z B des Staatsarchivs Augsburg lassen sich hierzu keine Ruckschlusse ziehen Aufgewachsen in einem glaubigen aber armen Elternhaus musste er schon als kleiner Junge seinem Vater Hans Waibel als Viehhirte helfen Wohl auf Grund seiner aussergewohnlichen Begabung durfte er auf Kosten eines Kemptener Burgers die dortige Lateinschule besuchen 1515 schickte ihn der Furstabt Johann Rudolf von Raitenau 1507 1523 fur vier Jahre zum Theologiestudium auf die Wiener Universitat Vermutlich erfolgte seine Priesterweihe 1519 in Konstanz da sein Heimatort damals zum Bistum Konstanz gehorte Anschliessend wurde er Pfarrvikar der Stiftskirche St Lorenz in Kempten sowie Schulmeister an der Lateinschule des Stifts und war sechs Jahre lang der eigentliche Seelsorger der Pfarrei Die Reformation im Allgau BearbeitenAls Bauernsohn kannte Waibel die Not der Bauern und ihre Unterdruckung durch die Kemptener Furstabte die die geistliche und weltliche Macht ausubten Etwa 1520 hatte Luthers Gedankengut und seine Lehre das Allgau mit Schwerpunkt in Memmingen erreicht Viele Pfarrer in Stadt und Land begannen im Sinne der neuen Lehre zu predigen z B die Prediger in der reichsstadtischen Kemptener St Mang Kirche Sixtus Rummel seit 1507 Pfarrer von St Mang und Jakob Haistung Auch Matthias Waibel bekannte sich zu Luthers Lehre und wurde einer der wichtigsten Verbreiter der Reformation im Allgau Trotz heftiger Anfeindungen durch die Stiftsherren lehrte er die Rechtfertigung des Menschen allein durch den Glauben ohne Werke und stellte so einen grossen Teil der herkommlichen Frommigkeitspraxis Wallfahrten und Prozessionen Fasten und Abstinenz Weihrauch Kerzen und Ewig Licht Opfer in Frage Wie die anderen Reformprediger forderte er u a ein Ende des Ablasshandels die Predigt in deutscher Sprache und die Austeilung des Abendmahls in beiderlei Gestalt Aber Waibel ging noch weiter Als am 10 Mai 1523 die Gebeine der Stiftspatrone Gordianus und Epimachus in feierlicher Prozession aus der Lorenzkirche in die Marienkapelle auf der Schweigwiese getragen wurden nutzte Waibel die Anwesenheit der vielen Glaubigen um gegen die leichtfertige Selbstsicherheit derer zu predigen die sich aus dem Erwerb des an diesem Tage angebotenen Ablasses Vergebung ihrer Sunden einreden liessen Die Stiftsherren aber kritisierten Waibels Beeintrachtigung der Ablasspredigt denn an den Ablassgeldern waren sie prozentual beteiligt Zum offenen Streit zwischen dem Stift und seinem Vikar kam es dann wenige Tage spater anlasslich der ersten Messfeier des neuen Furstabtes Sebastian von Breitenstein 1523 1535 dessen Verhalten Waibel von der Kanzel herab als unchristlich anprangerte Er forderte den Furstabt offentlich auf seinen feudalen Lebensstil einzuschranken und im Sinne der Bruderliebe christlich zu teilen Er verglich in seiner Predigt die selbstherrliche Regierung der Kemptener Abte mit dem Anspruch der Heiligen Schrift Ein Bischof soll untadelig sein als ein Haushalter Gottes Tit 1 7ff In der darauffolgenden Auseinandersetzung entging Waibel nur dadurch knapp einem Attentat durch den aufgebrachten Bruder des Furstabtes weil der reichsstadtische Burgermeister Gordian Seuter und der Ratsschreiber ihn daran hindern konnten und Freunde Waibel heimlich versteckten Daraufhin verlor er sein Amt in St Lorenz wurde aber in St Mang als Pfarrer angestellt und konnte hochgeachtet beim Volk einstweilen weiterhin Seelsorgedienste leisten Am 6 Oktober 1524 versuchte er zusammen mit den Reformpredigern Jakob Haistung und Sixtus Rummel den als seit August 1523 als Guardian und Prediger im Franziskanerkloster Lenzfried wirkenden Franziskanerobservant Johannes Winzler der schon in Nurnberg und Basel gegen religiose Neuerungen gekampft hatte fur eine in Kempten einvernehmliche neue Lehre zu gewinnen damit das Christenvolk nicht durch widerspruchliche Predigt verunsichert werde Es kam zu einem Streitgesprach uber die Anrufung und Furbitte der Mutter Gottes und der Heiligen sowie uber die Klostergelubde Die auch schriftlich fortgesetzte theologische Diskussion in der Waibel und seine Mitstreiter auf die reformatorische Forderung unbedingter Schriftgemassheit verwiesen verlief ergebnislos und fand ein jahes Ende durch den Bauernkrieg Der Bauernkrieg im Allgau BearbeitenAls der neue Kemptener Abt Sebastian von Breitenstein im Herbst 1524 eine neue zusatzliche Kriegssteuer ausschrieb um seinen erhohten Verpflichtungen gegenuber dem Schwabischen Bund nachkommen zu konnen beschlossen die stiftkemptischen Bauern unter Leitung von Jorg Knopf von Leubas eine formelle Beschwerde bei eben demselben Schwabischen Bund Am 24 Februar 1525 schlossen sich den aufstandischen Allgauer Bauern auch die stiftkemptischen an und ubernahmen von diesen auch die religiose Begrundung fur ihr Tun Der Bauernkrieg war fur das Stift verhangnisvoll Die aufruhrerischen Bauern bemachtigten sich am Aschermittwoch 1525 des Klosters plunderten es grundlich aus vernichteten die wertvolle stiftische Bibliothek samt den Urkunden und machten selbst vor den Altaren und Heiligtumern des Gotteshauses nicht halt Der Abt Sebastian von Breitenstein wurde gefangen genommen und fur fast zwei Jahre vertrieben er floh auf die Burg Liebenthann bei Obergunzburg Seine Rechte und die Vogtei die das Stift besass musste er fur 30 000 Gulden an die Stadt abtreten wodurch sich Kempten aller furstabtlich katholischer Abhangigkeit entledigen konnte Dieser Vertrag mit Datum vom 6 Mai 1525 ist als Grosser Kauf in die Geschichte der Stadt Kempten eingegangen Im Martinszeller Vertrag wurden am 25 Oktober 1525 dem Furstabt weitere Zugestandnisse abgenotigt trotzdem hatte die Bevolkerung weiter unter seiner Habsucht zu leiden Waibels Tod BearbeitenIm Marz 1525 verabschiedete die Christliche Vereinigung in Memmingen die Zwolf Artikel gemeiner Bauernschaft Matthias Waibel der grossen Ruckhalt in weiten Kreisen der aufstandischen Bevolkerung besass wandte sich in seinen Predigten gegen Gewalt und Krieg war auf Aussohnung mit der Obrigkeit bedacht und wurde von den Allgauer Bauern als einer von 14 Theologen benannt deren Schiedsspruch sie anerkennen wurden Das machte ihn erneut verdachtig Um offentlichen Aufruhr gegen eine gewaltsame Festnahme des beim Volk hochgeachteten Vikars zu vermeiden wurde Waibel heimlich beim Hauptmann des Schwabischen Bundes Georg Truchsess von Waldburg Zeil als Radelsfuhrer der Kemptener Bauernunruhen verklagt vermutlich von Furstabt Breitenstein selbst Am 27 August 1525 wurde der ahnungslose Geistliche trotz der Warnung seiner Freunde durch arglistige Tauschung seines Mesners der ihn zu einer Taufe ausserhalb der Stadt rief in einen Hinterhalt gelockt und uberfallen Der durch einen Stich Schwerverletzte wurde nach Leutkirch ins Gefangnis geschleift Eine Petition der Kemptener Burger beim Furstabt und dem Hauptmann von Kempten war fruchtlos Noch aus dem Gefangnisfenster heraus soll Waibel seine Anhanger getrostet und ihnen das Evangelium verkundigt haben Am 7 September 1525 nach zwolftagiger Gefangenschaft in Leutkirch wurde er von Scharfrichter Berthold Aichelin dem beruchtigten Ulmer Profoss des Jorg Truchsess ohne Gerichtsverfahren nahe dem funf Kilometer nordwestlich gelegenen Reichenhofen an einer Buche erhangt und starb nach der Uberzeugung seiner Anhanger als Martyrer seines Glaubens Sein Leichnam wurde von mutigen Leutkirchenern in der Feldkapelle St Wolfgang bei Reichenhofen begraben Am Rande sei vermerkt dass nicht nur Matthias Waibel wegen seiner Rolle im Bauernkrieg bestraft worden ist sondern auch sein wohl enger Verwandter Hans Waibel Wirt zu Martinszell der zeitweilig auf Burg Wolkenberg eingekerkert war weil er bauerlichen Radelsfuhrern zur Flucht verholfen hatte Am 23 Juni 1526 wurde er entlassen nachdem er Urfehde Versprechen sich nicht zu rachen geschworen hatte Legendenbildung Heiligenverehrung und Vergessen BearbeitenWohl in Anlehnung an den Tod Jesu Lk 23 46 und den ersten christlichen Martyrer Stephanus Apg 7 58 sind als Waibels letzte Worte uberliefert Vater Dir befehle ich meinen Geist Wollest meinen Tod nit rachen an meinen Feinden Hiervon kundet auch ein 37 strophisches Versgedicht das kurz nach seinem Tode entstand und bis heute die wichtigste wenn auch poetisch verklarte Quelle seines Lebens und Sterbens geblieben ist In der Reformationsgeschichte der Altstadt Kempten Dr Ph Jakob Karrer Kempten 1822 lesen wir Am Tage vor Maria Geburt den 7 Sept endigt er sein Leben ohne verhort geworden zu sein 5 6 Tage blieb er hangen endlich begruben ihn 2 Burger von Leutkirch nachdem sie vorher bei Martin Forstenhauser damaligen Vogt zu Zeil um Erlaubniss gebeten in eine Kapelle auf der Haide St Wolfgang genannt Doch blieben seine Gebeine auch da nicht in Ruhe Im Jahre Christi 1610 wurde diese Kapelle erweitert und sollte von dem damaligen Weihbischof zu Konstanz geweihet werden der sich aber so lange weigerte bis die Gebeine Waibels ausgegraben wurden darauf sie in einen alten Fischkorb gelegt und unter dem Baume an dem er sein ruhmvolles Leben geendet begraben worden sind Diese Geschichte gab dem einfaltigen Pobel Stoff zum Aberglauben und Wundern Man wallfahrte stark zu seinem Grabe und gab vor dass Kranke durch die auf seinem Grabe befindlichen Erde gesund wurden Die Sage soll dahin gestellt sein dass keiner so zu seinem Tode geholfen eines rechten naturlichen Todes gestorben sei Seine gehaltenen kraftvollen Predigten des reinen Evangellii wirkten machtig auf die Gemuther und Herzen seiner Zuhorer und der fleissige und oftere Umgang mit diesem Manne erweckte in vielen Bewohnern Kemptens eine brunstige Begierde nach der reinen Lehre des gottlichen Worts 1925 wurde Matthias Waibel Ein Volksschauspiel in funf Aufzugen von A Winkler Buchenau Bayern verfasst Heute gibt es nur noch wenige Reminiszenzen an ihn Seine herausragende Bedeutung fur die Reformation im Allgau droht der Vergessenheit anheimzufallen da er offenbar seit der Gegenreformation totgeschwiegen wurde Nur ein kleines Emblem an einer Martinssaule vor dem katholischen Pfarrsaal in seinem Geburtsort Martinszell erinnert noch an ihn Bisher ist in dem weitgehend katholisch gepragten Allgauer Umland nirgends eine Strasse oder ein Platz nach ihm benannt worden Allerdings erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland mit einem Gedenktag im Evangelischen Namenkalender am 6 September an Matthias Waibel 1 1997 wurde durch die Initiative der Waltenhofener Evangelischen Kirchengemeinde beim Martinszeller Dorffest anlasslich der 500 jahrigen Wiedereinweihung der dortigen katholischen Kirche in einem Singspiel und einem Informationsblatt Matthias Waibels gedacht Literatur BearbeitenReformationsgeschichte der Altstadt Kempten herausgegeben von Dr Ph Jakob Karrer Kempten 1822 Manuskript Matthias Waibel Volksschauspiel in funf Aufzugen von A Winkler Buchenau Bayern 1925 Faksimile der Kemptener Zeitung Nachrichten fur die freie Reichsstadt 1527 Herausgeber Evang Luth Gesamtkirchengemeinde Kempten 1977 Johann Bapt Haggenmuller Geschichte der Stadt und der gefursteten Grafschaft Kempten Verlag Tobias Dannheimer Kempten 1988 ISBN 3 88881 009 4 Nachdruck der Ausgabe von 1840 Digitalisat Volker Dotterweich u a Hrsg Geschichte der Stadt Kempten Verlag Tobias Dannheimer Kempten 1989 ISBN 3 88881 011 6 Peter Blickle Der Kemptener Leibeigenschaftsrodel In Zeitschrift fur bayerische Landesgeschichte Band 42 Munchen 1979 S 567 629 Nur mit dem Worte sollt Ihr streiten nit mit Sensen und Spiessen oder wer war Matthias Waibel Faltblatt von Thomas Glaser Evangelische Kirchengemeinde Waltenhofen 1997 Ballade uber Matthias Waibel den Bauernsohn aus Martinszell von Karin Schaber Evangelische Kirchengemeinde Waltenhofen 1997 Brief des Staatsarchivs Augsburg vom 24 April 1997 an Th Glaser Martinszell Waltenhofen gestern und heute Chronik von Waltenhofen von Dr Erich Knoll S 58 u 59 Gemeinde Waltenhofen 2005 Erb Jorg Die Wolke der Zeugen Lesebuch zu einem evangelischen Namenkalender Band 3 Johannes Stauda Verlag Kassel 1952Einzelnachweise Bearbeiten Matthias Waibel im Okumenischen HeiligenlexikonWeblinks BearbeitenDie Mauer von Kempten Zwischen Zwingli Luther und dem Furstabt wie die Stadt im Allgau evangelisch wurde Alt Kempten Geschichtliche Streifzuge zur Forderung der Heimatkunde von M Kellenberger 1913 so het er sy annders gehaltenn denn frey zinser Zur sozialen Situation der Allgauer Bauern im 15 und 16 Jahrhundert PDF Datei 33 kB Informationen rund um das Kirchenjahr by Dr Martinus Matthias Waibel Der grosse Bauernkrieg 1525 in OstwurttembergNormdaten Person GND 1076580882 lobid OGND AKS VIAF 317278451 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Waibel MatthiasKURZBESCHREIBUNG ReformatorGEBURTSDATUM 15 JahrhundertGEBURTSORT MartinszellSTERBEDATUM 7 September 1525STERBEORT Reichenhofen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Matthias Waibel amp oldid 206071414