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Die Kampagne Kampf dem Atomtod war eine ausserparlamentarische Protestbewegung in Westdeutschland gegen die seinerzeit geplante Ausrustung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen Sie entstand seit April 1957 und war bis August 1958 in einzelnen Gruppen auch bis Januar 1959 Studentenkongress gegen Atomrustung aktiv Sie gilt als eine Vorlauferin spaterer Protestbewegungen darunter der Ostermarsch Bewegung und der Studentenbewegung der 1960er Jahre 1 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 1 1 Wettrusten und Militarstrategien 1 2 Erste europaische Initiativen gegen Atomrustung 2 Anlass 3 Verlauf 4 Ruckzug und Abbruch 5 Historische Einordnung 6 Siehe auch 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenWettrusten und Militarstrategien Bearbeiten Die Problematik der Atomwaffen war seit den Atombombenabwurfen auf Hiroshima und Nagasaki im August 1945 weltweit unubersehbar geworden Damit begann das vor allem atomare Wettrusten zwischen den USA und der Sowjetunion das den Kalten Krieg bestimmte Seit dem Koreakrieg 1950 1953 drohten die USA der Sowjetunion und der Volksrepublik China im Falle eines expansiven Angriffs massive Vergeltung an das hiess auch atomare Gegenschlage auf ihr Kernland Die 1949 gegrundete NATO wurde in diese Militarstrategie eingebunden 1954 erreichte die Sowjetunion ein Atompatt bei strategischen also gegen die USA selbst einsetzbaren Atom und Wasserstoffbomben Daraufhin begannen die USA taktische Atomsprengkopfe Atombomber und atomar bestuckbare Kurz und Mittelstreckenraketen in verschiedenen Staaten Westeuropas darunter Westdeutschland aufzustellen Diese sollten das sowjetische Ubergewicht bei konventionellen Panzer und Truppenverbanden in Europa ausgleichen ohne die USA sofort vor die Wahl eines Weltkriegs mit der Sowjetunion oder Kapitulation zu stellen Am 23 Oktober 1954 trat die Bundesrepublik der NATO bei Die Pariser Vertrage verpflichteten sie auf westdeutschem Gebiet niemals ABC Waffen herzustellen Zugleich erhielt sie militarpolitische Souveranitat im Rahmen des NATO Rats Die 1955 gebildete Bundeswehr ware als Teil der NATO jedoch unter Umstanden an einem Atomkrieg beteiligt worden Das Manoverplanspiel Carte Blanche zeigte den bundesdeutschen Militars im Juni 1955 was der Einsatz von taktischen Atomwaffen fur ihr Land bedeuten wurde Es ergab eine fiktive Verlustziffer von 1 7 Millionen getoteten und 3 5 Millionen verwundeten Deutschen ohne die Auswirkungen der Radioaktivitat mitzuberechnen Seit 1953 drangten Frankreich und Grossbritannien auf eine Ausrustung ihrer Teilstreitkrafte mit Atomwaffen Hauptgrund war dass diese billiger waren als die 1954 beschlossene konventionelle Aufrustung der NATO um 96 Divisionen Der NATO Rat bezog die Verwendung von Atommunition seit 1954 in seine Planungen ein Seit Dezember 1955 berichteten westdeutsche Tageszeitungen dass eine atomare Ausrustung der Bundeswehr fruher oder spater vorgesehen sei Im September 1956 meldeten US amerikanische Tageszeitungen die Bonner Regierung fordere Atomwaffen fur die Bundeswehr Im Dezember 1956 erklarte der US Verteidigungsminister sein Land sei prinzipiell bereit den westeuropaischen Verbundeten taktische Atomraketen zu liefern Nur Tage spater erklarte Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauss die Atombewaffnung der Bundeswehr sei bereits beschlossen Damit wollte die Bundesregierung parallelen Planen des britischen Aussenministers Anthony Eden zu einem allmahlichen militarischen disengagement der Supermachte in Zentraleuropa vom Dezember 1955 und sowjetischen Vorschlagen zu einer atomwaffenfreien Zone Mitteleuropa vom Marz 1956 die der polnische Aussenminister Adam Rapacki im Oktober 1957 konkretisierte Rapacki Plan zuvorkommen 2 Erste europaische Initiativen gegen Atomrustung Bearbeiten Schon im Fruhjahr 1950 gab eine von kommunistischen Parteien Westeuropas getragene Weltfriedensbewegung einen Stockholmer Appell heraus der die Vernichtung aller Vorrate an Atomwaffen und die Einstellung ihrer Produktion forderte Der Aufruf sprach von Regierungen die heute die Entfesselung eines Atomkriegs vorbereiten und erreichen wollen dass die Volker dies als unabwendbar hinnehmen und rief zum Widerstand dagegen auf In der Bundesrepublik Deutschland wurde das Problem der Atomrustung erst Jahre spater diskutiert Bei der ab 1949 entstandenen Opposition gegen die Wiederbewaffnung spielte dieses Thema noch kaum eine Rolle Erst seit die Aufstellung atomarer Kurzstreckenraketen in Westeuropa bekannt wurde hauften sich Aufrufe gegen die Atomrustung im Allgemeinen noch ohne die mogliche atomare Ausrustung der NATO und Bundeswehr zu thematisieren Nach Umfragen im April 1954 lehnten etwa 39 Prozent der befragten Bundesdeutschen die Aufstellung von Atomwaffen auf deutschem Boden ab Der Rat der EKD forderte im Mai 1954 einen allgemeinen Stopp des atomaren Wettrustens ihm folgte die Vollversammlung des ORK im August 1954 Ein von der westdeutschen KPD alsbald organisierter Aufruf gegen die Vorbereitung des Atomkriegs vom Januar 1955 erzielte nach Angaben der Initiatoren einige Hunderttausend Unterschriften Am 9 Juli 1955 rief Bertrand Russell in Grossbritannien zur Achtung eines kunftigen Weltkriegs auf da dieser unausweichlich mit Massenvernichtungsmitteln ausgetragen werden wurde Seinen Aufruf unterzeichneten auch Max Born Albert Einstein sowie weitere Physiker Am 25 September 1955 rief der Verband Deutscher Physikalischer Gesellschaften die Regierungen aller Volker zum freiwilligen Verzicht auf Gewalt als letztes Mittel der Politik auf da dieses letzte Mittel angesichts der faktisch vollzogenen Einbeziehung von Atomwaffen Selbstvernichtung bedeuten wurde Im Juni 1956 rief die Synode der EKD mit einer von Heinrich Vogel verfassten Erklarung alle Christen auf sich nicht an Entwicklung und Herstellung von Massenvernichtungsmitteln zu beteiligen Im selben Monat grundete sich auf Initiative des Arztes Bodo Manstein in Detmold der Kampfbund gegen Atomschaden Diese erste westdeutsche Organisation zu diesem Thema forderte die Einstellung aller Atomtests ein Verbot der Herstellung und Anwendung aller Atomwaffen und die Forderung eines Zivilschutzes gegen radioaktive Gefahren 3 Anlass BearbeitenAusloser der Bewegung Kampf dem Atomtod waren Plane der damaligen CDU CSU gefuhrten Bundesregierung zur Ausrustung der Bundeswehr mit sogenannten taktischen auf dem Gefechtsfeld einzusetzenden Atomsprengkopfen und Abschussbasen fur atomare Kurzstreckenraketen Diese Plane wurden durch ein Interview von Bundeskanzler Konrad Adenauer am 5 April 1957 bekannt in dem er diese Atomwaffen als Weiterentwicklung der Artillerie darstellte Daraufhin veroffentlichten 18 fuhrende deutsche Atomwissenschaftler unter Federfuhrung von Otto Hahn und Carl Friedrich von Weizsacker am 12 April 1957 den Gottinger Appell der auf die Zerstorungskraft dieser Waffen hinwies und vor den militarischen und politischen Folgen der Atombewaffnung warnte 4 Verlauf BearbeitenIm weiteren Verlauf bildete sich ein breites Bundnis von SPD DGB FDP Vertretern der vormaligen Gesamtdeutschen Volkspartei der EKD des Linkskatholizismus Wissenschaftlern und Schriftstellern gegen die Atombewaffnung Sie bildeten am 22 Februar 1958 einen zentralen Arbeitsausschuss der am 10 Marz die Bevolkerung in einem bundesweiten Aufruf unter dem Titel Kampf dem Atomtod zum Widerstand aufrief Der Deutsche Bundestag erlaubte mit der Stimmenmehrheit der CDU CSU Fraktion jedoch am 25 Marz 1958 die Aufstellung solcher Waffen unter dem Oberbefehl der NATO in der Bundesrepublik Daraufhin grundeten sich zahlreiche lokale und regionale Arbeitsausschusse der Kampagne die in Eigenregie zahlreiche Demonstrationen Mahnwachen Gottesdienste und Plakataktionen durchfuhrten In den meisten westdeutschen Grossstadten kam es im Fruhjahr 1958 zu Massenkundgebungen mit insgesamt etwa 1 5 Millionen Teilnehmern Zu den prominenten Unterstutzern gehorte auch Martin Niemoller 5 Zudem kam es in vielen Betrieben zu politischen Streiks unter anderem in Bremerhaven und im Volkswagenwerk Kassel Nach Meinungsumfragen lehnten nun bis zu 83 Prozent der westdeutschen Bevolkerung Atomwaffen fur die Bundeswehr und auf deutschem Boden ab 52 Prozent befurworteten Streiks zu ihrer Verhinderung Ruckzug und Abbruch BearbeitenDie Fuhrungen von DGB und SPD lehnten solche Streiks ab und bevorzugten das Mittel einer Volksbefragung Diese verbot das Bundesverfassungsgericht am 30 Juli 1958 als verfassungswidrig 6 Daraufhin brachen die Initiatoren die Kampagne ab Im Dezember 1958 entschied der NATO Rat dass nur die USA das Schlusselrecht zum Einsatz von Atomwaffen von Westeuropa und Westdeutschland aus erhalten sollten Die bereits stationierten atomaren Kurzstreckenraketen blieben unter dem Oberbefehl der US Armee Die Bundeswehr sollte vor allem auf Wunsch der Regierung Frankreichs unter Charles de Gaulle nicht uber eigene Atomwaffen verfugen 7 Damit entfiel der unmittelbare Anlass der Kampagne die mogliche Atombewaffnung der Bundeswehr nicht jedoch die der NATO Historische Einordnung BearbeitenHeinrich August Winkler urteilt Obwohl die Atomplane der Regierung in der Bevolkerung nicht popular waren habe die Kampagne nicht das erhoffte nachhaltige Ergebnis gehabt Die Mehrheit habe einer Bewegung misstraut die vor allem grundsatzliche Pazifisten ansprach und der Kontrolle durch die SPD leicht entgleiten konnte 8 Joseph Rovan zufolge wollte die SPD die Aufregung um den Atomtod im Rahmen eines ublichen Wahlkampfs nutzen u a um ihre Forderungen einer atomwaffenfreien Zone in Europa zu propagieren Den Urhebern des Programms sei der illusorische Charakter einer Forderung die das militarische Gleichgewicht zugunsten der Sowjetunion grundlich verandert hatte da diese eine viel starkere konventionelle Bewaffnung besass nicht aufgefallen Die Kampagne habe sich bei der Bundestagswahl 1957 fur die SPD nicht ausgezahlt aber dazu beigetragen dass die Bundeswehr tatsachlich nicht mit Atomwaffen ausgerustet wurde was allerdings nie wahrscheinlich gewesen war 9 Siehe auch BearbeitenOhne mich Bewegung Ohnemichel OstermarschLiteratur BearbeitenHans Karl Rupp Ausserparlamentarische Opposition in der Ara Adenauer Der Kampf gegen die Atombewaffnung in den funfziger Jahren Pahl Rugenstein Verlag 1 Auflage 1970 3 Auflage Koln 1984 ISBN 3 89144 116 9 Kampf dem Atomtod Die Protestbewegung 1957 58 in zeithistorischer und gegenwartiger Perspektive Dolling und Galitz Munchen Hamburg 2009 ISBN 978 3 937904 80 1 Weblinks BearbeitenGeschichte der Anti Atom Bewegung Wolfgang Kraushaar Der Kampf gegen die Atombewaffnung der Bundeswehr Hans Karl Rupp Friedensbewegung in den 50er Jahren Dokument Grundungsaufruf der Aktion Kampf dem Atomtod vom 10 Marz 1958 Plakat des Arbeitsausschusses Kampf dem Atomtod Albert Schweitzer warnt Atomwaffen sind ein todliches Experiment Darum keine Atomwaffen NDR Kultur Geschichte Kampf dem Atomtod 20 Kabinettssitzung am Montag dem 14 April 1958 Propaganda gegen atomare Bewaffnung b Rechtsfrage uber Zustandigkeit von Volksbefragungen Uli Jager Michael Schmid Die Kampagne Kampf dem Atomtod Einzelnachweise Bearbeiten NDR Forscher protestieren gegen Adenauers Atomplane Abgerufen am 25 Mai 2017 Hans Karl Rupp Ausserparlamentarische Opposition in der Ara Adenauer Pahl Rugenstein Verlag 2 Auflage Koln 1980 ISBN 3 7609 0548 X S 30 39 Hans Karl Rupp Ausserparlamentarische Opposition in der Ara Adenauer Pahl Rugenstein Verlag 2 Auflage Koln 1980 ISBN 3 7609 0548 X S 65 72 Carl Friedrich von Weizsacker Vorwort zu Dietrich Hahn Hrsg Otto Hahn Leben und Werk in Texten und Bildern Suhrkamp Insel Verlag Frankfurt am Main 1988 S 16 ISBN 3 458 32789 4 Wiederaufrustung in der Ausstellung Auf dem Weg zur mundigen Gemeinde Manfred Gortemaker Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von der Grundung bis zur Gegenwart Beck Munchen 1999 ISBN 3 406 44554 3 S 192 eingeschrankte Vorschau in der Google Buchsuche abgerufen am 27 Dezember 2016 Spiegel Online Deutsche Aufrustung Als die Atombomben Traume platzten Heinrich August Winkler Der lange Weg nach Westen II Deutsche Geschichte 1933 1990 Munchen C H Beck 2000 S 183 Joseph Rovan Geschichte der deutschen Sozialdemokratie Frankfurt Fischer 1980 Paris 1978 S 218 219 Normdaten Korperschaft GND 2065674 9 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kampf dem Atomtod amp oldid 223222535