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Das Kolner Dombaufest 1848 fand vom 14 bis 16 August 1848 anlasslich des 600 Jahrestages der Grundsteinlegung des Kolner Doms 1248 und der Weihe des provisorisch fertiggestellten Innenraums der Kathedrale statt Sechs Jahre nach der zweiten Grundsteinlegung zum Weiterbau 1842 war die Grundflache des Doms zu einem zusammenhangenden teils noch provisorisch mit einer Holzkonstruktion uberdachten Kirchenraum verbunden worden Friedrich Wilhelm IV und Reichsverweser Erzherzog Johann begrussen sich am Abend des 14 August Lithographie von J C Schall um 1848 Das von etwa 29 000 Teilnehmern besuchte Fest war als religiose Feier geplant worden erhielt durch die Revolutionsereignisse von 1848 aber auch grosse politische Bedeutung Sowohl der preussische Konig Friedrich Wilhelm IV als auch Reichsverweser Erzherzog Johann von Osterreich als hochster Vertreter einer Provisorischen Zentralgewalt der ersten gesamtdeutschen Regierung sowie etwa 300 Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung darunter auch deren Prasident Heinrich von Gagern waren bei den Feierlichkeiten anwesend Es war damit das einzige grossere Zusammentreffen von Reprasentanten der burgerlichen Revolution und Vertretern der alten Herrschaftsmacht in den deutschen Landern uberhaupt und fuhrte erst und letztmalig alle um Einfluss ringenden Parteien an einem Ort zusammen 1 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 1 1 Weiterbau des Kolner Doms ab 1842 1 2 Planung des Festes 2 Ablauf des Festes 3 Bedeutung fur das Revolutionsgeschehen 4 Weblinks 5 Literatur 6 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenWeiterbau des Kolner Doms ab 1842 Bearbeiten nbsp Gedenkblatt des Zentral Dombau Vereins zur 6ten Secular Feier Nach Einstellung der Bauarbeiten am Kolner Dom im Jahr 1520 vergingen uber drei Jahrhunderte bis dessen Weiterbau begonnen und 1880 schliesslich abgeschlossen wurde Die Vollendung des Kolner Doms war mit verschiedenen Erwartungen verknupft und erfullte nach Thomas Nipperdey eine Omnibus Funktion 1 Unterschiedlichen politischen Gruppierungen beispielsweise konservativ foderalistischen oder liberal demokratischen war es gleichermassen moglich sich aktiv fur den Dombau einzusetzen 1842 erfolgten die Grundung des Zentral Dombau Vereins ZDV sowie die Grundsteinlegung fur den Weiterbau des Doms Zuvor konnte der preussische Kronprinz Friedrich Wilhelm IV als Forderer gewonnen werden der sich beim ersten Dombaufest am 14 August 1842 zum Protektor der Domvollendung zu stilisieren versuchte 1 Bis August 1848 waren die Seitenschiffe von Lang und Querhaus eingewolbt und die Mittelschiffe hatten die Hohe des Triforiums erreicht Im Innenraum der Kathedrale fanden durch die Verbindung von Chor und Turmbauten mehrere tausend Menschen Platz Planung des Festes Bearbeiten nbsp nbsp Programm des Dombaufestes 1848 Die Planungen des Dombaufests begannen am 14 August 1847 Der Dombauverein als massgeblicher Veranstalter wollte ein mehrtagiges und grosses Fest von grandios prachtvollem Zuschnitt 2 in dessen Mittelpunkt die Ubergabe der fertiggestellten Teile der Kathedrale an den Kolner Erzbischof und die Weihe des Kirchenschiffs stehen sollten Somit wurde das Fest dezidiert als religiose Feier 2 geplant Der vom katholischen Ritus gepragte Festakt bestand aus der Einzugsprozession einem Pontifikalamt mit Tedeum durch den Erzbischof und der Konsekration des Gotteshauses durch den papstlichen Nuntius 3 Eigens fur die Feierlichkeiten wurden mehrere Musikstucke und Chorale komponiert Die Planung sah zwar ausdrucklich keine politische Demonstration nationaler Einheit vor allerdings sollte nach Willen des ZDV auch die harmonische Einheit von katholischer Kirche und preussischem Staat 2 demonstriert werden weshalb im Januar 1848 der preussische Konig Friedrich Wilhelm IV zum Fest eingeladen wurde Wahrend der Marzrevolution die in Koln am 3 Marz 1848 begann aber hier bis auf den Kolner Fenstersturz einen weitgehend gewaltfreien Verlauf nahm wurden die weiteren Planungen ausgesetzt In den folgenden Wochen und Monaten dominierte in Koln ein liberaler Konstitutionalismus rheinischer Pragung 4 Radikale Demokraten wie Karl Marx der wahrend der Revolution in Koln lebte und die Neue Rheinische Zeitung herausgab waren in der Minderheit Als die Planungen im Juli wiederaufgenommen wurden entschied sich das Fest Komitee unter dem Eindruck der bisher erfolgreichen Revolution den Reichsverweser Johann und 25 Delegierte der Nationalversammlung nach Koln einzuladen Zugleich wurde die Einladung an den preussischen Konig erneuert 4 Ablauf des Festes BearbeitenAm Vorabend des Dombaufestes kam der am 29 Juni 1848 ernannte Reichsverweser Erzherzog Johann von Osterreich zusammen mit etwa 300 Abgeordneten der Frankfurter Paulskirche per Dampfschiff in Koln an Sie wurden von einer grossen Menschenmenge begrusst 5 Erzherzog Johann wurde von Oberburgermeister Johann Adolf Steinberger empfangen und von der Frankenwerft unter Glockengelaut in die Stadt gefuhrt die mit vielen schwarz rot goldenen und preussischen Flaggen geschmuckt war nbsp Einzug des Festversammlung durch das Westportal des Domes am 14 August 1848 Holzstich von 1848Der erste Tag des Festes begann mit einem grossen Umzug von Vertretern des ZDV des Reichsverwesers und den Abgeordneten sowie zahlreichen stadtischen Abordnungen vom Neumarkt bis zum Dom Tausende Menschen saumten den Weg Dort fand die feierliche Ubergabe des unfertigen Doms an den Kolner Erzbischof Johannes von Geissel statt der selbst Abgeordneter des Paulskirchenparlaments war 5 Als am Abend der preussische Konig unter anderem in Begleitung seines Bruders Wilhelm des Prinzen Friedrich und auch Alexander von Humboldts mit dem Zug in Deutz ankam und von dort mit dem Dampfschiff zur Frankenwerft ubersetzte wurde er von einer begeisterten Menge empfangen Der liberale Politiker Gustav von Mevissen selbst Abgeordneter der Paulskirche berichtet uber die Ankunft der Reprasentanten der Revolution aus Frankfurt im Vergleich zu der des Konigs Der Empfang fur die Paulskirchendelegation in Koln war nicht den Erwartungen entsprechend und die parlamentarische Begeisterung stark ernuchternd Am Trankgassentor war zwar eine grosse Volksmenge versammelt aber deren Interesse war nicht wie man in Frankfurt gehofft hatte ausschliesslich oder doch ganz vorzugsweise dem Reichsverweser Johann und dem Parlamente zugewandt vielmehr dem am nachsten Tage ankommenden Konig von Preussen 6 Friedrich Wilhelm IV wurde am Rheinufer vom Reichsverweser Johann begrusst die anschliessend gemeinsam durch die Stadt zogen was den Enthusiasmus der Massen auf den Hohepunkt getrieben habe 5 Am spaten Abend reiste der Reichsverweser zusammen mit der Delegation des preussischen Konigshauses nach Bruhl wahrend die ubrigen Reprasentanten der Revolution in Koln blieben Am zweiten Tag des Festes in dessen Mittelpunkt die Weihe des Kirchraums und ein erster Gottesdienst im Dom standen fand morgens erneut eine Parade vom Neumarkt zum Gottesdienst im Dom statt bei der Reichsverweser Johann und Friedrich Wilhelm IV beide in der Uniform eines preussischen Generals zusammen in einer offenen Kutsche durch die Stadt zogen Die Mitglieder des Frankfurter Reichsministeriums und andere Revolutionare kritisierten den Reichsverweser der sich damit offenbar bewusst dem Konig unterordnete 5 Beim anschliessenden Festbankett im Gurzenich konnte Friedrich Wilhelm IV durch geschickte Inszenierung einer Nagelprobe und des Bruderkusses mit Johann ein weiteres Mal seine Popularitat ausspielen In seinem Bericht uber das Domfest schrieb der Satiriker Georg Weerth am 20 August 1848 in der Neuen Rheinischen Zeitung Die beiden Fursten umarmten und kussten sich Laut schallte der Jubel der Versammlung Was wollt ihr mehr die ihr immer noch das Gespenst des Burgerkriegs zwischen den beiden Kokarden seht Ist es nicht offenbar dass es mit aller Zwietracht aus ist 7 Abends lud der preussische Konig zu einem Festbankett in die Bruhler Schlosser ein zu dem neben dem Reichsverweser jetzt auch die Vertreter der Nationalversammlung eingeladen waren 5 In der Stadt fand am Nachmittag und Abend ein grosses Volksfest mit Volksbelustigungen mit etwa 29 000 Teilnehmern 8 statt und der Bevolkerung wurden 20 000 Wurstbrotchen und siebzig Fuder Wein ausgegeben 9 Abends wurde die festlich geschmuckte Stadt bunt erleuchtet Der dritte und letzte Tag der Festlichkeiten stand im Zeichen der Hauptversammlung des Dombauvereins Der preussische Konig der Reichsverweser und die Abgeordneten der Nationalversammlung waren inzwischen schon auf dem Heimweg Grossere Proteste gegen das Fest sind nicht uberliefert allerdings hielten demokratische Abgeordnete und der Kolner Arbeiterverein am 13 und 14 August einen Kongress als Gegenveranstaltung ab 10 Bedeutung fur das Revolutionsgeschehen BearbeitenDer Historiker Volker Depkat legte 2004 in einem Aufsatz die bislang umfangreichste Darstellung des Dombaufestes von 1848 vor und erklart dass die Bedeutung des Ereignisses vergleichsweise wenig erforscht sei insbesondere mit Blick auf die Bedeutung fur den Verlauf der Revolution 1848 11 Die Historikerin Kathrin Pilger stellt fest dass vor dem Fest das Krafteverhaltnis zwischen dem revolutionaren und dem konservativ antirevolutionaren noch vollig offen das politische Klima umso angespannter war 12 Friedrich Wilhelm IV habe so der Biograph David E Barclay seine Reise nach Koln zum ersten Mal verliess er Berlin seit den Revolutionsereignissen in der Absicht angetreten seine Beliebtheit in der Bevolkerung zu testen 13 Auch andere Publikationen gehen der Frage nach ob das Dombaufest einen Kipppunkt im Revolutionsgeschehen darstellt an dem der preussische Konig seine Popularitat gegenuber den revolutionaren Kraften ausspielte und seine Vormachtstellung zuruckerlangen konnte 14 Depkat urteilt hierzu Die dreitagigen Feierlichkeiten entwickelten sich zu einem Kampf zwischen den uberkommenen monarchistisch absolutistischen und den revolutionar demokratischen Institutionen aus dem die preussische Monarchie als eindeutiger Sieger hervorging 8 Der preussische Konig wusste sich dabei geschickt zu inszenieren Einerseits behauptete er in Koln mehrfach das Ziel eines geeinten Nationalstaats mittragen zu wollen Die Einheit Deutschlands liegt mir am Herzen sie ist ein Erbtheil meiner Mutter 15 Andererseits machte er seine Haltung gegenuber den Parlamentariern deutlich denen er sich am Abend des 14 August mit folgenden Worten vorstellte Meine Herren Um recht gute Freunde zu sein ist es nothwendig dass man sich von Angesicht zu Angesicht kennt desshalb freut es mich wahrhaft Sie hier gesehen zu haben Seien Sie uberzeugt dass ich nie vergessen werde welch ein grosses Werk zu grunden Sie berufen sind wie ich uberzeugt bin dass Sie nicht vergessen werden dass es in Deutschland Fursten gibt und ich zu diesen gehore 16 Dieselbe Haltung druckte der Konig auch gegenuber dem Reichsverweser aus und konnte das Turnier um Popularitat offenbar fur sich entscheiden 9 Jurgen Herres beschreibt demgegenuber die Parlamentarier und Minister als farblos und er schlussfolgert Paradoxerweise bestarkten ihn Friedrich Wilhelm wahrscheinlich die Sympathien der Kolner Bevolkerung darin bereits einen Monat spater zu einer Reaktionspolitik uberzugehen 15 Eine Erklarung weshalb beim Dombaufest die latenten politischen Differenzen 17 nicht offen zu Tage traten erklart die Historikerin Ute Schneider damit dass der Anlass des Festes das Jubilaum des Domes und sein Weiterbau bei den unterschiedlichen politischen Gruppen unumstritten war und auch fur die anwesenden Abgeordneten die monarchistische Autoritat und Symbolik letztlich nicht in Frage stand Auch deshalb verlief das Dombaufest ebenso wie die anderen uberwiegend burgerlichen Feste des Jahres 1848 in den etablierten Bahnen der Festkultur 17 Und der Dombauverein als Veranstalter profitierte letztlich vom Ausgang des Festes Eine politische Eskalation war ausgeblieben und der Konig war offensichtlich weiterhin bereit den Kolner Dombau zu unterstutzen 18 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Kolner Dombaufest 1848 Sammlung von Bildern Videos und AudiodateienLiteratur BearbeitenDavid E Barclay Anarchie und guter Wille Friedrich Wilhelm IV und die preussische Monarchie Siedler Verlag Berlin 1995 ISBN 978 3 88680 463 4 Rudiger Marco Booz Kolner Dom Die vollkommene Kathedrale Michael Imhof Verlag Petersberg 2022 ISBN 978 3 7319 1215 6 Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus In Kolner Domblatt Jg 69 2004 ISBN 3 922442 57 9 S 101 144 Jurgen Herres Koln in preussischer Zeit 1815 1871 Geschichte der Stadt Koln Band 9 Greven Verlag Koln 2012 ISBN 978 3 7743 0453 6 Kathrin Pilger Der Kolner Zentral Dombauverein im 19 Jahrhundert Konstituierung des Burgertums durch formale Organisation SH Verlag Koln 2004 ISBN 3 89498 118 0 Ute Schneider Feste Empfange Versammlungen Politische Handlungsformen wahrend der Revolution 1848 49 In Stephan Lennartz Georg Molich Hrsg Revolution im Rheinland Veranderungen der politischen Kultur 1848 49 Verlag fur Regionalgeschichte Bielefeld 1998 S 63 76 ISBN 3 89534 265 3 Georg Weerth Das Dombaufest von 1848 Herausgegeben von Bernd Fullner Aisthesis Bielefeld 2014 ISBN 978 3 8498 1045 0 Einzelnachweise Bearbeiten a b c Rudiger Marco Booz Kolner Dom Die vollkommene Kathedrale 2022 S 186 f a b c Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 110 114 Absatz Die vorrevolutionaren Planungen fur das Dombaufest 1848 Ute Schneider Feste Empfange Versammlungen 1998 S 70 a b Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 114 119 Absatz Die Umdeutung des Dombaufestes zum Nationalfest a b c d e Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 119 142 Absatz Der Verlauf des Dombaufestes Zitiert nach Volker Depkat 2004 S 131 Georg Weerth Das Dombaufest von 1848 2014 S 28 a b Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 143 a b Jurgen Herres Koln in preussischer Zeit 1815 1871 2012 S 268 Ute Schneider Feste Empfange Versammlungen 1998 S 69 Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 101 Vgl zum Forschungsstand die Anmerkungen 1 und 2 Kathrin Pilger Der Kolner Zentral Dombauverein im 19 Jahrhundert 2004 S 170 David E Barclay Anarchie und guter Wille 1995 S 252 Rudiger Booz formuliert hierzu die Uberschrift Rettete das Dombaufest die preussische Monarchie und gibt ebenfalls einen Uberblick uber den Forschungsstand Rudiger Marco Booz Kolner Dom Die vollkommene Kathedrale 2022 S 186 f a b Jurgen Herres Koln in preussischer Zeit 1815 1871 2012 S 269 Zitiert nach Volker Depkat Das Kolner Dombaufest von 1848 und die politische Mehrdeutigkeit des deutschen Nationalismus 2004 S 128 a b Ute Schneider Feste Empfange Versammlungen 1998 S 71 Kathrin Pilger Der Kolner Zentral Dombauverein im 19 Jahrhundert 2004 S 173 nbsp Dieser Artikel wurde am 28 November 2023 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Normdaten Veranstaltung GND 1053351011 lobid OGND AKS VIAF 309624700 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Kolner Dombaufest 1848 amp oldid 239533742