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Johannes Ciconia um 1370 1375 in Luttich zwischen 10 Juni und 12 Juli 1412 in Padua war ein niederlandischer Komponist und Musiktheoretiker des spaten Mittelalters 1 2 3 Er gilt als wichtiger Vorlaufer der Franko flamischen Musik Seine Werke wurzeln sowohl in der franzosischen Ars Nova als auch in der italienischen Musik des Trecento Inhaltsverzeichnis 1 Abstammung Leben und Wirken 2 Bedeutung 3 Musikalische Werke Auswahl 4 Theoretische Schriften 5 Aufnahmen 6 Literatur Auswahl 7 Weblinks 8 QuellenAbstammung Leben und Wirken BearbeitenIn den historischen Dokumenten gibt es mehrere Personen dieses Namens wobei die Forschung heute davon ausgeht dass jene um 1335 1340 geborene Person mit grosser Wahrscheinlichkeit der Vater des Komponisten Ciconia ist Dieser altere Johannes Ciconia Namensvariante Jehan de Chywongne stammte aus der Familie eines wohlhabenden Kurschners pelletier erhielt in seiner Heimatstadt Luttich eine fundierte Ausbildung und war dort Priester und Kanoniker an der Kirche Saint Jean l Evangeliste Im Jahr 1348 hatte er die Gelegenheit Kardinal Gilles d Albornoz nach Italien zu begleiten wo er sich langer aufhielt und einen Einblick in den italienischen Musik und Kompositionsstil bekam Ab dem Jahr 1350 war er in Avignon tatig Von 1359 bis 1362 bekleidete er die Stelle eines Kanonikus in Cesena Um das Jahr 1370 soll er nach Luttich zuruckgekehrt sein und dort eine Familie gegrundet haben Sein Sterbedatum ist nicht uberliefert es gibt jedoch ein Dokument aus Padua vom 30 August 1405 in welchem er erwahnt ist als quondam Johannis de civitate Leodii also verstorben ohne Nennung seines Status als Kanoniker und Priester Die Mutter des jungeren Ciconia ist wahrscheinlich die Tochter von Jacques d Heur gewesen die vom Chronisten Jacques de Hemricourt als une filhe mal provee qui at plusieurs enfans natureis de saingnor Johan de Chywogne canonne de Saint Johan beschrieben wird Im Jahr 1385 ist ein Jo Chiconia als Chorknabe an der genannten Kirche in Luttich vermerkt die nachste erhaltene Liste von 1389 enthalt dann den Namen des jungeren Ciconia nicht mehr Bereits im Jahr 1391 weilte er in Rom was aus einem Brief von Papst Bonifatius IX Amtszeit 1389 1404 vom 27 April 1391 hervorgeht Hier wird ein fruherer Dispens seiner unehelichen Abkunft anerkannt super defectu natalium quem pateris de presbitero genitus und er wird als clericus capelle des Kardinals Philippe d Alencon 1397 beschrieben Die weiteren Formulierungen des Dokuments lassen darauf schliessen dass Ciconia mindestens sechs Monate in dessen Haushalt weilte Moglicherweise blieb Ciconia bis zum Tod des Kardinals 1397 in Rom jedoch ist dies nicht sicher Wahrscheinlich ist dass er in den spaten 1390er Jahren am Hof von Giangaleazzo Visconti 1385 1402 in Pavia lebte was sich aus der Datierung des Madrigals Una panthera und anderer Kompositionen zu aktuellen Ereignissen ergibt Gesichert ist dass sich Ciconia ab dem Jahr 1401 in Padua aufhielt dort gewahrte ihm am 11 Juli 1401 Francesco Zabarella 1360 1417 die Ubertragung einer Pfrunde an der Kirche von San Biagio di Roncaglia und nur drei Tage spater bekam Ciconia die Stelle eines Kaplans am Dom von Padua Schon im folgenden Jahr 3 Marz 1402 wechselte er auf die Stelle eines mansionarius und am 26 April 1403 wird er am gleichen Dom als cantor et custos erwahnt Es gilt als fast sicher dass er kein Priester war Ciconia blieb bis zum Ende seines Lebens in Padua und schuf hier einen grossen Teil seiner Werke Sein Gonner war hier der Komponist Antonio Zacara da Teramo 1350 1360 1413 1416 der ihm ein beneficium gewahrte Am 10 Juni 1412 beglaubigte Ciconia ein letztes Dokument durch seine Unterschrift und am 13 Juli 1412 erhielt sein Nachfolger Luca da Lendenara die Stelle eines Kantors am Dom mit dem Vermerk per mortem M Johannis Ciconia Fur Ciconias Begrabnis wurden kurz darauf grosse Summen aufgewendet Bedeutung BearbeitenJohannes Ciconia war einer der ersten Niederlander aus dem heutigen Belgien die in Italien gewirkt haben Von ihm ist mehr Musik uberliefert als von allen anderen um 1400 tatigen Komponisten zu nennen sind hier Antonio Zacara da Teramo und Paolo Tenorista da Firenze aber nur wenige von diesen zeigen eine vergleichbare Stilvielfalt und Originalitat Ciconias fruhe Werke sind sowohl im rein franzosischen Stil wie auch im rein italienischen Stil geschrieben und gehoren der Epoche der Ars subtilior an seine spateren Kompositionen weisen dagegen eine eigentumliche Synthese von niederlandischen und italienischen Stilelementen auf Bei seinen Motetten hat er den Oberstimmen Kanon der italienischen Caccia ubernommen ebenso die imitierende Schreibweise des italienischen Madrigals und hat damit den neuen Typ der imitierenden Motette geschaffen Neu in Ciconias Motetten ist insbesondere auch die allmahliche Umwandlung der satztechnischen Funktion des Tenors der nun nicht mehr wie fruher der Trager einer vorgegebenen Melodie ist sondern als Harmonietrager erscheint womit er auf Guillaume Dufay 1400 1474 vorausweist Heinrich Besseler Seine neuartige Melodiefuhrung ist stark auf das Wort bezogen und offenbar sehr vom Melodiestil von Francesco Landino um 1335 1397 beeinflusst Die spateren Werke gehoren uberhaupt zu den interessantesten und originellsten Stucken seiner Generation wobei gerade seine Motetten und spaten Lieder einen lange anhaltenden Einfluss auf die beginnende Epoche der Franko flamischen Musik ausubten Diese heute anerkannte Bedeutung Ciconias entstand durch die grundlegenden Arbeiten der Musikwissenschaftler Heinrich Besseler 1952 und Suzanne Clercx Lejeune 1953 insbesondere aber durch die zweibandige Studie der letzteren aus dem Jahr 1960 Die Abhandlung Nova musica von Johannes Ciconia bestehend aus funf Buchern stellt eine auffallende Synthese aus Musiktheorie Intervall und Moduslehre dar und bringt viele Zitate aus Werken fruherer Musiktheoretiker aber nur aus der Zeit vor dem Jahr 1100 der jungste der zahlreichen zitierten Verfasser ist Berno von Reichenau um 970 1048 Andererseits enthalt sie viele Passagen die offensichtlich aus dem Lucidarium des Marchetto da Padova 14 Jahrhundert stammen ohne seinen Namen zu nennen Die ganze Nova musica beeindruckt durch ihre gut dokumentierte Gelehrsamkeit verzichtet aber ganzlich auf Aussagen welche die eigene innovative Kompositionsweise betreffen In seiner Proportionslehre fordert er dass uber die Kontrolle der Tondauern hinaus auch die Gesamtform proportional gestaltet werden musse eine Ansicht die sich spater Guillaume Dufay zu eigen gemacht hat Nur im letzten Kapitel von De proportionibus beschreibt Ciconia eher ungenau und oberflachlich die Neuerungen in der Notation welche Franco von Koln 13 Jahrhundert Philippe de Vitry 1291 1361 und der bereits erwahnte Marchetto da Padova eingefuhrt haben Auffallend ist dagegen dass Ciconia in seinen Abhandlungen nicht nur sorgfaltig jeden Hinweis auf die Hexachordtheorie des Guido von Arezzo kurz vor 1000 um 1050 vermeidet sondern diesen und seine Anhanger auch immer wieder scharf kritisiert Offenbar versucht er zum System von Anicius Boethius um 480 524 zuruckzukehren welches einfache Buchstabenbezeichnungen fur die Tonhohen vorsah welche sich auf genaue mathematische Berechnungen der Intervalle auf dem Monochord beziehen Musikalische Werke Auswahl BearbeitenUna panthera in compagnia de Marte italienisches Madrigal zu 3 Stimmen vermutlich 1399 Ben che da vui donna sia partito Ballata zu 2 Stimmen nur Diskant uberliefert Per quella strada lactea del cielo italienisches Madrigal zu 2 Stimmen beschreibt detailliert das Wappen der Familie Carrara 1401 Gli atti col danzar Francesch inanzi passa Ballata zu 3 Stimmen Chi nel servir anticho me conduce Ballata zu 3 Stimmen Sus un fontayne en remirant Virelai zu 3 Stimmen Quod jactatur Ratselkanon zu 3 Stimmen Poy che morir mi convien per to amore Ballata I cani sono fuora per le mosse italienisches Madrigal zu 2 Stimmen O rosa bella o dolce anima mia Ballata zu 3 Stimmen Cazando un giorno vidi una cervetta italienisches Madrigal zu 2 Stimmen Lizadra donna che l mo cor contenti Ballata zu 3 Stimmen Deduto sey a quel Ballata grande zu 2 bis 3 Stimmen inzwischen definitiv Antonio Zachara da Teramo zugeschrieben Merce o morte o vaga anima mia Ballata zu 3 Stimmen La fiamma del to amor che gia me strinze Ballata zu 2 Stimmen O Padua sidus praeclarum nicht isorhythmische Motette zu 3 Stimmen Venecie mundi splendor Michael qui Stena domus nicht isorhythmische Motette zu 3 Stimmen zu Ehren des Dogen Michele Steno vermutlich 3 Januar 1406 Le ray au soleyl qui dret som karmeyne kanonisches franzosisches Lied uber das Wappen von Giangaleazzo Visconti 1402 Aler m en veus en strangne partie Virelai zu 2 Stimmen Albane misse celitus Albanus doctor maxime isorhythmische Motette zu 4 oder 3 Stimmen vermutlich 8 Marz 1406 Gloria und Credo Messesatze zu 4 Stimmen Tenor und Cantus mit Wiederholung und Diminution mit einleitendem Duo die Verbindung zu dem lateinischen Lied Regina gloriosa welche Suzanne Clercx 1960 vorgestellt hat wird bei Bent Hallmark in Anlehnung an B J Layton 1960 verworfen Gloria zu 4 Stimmen im Wechsel mit 2 Stimmen tropiert Spiritus et alme Gloria zu 3 Stimmen mit ansonsten unbekanntem Tropus Suscipe Trinitas Gloria zu 3 Stimmen mit 1 stimmiger Einleitung Credo zu 3 Stimmen im Wechsel mit 2 Stimmen basierend auf dem Credo festivus O virum omnimoda O lux et decus O beate Nicholae nicht isorhythmische Motette zu 4 oder 3 Stimmen zu Ehren von St Nicholas von Trani unter Vorbehalt datiert auf 1393 94 und mit Sicherheit die einzige Motette ohne klare Bezuge zu Padua von Besseler dagegen als ausgesprochenes Spatwerk betrachtet O proles Hispanie isorhythmische Motette nur 2 stimmig erhalten zu Ehren des heiligen Antonius von Padua mit 2 panisorhythmischen Teilen Petrum Marcello venetum O Petre antistes inclite isorhythmische Motette zu 4 Stimmen mit 2 panisorhythmischen Teilen vermutlich fur die Einsetzung von Pietro Marcello als Bischof von Padua am 16 November 1409 Ut te per omnes celitus Ingens alumnus padue isorhythmische Motette zu 4 oder 3 Stimmen mit 2 panisorhythmischen Teilen zu Ehren von Francesco Zabarella O Petre Christi discipule lateinisches Lied zu 2 Stimmen moglicherweise zur Kronung von Papst Alexander V Pietro Filargo da Candia am 7 Juli 1409Theoretische Schriften BearbeitenNova musica oder Musica nova kurz nach 1400 beide vorhandene Quellen anonym das Werk wird jedoch in De proportionibus Kapitel 9 12 14 und 15 als Ciconias Schrift erwahnt De proportionibus datiert auf 1411 ist eine Uberarbeitung von Buch III der Nova musica gewidmet Giovanni Gasparo da Castelgumberto Kanoniker von VicenzaAufnahmen BearbeitenOpera Omnia Diabolus in Musica La Morra beim englischen Label Ricercar Presto Classical Aufnahme 2010 2011 Doppel CD Literatur Auswahl BearbeitenSuzanne Clercx Lejeune Johannes Ciconia Un musicien liegeois et son temps vers 1335 1411 2 Bande mit vollstandiger Ausgabe der Werke Bruxelles Palais des Academies 1960 Richard H Hoppin Medieval Music W W Norton amp Co New York 1978 ISBN 0 393 09090 6 Annette Kreutziger Herr Johannes Ciconia ca 1370 1412 Hamburg 1991 Verlag Karl Dieter Wagner ISBN 3 88979 051 8 Philippe Vendrix editor Johannes Ciconia musicien de la transition Turnhout Belgium Brepols 2003 ISBN 2 503 51455 3 Heinrich Besseler Bourdon und Fauxbourdon Leipzig 1950 erganzt und herausgegeben von Peter Gulke 1974 Heinrich Besseler Johannes Ciconia Begrunder der Chorpolyphonie In Kongressbericht Rom 1950 Rom 1952 Kurt von Fischer Zur Ciconia Forschung In Die Musikforschung Nr 14 1961 Edward Stam Die richtige Losung des Ratselkanons Quod jactatur von Johannes Ciconia In Tijdschrift der Vereeniging voor Nederlandsche Muziekgeschiedenis Nr 21 3 1970 David Fallow Ciconia padre e figlio In Rivista Italiana di Musicologia Nr 11 1976 Willem Elders Humanism and Early Renaissance Music A Study of the Ceremonial Music by Ciconia and Dufay In Tijdschrift der Vereeniging voor Nederlandsche Muziekgeschiedenis Nr 27 1977 Suzanne Clercx Lejeune Ancora su Johannes Ciconia In Nuova Rivista Musicale Italiana 11 1977Weblinks BearbeitenWerke von und uber Johannes Ciconia in der Deutschen Digitalen Bibliothek Noten und Audiodateien von Johannes Ciconia im International Music Score Library Project IMSLP Gemeinfreie Noten von Johannes Ciconia in der Choral Public Domain Library ChoralWiki englisch CPDL it Antonio Zacara da Teramo it Paolo da FirenzeQuellen Bearbeiten Margaret Bent David Fallows Giuliano Di Bacco John Nadas Ciconia Johannes In Grove Music Online englisch Abonnement erforderlich Marc Honegger Gunther Massenkeil Hrsg Das grosse Lexikon der Musik Band 2 C Elmendorff Herder Freiburg im Breisgau u a 1979 ISBN 3 451 18052 9 David Fallows Ciconia Johannes In Ludwig Finscher Hrsg Die Musik in Geschichte und Gegenwart Zweite Ausgabe Personenteil Band 4 Camarella Couture Barenreiter Metzler Kassel u a 2000 ISBN 3 7618 1114 4 Online Ausgabe fur Vollzugriff Abonnement erforderlich Normdaten Person GND 119017857 lobid OGND AKS LCCN n82101117 VIAF 249200589 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Ciconia JohannesKURZBESCHREIBUNG niederlandischer Komponist des MittelaltersGEBURTSDATUM um 1372GEBURTSORT LuttichSTERBEDATUM Juni 1412STERBEORT Padua Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Johannes Ciconia amp oldid 235867926