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Jeanette Wolff geborene Cohen geboren am 22 Juni 1888 in Bocholt gestorben am 19 Mai 1976 in West Berlin war eine deutsche Politikerin der SPD Inhaltsverzeichnis 1 Leben und Wirken 2 Politik 3 Judisches Engagement 4 Ehrungen und Auszeichnungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseLeben und Wirken BearbeitenJeanette Cohen wurde am 22 Juni 1888 in Bocholt als Tochter von Dina Cohen 1859 1938 und Isaac Cohen 1855 1929 geboren und war das alteste von sechs Kindern 1 Mit 16 Jahren 1904 begann sie ihre Ausbildung zur Kindergartnerin in Brussel und arbeitete anschliessend als Kindergartnerin und Erzieherin Sie lebte abwechselnd in Brussel wo sie auch der Sozialdemokratischen Partei beitrat und Bocholt wo sie den Niederlander Philip Fuldauer kennenlernte 1908 heirateten die beiden und zogen nach Dinxperlo in die Niederlande Am 4 Dezember desselben Jahres kam die Tochter Margerieta zur Welt die jedoch noch als Kleinkind im September des folgenden Jahres verstarb gut zwei Wochen spater starb auch ihr Ehemann Philip 1909 legte sie das Abitur an einem Abendgymnasium ab Die junge Witwe zog noch im selben Jahr wieder nach Bocholt und lernte den Kaufmann Hermann Wolff 1888 1945 kennen den sie 1910 heiratete Sie liessen sich in Bocholt nieder und kauften dort eine kleine Textilfabrik und fuhrten dort im Jahre 1912 als erstes Unternehmen uberhaupt den 8 Stunden Tag ein Der Ehe entstammten die drei Tochter Juliane 1912 1944 Edith 1916 2003 und Kathe 1920 1944 2 1932 zog die Familie nach Dinslaken Schon kurz nach der Machtubernahme durch die NSDAP wurde Jeanette Wolff wegen ihres Wahlkampfengagements fur die SPD verhaftet und zwei Jahre lang in Schutzhaft gehalten Nach ihrer Entlassung 1935 eroffnete sie eine Pension in Dortmund die aufgrund der Rechtslage nur Juden offenstand Dort wurde die Familie Opfer der Novemberpogrome 1938 Ihr Mann Hermann wurde im Anschluss in das KZ Sachsenhausen verschleppt und im Dezember wieder entlassen Die Tochter Kathe wurde im Marz 1941 in Dortmund und Bochum in Polizeihaft genommen anschliessend ins KZ Ravensbruck deportiert und von dort im Mai 1942 in die Totungsanstalt Bernburg gebracht 3 Wolff wurde 1942 nach Riga deportiert und leistete im KZ Riga Kaiserwald Zwangsarbeit Mit Auflosung des KZ in Riga wurde sie ins KZ Stutthof verlegt wo sie ihren Mann zum letzten Mal sah Die alteste Tochter Juliane starb hier im Marz 1945 4 Ehemann Hermann Wolff wurde 1944 von Stutthof zum KZ Buchenwald deportiert wurde von dort Anfang April 1945 auf einen Todesmarsch zum KZ Flossenburg geschickt und am 23 April in Wetterfeld in der Oberpfalz von der SS erschossen 5 1947 kommentierte sie die KZ Haft in einer Rede Wir haben gewusst dass wir Kampfer gegen die Diktatur und gegen den Faschismus waren Wir haben gewusst dass wir um eine neue Welt ringen wollten dass wir ein neues Leben aufbauen wollten in dessen Mittelpunkt wir den Menschen stellten Aber jene Schar von Unzahlbaren die in Ofen verbrannt und in Lagern gemartert wurden jene unzahlige Anzahl von Kindern deren blosse Fusschen blutend durch die Schneefelder des Ostens in das Verderben hineingetappt sind sie wussten nicht warum sie in dieses Verderben gingen sie gingen nur weil eine judische anm Mutter sie geboren hatte 6 Bei der Befreiung durch die Rote Armee hatten aus den Familien Wolff und Cohen einzig Jeanette und ihre Tochter Edith den Holocaust uberlebt Jeanette Wolff und ihre Tochter Edith wurden vom KZ Stutthof zu einem Aussenlager deportiert und sollten ins Reichsgebiet verlegt werden Sie wurden jedoch um den Jahreswechsel 1944 45 im polnischen Koronowo von der Roten Armee befreit Erst im Dezember 1945 bekamen sie Reisepapiere und am 2 Januar 1946 konnten sie Berlin erreichen Beide widmeten sich in den Folgezeit der Sozialarbeit im Entschadigungsamt im Berliner Bezirk Neukolln Tochter Edith bald als Krankenschwester im Judischen Krankenhaus in Berlin 7 1948 sagte Jeanette Wolff im sogenannten Wilhelmstrassen Prozess als Zeugin aus 1 Sie war mehreren der Angeklagten wahrend der Zeit ihrer Gefangenschaft begegnet Jeanette Wolff starb am 19 Mai 1976 in Berlin Politik BearbeitenZur Politik fand Jeanette Cohen schon als Jugendliche als sie 1905 der Sozialistischen Arbeiter Jugend beitrat Wahrend der Weimarer Republik gehorte sie zu den wenigen Frauen in der westfalischen Kommunalpolitik Als Stadtverordnete und spater Stadtratin vertrat sie zwischen 1919 und 1932 die SPD in ihrer Heimatstadt Bocholt Sie war Parteitagsdelegierte sowie Vorstandsmitglied des SPD Bezirks Westliches Westfalen 8 Zudem gehorte sie zu den Grunderinnen der Arbeiterwohlfahrt Bereits wenige Wochen nach dem Eintreffen in Berlin engagierte sie sich in der SPD zunachst in der Bezirksverordnetenversammlung in Neukolln dann in der Stadtverordnetenversammlung in der Viermachtestadt Berlin Vehement stritt sie an der Seite von Franz Neumann und Otto Suhr gegen die Vereinigung von SPD und KPD zur SED Stadtverordnete blieb sie von 1946 bis 1951 Aufgrund einer Erhohung der Zahl der Berliner Abgeordneten ruckte sie am 1 Februar 1952 in den ersten Deutschen Bundestag nach und gehorte ihm bis 1961 an Als Delegierte zu den SPD Parteitagen war Jeanette Wolff eine leidenschaftliche Debattenrednerin und sie zahlt zu den Initiatorinnen des in den 1970er Jahren eingerichteten SPD Seniorenrates 9 Beim zweiten Parteitag der SPD nach Kriegsende 1947 pladierte sie fur ein scharfes Entnazifizierungsgesetz und nahm dabei auch Bezug auf die eigenen Erfahrungen und Verluste Denkt an die vielen Opfer an das Meer von Blut an das zerstorte und verbrannte Hab und Gut an die 12 Jahre die so sinnlos uns verflossen lasst sie nicht untertauchen die Parteigenossen 10 Als Sozialarbeiterin im Berliner Bezirk Neukolln engagierte sie sich gewerkschaftlich zunachst in der Gewerkschaft der Buro und kaufmannischen Angestellten GkB der spateren Deutschen Angestellten Gewerkschaft DAG in Berlin im Dissens mit dem SED orientierten Freien Deutschen Gewerkschaftsbund FDGB beteiligte sie sich 1948 am Aufbau der Unabhangigen Gewerkschaftsorganisation UGO aus der 1950 DGB und DAG in West Berlin entstanden Bis 1963 gehorte Jeanette Wolff als stellvertretende Vorsitzende dem ehrenamtlichen Gewerkschaftsrat der Deutschen Angestellten Gewerkschaft DAG an 11 Judisches Engagement BearbeitenAb 1946 beteiligte sich Jeanette Wolff am Wiederaufbau der Judischen Gemeinde in Berlin vor allem dem Judischen Frauenbund 12 Sie war Mitbegrunderin 1949 Judische Stellvertretende Vorsitzende 1949 1970 und Judische Vorsitzende 1970 1976 der Gesellschaft fur Christlich Judische Zusammenarbeit in Berlin Ausserdem war sie Mitbegrunderin der VVN Berlin 13 Von 1965 bis 1975 bekleidete sie die Position der stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland Ehrungen und Auszeichnungen Bearbeiten nbsp Grabstatte1967 wurde sie mit dem Ehrentitel Stadtalteste von Berlin ausgezeichnet und im Jahr darauf an ihrem 80 Geburtstag zum Ehrenmitglied der Internationalen Liga fur Menschenrechte ernannt Jeanette Wolff wurde in einem Ehrengrab der Stadt Berlin auf dem Friedhof der judischen Gemeinde in Berlin Westend beigesetzt 14 Es wurden Strassen in Berlin Neukolln 15 Kleve und Dortmund nach ihr benannt In Dortmund gibt es auch eine Jeanette Wolff Schule 16 Der Jeanette Wolff Weg und das Jeanette Wolff Seniorenzentrum in ihrer Geburtsstadt Bocholt erinnern heute an sie In Dinslaken trug fruher eine Realschule in der Wiesenstrasse ihren Namen seit September 2018 dient eine Skulptur zur Erinnerung an sie am Platz neben der Neutor Galerie am Rutenwall Die judische Seniorenwohnanlage in Berlin Charlottenburg tragt ihren Namen 17 Sie erhielt 1961 das Grosse Bundesverdienstkreuz und wurde 1975 mit dem Leo Baeck Preis gewurdigt 1973 erhielt sie in Berlin die Ernst Reuter Plakette 1 nbsp Stolperstein fur Jeanette Wolff in DortmundAm 9 Februar 2012 wurde in der Munsterstrasse 42 in der nordlichen Dortmunder Innenstadt zum Gedenken an Jeanette Wolff ein Stolperstein verlegt Seit 2019 wird die Jeanette Wolff Medaille von der Gesellschaft fur christlich judische Zusammenarbeit verliehen 18 Literatur BearbeitenGunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 ISBN 3 87831 468 X Birgit Seemann Jeanette Wolff Politikerin und engagierte Demokratin 1888 1976 Campus Frankfurt 2000 ISBN 3 593 36465 4 Bernd Faulenbach Hrsg Anja Wissmann Habt den Mut zu menschlichem Tun Die Judin und Demokratin Jeanette Wolff in ihrer Zeit 1888 1976 Klartext Essen 2002 ISBN 3 89861 168 X Willy Albrecht Jeanette Wolff Jakob Altmaier Peter Blachstein Die drei judischen Abgeordneten des Bundestags bis zum Beginn der sechziger Jahre In Julius H Schoeps Hrsg Leben im Land der Tater Berlin 2001 ISBN 3 934658 17 2 S 236 253 Martina Weinem Jeanette Wolff Es gehort mehr Mut zur Liebe als zum Hass In Frauengeschichtskreis Dinslaken Hrsg Der andere Blick Frauenleben in Dinslaken Essen 2001 ISBN 3 89861 020 9 S 152 160 Ulrich Werner Grimm Red Die Berliner Gesellschaft fur Christlich Judische Zusammenarbeit Geschichte n im Spiegel ihrer Quellen In Gesellschaft fur Christlich Judische Zusammenarbeit in Berlin e V Hrsg Im Gesprach 50 Jahre Gesellschaft fur Christlich Judische Zusammenarbeit in Berlin e V Eine Festschrift Berlin 1999 Pnina Nave Levinson Was wurde aus Saras Tochtern Frauen im Judentum Siebenstern TB 495 Gutersloh 1989 ISBN 3 579 00495 6 S 156 158 Jeanette Wolff Mit Bibel und Bebel Ein Gedenkbuch Vorwort Herbert Wehner Hrsg Hans Lamm mit von G David Grossmann und Nora Walter Verlag Neue Gesellschaft Bonn Bad Godesberg 1981 ISBN 3 87831 351 9 Dieter Oelschlagel Habt den Mut zu menschlichem Tun Jeanette Wolff 1888 1976 In Sabine Hering Hrsg mit Sandra Schonauer Judische Wohlfahrt im Spiegel von Biographien Schriftenreihe Geschichte der judischen Wohlfahrt in Deutschland 2 Hrsg Hering Gudrun Maierhof Ulrich Stascheit Fachhochschulverlag Frankfurt 2007 ISBN 3 936065 80 2 S 424 433 mit 1 Foto Ulrike Schneider Biographien judischer Frauen Jeanette Wolff 1888 1976 Judin Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin In Medaon 11 2017 20 online Weblinks BearbeitenLiteratur von und uber Jeanette Wolff im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek Jeanette Wolff im Lexikon Westfalischer Autorinnen und Autoren Judische Schriftstellerin in Westfalen umfangreiche Informationen ausfuhrliche Biografie Memento vom 17 September 2011 im Internet Archive Weitere Infos Gedenkstatte Deutscher Widerstand Online Biografie zu Jeanette Wolff aus dem Buch von G Strotdrees Es gab nicht nur die Droste Audio Bundestagsrede aus dem Jahr 1955 gegen die Verharmlosung neonazistischer AktivitatenEinzelnachweise Bearbeiten a b c Charlotte Misselwitz Jeanette Wolff Kampferin fur Gerechtigkeit und gegen das Vergessen Abgerufen am 10 Marz 2022 Das Hospital der Georgine Sara von Rothschild schen Stiftung 1870 1941 Juedische Pflegegeschichte de abgerufen am 10 Mai 2021 Gedenkbuch der Bundesrepublik Deutschland Wolff Kathe Friederike Gedenkbuch der Bundesrepublik Deutschland Wolff Juliane Anne Julia Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Bonn 1988 S 57 57 Rede beim 2 Parteitag der SPD Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands VOM 29 JUNI BIS 2 JULI 1947 IN NURNBERG Auerdruck GmbH Hamburg S 83 Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Dietz Bonn 1988 S 61 und 67 68 Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 S 73 75 ff S 115 ff S 141 Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 S 61 und 67 68 Rede beim 2 Parteitag der SPD Protokoll der Verhandlungen des Parteitages der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands VOM 29 JUNI BIS 2 JULI 1947 IN NURNBERG Auerdruck GmbH Hamburg S 84 Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 S 90 Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 S 68 u S 82 1948 In Jahreskalender des Luisenstadtischen Bildungsvereins Klaus Nerger Das Grab von Jeanette Wolff In knerger de Abgerufen am 28 Februar 2023 Jeanette Wolff Strasse In Strassennamenlexikon des Luisenstadtischen Bildungsvereins beim Kaupert Website der Jeanette Wolff Schule bei WordPress Gunter Lange Jeanette Wolff 1888 1976 Eine Biographie Neue Gesellschaft Dietz Bonn 1988 Bonn 1988 S 135 Schoa Uberlebende Friedlander erhalt Jeanette Wolff Medaille Judische Allgemeine 21 Juni 2021Normdaten Person GND 118634801 lobid OGND AKS LCCN n86826167 VIAF 30330119 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Wolff JeanetteALTERNATIVNAMEN Cohen Jeanette Geburtsname KURZBESCHREIBUNG deutsche Politikerin SPD MdB und judische FunktionarinGEBURTSDATUM 22 Juni 1888GEBURTSORT BocholtSTERBEDATUM 19 Mai 1976STERBEORT Berlin Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Jeanette Wolff amp oldid 231407565