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Die Judische Gemeinde zu Halle besteht mit Unterbrechungen seit dem Hochmittelalter Von 1493 bis Ende des 17 Jahrhunderts war Juden der Zugang zur Stadt Halle Saale verboten dann gab es eine wachsende Zahl judischer Bewohner bis zur Vernichtung in der Zeit des Nationalsozialismus Ab 1947 bestand wieder eine Gemeinde deren Mitgliederzahl erst nach 1990 stark angestiegen ist Der antisemitische Anschlag in Halle Saale 2019 auf die Synagoge machte die Gemeinde sehr bekannt Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Mittelalter 1 2 Fruhe Neuzeit bis Weimarer Republik 1 3 Zeit des Nationalsozialismus 1 4 Nach 1945 bis in die Gegenwart 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelbelegeGeschichte BearbeitenMittelalter Bearbeiten Trotz vorheriger Spuren von Fernkaufleuten im Salzhandel ist eine Judische Gemeinde in Halle erst im Jahr 1184 gesichert 1 eine Anzahl Bewohner im Judendorf belegt durch Grabungen am Saaleufer neben der spateren Moritzburg ferner eine Synagoge und eine Mikwe Ebenfalls soll es einen judischen Friedhof ausserhalb der Stadt am heutigen Jagerplatz gegeben haben 2 Die Juden mussten dem neu gegrundeten Kollegialstift in der Burg Seeburg eine Abgabe zahlen Zu Beginn des 13 Jahrhunderts sollen Christen das Dorf in Brand gesteckt und seine Bewohner vertrieben haben Unter Schutz des Erzbischofs von Magdeburg kehrten die Juden bald wieder zuruck doch verlangte er dafur erhebliche Geldzahlungen Als der Rat noch versuchte seine Juden mit zusatzlichen Steuern zu belasten traten sie in den Schutz von Kloster Neuwerk und damit des Erzbischofs Die Pest 1348 1349 forderte unter den Juden in Halle zahlreiche Opfer Nach ihrer erneuten Vertreibung nahm die Stadt das Judendorf in Besitz aber wenige Jahre spater kehrten die Bewohner zuruck Gegen Ende des 14 Jahrhunderts kamen wegen angeblicher Brunnenvergiftung erneut viele Juden zu Tode abermals beschutzte sie der Magdeburger Erzbischof gegen hohe Zahlungen an ihn Im Spatmittelalter bestand in Halle neben der judischen Gemeinde zu Erfurt die zweitgrosste judische Gemeinde Mitteldeutschlands Ab dem 15 Jahrhundert entrichtete die Gemeinde auch an die deutschen Kaiser Tribute so z B an Kaiser Sigismund eine Summe von 800 Gulden anlasslich seiner Kronung 1433 Als der Stadtrat auf Anordnung des Kardinal Legaten Nikolaus von Kues 1451 3 die Hallenser Juden zwang ihre Geldgeschafte aufzugeben und besondere Abzeichen zu tragen verliessen sie die Stadt Erst der Protest des Magdeburger Erzbischofs der ihre Zahlungen benotigte bewegte sie zur Ruckkehr Aber Erzbischof Ernst von Magdeburg setzte 1493 durch alle Juden aus seinem Machtbereich fur mehrere Jahrhunderte zu vertreiben Er war zuvor auch als Richter am Sternberger Hostienschanderprozess 1492 in Mecklenburg beteiligt Fruhe Neuzeit bis Weimarer Republik Bearbeiten nbsp Portalnachbau der zerstorten hallischen Synagoge am Grossen BerlinIm 17 Jahrhundert bemuhte sich der Kurfurst von Brandenburg die Wirtschaft wieder aufzubauen Ende des Jahrhunderts ab 1688 lebten in Halle zwolf Schutzjuden mit ihren Familien mindestens 70 Personen 1704 verlieh der preussische Konig den Hallenser Juden ein Generalprivileg das ihnen gestattete ihre Gemeinde unter eigene Organisation zu nehmen und eigene Gerichtsbarkeit auszuuben Juden durften an der Universitat Halle studieren aber nur auf den freien Arztberuf Der erste judische Mediziner schloss sein Studium hier 1724 ab Um 1700 entstand die Synagoge in der Grossen Brauhausstrasse wurde 1724 zerstort und bald darauf wieder aufgebaut Durch ihre Aktivitaten trugen die Juden im 18 und besonders 19 Jahrhundert zum wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt bei Die Zahl der judischen Einwohner stieg in der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts durch zahlreiche Kauf und Warenhauser diese versorgten die in der Industrie Beschaftigten Die bisher genutzte Synagoge wurde zu klein 1858 konstituierte sich die neue Synagogengemeinde Halle 1870 wurde am ehemaligen Platz am Martinsberg heute Kleine Brauhausstrasse die neue Synagoge eingeweiht Vorbild des Neubaus war die reprasentative Berliner Synagoge an der Oranienburger Strasse nbsp Die alte hallische Synagoge in der Kleinen Brauhausstrasse um 1900 In der Weimarer Republik wurde die Universitat Halle zu einem Zentrum antisemitischer Studenten die sich fruh in der Deutschen Studentenschaft sammelten Der Soziologe Friedrich Otto Hertz steuerte dem entgegen wurde dafur aber 1933 entlassen 4 Noch wurden die judischen Einrichtungen weiter ausgebaut so durch die 1929 eingeweihte Trauerhalle in der Boelckestrasse 24 heute Dessauer Strasse 5 Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Ende Marz 1933 veroffentlichte das Zentralkomitee zur Abwehr judischer Greuel und Boykottpropaganda auf Flugblattern Aufrufe zum Boykott judischer Geschafte Fast 120 Adressen judischer Geschafte Rechtsanwalts und Arztpraxen wurden genannt Der eigentliche Boykott begann am Vorabend des 1 April mit mehreren Massenkundgebungen Am folgenden Tage liessen zahlreiche judische Geschaftsleute ihre Laden geschlossen Wie uberall in Deutschland wurden auch die Hallenser Juden immer mehr aus dem offentlichen Leben verdrangt In der Pogromnacht 1938 wurde die Hallesche Synagoge am Grossen Berlin in Brand gesetzt Der vollig zerstorte Synagogenbau wurde 1940 abgetragen die Abrisskosten der judischen Gemeinde in Rechnung gestellt Auch die erst 1929 eingeweihte Judische Trauerhalle in der Boelckestrasse 24 wurde schwer beschadigt und 1939 40 kurzzeitig als Ghetto fur sogenannte judische Ruckwanderer aus dem Westen genutzt 6 Etwa 200 judische Manner wurden verhaftet und grosstenteils ins KZ Buchenwald transportiert nach einigen Wochen meist wieder auf freien Fuss gesetzt Die Entlassung von Juden aus ihren Arbeitsverhaltnissen und Arisierung etwa der Warenhauser Kaufhaus Lewin Markt 3 7 zu Biermann amp Semrau 7 8 bzw Liquidierung ihrer Geschafte machten viele arbeitslos und arm Die einsatzfahigen Juden wurden zur Zwangsarbeit verpflichtet erstmals im Oktober 1939 als sie im Tief und Strassenbau und bei der Strassenreinigung eingesetzt wurden Ausgewahlte Hauser im Stadtgebiet wurden als Judenhauser deklariert wo die Kommune ab September 1939 die noch in Halle verbliebenen Juden konzentrierte sie standen u a in der Grosser Berlin 8 Boelckestrasse 24 Germarstrasse 12 Forsterstrasse 13 Hindenburgstrasse 34 und 63 und Humboldtstrasse 52 Bis 1941 sind vermutlich zwei Drittel der in Halle ansassigen Juden ausgewandert die meisten der fast 600 Personen emigrierten nach Schanghai England in die USA und nach Palastina Zu ihnen gehorte der Philosoph und Rabbiner Emil Fackenheim Deportationen begannen vermutlich Ende Mai 1942 bereits ab April liefen die Vorbereitungen fur den ersten Transport dazu mussten sich die Betroffenen im judischen Gemeindehaus einfinden um den Hausrat aufzulisten und eine Vermogenserklarung abzugeben Insgesamt sollen im April 1942 etwa 100 Juden in den Osten deportiert worden sein alte Menschen wurden meist nach Theresienstadt gebracht Siehe auch Liste der Stolpersteine in Halle Saale Nach 1945 bis in die Gegenwart Bearbeiten nbsp Gegenwartige Synagoge in Halle Saale Ort des Anschlags 2019Die pragende Gestalt nach 1945 wurde beim Aufbau der mit 85 Mitgliedern Hochstzahl 1948 kleinen Gemeinde in der SBZ DDR der parteilose Hermann Baden der 1962 starb Er fuhrte auch den Verband der Judischen Gemeinden in der DDR seine Neutralitat gegenuber dem SED Kurs machte ihn bei der Partei unbeliebt Ihm gelang aber 1953 die Wiederherrichtung einer kleinen Synagoge in der Humboldtstrasse In den Folgejahrzehnten bis zu ihrem Tod 1986 pragte das umstrittene SED Mitglied Karin Mylius mit einer falschen judischen Identitat unter dem Schutz des MfS die Gemeinde Im Jahr 1989 bestand sie nur noch aus funf Mitgliedern 9 Ab 1991 setzte die Zuwanderung aus den ehemaligen GUS Staaten ein die die Gemeinde wieder anwachsen liess 10 Seit dem Hohepunkt 2008 sank die Zahl auf etwa 525 Personen 11 12 Eine identitatsbildende Massnahme war die Stiftung des regionalen Emil L Fackenheim Preises fur Toleranz und Verstandigung im deutsch judischen Bereich 13 Die Gemeinde hat heute wieder einen eigenen Rabbiner Elischa Portnoy den sie mit der Gemeinde in Dessau Rosslau teilt 14 Zum Anschlag 2019 in der Humboldtstrasse siehe den eigenen Artikel Literatur BearbeitenVolker Dietzel Hrsg 300 Jahre Juden in Halle Leben Leistung Leiden Lohn Festschrift zum Jubilaum des 300jahrigen Bestehens der Judischen Gemeinde zu Halle Halle 1992 ISBN 978 3354007864 Jutta Dick Marina Sassenberg Hrsg Wegweiser durch das judische Sachsen Anhalt Potsdam 1998 S 278 289 ISBN 9783930850785 Ulrike Offenberg Seid vorsichtig gegen die Machthaber die judischen Gemeinden in der SBZ und der DDR 1945 1990 Aufbau Verlag Berlin 1998 ISBN 3 351 02468 1 S 59 61 Weblinks BearbeitenJudische Gemeinde Halle Abgerufen am 7 November 2021 deutsch Geschichte In Judische Gemeinde Halle 11 Juni 2014 abgerufen am 7 November 2021 deutsch Judische Gemeinde Halle Saale in der Geschichte Lernen aus der Geschichte Judische Gemeinde Halle PDF Abgerufen am 11 November 2021 Einzelbelege Bearbeiten Regesta archiepiscopatus Magdeburgensis Sammlung von Auszugen aus Urkunden und Annalisten zur Geschichte des Erzstifts und Herzogthums Magdeburg 1 Bis zum Tode des Erzbischofs Wichmann 1192 Digitalisat MDZ Abgerufen am 8 November 2021 Kulturstadtplan fuhrt zu den Spuren judischen Lebens in Halle Du bist Halle Abgerufen am 8 November 2021 deutsch Auf dem Provinzial Concil von Bamberg scharfte Cusanus die kanonische Satzung von dem Judenabzeichen ein dass die Manner einen rothen runden Flecken an der Brust die Frauen einen blauen Streifen auf dem Kopfputze tragen und dass die Christen bei Vermeidung des schwersten Bannes nicht Geld auf Zins von Juden borgen sollten Mai 1451 Zit nach H Graetz G d Juden III 4 9 Kapitel 1873 Hertz Friedrich Otto Abgerufen am 8 November 2021 Hans Walter Schmuhl Halle in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus Halle Saale 2007 ISBN 978 3 89812 443 0 Das Leben in der Boelckestrasse 24 Stolpersteine in Halle Abgerufen am 8 November 2021 deutsch Katja Pausch Glanzvolle Vergangenheit Kaufhaus Lewin war ein beruhmter Konsumtempel Abgerufen am 8 November 2021 Halle Saale Handelstadt 21 11 2010 23 29 00 Abgerufen am 8 November 2021 Mitgliederzahlen nach Offenberg 1998 S 326 mdr de Judisches Leben in Sachsen Anhalt vor und nach dem Anschlag in Halle MDR DE Abgerufen am 8 November 2021 Klaus Hillenbrand Anschlag in Halle Wiederbelebte kleine Gemeinde In Die Tageszeitung taz 9 Oktober 2019 ISSN 0931 9085 taz de abgerufen am 8 November 2021 Gemeinde Halle Saale 13 November 2017 abgerufen am 9 November 2021 Emil L Fackenheim Preis In Judische Gemeinde Halle 11 Juni 2014 abgerufen am 18 November 2021 deutsch Rabbiner In Judische Gemeinde Halle 11 Juni 2014 abgerufen am 8 November 2021 deutsch Normdaten Korperschaft VIAF 139701365 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Judische Gemeinde zu Halle amp oldid 218814264