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Das Individuationsprinzip lat principium individuationis zu individuus unteilbar bezeichnet das was die Individualitat und Konkretheit des Seienden bedingt und ermoglicht und was die Vielfalt und Verschiedenheit der Individuen erklart Seine Diskussion hangt eng mit dem Universalienstreit zusammen Die Frage nach dem Individuationsprinzip wird in allen Philosophien zum Problem die nicht anerkennen dass die objektive Realitat grundsatzlich durch konkrete und individuelle Formen existiert insofern sie das Allgemeine als das Ursprungliche uberbewerten und als den eigentlichen Seinskern im Seienden ansehen Fur diese Lehren entsteht zwangslaufig die Frage wie es kommt dass die Arten dennoch nicht als solche sondern vielmehr in einer mehr oder weniger grossen Vielheit von Individuen existieren Die Antwort darauf gibt das Individuationsprinzip Es beantwortet also die Frage Was muss im Seienden zu dem Allgemeinen das im Begriff erfasst wird hinzukommen damit es zu einem Einzelnen konkret wird Inhaltsverzeichnis 1 Einzelpositionen 1 1 Aristoteles 1 2 Mittelalter 1 3 Renaissance 1 4 Leibniz 1 5 Schopenhauer 1 6 Analytische Philosophie 2 Siehe auch 3 Quellen 4 Literatur 5 AnmerkungenEinzelpositionen BearbeitenAristoteles Bearbeiten Die Frage nach dem Individuationsprinzip spielte eine grosse Rolle in der aristotelischen Metaphysik und in den auf diese aufbauenden Systemen der mittelalterlichen Scholastik Aristoteles hatte die Trennung des Allgemeinen und Einzelnen in der Philosophie Platons zuruckgewiesen und das Allgemeine in die Dinge zuruckgenommen Da er jedoch keine richtige Auffassung daruber gewinnen konnte wie das Verhaltnis von Allgemeinem und Einzelnem in den Dingen zu denken sei entwickelte er seinen Stoff Materie Form Schematismus der den Grundfehler der platonischen Lehre letztlich nicht uberwinden konnte So fasste er die Individuation als Synolon auf als eine Komposition der Form und des Stoffes Hylemorphismus Avicenna hat diesen Zusammenhang in seiner Metaphysik spezifiziert Cum enim materia sola principium sit individuationis et nihil sit singulare nisi materia vel per materiam dicimus omnes formas potentia esse in materia et per motum educi de ipsa Die platonische Idee wurde somit zum Begriff der Form und es blieb die Besonderung des Allgemeinen wie auch seine allgemeine Hoherstellung und Hoherbewertung Unter diesen Umstanden musste das folgende Problem auftreten Zur Komposition von Form und MaterieWenn sich der allgemeine Arttypus von der Form herleitet worauf ist dann die Vielfalt der Gegenstande innerhalb der Art zuruckzufuhren Auf diese Frage antwortete Aristoteles es ist der Stoff Materie der die Individuation bedingt Jedes Seiende ist eine Komposition aus Form und Materie wobei die erstere fur das Allgemeine die letztere fur das Individuelle aufkommt in Metaphysik VII 8 Da diese Auffassung schon zu ihrer Zeit erhebliche Unklarheiten hervorrief weil es nicht einsichtig war wie die Materie als reine Potenz und damit vollig unbestimmt die Individuation bewirken sollte Da diese Auffassung erhebliche Konsequenzen fur den Wert der menschlichen Person nach sich zog entstand in der Folgezeit vor allem im Mittelalter um das Individuationsprinzip ein langer und heftiger Streit Mittelalter Bearbeiten Thomas von Aquin und seine Anhanger folgten im Prinzip den Lehren des Aristoteles sahen in der materia signata vel individualis den konkreten Stoff der mit bestimmten Ausdehnungs und Grossenverhaltnissen ausgestatteten Materie als principium individuationis Die materia sensibus signata ist individuationis et singularitatis principium Und formae quae sunt receptibiles in materia individuantur per materiam quae non potest esse in alio Materia non quomodolibet accepta est principium individuationis sed solum materia signata in De ente et essentia 1250 Nach dem Standpunkt der alteren Franziskanerschule Alexander von Hales Bonaventura kann weder ein unbestimmtes dem Nichts nahestehendes Substrat noch ein Akzidens wie die Quantitat die Grundlage der Individuation sein Die Individuation leite sich vielmehr aus der aktualen Verbindung von Materie und Form Materie ist bei Bonaventura das hoc esse die Form aliquid esse und ihrer gegenseitigen Ermachtigung Individuatio est ex communicatione materia cum forma Dabei wird die numerische Individualitat durch die Materie die qualitative Individualitat durch die Form begrundet Er versuchte diese Auffassung zu stutzen indem er eine Mehrheit der Formen fur das Seiende annahm und auch von der Materie lehrte dass sie ganzlich unbestimmt sei Bei Heinrich von Gent Roger Bacon Richard von Middletown und Duns Scotus ist das Individuationsprinzip in der Form zu sehen Dementsprechend wird eine Vielheit der Formen d h der Individualideen angenommen Die Form der Washeit quidditas wird zur Form der Diesheit haecceitas Und unitas individui consequitur aliquam entitatem aliam determinantem istam et illa faciet unum per se cum entitate naturae Fur die Nominalisten Roscelin von Compiegne Durandus von St Pourcain Wilhelm von Ockham und seine Schule liegt der Grund der Individuation im Einzelseienden selbst Es gibt uberhaupt nur das Individuelle und das Einzelne Mit dieser Auffassung wurde jedoch die Frage nach dem Individuationsprinzip praktisch gegenstandslos Von den verschiedenen Nominalisten Durand von St Pourcain Petrus Aureoli wurde dies auch ausdrucklich betont Das Problem des Individuationsprinzips sei eine falsch gestellte Frage Die Frage laute nicht Was muss im Gegenstand zum Allgemeinen hinzukommen damit er individuell wird die Frage lautet umgekehrt Es gibt prinzipiell Einzelnes und es ist zu fragen was der Grund des Allgemeinen ist was uns berechtigt von den von jeher individuellen Gegenstanden in der Form der Allgemeinheit zu sprechen Renaissance Bearbeiten Obwohl in der Lehre des Nominalismus die Frage bereits hinreichend gestellt war ging auch in der folgenden Zeit die Auseinandersetzung um das Individuationsprinzip bzw um das sich dahinter verbergende Problem des Einzelnen d h des Individuellen weiter In der Philosophie der Renaissance waren es vor allem Nikolaus von Kues Giordano Bruno Agrippa von Nettesheim Johann Baptist van Helmont Franciscus Mercurius van Helmont Paracelsus und Valentin Weigel die das Problem erorterten wobei sie immer starker die Eigenstandigkeit und den Wert des Individuellen betonten und die uberkommene Uberschatzung des Allgemeinen und seine metaphysische Trennung vom Einzelnen zuruckdrangten Leibniz Bearbeiten Einen Hohepunkt und gleichzeitig einen gewissen Abschluss dieser Auseinandersetzung stellten die Lehren von Gottfried Wilhelm Leibniz dar In seiner Schrift Uber das Individuationsprinzip 1663 setzte er sich mit den vorausgegangenen Auffassungen auseinander und zeigte dass allein die Nominalisten den richtigen Weg wiesen wahrend alle anderen Versuche der Losung dieses Problems der Kritik nicht standhielten Die Losung des Problems liegt nach Leibniz in der Anerkennung dass in der Wirklichkeit nur Individuen existieren und dass man den Grund der Individuation nicht in irgendeinem Teil der Dinge sucht sondern die Gegenstande auf Grund ihrer Gesamtentitat fur individuiert halt Sein Grundsatz lautete deshalb Ein jedes Individuum wird durch seine ganze Entitat individuiert Schopenhauer Bearbeiten Grundprinzip allen Seins ist nach Arthur Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung 1819 der Wille zum Dasein der als solcher nicht weiter hinterfragt werden kann Ist dieser Wille das Ding an sich im Anschluss an Kant so ist jedes konkrete Seiende die Ontologie alles dessen was es in raum zeitlicher Form gibt Effekt des principium individuationis das dieser Urwille aus sich entwickelt Die Welt der Erscheinung der Schleier der Maya Das Individuationsprinzip ist als Entgegensetzung des einen Willens in die vielen Einzel Willen Ursache des Leidens und bedarf der philosophischen Durchdringung Tat Tvam Asi die in einer ethisch motivierten gleichsam buddhistischen Verneinung des Willens mundet Analytische Philosophie Bearbeiten In der Analytischen Philosophie existieren stark divergierende Positionen bezuglich des Individuationsproblems 1 Fur Ontologen aus der empiristischen Tradition ist das Individuierende an einem konkreten Einzelding das ihm zukommende Bundel an Eigenschaften Nach dieser Bundeltheorie sind fur ein Individuum all seine Eigenschaften wesentlich Die Eigenschaften stellen die einzigen Bestandteile der Individuen dar es handelt sich um eine Ein Kategorie Ontologie 2 Ein weiterer Standpunkt verlegt das Individuationsprinzip in die raum zeitlichen Bestimmungen eines Einzeldings Weiterhin gibt es Positionen die davon ausgehen dass Einzeldinge bestimmte essentielle Eigenschaften aufweisen die einem Ding zu jeder Zeit seiner Existenz zukommen Dabei werden etwa die individuelle Form 3 oder die konkrete realisierte Form Form token 4 eines Einzeldings genannt Eine weitere Gruppe von Standpunkten geht davon aus dass das Individuationsprinzip auf nichts Grundlegenderes zuruckgefuhrt werden kann 5 Die Individualitat eines Dings ist danach durch keine seiner Eigenschaften sondern durch das sogenannte bare particular das reine Substratum gegeben welches Trager aller Eigenschaften ist Eine weitere Auffassung aus dem Bereich der Analytischen Philosophie entspricht derjenigen der mittelalterlichen haecceitas Jedes Einzelding ist danach durch die Bestimmung genau dieses da zu sein individuiert 6 Siehe auch BearbeitenIndividuationQuellen BearbeitenFranciscus Suarez Uber die Individualitat und das Individuationsprinzip Funfte metaphysische Disputation hrsg Rainer Specht Hamburg 1976 ISBN 3 7873 0375 8 lateinischer Text und deutsche Ubersetzung Literatur BearbeitenJohannes Assenmacher Geschichte des Individuationsprinzips in der Scholastik Meiner Leipzig 1926 Kenneth F Barber Jorge J E Gracia Hrsg Individuation and Identity in Early Modern Philosophy Descartes to Kant State University of New York Press Albany N Y 1994 ISBN 0 7914 1967 3 Paola Ludovika Coriando Individuation und Einzelnsein Nietzsche Leibniz Aristoteles Klostermann Frankfurt am Main 2003 ISBN 3 465 03246 2 Jorge J E Gracia Hrsg Individuation in Scholasticism The Later Middle Ages and the Counter Reformation 1150 1650 State University of New York Press Albany N Y 1994 ISBN 0 7914 1859 6 Anmerkungen Bearbeiten Fur eine Ubersicht siehe Rosenkrantz Haecceity An Ontological Essay Dordrecht 1993 Vgl Godehard Bruntrup Theoretische Philosophie Komplett Media 2011 ISBN 978 3 8312 0380 2 S 47 Jorge J E Gracia Individuality Individuation In Burckhardt Smith Hrsg Handbook of Metaphysics and Ontology Munchen Philadelphia Wien 1991 Vol 1 S 385 388 Arda Denkel Object and Property Cambridge u a 1996 S 135ff Vgl E E Savallos On Defining Identity In Notre Dame Journal of Formal Logic 31 1990 S 476 484 Vgl z B Richard Swinburne Dasheit In J Brandl Hrsg Metaphysik Neue Zugange zu alten Fragen St Augustin 1995 S 121 140 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Individuationsprinzip amp oldid 225447355