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Hanna Maria Zippelius 19 Mai 1922 in Detmold 19 August 1994 war eine deutsche Ethologin die sich uber Jahrzehnte hinweg insbesondere mit den angeborenen Grundlagen der Kommunikationsfahigkeit von Kleinsaugern beschaftigte In ihrem viel beachteten und leidenschaftlich diskutierten Alterswerk mit dem bewusst doppeldeutigen Titel Die vermessene Theorie veroffentlichte sie 1992 eine umfassende Beschreibung Analyse und Kritik der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen Inhaltsverzeichnis 1 Werdegang 2 Forschungsthemen 2 1 Auf dem Prufstand die Instinkttheorie 2 2 Reaktionen 3 Schriften Auswahl 4 Literatur 5 Siehe auch 6 BelegeWerdegang BearbeitenNach dem Abitur 1940 begann Hanna Maria Zippelius das Studium der Zoologie Botanik und Chemie in Freiburg im Breisgau 1 Im November 1941 ging sie nach Munchen wo sie u a bei Karl von Frisch an der Erforschung der Ultraschallorientierung von Fledermausen arbeitete Vom November 1943 bis zum 1 Mai 1945 war sie als wissenschaftliche Hilfskraft unter Karl von Frisch bei der vom Reichsforschungsdienst eingeleiteten Nosema Seuchenbekampfung der Bekampfung einer Bienen Seuche tatig Am 24 Mai 1944 promovierte Hanna Maria Zippelius zur Dr rer nat in Munchen uber Die Paarungsbiologie einiger Orthopteren Arten u a am Beispiel der Feldgrille Danach war sie 1946 47 hauptsachlich als ehrenamtliche wissenschaftliche Hilfskraft am Lippischen Landesmuseum Detmold tatig Im September 1947 begann sie das Studium der Humanmedizin zunachst in Marburg und ab 1948 in Bonn mit dem Ziel im Grenzgebiet zwischen Biologie und Medizin zu arbeiten In den 1950er Jahren arbeitete sie mit Hilfe von insgesamt vier einjahrigen Forschungsstipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG in einem Schwerpunktprogramm der Bundesregierung uber Verhaltensforschung und Sinnesphysiologie auf Antrag u a von Konrad Lorenz Dies fuhrte zu einer engen Zusammenarbeit mit Wolfgang Schleidt vom Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie auf dem Gebiet der Ultraschall Orientierung von diversen Mausearten sowie beim Gartenschlafer und beim Wiesel 1958 bestand Hanna Maria Zippelius das medizinische Staatsexamen so dass sie als Arztin hatte tatig werden konnen Ab Oktober 1959 arbeitete sie allerdings als Lehrbeauftragte fur die Verhaltensbiologie der Saugetiere am Zoologischen Institut der Universitat Giessen bis Sommer 1967 Am 27 Januar 1965 folgte ihre Habilitation fur Zoologie an der Universitat Giessen mit der Schrift Verstandigungsmittel einheimischer Kleinsaugetiere ein Beitrag zum Problem der Tier Sprache Ab dem 1 April 1966 war sie als Lehrbeauftragte fur Verhaltensforschung an der Universitat Bonn angestellt wo sie am 20 Dezember 1967 zur Privatdozentin fur Zoologie speziell fur Verhaltenskunde wurde Am 13 Marz 1969 wurde sie in Bonn zur Universitatsdozentin und am 21 November 1972 ebenfalls in Bonn zur Professorin berufen Am 31 Juli 1987 wurde sie emeritiert Nach dem fruhen Tod von Prof Klaus Immelmann vertrat sie von Oktober 1987 bis September 1989 den Lehrstuhl fur Verhaltensphysiologie an der Universitat Bielefeld Aus ihrer Ehe mit dem Museumsdirektor Adelhart Zippelius ging die Physikerin Annette Zippelius hervor Forschungsthemen BearbeitenNach ihrem anfanglichen Forschungsschwerpunkt der Ultraschall Kommunikation bei Fledermausen Mausen und anderen Kleinsaugern hatte Hanna Maria Zippelius seit ihrer Lehrtatigkeit in Giessen Studien zu ganz unterschiedlichen Fragestellungen aus dem Gebiet der Kommunikation angeregt und begleitet u a uber angeborene und erworbene Verhaltensweisen beim menschlichen Saugling uber Analogien im Verhalten von Mensch und Tier uber Laute im Sozialgefuge nicht hominider Primaten uber Ahnlichkeiten im Verhalten von Waldhund und Haushund uber das Duftmarkieren bei Saugern zur Balz des Auerhahns uber Drohgesten bei Vogeln zum Gesangserwerb bei Zebrafinken und zum Territorialverhalten von Anemonenfischen Auf dem Prufstand die Instinkttheorie Bearbeiten Im Sommer 1980 begann Zippelius wahrend der Brutperiode mit Freilandbeobachtungen in der Silbermowen Kolonie auf der Nordsee Insel Langeoog Die wiederholten Studienaufenthalte auf Langeoog sowie anschliessende Laborexperimente mit Silbermowen Eiern und Kuken liessen rasch ernste Zweifel aufkommen ob fruhere verhaltenskundliche Studien u a von Nikolaas Tinbergen zum Beispiel die Mechanismen der Eierkennung bei Silbermowen korrekt interpretiert hatten So konnte auch nach mehreren hundert Tests keine Bevorzugung uber normalen Ausloser sprich je grosser das Ei desto intensiver die Reaktion nachgewiesen werden 2 Als nicht reproduzierbar erwiesen sich in den Bonner Kontrolluntersuchungen ferner Behauptungen von Tinbergen zur Eltern Erkennung bei Silbermowen Kuken Im Unterschied zu alteren Behauptungen legten die Tests der Arbeitsgruppe Zippelius nahe dass Silbermowen keine angeborene Kenntnis ihrer Eltern besitzen sondern alle nahen auffalligen Objekte intensiv bepicken und schliesslich lernen wer ihnen das Futter bringt 3 Aus Sicht von Zippelius nicht langer haltbar waren ferner Deutungen zum Verhalten der Dreistachligen Stichlinge die gleichfalls auf Nikolaas Tinbergen zuruckgehen Seinen Publikationen aus der ersten Halfte der 1930er Jahre zufolge galt der rote Bauch eines mannlichen Stichlings als kampfauslosendes Merkmal Die von ihm publizierten Deutungen des Verhaltens der Stichlinge die auf Experimenten seiner Studenten beruhten erwiesen sich jedoch als methodisch anfechtbar Mehrere experimentelle Uberprufungen in den 1990er Jahren deuteten auf wesentlich komplexere Ursachen fur Revierkampfe hin Irenaus Eibl Eibesfeldt wies im Zuge der Kontroverse um die Gultigkeit der ursprunglichen Befunde darauf hin dass die von Zippelius angefuhrten Experimente aus dem Grund fehlgeschlagen waren weil sich die Stichlingsmannchen dabei nicht in ihrem gewohnten Territorium sondern in einem neutral gestalteten Aquarium also in fremder Umgebung befunden hatten Man kann nicht oft genug wiederholen wie wichtig es ist zunachst einmal die Tiere kennenzulernen bevor man mit ihnen experimentiert kommentierte er Zippelius Versuchsanordnungen 4 Eibl Eibesfeldts Kommentar steht jedoch in Widerspruch zu weiteren unabhangigen Wiederholungen der Stichlings Experimente denen zufolge das mannliche Kampfverhalten von diversen Umwelteinflussen mitbestimmt wird 5 Die Rotfarbung der mannlichen Stichlinge gilt heute zudem primar als ein Signal an paarungsbereite Weibchen anhand dessen sie den Gesundheitszustand der Mannchen abschatzen konnen 6 Auch der Verhaltensforscher und Tinbergen Biograph Hans Kruuk schrieb unter Bezug auf die Stichlings Story dass zentrale Elemente falsch waren 7 Reaktionen Bearbeiten Die Kritik von Zippelius an wesentlichen Belegen fur die von Tinbergen und Konrad Lorenz entwickelte Instinkttheorie die 1992 in ihrem 300 Seiten starken Lehrbuch Die vermessene Theorie zusammengefasst wurde loste 1993 94 eine ungewohnlich heftige offentliche Debatte im deutschsprachigen Raum aus 8 Getragen wurde sie anfangs vor allem von schulunterrichtsnahen Medien wie Biologie heute Ethologie auf dem Prufstand 9 und Psychologie Heute Theorie ohne Wert 10 zugleich aber auch von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Schlusselreize im Zwielicht 11 und dem Rheinischen Merkur 12 sowie spater nachdem der Deutsche Forschungsdienst in einem seiner Berichte aus der Wissenschaft das Thema aufgegriffen hatte 13 unter verschiedenen Uberschriften u a in der Hamburger Morgenpost Hat Lorenz die Tiere falsch verstanden 14 der Neuen Osnachbrucker Zeitung 20 Marz 1993 der Frankfurter Rundschau 3 April 1993 der Schweizer Weltwoche 15 April 1993 den Salzburger Nachrichten 24 April 1939 der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung 8 Mai 1993 und der Schwabischen Zeitung 26 Mai 1993 Die Reaktion der wenigen seinerzeit noch existierenden klassisch ethologischen Arbeitsgruppen bestand u a darin dass Zippelius Arbeitsgruppe ihrerseits vorgeworfen wurde Daten der kritisierten Ethologen verfalscht zu haben um sie widerlegen zu konnen 15 16 Erneute Wiederholungen der von Zippelius beanstandeten historischen Verhaltensexperimente die zu einer Klarung der wechselseitigen Vorwurfe hatten beitragen konnen wurden jedoch nur beim Dreistachligen Stichling bekannt und bestatigten Zippelius Kritik Der Tod von Hanna Maria Zippelius bereitete der Debatte schliesslich ein jahes Ende Die jungeren Verhaltensbiologen arbeiteten zumeist ohnehin schon nicht mehr auf Basis der Instinkttheorie sondern auf dem Gebiet der Verhaltensokologie der Soziobiologie oder der Sinnesphysiologie und den wenigen verbliebenen deutschsprachigen Anhangern der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung fehlte nun der Widerpart an dem sie sich reiben konnten 17 Ein Gesamtmodell zum Verstandnis des Verhaltens zu finden ist seither nicht mehr versucht worden Schriften Auswahl Bearbeitenmit Friedrich Goethe Ethologische Beobachtungen an Haselmausen Muscardinus a avellanarius L In Zeitschrift fur Tierpsychologie Band 8 Nr 3 1951 S 348 367 doi 10 1111 j 1439 0310 1951 tb00179 x mit Wolfgang Schleidt Ultraschall Laute bei jungen Mausen In Naturwissenschaften Band 43 Nr 21 1956 S 502 502 doi 10 1007 BF00632534 Soziale Hautpflege als Beschwichtigungsgebarde bei Saugetieren In Zeitschrift fur Saugetierkunde Band 36 Nr 5 1971 S 284 291 Volltext PDF Die Karawanenbildung bei der Feld und Hausspitzmaus In Zeitschrift fur Tierpsychologie Band 30 Nr 3 1972 S 305 320 doi 10 1111 j 1439 0310 1972 tb00859 x Ultraschall Laute nestjunger Mause In Behaviour Band 49 Nr 3 4 1974 S 197 204 doi 10 1163 156853974X00516 Die vermessene Theorie Eine kritische Auseinandersetzung mit der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und verhaltenskundlicher Forschungspraxis Vieweg Braunschweig 1992 ISBN 3 528 06458 7 eingeschrankte Buchvorschau Der vielzitierte Stichling wirklich ein Musterbeispiel fur Schlusselreize In Biologie in der Schule 42 Jahrgang Nr 9 1993 S 312 318 Schlusselreize ja oder nein Ergebnisse von Attrappenversuchen zum Bettelverhalten von Silbermowenkuken In Biologie heute Nr 397 Mai 1992 S 1 5 Beilage zur Naturwissenschaftlichen Rundschau 45 Jahrgang Nr 5 1992 Literatur BearbeitenElisabeth von Falkenhausen Pickverhalten In Biologie heute Nr 384 1991 S 8 Wolfgang Wickler Verhaltensforschung in Deutschland Eine Ubersicht In Biologie heute Nr 396 1992 S 1 6 Elisabeth von Falkenhausen Verhaltenslehre was bleibt In Praxis der Naturwissenschaften Band 42 Nr 5 1993 S 41 ff Elisabeth Ponzelar Warter Erlebte Wissenschaftsgeschichte ein Lehrstuck fur den Umgang einer scientific community mit einer Kritikerin In Biologie regional Informationen zum Unterricht Reg Bez Koln und Dusseldorf Ausgabe 1 1994 lfd Nr 4 S 17 27 Siehe auch BearbeitenLeerlaufhandlung Schwellenwert Instinkttheorie UbersprunghandlungBelege Bearbeiten Universitat Bonn Professorin Hanna Maria Zippelius Nachruf in Chronik und Bericht uber die akademischen Jahre 1992 93 und 1993 94 Jahrgang 108 109 Neue Folge Jahrgang 97 98 Bonn o J S 179 180 Hubert J Giess Verhaltensforschung Theorie ohne Wert Memento vom 25 November 2009 im Internet Archive Erschienen in Psychologie heute Juli 1993 S 9 10 Hanna Maria Zippelius Die vermessene Theorie Eine kritische Auseinandersetzung mit der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und verhaltenskundlicher Forschungspraxis Vieweg Braunschweig 1992 ISBN 3 528 06458 7 in Irenaus Eibl Eibesfeldt Grundriss der vergleichenden Verhaltensforschung Munchen und Zurich 1999 S 180 K J Bolyard W J Rowland Context dependent response to red coloration in stickleback In Animal Behavior Band 52 1996 S 923 927 M Milinski T C M Bakker Female sticklebacks use male coloration in mate choice and hence avoid parasitized males In Nature Band 344 1990 S 330 333 Looking back at the stickleback story one can see that vital details were wrong Hans Kruuk Niko s Nature The Life of Niko Tinbergen and his Science of Animal Behaviour Oxford University Press 2003 S 88 Auch Grauganse gehen fremd Auf welt de vom 27 Februar 2009 Elisabeth von Falkenhausen Ethologie auf dem Prufstand In Biologie heute Nr 403 November 1992 S 9 10 Hubert J Giess Verhaltensforschung Theorie ohne Wert Memento vom 25 November 2009 im Internet Archive Erschienen in Psychologie Heute Juli 1993 S 9 10 Karl Heinz Wellmann Angeborenes bei Mensch und Tier In RAABits Biologie Loseblattsammlung 1994 Heidelberg Raabe Fachverlag fur die Schule gekurzter Nachdruck von Schlusselreize im Zwielicht In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13 Januar 1993 S N1 Michael Apel Mit Reizen geizen Verhaltensforscher streiten um eine zentrale These In Rheinischer Merkur vom 22 Januar 1993 Karl Heinz Wellmann Wo die Nobelpreistrager Lorenz und Tinbergen irrten Bekannte Verhaltensdeutungen widerlegt In Deutscher Forschungsdienst Nr 9 1993 vom 2 Marz 1993 Anke Geffers Hat Lorenz die Tiere falsch verstanden In Hamburger Morgenpost vom 2 Juni 1993 Dierk Frank Schlusselreiz ein uberholter Begriff der Ethologie In Biologie heute Nr 402 Oktober 1992 S 5 6 Gerd Heinrich Neumann Zum Problem der Schlusselreize In Praxis der Naturwissenschaften Band 42 Nr 1 1993 S 30 35 Kurt Kotrschal Man will genetische Basis des Verhaltens nicht akzeptieren In Salzburger Nachrichten vom 12 Juni 1993 Normdaten Person GND 1068661410 lobid OGND AKS LCCN n94011195 VIAF 62207989 Wikipedia Personensuche PersonendatenNAME Zippelius Hanna MariaKURZBESCHREIBUNG deutsche VerhaltensbiologinGEBURTSDATUM 19 Mai 1922GEBURTSORT DetmoldSTERBEDATUM 19 August 1994 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Hanna Maria Zippelius amp oldid 236685086