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Das Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie war ein Forschungsinstitut der Max Planck Gesellschaft das 1958 an seinem Standort in Seewiesen Landkreis Starnberg Oberbayern offiziell eingeweiht wurde Den Ortsnamen Seewiesen fur das entstandene kleine Forscherdorf am Esssee wahlten die beiden Grundungsdirektoren Erich von Holst und Konrad Lorenz als gelandebeschreibende Adresse 1 Der Esssee im WinterIm November 1997 beschloss der Senat der Max Planck Gesellschaft mit der Emeritierung des letzten Direktors Wolfgang Wickler das Institut zum 30 November 1999 zu schliessen Um die ortsansassige ornithologische Forschung fortzufuhren wurde ubergangsweise die Max Planck Forschungsstelle fur Ornithologie gegrundet die im Marz 2004 zum Max Planck Institut fur Ornithologie aufgewertet wurde Seit Januar 2022 gehort das Gelande am Esssee als Campus Seewiesen zum Max Planck Institut fur biologische Intelligenz Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtlicher Hintergrund 1 1 Erste Plane 1 2 Zu Gast im Wasserschloss 1 3 Die Anfange in Seewiesen 2 Forschungsthemen Auswahl 3 Literatur 4 BelegeGeschichtlicher Hintergrund BearbeitenDie ersten Plane zur Grundung eines deutschen Forschungsinstituts fur Ethologie entstanden als Konrad Lorenz im Februar 1936 nach einem Vortrag im Harnack Haus in Berlin erstmals mit Erich von Holst zusammentraf Erste Plane Bearbeiten Im Gesprach uber das Vorgetragene erkannten beide schnell dass sie wenn auch mit recht unterschiedlicher Methodik vermutlich nahe verwandte Vorgange im Zentralnervensystem untersuchten Wahrend Lorenz sich zur Aufgabe gemacht hatte am unversehrten moglichst naturlich gehaltenen Tier spontan auftretende Bewegungsweisen und deren ererbte Gesetzmassigkeiten zu studieren analysierte von Holst zu jener Zeit koordinierte Bewegungen die vom isolierten Nervensystem nach Ausschaltung der afferenten Bahnen ausgelost werden Die Ergebnisse beider Forschungsrichtungen konnten im Widerspruch zur damals in Deutschland weithin akzeptierten Reflexkettentheorie und dank eines vollig anderen Verstandnisses von Verhalten als im Behaviorismus ublich als ein System von Impulsmustern gedeutet werden die in den Nervenzellen spontan entstehen und auch ohne Reiz von aussen zu haufig komplizierten Instinktbewegungen fuhren Einer von Konrad Lorenz haufig wiederholten Anekdote zufolge sass der damals 25 jahrige Erich von Holst bei jenem Vortrag am 17 Februar 1936 zufallig neben seiner Ehefrau Margarete Lorenz Frau Lorenz konnte ihrem Mann daher davon berichten ihr unbekannter Nachbar habe sich wahrend des Vortrags nach anfanglicher Zustimmung schliesslich immer wieder an den Kopf gegriffen und Idiot gemurmelt nachdem Lorenz seine Verhaltensbeobachtungen mit einer Aufeinanderfolge von Reflexen zu erklaren versuchte Angeblich habe von Holst nach dem Vortrag zehn Minuten benotigt Lorenz von der Idiotie der Reflexkettentheorie zu uberzeugen diese zehn Minuten waren fur Konrad Lorenz der gleichsam mythologische Beginn des Faches Ethologie in Deutschland Zu Gast im Wasserschloss Bearbeiten 1948 erhielt Erich von Holst eine Abteilung im Max Planck Institut fur Meeresbiologie in Wilhelmshaven fur Konrad Lorenz wurde 1951 eine Aussenstelle dieses Instituts im Wasserschloss von Baron Gisbert Friedrich Christian von Romberg in Buldern Westfalen eingerichtet William Thorpe und Nikolaas Tinbergen hatten damals fur Lorenz eine Professur an die Universitat Bristol vorbereitet und die Max Planck Gesellschaft konterte dieses Angebot nun mit einer eigenen Forschungsstelle Wahrend von Holst in Wilhelmshaven die Sinnesphysiologie und das Verhalten von Fischen untersuchte wurden die Teiche von Schloss Buldern zur Geburtsstatte einer Gansekolonie durch die Konrad Lorenz international bekannt wurde Die Nachkommen dieser Kolonie zogen mehrfach mit Konrad Lorenz um und blieben ihm bis zu seinem Tod auch raumlich nahe Dieser Forschungsstelle fur Vergleichende Verhaltensforschung bekannt auch als Abteilung Lorenz war jedoch nur ein kurzes Dasein vergonnt da nach dem fruhen Tod des grosszugigen Hausherrn Gisbert von Romberg im Juni 1952 dessen Erbe vor allem an der Jagd interessiert war und dies mit den verhaltenskundlichen Feldstudien der Max Planck Forscher nicht eben harmonierte Gleichwohl verfugte Konrad Lorenz in Buldern erstmals in seiner Karriere uber adaquate und ausreichende Arbeitsmoglichkeiten fur sich und seine Mitarbeiter bedeutete seine leitende Stelle in der Max Planck Gesellschaft doch dass er das volle Gehalt eines Universitatsprofessors bezog und sich seine Mitarbeiter frei aussuchen konnte Endlich konnte er seinen bis dahin unbezahlten Mitarbeitern Irenaus Eibl Eibesfeldt Wolfgang Schleidt Ilse und Heinz Prechtl eine bezahlte Anstellung bieten Die Anfange in Seewiesen Bearbeiten Die eskalierenden Streitigkeiten mit dem neuen Hausherrn von Schloss Buldern und der naheliegende Gedanke die thematisch eng benachbarten Forschungen an Fischen und Gansen auch raumlich zusammenzulegen fuhrten letztlich am 1 April 1954 zum Beschluss des Senats der Max Planck Gesellschaft ein neues Institut fur Verhaltensphysiologie aufzubauen Baubeginn war im Februar 1956 in Oberbayern auf freier Flur am kleinen abgelegenen Esssee ca 30 km sudwestlich von Munchen Den Standort hatten Konrad Lorenz und Erich von Holst festgelegt nachdem sie mehr als ein Dutzend Seen in Oberbayern erkundet hatten fur Lorenz war insbesondere die Eignung fur seine Ganseforschung ausschlaggebend fur die Standortwahl Die Namensgebung war zumindest in Bezug auf die Arbeiten von Lorenz irrefuhrend wie dieser 1971 selber einraumte denn seine ethologischen Studien hatten mit Physiologie so gut wie nichts zu tun 2 nbsp Eines der InstitutsgebaudeNoch wahrend des Baus der Gebaude wurden dem Institut zwei weitere Forschungsgebiete angegliedert zum einen die Arbeitsgruppe von Gustav Kramer zum anderen die von Jurgen Aschoff Gustav Kramer hatte seit 1948 eine Abteilung am Max Planck Institut fur Meeresbiologie in Wilhelmshaven geleitet und entdeckt dass Zugvogel die Sonne als Kompass nutzen er schloss hieraus dass eine solche Fahigkeit den Besitz einer inneren Uhr zur Voraussetzung haben musse Als Grundlage dieser Uhr kamen tagesperiodische Rhythmen in Betracht wie sie bei diversen Organismen schon lange bekannt waren Mit solchen Prozessen beschaftigte sich Jurgen Aschoff am Max Planck Institut fur medizinische Forschung in Heidelberg und Kramer wunschte sich daher die Zusammenarbeit mit Aschoff als er zum Anschluss an das entstehende Seewiesener Institut aufgefordert wurde Der Senat der Max Planck Gesellschaft beschloss die Einrichtung von Abteilungen fur beide Forscher zum 1 April 1958 Bevor die geplante Kooperation richtig begonnen hatte sturzte Gustav Kramer jedoch am 19 April 1959 auf der Suche nach Wildtauben Eiern beim Klettern zu Tode Daraufhin wurde fur Jurgen Aschoff in Erling Andechs sechs Kilometer von Seewiesen entfernt ein grosseres Anwesen erworben wo er sich weiterhin den biologischen Rhythmen von Tier und Mensch widmete insbesondere der Tages und Jahresperiodik von Verhaltensweisen Als Leiter der vormaligen Abteilung Kramer wurde im Dezember 1960 Horst Mittelstaedt berufen ein langjahriger Mitarbeiter Erich von Holsts der sich mit der regeltechnischen Analyse komplizierter Orientierungsweisen und Instinktbewegungen beschaftigte 3 Am 16 September 1958 wurde das Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie durch den Nobelpreistrager Otto Hahn eingeweiht Forschungsthemen Auswahl BearbeitenZur Vielfalt der wahrend der mehr als 40 Jahre seiner Existenz in Seewiesen tatigen Forscher und deren Spezialgebieten gehorten 1 Jurgen Aschoff biologische Rhythmen bei Tier und Mensch insbesondere Tages und Jahresperiodik der Zugvogel Energiehaushalt und TemperaturregulationIrenaus Eibl Eibesfeldt Humanethologie stammesgeschichtliche Anpassungen im Verhalten des Menschen kulturenvergleichende Dokumentation von sozialen Interaktionen Aggressionsforschung Analyse der Kommunikation in KindergartengruppenEberhard Gwinner biologische Rhythmen und VogelzugErich von Holst Zentralnervensystem und Sinnesorgane bei FischenFranz Huber Neuroethologie nervose Grundlagen des Verhaltens von Grillen und Heuschrecken speziell bei der LauterzeugungKarl Ernst Kaissling Umwandlung von Reizen in Erregung bei RiechzellenGustav Kramer Navigation bei VogelnPaul Leyhausen Erforschung des Verhaltensrepertoires von Katzen und deren AntriebssystemenKonrad Lorenz Dokumentation des Verhaltensrepertoires von GraugansenHorst Mittelstaedt Prinzipien und Mechanismen der Nachrichtenverarbeitung im Organismus kybernetische VerhaltensanalyseWolfgang Schleidt Gehorphysiologie Bioakustik und Kommunikationsforschung Feinderkennung bei Entenvogeln Dietrich Schneider Physiologie Biochemie und Biophysik des Geruchssinns von Insekten Feinstruktur von Sinnesorganen Biosynthese von Pheromonen und chemische KommunikationHermann Schone Raumorientierung und Schweresinn bei KrebstierenWolfgang Wickler Sozialverhalten und Kommunikation zwischen Tieren und dessen Entstehen im Verlauf der Evolution Biologie des Vogels einschl VogelzugforschungLiteratur BearbeitenEckart Henning Marion Kazemi Handbuch zur Institutsgeschichte der Kaiser Wilhelm Max Planck Gesellschaft zur Forderung der Wissenschaften 1911 2011 Daten und Quellen Berlin 2016 2 Teilbande Teilband 2 Institute und Forschungsstellen M Z PDF 75 MB S 1591 1607 Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie Belege Bearbeiten a b Generalverwaltung der Max Planck Gesellschaft Hrsg Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie In Max Planck Gesellschaft Berichte und Mitteilungen Nr 4 78 Munchen 1978 Klaus Taschwer und Benedikt Foger Konrad Lorenz Biographie Zsolnay Wien 2003 ISBN 3 552 05282 8 S 179 Archiv zur Geschichte der Max Planck Gesellschaft Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie Memento vom 28 Dezember 2014 im Internet Archive Im Original publiziert auf dem Webserver der Max Planck Gesellschaft Normdaten Korperschaft GND 2067298 6 lobid OGND AKS LCCN n85058782 VIAF 129679072 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Max Planck Institut fur Verhaltensphysiologie amp oldid 231477882