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Die Grundlagen der Mathematik sind einerseits Teil der Mathematik andererseits bilden sie einen wichtigen Gegenstand erkenntnistheoretischer Reflexion wenn diese sich mit den allgemeinen Grundlagen der menschlichen Erkenntnisgewinnung befasst Insofern solche mathematikphilosophischen Reflexionen in der Geschichte mehrfach Einfluss auf die Formulierung der Grundlagen der Mathematik genommen haben sind diese nicht ausschliesslich Teil der Mathematik sondern liegen in einem Uberschneidungsgebiet mit der Philosophie Inhaltsverzeichnis 1 Zur Geschichte der Grundlagenfragen 1 1 Von den alten Griechen bis in die Neuzeit 1 2 Arithmetisierung 1 3 Krise 2 Heutige Lage 3 Literatur 4 WeblinksZur Geschichte der Grundlagenfragen BearbeitenGeht man wie bis in die Neuzeit hinein ublich von einer Unterteilung der Mathematik in Arithmetik und Geometrie aus so kann man die Grundlagenfrage stellen ob die beiden Teile voneinander unabhangige Erkenntnisbereiche sind oder ob einer von beiden der grundlegendere ist auf den sich der andere zuruckfuhren lasst Von den alten Griechen bis in die Neuzeit Bearbeiten In der Mathematik der Antike bis zu den Griechen fuhrte die hohere Anschaulichkeit der Geometrie dazu dass viele arithmetische Probleme auf geometrischer Grundlage gelost wurden So fanden etwa die Pythagoreer um 500 v Chr Gesetzmassigkeiten von Quadratzahlen heraus indem sie kleine Steinchen Psephoi zu Quadraten legten und die Unterschiede der so entstehenden Quadrate betrachteten Gerade weil den Griechen das Geometrische vertrauter war stellten die Zahlen das grossere Faszinosum dar Die Pythagoreer erkannten dass die arithmetische Welt der Zahlen gegenuber der geometrischen Welt der Figuren die umfassendere ist ja sie erklarten die Zahlen in dem Satz alles ist Zahl zur Grundlage der Dinge uberhaupt Trotz des praktischen Vorzugs der Geometrie wurden also in der philosophischen Reflexion die Zahlen zur eigentlichen Grundlage der Mathematik erklart Wahrend die Zahlen nicht so recht zu greifen waren begann die mathematische Systematisierung der Grundlagen mit der Axiomatisierung der Geometrie Die um 300 v Chr entstandenen Elemente des Euklid sollten bis zum Ende des 19 Jahrhunderts das Paradigma der Grundlegung einer wissenschaftlichen Disziplin schlechthin bleiben Zweifellos konnte dieses Werk nur unter dem Einfluss des rationalistischen Geistes der griechischen Philosophie geschrieben werden moglicherweise war Euklid sogar selbst Schuler an Platons Akademie Descartes Einfuhrung des Koordinatensystems das die Losung geometrischer Probleme im Rahmen des algebraischen Rechnens ermoglichte sowie die Erfindung der Differentialrechnung durch Newton und Leibniz bewirkten zu Beginn der Neuzeit grosse Fortschritte in der Mathematik und verschoben dabei die Gewichte von der Geometrie zur Arithmetik hin Die Grundlagen der Arithmetik blieben aber weiterhin ebenso ungeklart wie die ihrer neuen Teildisziplinen der Algebra und der Analysis Arithmetisierung Bearbeiten Insbesondere in der Analysis traten im 18 und fruhen 19 Jahrhundert Schwierigkeiten und Unsicherheiten auf die vom Rechnen mit unendlich kleinen Grossen herruhrten So konnte man sich eine Weile nicht daruber einigen ob jede konvergente Folge stetiger Funktionen wiederum gegen eine stetige Funktion konvergiert oder ob die Grenzfunktion auch unstetig sein kann Es lagen Beweise fur beide Behauptungen vor und es erwies sich als sehr schwierig in einem der Beweise einen Fehler zu finden Unubersehbar wurde hierin die Notwendigkeit die Begriffe und den Umgang mit ihnen zu prazisieren Im 19 Jahrhundert setzte darum eine bewusste Arithmetisierung der Analysis ein der unklare Begriff der unendlich kleinen Zahl wurde ersetzt durch die beliebig kleine Zahl grosser Null welche gerne mit dem Buchstaben e displaystyle varepsilon nbsp bezeichnet wurde Diese vor allem von Cauchy und Weierstrass vorangetriebene Epsilontik die die Analysis zu einer Theorie uber die reellen Zahlen werden liess bedeutete einen Durchbruch fur ihre Verlasslichkeit was blieb war die Klarung des Begriffs der reellen Zahl bzw der Menge der reellen Zahlen abgesehen von der noch in weiter Ferne liegenden Axiomatisierung der Theorie Dieser nun als eine der wichtigsten Grundlagen der Mathematik geltende Begriff erfuhr seine Klarung in den 70er und 80er Jahren des 19 Jahrhunderts durch Dedekinds Definition der reellen Zahl als Schnitt und Cantors Definition als Aquivalenzklasse konvergenter Folgen die noch heute gebrauchlich ist Diese Definitionen setzten allerdings einen allgemeinen Mengenbegriff voraus und damit auch unendliche Mengen die Vermeidung der Rede von unendlich kleinen Grossen wurde also erkauft mittels unendlich grosser Objekte eben Mengen mit unendlich vielen Elementen Dies trug den genannten Definitionen eine erste philosophisch konstruktivistische Kritik ein Kronecker war der Meinung man musse die Arithmetisierung noch weiter treiben um auch das Reden uber unendliche Mengen zu vermeiden In der Tat war Cantors transfinite Mengenlehre ebenso wie Freges Grundgesetze der Arithmetik von der Russellschen Antinomie befallen welche die Mathematik zu Beginn des 20 Jahrhunderts in eine Grundlagenkrise sturzte Krise Bearbeiten Im Verlauf dieser Krise bildeten sich mehrere mathematikphilosophische Positionen heraus von denen hier nur deren Auffassung zur Frage nach einer einheitlichen Grundlage der Mathematik dargestellt wird Fur den Logizismus ist die Grundlage der Mathematik schlicht die Logik wobei sich herausstellte dass die Logizisten einen recht weiten Logik Begriff benutzten der im heutigen Sinne mengentheoretische Begriffe mit einschloss Recht sollten die Logizisten behalten insofern sich das mathematische Schliessen als rein logisches Schliessen darstellen und begreifen lasst Eine wichtige Grundlage der Mathematik bilden damit die von der Formalen Logik bereitgestellten Regelsysteme des logischen Schliessens von denen die Pradikatenlogik erster Stufe die wichtigste ist Fur den Intuitionismus bilden die naturlichen Zahlen die Grundlage Brouwers Zugang zur Analysis die sogenannte Wahlfolgentheorie lasst sich als Durchfuhrung von Kroneckers Forderung nach vollstandiger Arithmetisierung und Verzicht auf den Mengenbegriff sehen Fur den Formalismus ist die Grundlage der Mathematik dagegen kein Gegenstandsbereich der aus logischen Objekten oder Zahlen besteht sondern die Grundlage bilden die Axiome der Theorie in der man sich gerade bewegt plus Pradikatenlogik Abzusichern ist diese Grundlage durch den Beweis der Widerspruchsfreiheit der Axiome Dieser Beweis sollte nun selbst nicht innerhalb einer formal axiomatischen Theorie gefuhrt werden da er sonst am Ende zirkular wurde sondern innerhalb der intuitiv gegebenen endlichen Mathematik der naturlichen Zahlen an deren Widerspruchsfreiheit nicht zu zweifeln ist Die naturlichen Zahlen bilden somit fur den Formalismus weniger die Grundlage der Mathematik wie fur den Intuitionismus sondern vielmehr einen Uberbau eine Meta Mathematik wie der Formalist Hilbert sie nannte Heutige Lage BearbeitenDie formalistische Position hat sich akademisch weitgehend durchgesetzt und zu neuen Teildisziplinen der Mathematik gefuhrt die von mathematischer Seite die Grundlagen behandeln und ublicherweise unter der Bezeichnung mathematische Logik zusammengefasst werden Mengenlehre Beweistheorie Rekursionstheorie und Modelltheorie Vom formalistischen Standpunkt aus kann die Suche nach der Grundlage der Mathematik nur bedeuten eine axiomatische Theorie zu finden in der alle anderen mathematischen Theorien enthalten sind in der sich also alle Begriffe der Mathematik definieren und alle Satze beweisen lassen Nach einer unter Mathematikern weitverbreiteten Meinung ist diese Grundlage mit dem Axiomensystem der Zermelo Fraenkel Mengenlehre gefunden Es werden aber auch weiterhin andere Mengenlehren als mogliche Grundlage untersucht Und es wird nach wie vor der Frage nachgegangen ob sich Kroneckers Forderung nicht doch erfullen lasst ob statt einer ausladend mengentheoretischen nicht auch eine viel schmalere nur arithmetische Grundlage genugen konnte um die gesamte Mathematik darauf aufzubauen Solche Untersuchungen fuhrt die Beweistheorie wahrend die Rekursionstheorie wesentlich den Uberbau der endlichen Mathematik untersucht und moglichst feine Methoden bereitstellt mit denen die Beweistheoretiker dann ihre Widerspruchsfreiheitsbeweise fuhren konnen Die Modelltheorie schliesslich befasst sich mit der Frage ob eine bestimmte axiomatische Theorie starker ist als eine andere ob sie ein Modell fur diese liefert So hat sich z B der Eindruck der alten Griechen bestatigt dass die Arithmetik viel starker ist als die Geometrie Der dreidimensionale Zahlenraum wie ihn Descartes durch sein Koordinatensystem eingefuhrt hat ist ein Modell unseres geometrischen Raumes alle Satze der Geometrie lassen sich auch im Zahlenraum also rechnerisch algebraisch beweisen Literatur BearbeitenOskar Becker Grundlagen der Mathematik in geschichtlicher Entwicklung Suhrkamp Frankfurt a M 1975 L E J Brouwer Over de grondslagen der wiskunde Grundlagen der Mathematik 1907 David Hilbert Paul Bernays Grundlagen der Mathematik I II Berlin Heidelberg New York 2 A 1970 P Mancosu Hg From Hilbert to Brouwer The Debate on the Foundations of Mathematics in the 1920s Oxford University Press Oxford UK 1998 Christian Thiel Grundlagenkrise und Grundlagenstreit Studie uber das normative Fundament der Wissenschaften am Beispiel von Mathematik und Sozialwissenschaft Meisenheim am Glan 1972 ISBN 3 445 00883 3Weblinks Bearbeiten nbsp Wikibooks Mathe fur Nicht Freaks Grundlagen der Mathematik Lern und Lehrmaterialien Solomon Feferman The development of programs for the foundations of mathematics in the first third of the 20th century PDF 240 kB Kurt Godel The modern development of the foundations of mathematics in the light of philosophy 1961 William S Hatcher Foundations of Mathematics An Overview at the Close of the Second Millennium Geoffrey Hellman und John L Bell Pluralism and the Foundations of Mathematics David Hilbert The Foundations of Mathematics 1927 A Sakharov Foundations of Mathematics Linksammlung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Grundlagen der Mathematik amp oldid 235097115