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Das Filialverbot amtliche Bezeichnung Bundesbeschluss uber das Verbot der Eroffnung und Erweiterung von Warenhausern Kaufhausern Einheitspreisgeschaften und Filialgeschaften war eine gesetzlich verordnete Einschrankung der verfassungsmassig garantierten Wirtschaftsfreiheit in der Schweiz die von 1933 bis 1945 in Kraft war Mit dieser dirigistischen Massnahme sollte der mittelstandische Detailhandel aus seiner Krise herausgefuhrt werden indem es Unternehmen mit Einheitspreisgeschaften Filialgeschaften Kaufhausern und Warenhausern verboten war neue Laden zu eroffnen oder bestehende zu erweitern Das Verbot war auch antisemitisch motiviert da zahlreiche Warenhauser im Besitz judischer Familien waren 1 Inhaltsverzeichnis 1 Beschluss 2 Auswirkungen 3 Literatur 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseBeschluss BearbeitenSeit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise im Oktober 1929 geriet der mittelstandische Detailhandel in der Schweiz immer starker unter Druck Grunde waren die markante Abschwachung der Binnenwirtschaft die kartellistisch gepragte Strukturerhaltung der ausserst kleinteilig strukturierten Branche und insbesondere die wachsende Konkurrenz durch neuartige Verkaufsformen Zu den seit Ende der 1890er Jahre bestehenden Kauf und Warenhausern kamen 1925 die Verkaufswagen und Ladenfilialen der Migros sowie 1930 die Einheitspreisgeschafte von EPA hinzu Mit Ausnahme der Migros waren diese Unternehmen im Besitz auslandischer und judischer Familien Sie mussten als Sundenbocke fur das wirtschaftliche Scheitern kleiner Ladenbesitzer herhalten Die Mittelstandsbewegung Neue Schweiz und Politiker welche die Interessen verschiedener Wirtschaftsverbande und antiliberale Positionen der extrem rechten Frontenbewegung vertraten forderten gesetzliche Massnahmen zum Schutz der Branche 2 Am 30 Januar 1933 verlangte der Schweizerische Detaillistenverband in einer Erklarung eine Notverordnung gegen die Warenhausexpansion das Hausiererunwesen und Verkaufswagen Zwei Monate spater reichte Nationalrat Fritz Joss BGB eine Motion ein Sie forderte die Revision von Artikel 31 der Bundesverfassung Handels und Gewerbefreiheit und den Erlass einer Notverordnung zur Behebung der den Mittelstand bedrohenden Gefahren ebenso ein Gesetz gegen neue Grosswarenhauser Einheitspreisgeschafte und ahnlicher fremdartiger Unternehmungen sowie des Warenhandels Joss nutzte seinen Einfluss als Bundesfuhrer der Neuen Schweiz und Vizeprasident des Schweizerischen Gewerbeverbandes SGV worauf letzterer an seiner Delegiertenversammlung beinahe einstimmig seine Unterstutzung bekundete Walter Amstalden KVP reichte im Standerat eine ahnliche Motion zum Schutz mittelstandischer Existenzen ein die aber ohne Verfassungsanderung und Notverordnung auskommen sollte 3 Daraufhin entbrannte eine heftige offentliche Debatte in die vor allem Migros Grunder Gottlieb Duttweiler mit zahlreichen Eingaben und Zeitungsartikeln eingriff Der von Bundesrat Edmund Schulthess vorgelegte Gesetzesentwurf wurde am 14 Oktober 1933 in beiden Parlamentskammern beraten Er sah ein landesweites Verbot der Neuerstellung oder Erweiterung von Kaufhausern Warenhausern und Einheitspreisgeschaften vor Daruber hinaus sollten die Kantone selbst bestimmen konnen ob sie ein Verbot auch fur Filialgeschafte von Grossunternehmen des Detailhandels beantragen wollten Dieser Punkt war umstritten weil davon auch die Laden von Konsumgenossenschaften betroffen waren Joss und Amstalden wollten den Zusatz vermeiden weil sie vor allem judische Unternehmen und die Migros treffen wollten setzten sich aber nicht durch Relativ knapp mit 55 zu 49 Stimmen beschloss der Nationalrat den auf zwei Jahre befristeten Bundesbeschluss als dringlich zu erklaren wahrend der Standerat diesem Punkt oppositionslos zustimmte Nach damaligem Recht waren dringliche Bundesbeschlusse dem fakultativen Referendum entzogen sodass keine Volksabstimmung dazu moglich war 4 Auswirkungen BearbeitenDer Bundesrat wendete das neue Gesetz restriktiv an Er genehmigte fur acht Kantone die Ruckwirkung auf den 5 September und weitete das Verbot am 10 November 1933 auch auf Filialgeschafte von Grossunternehmungen des Lebensmittel Detailhandels aus Filialen die zwischen dem 5 September und dem 14 Oktober eroffnet worden waren mussten wieder geschlossen werden Am 28 November weitete der Bundesrat das Verbot auf den Schuhhandel aus und bewilligte weiteren Kantonen die Ruckwirkung Als einziger verlangte der Kanton Basel Stadt die Bewilligung dass auf seinem Hoheitsgebiet weiterhin Filialen eroffnet und erweitert werden durften Duttweiler nahm den Kampf gegen das Filialverbot auf und organisierte 1934 eine Petition die in zwolf Kantonen von 230 000 Personen unterschrieben wurde allein im Kanton Zurich kamen 115 000 Unterschriften zusammen Der Verband Schweizerischer Konsumvereine VSK der Vorlaufer von Coop wehrte sich mit Unterstutzung von Gewerkschaften Angestelltenverbanden und der Sozialdemokratischen Partei ebenfalls gegen das Filialverbot und sammelte mit einer eigenen Petition weitere 570 000 Unterschriften 5 Bereits 1933 hatte der renommierte Staatsrechtler Fritz Fleiner in einem Gutachten zuhanden des Bundesrates dargelegt dass das Filialverbot verfassungswidrig sei 6 Zaccaria Giacometti kam im folgenden Jahr in der Schweizerischen Juristen Zeitung zu einem ahnlichen Schluss Die politischen Bundesbehorden scheinen dem Volke zu misstrauen somit den Glauben an die Demokratie allmahlich zu verlieren Um eines wirklichen oder vermeintlichen augenblicklichen Notstandes willen gibt man in konkreten Einzelfallen in verfassungswidriger Weise die Grundlagen der Demokratie preis Mit der Referendumsdemokratie steht und fallt namlich der schweizerische Staat 7 Trotz der Petitionen und entgegen der juristischen Fachmeinung schlug der Bundesrat am 2 Juli 1935 die Verlangerung des dringlichen Bundesbeschlusses um weitere zwei Jahre vor Das Parlament stimmte dem Antrag am 27 September 1935 zu erganzte aber den Bundesbeschluss um einen zusatzlichen Artikel Dieser besagte dass Grossunternehmungen durch den Bundesrat von der Beachtung des Filialverbots entbunden werden konnten wenn mit den zustandigen Verbanden eine vertragliche Vereinbarung getroffen werden konnte 8 In der Praxis hatte die Ausnahmeregelung keine Auswirkungen und der politische Druck seitens der Migros und des VSK hielt weiter an Am 28 Oktober 1937 wurde der Bundesbeschluss erneut um zwei Jahre verlangert Neu waren samtliche Konsumgenossenschaften die vor dem 1 Mai 1935 Verkaufsstellen gefuhrt hatten vom Filialverbot ausgenommen Der Bundesbeschluss von 1942 machte schliesslich keine Unterscheidung mehr ob eine Genossenschaft vor oder nach diesem zufallig festgelegten Datum gegrundet worden war 8 Davon hatte auch die Migros profitiert die 1941 von einer Aktiengesellschaft in eine Genossenschaft umgewandelt worden war doch liess eine Vereinbarung mit den Verbanden weitere zwei Jahre auf sich warten Mit der Anerkennung als Selbsthilfegenossenschaft durch die Bundesbehorden unterstand sie am 1 Januar 1945 nicht mehr dem Filialverbot blieb aber beim Ausbau des Filialverbotes durch eine auf ein Jahr befristete freiwillige Ubereinkunft mit dem SGV an eine Meldepflicht gebunden 9 Hans Munz Nationalrat des Landesrings der Unabhangigen erreichte mit viel beachteten Zeitungsartikeln und Reden dass das verfassungswidrige Filialverbot am 1 Januar 1946 schliesslich ganz aufgehoben wurde 10 Die am 11 September 1949 knapp angenommene eidgenossische Volksinitiative Ruckkehr zur direkten Demokratie stellte unter anderem sicher dass das Parlament dringliche Bundesbeschlusse in Zukunft nicht mehr dem fakultativen Referendum entziehen konnte wodurch Gesetze wie das Filialverbot fortan praktisch nicht durchsetzbar waren 11 Literatur BearbeitenAlfred A Hasler Das Abenteuer Migros Die 60 Jahre junge Idee Hrsg Migros Genossenschafts Bund Migros Presse Zurich 1985 Katja Girschik Albrecht Ritschl Thomas Welskopp Hrsg Der Migros Kosmos Zur Geschichte eines aussergewohnlichen Schweizer Unternehmens hier jetzt Baden 2003 ISBN 978 3 906419 64 0 Weblinks BearbeitenBotschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung uber die Verlangerung der Geltungsdauer des Filialverbots 1935 PDF 1 5 MB Einzelnachweise Bearbeiten Jakob Tanner Geschichte der Schweiz im 20 Jahrhundert C H Beck Munchen 2015 S 198 Ingrid Liebeskind Sauthier Warenhauser In Historisches Lexikon der Schweiz 1 Mai 2015 abgerufen am 23 September 2019 Hasler Das Abenteuer Migros S 56 Hasler Das Abenteuer Migros S 59 Hasler Das Abenteuer Migros S 60 61 Hasler Das Abenteuer Migros S 57 Hasler Das Abenteuer Migros S 62 a b Christina Borner Die Great Atlantic amp Pacific Tea Company Eine amerikanische Migros In Der Migros Kosmos S 62 64 Hasler Das Abenteuer Migros S 313 Curt Riess Gottlieb Duttweiler eine Biografie von Curt Riess Europa Verlag Zurich 2011 ISBN 978 3 905811 32 2 S 316 Neuauflage des Buches von 1958 erschienen bei Wegner Hamburg und Arche Verlag Zurich 125 Jahre Gottlieb Duttweiler Wirtschaftspolitisches Vermachtnis PDF Migros Genossenschafts Bund 15 August 2013 S 4 abgerufen am 24 September 2019 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Filialverbot amp oldid 238915031