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Die Erprobungsstelle Rechlin am Sudostufer der Muritz bei Rechlin war von 1926 bis 1945 die zentrale Erprobungsstelle fur Luftfahrzeuge im Deutschen Reich Luftbild der alliierten Luftaufklarung zeigt drei strahlgetriebene Messerschmitt Me 262 auf dem Flugplatz Larz etwa Oktober 1944 Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Die Anfange 1 2 Im Dritten Reich 1 3 Nachkriegsgeschichte 2 Literatur 3 Weblinks 4 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenDie Geschichte der Erprobungsstelle Rechlin begann im Jahr 1916 als die ersten Planungen des Deutschen Heeres zur Errichtung einer Flieger Versuchs und Lehranstalt an der Muritz entstanden Doch erst wahrend der Zeit des Nationalsozialismus wurde unter Einschluss des Flugplatzes Larz Rechlin zur Erprobungsstelle E Stelle der Luftwaffe ausgebaut und war die grosste Erprobungsstelle der Luftwaffe im Dritten Reich Die Ergebnisse der Erprobungen und Entwicklungen der Rechliner Ingenieure in der Zeit von 1926 bis 1945 beeinflussten die Luftfahrttechnik bis heute massgeblich und trieben sie voran Die Anfange Bearbeiten Im November 1916 teilte das Preussische Kriegsministerium mit dass die Einrichtung umfangreicher flugtechnischer Anlagen an dem Sudufer des Muritzsees geplant sei Bei den Enteignungsverhandlungen wurden samtliche Gebaude von Kirche Pfarrei und Kusterei mit enteignet Jedoch wurde die Flieger Versuchs und Lehranstalt erst am 29 August 1918 offiziell ihrer Bestimmung ubergeben Im Oktober 1918 fanden noch Vergleichsfluge mit dem Prototyp 11 der Fokker D VII statt dabei wurden Fluge mit und ohne N Streben in den Tragflachen durchgefuhrt Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges wurden die bestehenden Anlagen demontiert Der Versailler Vertrag verbot dem Deutschen Reich der Weimarer Republik in den Artikeln 198 und 202 jegliche Entwicklung und den Bau von Flugzeugen Um diese Bestimmungen des Versailler Vertrages zu umgehen wurde zwischen Deutschland und der Sowjetunion am 16 April 1922 der Vertrag von Rapallo geschlossen Dieser Vertrag schaffte die Voraussetzung dafur die Ausbildung von fliegendem Personal sowie die geheime Erprobung von Flugzeugen und zugehorigen Geraten in Lipezk durchfuhren zu konnen siehe Geheime Fliegerschule und Erprobungsstatte der Reichswehr Der Reichswehrfuhrung genugte dies jedoch nicht sie wollte auch in Deutschland selbst eine zentrale Erprobungsstelle schaffen Nachdem das Deutsche Reich 1925 dem Volkerbund beigetreten war wurden im Juni die Bestimmungen des Versailler Vertrages gelockert im Spatherbst wurde mit dem Aufbau der Erprobungsstelle begonnen Die erste Flugzeughalle mit Arbeits und Wohnhaus Schweizer Haus wurde 1926 gebaut es folgten bis Ende 1934 das Wohn und Gemeinschaftshaus Cafe Achteck zwei Junkers Flugzeughallen und ein Motorenprufstand Im Dritten Reich Bearbeiten nbsp Gebaudeensemble der Erprobungsstelle Gruppe Nord heute Luftfahrttechnisches Museum Rechlin Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 flossen enorme Geldmittel nach Rechlin Aus dem ganzen Reich wurden Techniker und Ingenieure nach Rechlin beordert Fur sie wurde in Rechlin heute Rechlin Nord die sogenannte Meistersiedlung und zwischen Vietzen und Rechlin die Siedlung Vietzen heutiges Rechlin mit Einzel und Doppelhausern gebaut um auch ihre Familien unterbringen zu konnen Um den fast runden Grasplatz entstanden vier grosse Gebaudegruppen die Gruppen Nord Verwaltung Labore Sud Motorenerprobung Ost Munition Waffen und West techn Kompanie Kasernen Aufgrund der Bautatigkeiten bis 1945 entstanden Gebaude mit einer Gesamtflache von 190 Hektar wurden bei Vietzen und Retzow Barackenlager fur den Reichsarbeitsdienst errichtet Im Lager in Retzow wurden spater auch italienische Arbeitskrafte einquartiert Zum Kriegsende wurden im teilweise zum KZ umgerusteten Lager Retzow Frauen aus dem Konzentrationslager Ravensbruck untergebracht um sie auf dem nahegelegenen Flugplatz Larz fur Bauarbeiten einzusetzen Am 26 Februar 1935 ordnete Reichswehrminister Blomberg die schrittweise Enttarnung der Luftwaffe an und Rechlin wurde endgultig als Aussenstelle des Technischen Amtes des Reichsluftfahrtministeriums in Berlin zur Erprobungsstelle der Luftwaffe Die Tatigkeiten waren Teil der amtlichen Uberwachung Sie hatten zum Ziel die Gebrauchsfahigkeit von Fluggeraten und Ausrustungen festzustellen Daneben wurden auch Musterprufungen an neuen Flugzeugtypen durchgefuhrt Beispiele fur Erprobungsaufgaben waren das Erreichen der geforderten Geschwindigkeiten Reichweite Gipfelhohe Festigkeit Stabilitat und Steuerbarkeit Untersucht wurden weiter die Wartung Ergonomie Reparaturfreundlichkeit und weitere Aspekte die Auswirkungen auf den spateren Einsatz des Gerates bei der Truppe hatten 1939 fanden Tests mit dem ersten Strahlflugzeug der Welt Heinkel He 178 statt ab 1940 auch mit Heinkel He 280 jedoch zunachst noch ohne Triebwerke Schleppfluge mit He 111 Diese Untersuchungen fuhrten immer wieder zu Entwicklungen die schliesslich Eingang in die Luftfahrttechnik fanden und die entsprechenden Gerate wesentlich verbesserten Dazu gehorten beispielsweise verschiedene Fallschirmarten unter anderem Banderfallschirm Daumenschalter automatische Kurssteuerungen Autopilot besondere Instrumentierungen Seenotrettung mit Starrfluglern das Rechliner Kaltstartverfahren und Verfahren zur kurzzeitigen Steigerung der Hohenleistung von Flugtriebwerken Am 3 Juli 1939 wurde bereits das erste raketengetriebene Flugzeug vorgefuhrt Bei der Erprobung des zweistrahligen Dusenflugzeugs Heinkel He 280 V1 DL AS kam es am 13 Januar 1943 zum ersten Schleudersitzausschuss der Luftfahrtgeschichte Aus den Erprobungen der Abteilung F resultierten beispielsweise zahlreiche funktechnische Neuerungen Viele Spezialisten dieser und anderer Abteilungen wurden nach dem Kriegsende von den Alliierten ubernommen Neben der rein technischen Erprobung aller Landflugzeuge und deren Zubehor wurden neue Flugzeuge besonders nach Kriegsbeginn auf ihre militarische Brauchbarkeit untersucht Zu diesem Zweck wurde das Erprobungskommando Larz aufgestellt das normalerweise die sogenannten Vor oder Nullserienmuster zur Einsatzerprobung zugewiesen bekam Ab Mitte 1944 erlangte die Erprobung der neuen Strahlflugzeuge Me 262 Ar 234 und He 162 hochste Prioritat Die Erprobungsstelle war aber nicht nur fur deutsche Entwicklungen zustandig sondern auch fur auslandische Flugzeugmuster Nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges wurden erbeutete Flugzeuge nach Rechlin gebracht und dort eingehend erprobt nbsp Flakbunker am Bolter KanalVom Bombenkrieg blieb Rechlin bis in das Jahr 1944 verschont Zur Erprobungsstelle Rechlin gehorten ab 1940 drei Bunker am Ostufer der Muritz einer am Steilufer einer am Bolter Kanal und einer zwischen Boek und dem Bolter Kanal Ausserdem gab es eine Bunkeranlage auf der Hohe 78 wo heute ein Hotel garni ist 1 Im Mai 1944 erfolgte der erste Luftangriff auf das Areal wobei Rechlin nur als Ausweichziel diente Der erste geplante Grossangriff erfolgte erst im August 1944 durch die Eighth Air Force Durch die Schaden wurden die Erprobungen beeintrachtigt sie kamen durch den letzten Angriff im April 1945 zum Erliegen Vom Flugplatz Larz aus wurden noch Einsatze gegen Bomberverbande mit der Messerschmitt Me 262 des Jagdgeschwaders 7 und Tieffliegerangriffe des Jagdgeschwaders 4 mit der Focke Wulf Fw 190 gegen die Rote Armee geflogen Ende April wurden die noch vorhandenen technischen Anlagen gesprengt bevor am 2 Mai 1945 die Erprobungsstelle an die Rote Armee ubergeben wurde Nachkriegsgeschichte Bearbeiten Nach dem Krieg wurde Rechlin zu einer Garnison der Roten Armee ab 1954 Gruppe der Sowjetischen Streitkrafte in Deutschland Da der Flugplatz Larz uber Betonbahnen verfugte wurde dort zunachst ein Jagdbombergeschwader und spater zusatzlich ein Hubschraubergeschwader vgl GRU stationiert Die Offiziere und ihre Familien wurden in der Siedlung Vietzen heutiges Rechlin untergebracht die Soldaten in den ehemaligen Kasernen der Erprobungsstelle der Gruppe West kaserniert 1948 gab die Rote Armee 75 Wohnungen zur Nutzung durch die deutsche Bevolkerung frei Zu einem grossen Teil kamen hier Vertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reiches unter Auf dem der Muritz nahe gelegenen Bereich der Gruppe Nord entstand ab Mitte Juni 1948 die Schiffswerft Rechlin Auf dem Gelande standen nur noch wenige durch die Bombenangriffe beschadigte oder gesprengte Gebaude ohne Fenster Turen und Fussboden Die ersten Produkte waren Ackergerate und Sportboote bis 1955 wurden durch die Werftarbeiter auch Einfamilien und Doppelhauser repariert Es entstanden u a bereits Rettungsboote aus Holz und Leichtmetall Im Jahr 1963 wurde die Schiffswerft Spezialbetrieb fur die Entwicklung und den Bau von Rettungsbooten die ab November 1966 aus glasfaserverstarkten Plasten hergestellt wurden Als Motor wurde unter anderem der schnelllaufende Vierzylinder Dieselmotor 4 VD 8 8 aus dem Motorenwerk Cunewalde verwendet Dazu kamen nach wie vor Konsumguter Zulieferteile fur den Grossschiffbau und Gefriereinrichtungen fur Kuhlschiffe Insgesamt wurden in der Zeit von 1948 bis 1980 etwa 3 800 Rettungsboote und ungefahr 4 000 sonstige Boote hergestellt 1984 wurde das GAL Boot geschlossen aufrichtend lenzend vorgestellt das nach internationalen und Vorschriften der See Berufsgenossenschaft entwickelt wurde Die Werft hatte sich bis zum Ende der 1980er Jahre mit etwa 1 100 Mitarbeitern zum grossten Industriebetrieb im Kreis Neustrelitz entwickelt In den Jahren 1990 bis 1992 sank die Zahl der Mitarbeiter auf 430 und 1993 erfolgte die Privatisierung mit der Aufteilung in eine Mutter und mehrere Tochtergesellschaften Nachdem diese Einzelgesellschaften nach und nach in Konkurs gingen wurde das Gelande 1997 zwangsversteigert Der Stuttgarter Harald Kuhnle ersteigerte das Areal und grundete ein Jahr spater die Kuhnle Werft Diese Werft baut Hausboote vor allem der Kormoran Baureihe die an Privateigner verkauft oder bei dem Charterunternehmen Kuhnle Tours an mehreren Standorten in Deutschland Polen und Frankreich vermietet werden Seit 1997 wurden auf der Kuhnle Werft folgende Innovationen entwickelt Landstromunabhangige Bordheizung stromungsoptimierter Rumpf hydraulischer Bootsantrieb 1956 wurde ebenfalls auf dem Gelande der ehemaligen Gruppe Nord das Zentrale Nachrichtenlager der NVA aufgebaut nachdem dort ab 1951 bereits die Wassersportschule der FDJ und ab 1952 die Seesportschule der GST ansassig waren Nach der Wende 1990 wurde ein Teil des Gelandes von der Bundeswehr ubernommen und ein Geratedepot eingerichtet das jedoch im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr aufgegeben wurde Im Marz 1993 verliess das 19 Jagdbomberregiment der russischen WGT nach 48 Jahren den Flugplatz Larz und im Herbst auch den bisher ausgegrenzten Wohnbereich und die Kasernen in Rechlin 1994 wurde der Flugplatz Larz wieder fur die zivile Nutzung eroffnet Die Kirche in Rechlin Nord durchlief in dieser Zeit abenteuerliche Nutzungsarten vom Munitionslager der Roten Armee uber Getreidespeicher der LPG und Leichtmetallglatterei der Schiffswerft bis hin zur Sporthalle bzw Geratelager der NVA Die Kirche wurde nach Renovierungsarbeiten veranlasst durch den Forderverein Kirche Rechlin Nord e V im Jahr 1996 vom Bund an die Mecklenburgische Landeskirche ubergeben Literatur BearbeitenTheodor Benecke Hrsg Die deutsche Luftfahrt Band 27 Heinrich Beauvais Karl Kossler Max Mayer Christoph Regel Flugerprobungsstellen bis 1945 Johannisthal Lipezk Rechlin Travemunde Tarnewitz Peenemunde West Bernard amp Graefe Munchen u a 1998 ISBN 3 7637 6117 9 Hans Werner Lerche Testpilot auf Beuteflugzeugen 2 Auflage Motorbuch Verlag Stuttgart 1977 ISBN 3 87943 495 6 Hans Werner Lerche Testpilot auf Beuteflugzeugen 7 uberarbeitete und erweiterte Auflage Aviatic Verlag Oberhaching 1999 ISBN 3 925505 41 5 Forderverein Luftfahrttechnisches Museum Rechlin e V Geschichte und Technik in und um Rechlin Vom Propeller ubers Strahlflugzeug zum Rettungsboot Eigenverlag Rechlin 2003 Norbert Lebert Sterben war ihr taglich Brot Die Testpiloten von Rechlin Roman nach Tatsachen Hestia Verlag Bayreuth 1958 Weblinks BearbeitenLuftfahrttechnisches Museum RechlinEinzelnachweise Bearbeiten Gerald Schwork Fincken53 344374 12 729514 Koordinaten 53 20 39 7 N 12 43 46 3 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Erprobungsstelle Rechlin amp oldid 235068933