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Das Enigma Steckerbrett ist eine kryptographische Zusatzeinrichtung uber die die meisten militarisch genutzten Enigma Modelle verfugten Das Steckerbrett wurde erst 1928 als geheime Zusatzeinrichtung fur die militarisch genutzte Enigma I hinzugefugt Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Erste Version 3 Zweite Version 4 Dritte Version 5 Nachgeschichte 6 Entzifferung 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenDie Enigma ist eine Rotor Schlusselmaschine die noch wahrend der Zeit des Ersten Weltkriegs von Arthur Scherbius einem promovierten Elektroingenieur und erfolgreichen Unternehmer erfunden wurde Sein erstes Patent hierzu stammt vom 23 Februar 1918 1 Die ersten Probemaschinen 1918 und auch die ersten in Serie gefertigten Modelle wie die Handelsmaschine 1923 die Enigma A 1924 Enigma B 1924 Enigma C 1925 und Enigma D 1926 verfugten jedoch noch uber kein Steckerbrett Die Verwendung eines Steckerbretts wurde erst in den Jahren 1927 und 1928 in mehreren Besprechungen zwischen Vertretern des Reichswehrministeriums und Vertretern der Herstellerfirma Chiffriermaschinen AG ChiMaAG festgelegt Das Reichswehrministerium wurde durch zwei Offiziere und dem Kryptoanalytiker Wilhelm Fenner der Chi Stelle Chiffrierstelle vertreten die Chiffriermaschinen AG durch Elsbeth Rinke und Willi Korn Die Reichswehr beabsichtigte die Enigma als militarischen Maschinenschlussel einzusetzen daher legte sie grossen Wert auf hohe Sicherheit Die Vertreter des Ministeriums schlugen vor die kryptographische Sicherheit der Verschlusselung dadurch zu verbessern dass eine geheime Zusatzeinrichtung an der Frontplatte der Maschine angebracht werden sollte die eine zusatzliche Permutation Buchstabenvertauschung bewirkte Dies sollte mithilfe von Stopseln geschehen ahnlich wie es fruher das Fraulein vom Amt mithilfe des Klappenschranks bei der Handvermittlung von Telefongesprachen machte Wie genau dieses Stopselbrett bei der Enigma aussehen sollte war 1927 und auch Anfang 1928 zunachst noch unklar Die technische Ausgestaltung sollte durch die ChiMaAG erfolgen Klar war jedoch dass es sich dabei um eine Vorgabe des Reichswehrministeriums handelte das grossen Wert auf sein geistiges Eigentum legte und dies mit der ChiMaAG in einer Vereinbarung vom 2 Mai 1927 so festgelegt hatte Das Reichswehrministeriums verfugte dass sein Steckerbrett als geheime Zusatzeinrichtung exklusiv nur fur militarisch genutzte Modelle verwendet werden durfte Im Jahr 2017 wurde belegt dass das Steckerbrett der Enigma nicht von Anfang an so konzipiert war und auch nicht so realisiert wurde wie es dann spater aussah Es durchlief vielmehr drei Entwicklungsschritte mit drei verschiedenen Versionen 2 Erste Version BearbeitenIm Oktober 2009 fiel Tom Perera bei der Restaurierung eines der ersten 400 Enigma Exemplare auf dass das Gussteil der Bodenplatte und des Tastaturfelds seltsame kreisformige Ausschnitte aufwies die anscheinend irgendwann verwendet worden waren Da sich diese Ausschnitte hinter dem Steckerbrett befinden sind sie im montierten Zustand der Maschine nicht zu sehen Auch andere fruhe Maschinen zeigte diese kreisformigen Ausschnitte die bei spateren Exemplaren nicht vorhanden sind Nahere Untersuchungen ergaben dass die Ausschnitte sich in Kombination zu zwei zylinderformigen Aussparungen mit jeweils achtzig Millimetern Durchmesser erganzen lassen Aus einer Aktennotiz von Willi Korn und Elsbeth Rinke liess sich schliessen dass die kreisformigen Ausschnitte wahrscheinlich fur die erste Version eines Steckbretts bestimmt waren bei dem 26 einpolige Buchsen in zwei Kreisen zu jeweils 13 Buchsen angeordnet waren 1 14 13 2 26 15 12 3 25 16 11 4 24 17 10 5 23 18 9 6 22 19 8 7 21 20 Vermutlich wurden gewohnliche Bananenbuchsen 4 mm verwendet in die entsprechende Bananenstecker jeweils mit einem unterschiedlichen Buchstaben des Alphabets markiert gestopselt werden konnten Die Stecker befanden sich an Kabelenden die im Inneren jedes der beiden Kreise angeordnet waren Dieses Konzept erlaubte die Permutation jedes der dreizehn ersten Buchstaben A bis M des lateinischen Alphabets untereinander sowie die Permutation jedes der dreizehn letzten Buchstaben N bis Z untereinander Hierzu passend beziffert die Aktennotiz die Anzahl der insgesamt moglichen unterschiedlichen Kombinationen mit 13 mal 13 3 also 38 775 788 043 632 640 000 Zweite Version BearbeitenNachdem bereits vierhundert Maschinen entsprechend der ersten Version hergestellt worden waren verwarf die Reichswehr jedoch dieses Konzept vermutlich weil die jeweils auf eine Halfte des Alphabets beschrankten Permutationen als eine erhebliche kryptographische Schwache erkannt worden waren Daraufhin erarbeitete die ChiMaAG eine neue Version und schlug dem Reichswehrministerium in eine Besprechung am 7 Februar 1928 die folgende Losung vor 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z Hierbei gibt es fur jeden der 26 Buchstaben des Alphabets zwei Mal in jeweils zwei Reihen Bananenbuchsen insgesamt also vier Reihen mit jeweils 13 Buchsen In der oberen Halfte sind die Buchsen durchnummeriert 1 bis 26 und in der unteren Halfte mit Buchstaben bezeichnet A bis Z Nun kann und muss jede Buchse aus der oberen Halfte mithilfe eines gewohnlichen einpoligen Kabels das auf beiden Seiten Bananenstecker aufweist mit einer beliebigen Buchse aus der unteren Halfte verbunden werden Insgesamt stehen 26 Bananenkabel zur Verfugung die ausreichend lang sind um auch extrem weit voneinander entfernte Buchsen wie 1 und Z miteinander verbinden zu konnen Es ist wichtig dass hier stets jede der oberen Buchsen mit einer der unteren verbunden wird Keine Buchse darf offen bleiben und niemals darf eine Buchse mit einer anderen in derselben Halfte oben oder unten verbunden werden da es sonst zu Fehlfunktion kommen wurde Aus bedientechnischer Sicht sind das sicher Nachteile Im Feldeinsatz waren vermutlich oft Fluchtigkeitsfehler passiert insbesondere auch weil ein mit 26 Kabeln und 52 Buchsen voll gestecktes Brett sehr unubersichtlich aussieht und sich nur muhsam auf Korrektheit uberprufen lasst Vom kryptographischen Standpunkt aus stellte diese Losung allerdings das Non plus ultra dar denn sie schopft das kombinatorische Potenzial des Steckerbretts voll aus Die Anzahl der insgesamt moglichen unterschiedlichen Steckkombinationen betragt hier 26 403 291 461 126 605 635 584 000 000 ist also um den Faktor 10 400 600 grosser als bei der ersten Version Wilhelm Fenner uberprufte die Bedienung personlich und war in der Lage das komplette Brett nach einem ihm vorher unbekannten Schema in weniger als drei Minuten vollstandig und fehlerfrei zu stecken Dennoch war man einhellig der Meinung dies sei fur den praktischen Einsatz zu kompliziert und zu fehlertrachtig Deshalb wurde dieser Vorschlag der ChiMaAG durch das Reichswehrministerium verworfen Dritte Version Bearbeiten nbsp Ein nahezu vollstandig gesteckertes Enigma Steckerbrett Man erkennt beispielsweise beim hier ungesteckerten Buchstaben R dass die obere Buchse des Buchsenpaars einen grosseren Durchmesser aufweist als die untere Das Reichswehrministerium selbst erarbeitete eine neue Losung bei der doppelpolige Uberkreuzkabel zum Einsatz kamen und 26 doppelpolige Buchsen an der Front der Maschine ahnlich wie bei einer deutschen Schreibmaschinentastatur angeordnet wurden Q W E R T Z U I O A S D F G H J K P Y X C V B N M L Die jeweils obere Buchse eines Buchsenpaars hat einen etwas grosseren Durchmesser 4 mm als die untere 3 mm so dass die Stecker nur in einer Orientierung eingesteckt werden konnen Diese Ausgestaltung des Steckerbretts wurde kurz darauf am 9 August 1928 von der Reichswehr exklusiv fur die militarisch genutzten Enigma Maschinen eingefuhrt und spater von der Wehrmacht so ubernommen 4 Ab 1 Juni 1930 war es ublich sechs doppelpolige Kabel zu stecken im damaligen Jargon kurz als sechs Stecker bezeichnet also zwolf Buchstaben paarweise involutorisch zu vertauschen und die restlichen vierzehn ungesteckert zu lassen 5 Dass hierbei die Anzahl der Vertauschungsmoglichkeiten deutlich geringer ist als bei der ersten oder zweiten Version war den Besprechungsteilnehmern bereits 1927 klar Sie betragt bei Verwendung von sechs Kabeln nur 100 391 791 500 statt 38 775 788 043 632 640 000 oder gar 403 291 461 126 605 635 584 000 000 Sie haben sich aber aus betriebstechnischen Grunden entschlossen diese astronomischen Zahlen aufzugeben 6 Ab 1 Oktober 1936 war vorgeschrieben statt sechs nun funf bis acht Stecker zu setzen 7 Am 1 Januar 1939 wurde die Anzahl auf sieben bis zehn Stecker erhoht 8 Und schliesslich am 9 August 1939 unmittelbar vor Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden zehn Stecker vorgeschrieben 9 Dabei blieb es bis auf wenige vereinzelte Ausnahmen bis Kriegsende 1945 Nachgeschichte BearbeitenDie dritte Version des Steckerbretts wurde ab so 1928 beibehalten und blieb stets nur den militarisch eingesetzten Modellen vorbehalten Das waren die Enigma I von 1930 die von Heer und Luftwaffe verwendet wurde sowie die von der Kriegsmarine benutzten Enigma M Modelle hauptsachlich die M3 1939 und spater die M4 1942 Teilweise wurden die Buchsen durch Buchstaben Enigma I und bei der Enigma M durch Zahlen gelegentlich auch durch Zahlen und Buchstaben gekennzeichnet Bei der Marine war die Beschriftung oft nummerisch alphabetische aufsteigend bei der Enigma I aber meist in einer QWERTZ ahnlichen Reihenfolge Die verpolungssicheren Doppelstecker der Enigma I waren 15mm lang die Stecker der Marine Enigma dagegen 19mm Ein Enigma I Kabel wurde bei einer Marine Enigma nicht funktionieren da die Stecker die Kontaktbrucke in der Buchse nicht losen wurden Andere Modelle wie beispielsweise die Enigma K 1936 die 1938 speziell fur die Schweizer Armee modifiziert worden war sowie die von der deutschen Abwehr Geheimdienst verwendete Enigma G 1936 und auch die speziell fur den Nachrichtenverkehr mit dem verbundeten Kaiserreich Japan konzipierte Enigma T 1942 hatten kein Steckerbrett Entzifferung Bearbeiten Hauptartikel Enigma Maschine Entzifferung Wie man heute weiss war die durch die doppelpoligen Uberkreuzkabel eingefuhrte Involutorik der Steckerung ein schwerwiegender kryptographischer Fehler Die so durch das Steckerbrett bewirkte selbstinverse Permutation bedeutet dass wenn beispielsweise X durch U ersetzt wird stets auch U durch X ersetzt wird Ein weiterer gravierender Fehler war die Anzahl der gesetzten Stecker in den Jahren 1930 bis 1936 auf nur sechs zu begrenzen und somit vierzehn Buchstaben unvertauscht zu lassen Aus diesem betriebstechnischen Grund hatte folglich das Steckerbrett fur die Mehrzahl der 26 Alphabetbuchstaben uberhaupt keine Wirkung Besser ware es gewesen von Anfang an mindestens zehn Stecker zu nutzen Die Schwache der vielen ungesteckerten Buchstaben erlaubte den polnischen Codeknackern des Biuro Szyfrow deutsch Chiffrenburo um Marian Rejewski 1905 1980 bereits im Jahr 1932 den ersten Einbruch in die Enigma 10 Ab 1934 nutzten sie dazu ein spezielles kryptanalytisches Gerat genannt Zyklometer das ihnen die Arbeit erleichterte Im Jahr 1938 kam die Bomba hinzu Die Involutorik des Steckerbretts erleichterte auch spater wahrend des Krieges 1939 1945 den britischen Codebreakers von Bletchley Park um Alan Turing 1912 1954 und Gordon Welchman 1906 1985 ihre Arbeit ganz wesentlich Wie Welchman spater berichtete befurchtete er am meisten dass plotzlich einpolige Steckerverbindungen anstelle der doppelpoligen verwendet werden 11 So ware die Involutorik des Steckerbretts verschwunden was nach Welchman katastrophale Auswirkungen auf die Arbeit in Bletchley Park gehabt hatte Ein Grossteil der dort erarbeiteten Methodik inklusive des von Welchman selbst erfundenen diagonal board deutsch Diagonalbrett ware nutzlos geworden 12 13 Literatur BearbeitenArthur O Bauer Funkpeilung als alliierte Waffe gegen deutsche U Boote 1939 1945 Arthur O Bauer Selbstverlag Diemen Niederlande 1997 ISBN 3 00 002142 6 Craig P Bauer Secret History The Story of Cryptology CRC Press Boca Raton 2013 ISBN 978 1 4665 6186 1 Friedrich L Bauer Entzifferte Geheimnisse Methoden und Maximen der Kryptologie 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Springer Berlin u a 2000 ISBN 3 540 67931 6 Tom Perera Dan Perera Inside Enigma 2 Auflage Radio Society of Great Britain RSGB 2019 ISBN 978 1 910193 71 6 Gordon Welchman The Hut Six Story Breaking the Enigma Codes Allen Lane London 1982 Cleobury Mortimer M amp M Baldwin Shropshire 2000 ISBN 0 947712 34 8 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Enigma Steckerbrett Sammlung von Bildern Aktennotiz von Willi Korn und Elsbeth Rinke vom 17 Februar 1928 Foto eines Enigma Chassis mit kreisformigen Aussparungen Enigma Steckerbrett im Crypto Museum englisch Einzelnachweise Bearbeiten Patentschrift Chiffrierapparat DRP Nr 416 219 PDF 0 4 MB abgerufen am 11 November 2020 Tom Perera Dan Perera Inside Enigma 2 Auflage RSGB 2019 ISBN 978 1 910193 71 6 S 62 64 Aktennotiz von Willi Korn und Elsbeth Rinke vom 17 Februar 1928 S 2 Craig P Bauer Secret History The Story of Cryptology CRC Press Boca Raton 2013 S 248 ISBN 978 1 4665 6186 1 Louis Kruh Cipher Deavours The Commercial Enigma Beginnings of Machine Cryptography Cryptologia Vol XXVI Nr 1 Januar 2002 S 11 PDF 0 8 MB abgerufen am 11 November 2020 Aktennotiz von Willi Korn und Elsbeth Rinke vom 17 Februar 1928 S 2 Friedrich L Bauer Entzifferte Geheimnisse Methoden und Maximen der Kryptologie 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Springer Berlin u a 2000 S 115 Gordon Welchman The Hut Six Story Breaking the Enigma Codes Allen Lane London 1982 Cleobury Mortimer M amp M Baldwin Shropshire 2000 S 214 ISBN 0 947712 34 8 Friedrich L Bauer Entzifferte Geheimnisse Methoden und Maximen der Kryptologie 3 uberarbeitete und erweiterte Auflage Springer Berlin u a 2000 S 50 Marian Rejewski An Application of the Theory of Permutations in Breaking the Enigma Cipher Applicationes Mathematicae 16 4 1980 S 543 559 PDF 1 6 MB Memento vom 21 Dezember 2015 im Internet Archive Gordon Welchman The Hut Six Story Breaking the Enigma Codes Allen Lane London 1982 Cleobury Mortimer M amp M Baldwin Shropshire 2000 S 168 ISBN 0 947712 34 8 Gordon Welchman The Hut Six Story Breaking the Enigma Codes Allen Lane London 1982 Cleobury Mortimer M amp M Baldwin Shropshire 2000 S 81 ISBN 0 947712 34 8 Hugh Sebag Montefiore Enigma The battle for the code Cassell Military Paperbacks London 2004 S 384 ISBN 0 304 36662 5 Enigma Modelle Probemaschine Handelsmaschine Schreibende Enigma Enigma A Enigma B Enigma C Enigma D Enigma H Enigma I Enigma Z Enigma M1 Enigma G Enigma K Enigma M2 Enigma M3 Enigma M4 Enigma T Norenigma Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Enigma Steckerbrett amp oldid 239049150