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Der Begriff Deesis altgriechisch dehsis Bitte Flehen Gebet bezeichnet das Vorbringen eines ursprunglich in der Regel wohl eigennutzigen Anliegens sowohl im weltlich juristischen als auch im religiosen Bereich 1 Im byzantinischen Reich wurde der Ausdruck u a fur profane an den Kaiser gerichtete Petitionen verwandt 2 Im Sprachgebrauch der modernen Kunstgeschichte wird die Bedeutung des Begriffs dagegen auf die religiose und grundsatzlich fremdnutzige Furbitte lateinisch intercessio beschrankt und als Fachbegriff auf ein Bildmotiv der christlichen Ikonografie bezogen Dieses Motiv zeigt in der Regel eine Dreifigurengruppe mit Christus in der Mitte sowie der Gottesmutter Maria und Johannes dem Taufer an seinen Seiten Maria und Johannes erheben beide Arme und wenden sich Christus in einer demutigen und flehentlichen Haltung zu sog Orantenhaltung Stehen weitere Heilige in der gleichen oder einer ahnlichen Haltung neben Maria und dem Taufer spricht man von einer grossen Deesis Deesis Ikone aus dem Katharinenkloster Sinai 12 Jh Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft des Bildmotivs 2 Deesis als Element des Weltgerichts 3 Die Deesis im Okzident 4 Geistige Grundlagen der Deesis 5 Bild und Bezeichnung als Deesis 6 Ein Weltgericht im Kleinformat 7 Literatur 8 Einzelnachweise 9 WeblinksHerkunft des Bildmotivs BearbeitenDas Bildmotiv taucht gesichert erst nach dem Ende des byzantinischen Bilderstreits auf Aus der Zeit um 900 n Chr ist es in provinzialbyzantinischen Werken aus Kappadokien auf uns uberkommen u a aus der Ayvali Kilise im Gulludere Tal nahe Cavusin 3 Die altesten uberlieferten Beispiele aus Konstantinopel stammen aus dem 10 Jahrhundert und sind Werke der Kleinkunst wie das Email der Limburger Staurothek oder die Elfenbeinschnitzerei des Harbaville Triptychons im Louvre Das monumentale Deesis Mosaik auf der Sudempore der Hagia Sophia stammt aus dem 13 Jahrhundert Ein weiteres hauptstadtisches Deesis Mosaik ist in der Pammakaristos Kirche erhalten Deesis als Element des Weltgerichts Bearbeiten nbsp Kleine Deesis Harbaville Triptychon aus dem 10 JahrhundertSeit dem 11 Jahrhundert wird die sog kleine Deesis mit Christus Maria und dem Taufer zugleich zu einem zentralen Bestandteil von byzantinischen Bildern des Jungsten Gerichts so bereits in der fruhesten Miniatur zu diesem Thema 4 dem Blatt 51v der Buchmalerei Ms Grec 74 der Bibliotheque nationale de France in Paris 5 Von dieser Konstellation des Richters mit der Gottesmutter und dem Taufer als Furbittenden sind Bilder des Jungsten Gerichts auch im okzidentalen Bereich bis in die nachmittelalterliche Zeit inspiriert worden so z B das Jungste Gericht des Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle aus der Zeit der Renaissance oder das Jungste Gericht von Peter Paul Rubens aus der Zeit des Barock Die Deesis im Okzident Bearbeiten nbsp Bild gesucht Der Benutzer Flominator wunscht sich an dieser Stelle ein Bild Motiv eine der erwahnten AbbildungenFalls du dabei helfen mochtest erklart die Anleitung wie das geht Seit dem 12 Jahrhundert erscheint die Deesis auch im romisch lateinischen Kulturkreis 6 zunachst in den italischen Kontaktzentren zum byzantinischen Reich z B in einem Mosaik in der Apsis einer Klosterkirche auf Murano in der Lagune von Venedig das sich heute in der Friedenskirche in Potsdam befindet 7 Seit dem 13 Jahrhundert tritt die Deesis auch nordlich der Alpen auf und wird hier wiederum zum Bestandteil von grosseren Darstellungen des Weltgerichts so z B in einem der Portale der gotischen Kathedrale Notre Dame in Reims Fur Darstellungen mit Johannes dem Evangelisten an Stelle des Taufers wie im ebenfalls gotischen Weltgerichtsportal der Kathedrale Notre Dame de Paris sind geistige Wurzeln einer eigenen westlich lateinischen Deesis Konzeption in der hochmittelalterlichen Scholastik entdeckt worden 8 Geistige Grundlagen der Deesis BearbeitenAus der Bibel oder anderen Legenden ist keinerlei Erzahlung als Vorlage fur das Bildmotiv der Deesis bekannt Das religiose Konzept der Anrufung Gottes zur Bitte um das Wohl oder den Seelenfrieden anderer lebender oder verstorbener Menschen oder der Menschheit ist historisch im Kulturraum der Levante weit vor Entstehung des Christentums bezeugt 9 Im Kern dieses Konzepts steckt die Idee dass bestimmte Heilige durch ihre Nahe zu Gott als Furbittende besonders geeignet seien bzw besonderen Erfolg versprechen Dieser Gedanke kommt auch im Neuen Testament zum Ausdruck Darum betet fureinander Viel vermag das instandige Gebet eines Gerechten Jak 5 16 Maria und der Taufer gelten als besonders geeignet Nach der ostlich orthodoxen Theologie und Volksfrommigkeit gilt Johannes als Taufer wie der Urheber einer zweiten Geburt Jesu und nimmt in der himmlischen Hierarchie eine besondere Stellung ein nach Maria aber noch vor den Aposteln 10 Nach der neueren Forschung bleibt das Konzept der Deesis aber auch dann gewahrt wenn nicht der Taufer zuweilen auch nicht Maria sondern andere Heilige in einem entsprechenden Bild erscheinen 11 Bild und Bezeichnung als Deesis BearbeitenAls altester Beleg der Bezeichnung eines Bildes als Deesis gilt eine Beschreibung der Klause des Monches Symeon aus Konstantinopel die aus der zweiten Halfte des 11 Jahrhunderts stammt Vom Aussehen des Bildes dort ist indes nichts uberliefert 12 Fur die Zeit des byzantinischen Reiches werden in der Forschung nur etwa zwanzig Bildwerke aufgezahlt die in Inschriften oder Beischriften oder zeitgenossischen Inventaren explizit als Deesis bezeichnet worden sind 13 Nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels 1453 hat sich der ursprunglich griechische Begriff im russischen Kulturraum zur Bezeichnung von Bildern der Heiligenfurbitte vor Christus gehalten und ist von dort um 1900 in den Sprachgebrauch der modernen Kunstgeschichte gelangt 14 Ein Weltgericht im Kleinformat BearbeitenIn der Forschung ist umstritten ob die Deesis als Einzelbild mit drei oder wenig mehr Figuren auch ausserhalb von Grossdarstellungen des Jungsten Gerichts als Teil fur das Ganze oder als bildnerische Abkurzung Abbreviatur des Gerichtsthemas steht In Frage steht also ob Christus bei der kleinen oder einer grossen Deesis stets als Richter zu verstehen ist auch wenn das Bild sonst keine Hinweise auf das Gericht gibt Dagegen wird eingewandt dass Christus bei Gerichtsbildern stets eine Bewegung der Hande zeigt mit der er die Guten zu seiner Rechten von den Bosen zu seiner Linken scheidet wie er es nach dem Evangelium des Matthaus selbst vorhergesagt hat Und alle Volker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden wie der Hirt die Schafe von den Bocken scheidet Matth 25 32 Fur den Scheidegestus gibt es zahlreiche Varianten Christus offnet die Hande und hebt die Arme nach oben oder nach unten er tut dies gleichsinnig oder rechts anders als links usw Auf Bildern der Deesis erscheint er dagegen haufig mit einer Geste des Segens Soweit Christus nicht mit der Geste des Scheidens auftritt sind Bilder mit einer Deesis nach dieser Auffassung auch nicht als Bilder des Weltgerichts zu verstehen 15 Die Verwendung der Szene der Deesis in Bildern des Weltgerichts ist danach als ein Sonderfall der Deesis zu verstehen und die Deesis stellt nicht allgemein stets ein Weltgericht dar 16 Die Auslegung der Bildaussage als Weltgericht hat i U Konsequenzen fur die Deutung des Buches das der segnende Christus auf Bildern der kleinen oder grossen Deesis in seiner linken Hand halt Bei einer Deutung der Deesis als Weltgericht liegt das Buch des Lebens nahe das zwar nicht in der Weltgerichtsrede Christi nach Matthaus Matth 25 31 46 erwahnt wird aber in der Offenbarung des Johannes Offb 20 12 15 Nach der Offenbarung sind in diesem Buch die Anwarter auf das Himmelreich verzeichnet Offb 20 12 u 15 21 27 Als Buch in der Rechten des segnenden Jesus Christus wird dagegen i d R das Evangelium identifiziert Diese Deutung wird durch zahlreiche Bildbeispiele gestutzt bei denen das Buch als Aufschrift einen Hinweis auf eine Stelle in den Evangelien tragt 17 Literatur BearbeitenBrenk Beat Tradition und Neuerung in der christlichen Kunst des ersten Jahrtausends Wien 1966 Cutler Anthony Under the Sign of the Deesis On the Question of Representativeness in Medieval Art and Literature In Dumbarton Oaks Papers Bd 41 1987 S 145 ff Gallon Thomas Peter Herrscher Richter Segensspender Zur Prasenz Christi im veneto byzantinischen Furbitte Mosaik der Friedenskirche zu Sanssouci In Mitteilungen des Vereins fur Kultur und Geschichte Potsdams Studiengemeinschaft Sanssouci e V Potsdam 2013 S 39 ff Von Bogyay Thomas Deesis und Eschatologie In Polychordia Festschrift Franz Dolger Bd 2 Amsterdam 1967 S 59 ff Walter Christopher Further Notes on the Deesis In Revue des etudes byzantines Bd 28 1970 S 161 ff Einzelnachweise Bearbeiten Walter Christopher Two Notes on the Deesis In Revue des etudes byzantines Bd 26 1968 S 317 ff Guilland R Le Maitre des Requetes In Byzantion Bd 35 1965 S 97 ff Jolivet Levy Catherine Premieres images du jugement dernier en Cappadoce Byzantine Xe siecle In Pace Valentino u a Le jugement dernier entre orient et occident Paris 2007 S 47 Brenk Beat Die Anfange der byzantinischen Weltgerichtsdarstellung In Byzantinische Zeitschrift Bd 57 1964 S 126 Farbige Abbildung bei Christe Yves Das Jungste Gericht Regensburg 2001 Abb 8 De Bogyay Thomas L adoption de la Deisis dans l art en Europe centrale et occidentale In Le comte d Adhemar de Panat u a Melanges offerts a Szabolcs de Vajay Braga 1979 S 65 ff Gallon Thomas Peter Herrscher Richter Segensspender Zur Prasenz Christi im veneto byzantinischen Furbitte Mosaik der Friedenskirche zu Sanssouci In Mitteilungen des Vereins fur Kultur und Geschichte Potsdams Studiengemeinschaft Sanssouci e V Potsdam 2013 S 39 ff Boerner Bruno Par caritas par meritum Studien zur Theologie des gotischen Weltgerichtsportals in Frankreich am Beispiel des mittleren Westeingangs von Notre Dame in Paris Freiburg i U 1998 Michel O Gebet II Furbitte In Reallexikon fur Antike und Christentum Bd 9 1976 Sp 1 ff Kantorowicz Ernst Ivories and Litanies In Journal of the Warburg and Courtauld Institutes Bd 5 1942 S 71 f 77 f Cutler Anthony Under the Sign of the Deesis On the Question of Representativeness in Medieval Art and Literature in Dumbarton Oaks Papers Bd 41 1987 S 145 ff Von Bogyay Thomas Deesis In Lexikon der christlichen Ikonographie Bd 1 1968 Sp 494 Walter Christopher Two Notes on the Deesis In Revue des etudes byzantines Bd 26 1968 S 311 ff Von Bogyay Thomas Deesis In Reallexikon zur byzantinischen Kunst Bd 1 1966 Sp 1179 Gallon Thomas Peter Herrscher Richter Segensspender Zur Prasenz Christi im veneto byzantinischen Furbitte Mosaik der Friedenskirche zu Sanssouci In Mitteilungen des Vereins fur Kultur und Geschichte Potsdams Studiengemeinschaft Sanssouci e V Potsdam 2013 S 59 ff Von Bogyay Thomas Deesis und Eschatologie In Polychordia Festschrift Franz Dolger Bd 2 Amsterdam 1967 S 59 ff Wessel Klaus Das Bild des Pantokrator In Polychordia Festschrift Franz Dolger Bd 1 Heidelberg 1966 S 528 f Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Deesis Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien RDK Labor Thomas von Bogyay Deesis in Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte Bd III 1954 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Deesis amp oldid 184705567