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Der Dauerwaldvertrag auch Dauerwaldkaufvertrag oder Jahrhundertvertrag bezeichnet eine Vereinbarung des kommunalen Zweckverbandes Gross Berlin mit dem Koniglich Preussischen Staat zum Walderwerb vom 27 Marz 1915 Die heutige Grossstadt Berlin die funf Jahre spater aus dem Zweckverband hervorging trat als Rechtsnachfolger in den Vertrag ein Der Vertrag schuf die Voraussetzung dafur dass Berlin verglichen mit anderen Millionenstadten uber Waldflachen von einzigartiger Ausdehnung verfugt 1 Der Bestandteil Dauerwald im Namen verweist auf die Dauer des fur den Erwerb des Waldes geschlossenen Vertrages und bezieht sich nicht auf den Begriff Dauerwald als forstwirtschaftliche Nutzungsform Inhaltsverzeichnis 1 Walderwerb und Preis 2 Verpflichtung 3 Beweggrunde 3 1 Gesundheitspolitische Grunde 3 2 Wasserversorgung Abholzungen 3 3 Bodenspekulation Erste Umweltbewegung 4 Auswirkung des Dauerwaldvertrages heute 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseWalderwerb und Preis Bearbeiten nbsp Ankauf Parforceheide Karte von 1903 Der Zweckverband Gross Berlin kaufte vom Preussischen Staat fur 50 Millionen Goldmark grosse Waldteile insgesamt rund 10 000 Hektar von den Forstereien Grunewald Tegel Grunau Kopenick die zu dieser Zeit noch nicht zu Berlin gehorten sowie von der Forsterei Potsdam Der Verband verpflichtete sich die erworbenen Waldflachen weder zu bebauen noch weiterzuverkaufen sondern auf Dauer fur die Burger als Naherholungsflachen zu erhalten Teile der erworbenen Waldflache wie die Parforceheide lagen und liegen auch heute noch ausserhalb der Berliner Stadtgrenze in Brandenburg und werden nach der Wende wieder von den Berliner Forstamtern bewirtschaftet Der Zweckverband Gross Berlin 1911 1920 dem der Stadtkreis Berlin und selbststandige Stadtkreise Landgemeinden und Gutsbezirke wie Charlottenburg Schoneberg Steglitz Kopenick oder Reinickendorf angehorten richtete schon 1912 eine Anfrage zum Walderwerb an die Regierung und erhielt daraufhin ein Angebot uber 11 200 Hektar Waldflache fur 179 Millionen Goldmark Diese Summe konnte der Verband nicht aufbringen Laut Hermann Kotschke lag den Regierungsangeboten ursprunglich eine Kalkulation von knapp 2 Mark je Quadratmeter zu Grunde die am gangigen Quadratmeterpreis fur Parkflachen orientiert war Der Zweckverband wandte ein der Preis konne nicht auf weiter entfernte Waldteile ubertragen werden In die folgenden langwierigen Verhandlungen griff der letzte deutsche Kaiser Wilhelm II ein der ohnehin jedem Verkauf staatlichen Forstbesitzes zustimmen musste Vom schliesslichen Kaufpreis in Hohe von 50 Millionen Goldmark fur 10 000 Hektar musste der Verband 5 Millionen sofort und den Rest in 15 Jahresraten von jeweils 3 Millionen begleichen nbsp Parforceheide Besitz ausserhalb Verpflichtung BearbeitenIn einem Beitrag uber den Berliner Waldbesitz im Wandel der Zeiten gab der Forstrat Martin Klees den zentralen Inhalt des Vertrages wie folgt wieder Im Vertrage der ungeachtet des Ausbruchs des ersten Weltkrieges am 27 3 1915 abgeschlossen wurde verpflichtete sich der Zweckverband Gross Berlin die gekauften Grundstucke ausschliesslich zum Erwerb und zur Erhaltung grosserer von der Bebauung frei zu haltender Flachen wie Walder Parks Wiesen Seen usw zu verwenden und in ihrem wesentlichen Bestande als Waldgelande zu erhalten sowie den Erlos aus moglichen Verausserungen zum Erwerb entsprechender Ersatzflachen zu verwenden Beweggrunde BearbeitenGesundheitspolitische Grunde Bearbeiten Ein wesentlicher Grund fur die vorausschauende Waldpolitik war die Sorge um das gefahrdete Volkswohl Seit der zweiten Halfte des 19 Jahrhunderts hatten sich die Anspruche an die Waldnutzung zunehmend vom Produktions zum Erholungswald gewandelt Bereits im Januar 1893 richtete der Magistrat der Stadt Berlin einen Antrag an den Minister mit dem Ziel aus Grunden der offentlichen Gesundheitspflege grossere Gelande in unseren Gemeinschaftsbesitz zu bringen um so der wachsenden Bevolkerung der Reichshauptstadt fur die fernere Zukunft die Gelegenheit der Erholung und Erfrischung im Freien und im Walde zu sichern Im Almanach Gross Berliner Kalender 1913 setzte sich Richard van der Borght in einem ausfuhrlichen Beitrag fur einen Waldgurtel um die Stadt ein und hob die Bedeutung des Waldes hervor fur Luft und Bodentemperatur fur Menge und Verteilung der Niederschlage fur die Wasseraufspeicherung und Quellbildung fur Befestigung des Verwitterungsbodens fur Windschutz fur Schutz gegen Sandverwehungen und Erdrutsch usw insbesondere aber auch sein Wert fur die gesundheitlichen Verhaltnisse und fur das Seelen und Gemutsleben der Menschen Wasserversorgung Abholzungen Bearbeiten nbsp Berlin 1885 selbst Schoneberg noch weit draussenWie bei van der Borght bereits anklingt bestand ein weiterer wesentlicher Grund fur den Abschluss des Dauerwaldvertrages darin die Trinkwasserversorgung fur die rasant wachsende Berliner Bevolkerung von 1861 auf 1910 von 500 000 auf 2 Millionen vervierfacht zu sichern In den erworbenen Waldgebieten lagen zahlreiche Seen und Laken mit bester Wasserqualitat wie der Schlachtensee oder die Krumme Lanke Seen die heute wie selbstverstandlich Berlin zugerechnet werden damals jedoch weit ausserhalb der Stadtgrenze lagen Fur eine bessere Bodendurchnassung sollte die Anderung der Forstpolitik dienen die eine naturgerechtere Durchmischung der Walder vorsah die zum Ausklang des 19 Jahrhunderts zum grossen Teil aus Kiefern Monokulturen bestanden nbsp Ankauf Forst GrunewaldZudem hatte die Agglomeration Berlin die beim Zusammenschluss 1920 3 8 Millionen Einwohner zahlte das Problem die riesigen Abwassermengen aus den Haushalten Brauereien Farbereien Gerbereien und weiteren Gewerben und Fabriken zu bewaltigen Auch zur zukunftsorientierten Losung dieses Problems insbesondere mit Hilfe von Rieselfeldern waren grosse Flachen erforderlich Bodenspekulation Erste Umweltbewegung Bearbeiten Ferner sollte die zu dieser Zeit ausufernde Bodenspekulation und die dadurch verursachte Waldvernichtung eingedammt werden Seit 1850 vor allem aber in der raschen Industrialisierung der fruhen Kaiserzeit waren die fruher als Acker Felder oder Walder genutzten Flachen der einstigen Dorfer z B Schoneberg Steglitz Hermsdorf Pankow Lichtenberg bis auf geringe Reste aufgekauft worden Die Walder erhielten sich etwas langer da man sie dem preussischen Konig abkaufen musste und nicht mit einzelnen Bauern handelte die dabei Vermogen verdienen konnten sogenannte Schoneberger Millionenbauern Insbesondere die Lagen im Grunewald waren begehrt Als Ausdruck der ersten deutschen Umweltbewegung kamen auf Initiative zweier Berliner Zeitungen im Jahr 1904 rund 30 000 Unterschriften bei einer Protestaktion gegen die Vernichtung des Grunewalds zusammen 2 An den dennoch weitergehenden Spekulationen beteiligten sich sowohl der Staat auch mit der angrenzenden Domane Dahlem als auch private Waldbesitzer Im Jahr 1909 erreichte die Spekulation mit Waldflachen im Berliner Raum einen Umfang von rund 1800 Hektar Der Zweite Berliner Waldschutztag vom 16 Januar 1909 wandte sich vehement gegen die rucksichtslose Spekulation und Waldvernichtung 3 Laut Forstrat Martin Klees fand die Beunruhigung der Bevolkerung ihren erneuten Niederschlag in einem von einer Gross Lichterfelder Zeitung herausgebrachten Sonderabzug mit der Uberschrift Der Grunewald ist dem Verderben geweiht 4 1913 zwei Jahre vor Abschluss des Dauerwaldvertrages klagte Hermann Kotschke in dem Artikel Waldschutz fur Gross Berlin Besonders bedauerlich ist dass z B Prinz Friedrich Leopold der den riesigen Forst Duppel Dreilinden besitzt den herrlichen Besitz zu Gelde machen will Die prachtigen Seeufer am kleinen Wannsee am Stolper See und am Griebnitzsee sind dabei schon grosstenteils unzuganglich geworden Nur ein paar Ruten Boden Masseinheit fur das Kleistdenkmal sind gerettet Sonst sagt man doch Reichtum und Adel verpflichten Wie die Geschichte des Zweckverbandes und der Abschluss des Dauerwaldvertrages zeigen konnte sich der Preussische Staat dem Druck der Argumente und der Proteste nicht entziehen Auswirkung des Dauerwaldvertrages heute Bearbeiten nbsp Ankauf Forst Tegel hier mit dem Tegeler FliessDurch die Kaufe des Zweckverbandes kleinere parallele Kaufe der Stadt Berlin selbst und weitere Zukaufe nach dem Zusammenschluss 1920 besass Gross Berlin eine Waldflache von insgesamt rund 21 500 Hektar zu Beginn des Zweiten Weltkrieges betrug die Flache rund 25 000 Hektar Davon verblieben West Berlin nach der Teilung Deutschlands und Grundung der DDR 1949 rund 7 300 Hektar Nach der Wiedervereinigung der getrennten Stadtteile und nach der Ruckgabe der im Umland liegenden Waldgebiete durch die Treuhand 1995 9 500 Hektar verfugt Berlin heute uber 29 000 Hektar Waldflache bei einer Gesamtflache von 89 200 Hektar Dank des Dauerwaldvertrages von 1915 der in mehreren Teilgesetzen und Verordnungen im Kern unverandert fortlebt ist Berlin rund einhundert Jahre nach seinem Abschluss die europaische Millionenstadt mit der grossten Waldflache Im Landeswaldgesetz des West Berliner Senats vom 30 Januar 1979 das seit 1990 fur ganz Berlin gilt fand der Jahrhundertvertrag zur Erhaltung des Waldes seinen endgultigen Niederschlag in Form eines Gesetzes Die gesamte Berliner Waldflache wurde zum Schutz und Erholungswald erklart Der im 1 angefuhrte Zweck ist sprachlich etwas moderner gefasst der Inhalt konnte aus den 1920er Jahren stammen den Wald wegen seiner Bedeutung fur die Umwelt insbesondere fur die dauernde Leistungsfahigkeit des Naturhaushaltes das Klima den Wasserhaushalt die Reinhaltung der Luft die Bodenfeuchtigkeit das Landschaftsbild sowie die Erholung der Bevolkerung zu erhalten nach Moglichkeit zu mehren und seine ordnungsgemasse Pflege nachhaltig zu sichern Literatur BearbeitenReiner Cornelius Geschichte der Waldentwicklung 1 Auflage Hrsg von der Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung und Umweltschutz Berlin Monitoringprogramm Naturhaushalt H 3 Kulturbuchverlag Berlin 1995 ISSN 0946 3631 Hermann Kotschke Waldschutz fur Gross Berlin In Ernst Friedel Hrsg Gross Berliner Kalender Illustriertes Jahrbuch 1913 Verlag von Karl Siegismund Koniglich Sachsischer Hofbuchhandler Berlin 1913 S 353 360 Quadratmeterpreis und einzelne Flachenangaben S 359 Richard van der Borght Waldgurtel In Gross Berliner Kalender Illustriertes Jahrbuch 1913 Hrsg Ernst Friedel Verlag von Karl Siegismund Koniglich Sachsischer Hofbuchhandler Berlin 1913 S 213 220 Zitat S 212 f Michael Erbe Berlin im Kaiserreich 1871 1918 In Wolfgang Ribbe Hrsg Geschichte Berlins Band 2 C H Beck Munchen 1987 ISBN 3 406 31591 7 Zitat in der Einleitung S 750 Gesamtpassage Immerhin ist es ein bleibendes Verdienst des Zweckverbandes dass Berlin verglichen mit anderen Millionenstadten uber Waldflachen von einzigartiger Ausdehnung verfugt Hainer Weisspflug Das Landeswaldgesetz wird erlassen In Berlinische Monatsschrift Luisenstadtischer Bildungsverein Heft 1 1999 ISSN 0944 5560 S 47 49 luise berlin de Zitat 1 Landeswaldgesetz S 47 Quelle zu waldreichste Stadt Europas S 49 Dr Angela von Luhrte 100 Jahre Berliner Dauerwaldvertrag BUND Berlin 03 2015 https www denkmalpflege tu berlin de fileadmin fg265 Projekte Dauerwaldvertrag 2010 pdfWeblinks BearbeitenSenatsverwaltung fur Stadtentwicklung Forsten Gross Berlin Gesetz vom 27 Juli 1920Einzelnachweise Bearbeiten Vor 100 Jahren wurde Berlins Wald gesichert PDF 1 1 MB In Berliner Waldzeitung Senatsverwaltung fur Stadtentwicklung und Umwelt Berlin 2015 S 3 Mielke Hans Jurgen 1971 Die kulturlandschaftliche Entwicklung des Grunewaldgebietes Abhandlungen des 1 Geographischen Instituts der Freien Universitat Berlin Vol 18 353s DOI 10 23689 fidgeo 3648 Berliner Waldschutzverein 1909 Verhandlungen Des Zweiten Berliner Waldschutztages In Der Kampf um unsere Walder Springer Berlin Heidelberg doi 10 1007 978 3 662 26431 7 1 Klees M 1963 Der Berliner Waldbesitz im Wandel der Zeiten Allgemeine Forstzeitschrift 29 450 454 nbsp Dieser Artikel wurde am 2 Mai 2005 in dieser Version in die Liste der exzellenten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Dauerwaldvertrag amp oldid 236412957