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Das Begrabnis der Sardine El entierro de la sardina ist der Titel eines Gemaldes von Francisco de Goya Es zeigt das gleichnamige Madrider Karnevalsfest am Aschermittwoch als grotesken Totentanz Das Kabinettstuck befindet sich im Besitz der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando in Madrid Das Begrabnis der SardineFrancisco de GoyaOl auf Holz82 5 62 cmReal Academia de Bellas Artes de San Fernando MadridVorlage Infobox Gemalde Wartung Museum Inhaltsverzeichnis 1 Beschreibung 2 Einordnung in Goyas Werk 3 Deutungen 4 Provenienz 5 Tradition 6 Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseBeschreibung BearbeitenDas im Hochformat angelegte Olgemalde auf Holz mit den Abmessungen 82 5 62 cm zeigt eine Tanzszene inmitten des turbulenten Volksfestes Entierro de la sardina das alljahrlich in Form einer rituellen Bestattung einer Sardine stattfindet und symbolisch das Ende der Karnevals und den Beginn der Fastenzeit anzeigt Die Bildmitte zeigt eine ausgelassen tanzende Personengruppe aus zwei weissgekleideten Frauengestalten und einer dunkleren mannlichen Figur in langen Gewandern gemeinsam vor einem dunklen fast schwarzen Banner auf dem ein groteskes Narrengesicht grinst Das Narrenbanner das von einer schwarzgekleideten Figur mit schwarzem Hut schrag in die Hohe gehalten wird dominiert das Werk auf optischer Mitte Die beiden hellen Frauenfiguren sind malerisch prazise ausgearbeitet und heben sich farblich deutlich vom Bildhintergrund ab der in abgetonten Farben angelegt wurde Beide Frauen haben weissgeschminkte Gesichter und rote Tupfer auf den Wangen ihre Haupter sind bekranzt es konnten auch starre Masken sein die sie tragen Hinter der linken Frauenfigur die scheinbar vergnugt ihre Arme zum Himmel reckt folgt eine dunkle Teufelsfigur die in eine Art Pelz mit gehornter Kapuze gehullt ist Die Gestalt tragt eine totenkopfahnliche Maske und scheint sich synchron zu der Tanzerin zu bewegen Dem gehornten Teufel folgt gegen den Uhrzeigersinn ein Picador mit schwarzem breitkrempigem Hut dessen Spiess in Richtung des Unterleibs des tanzenden Madchens deutet Samtliche Figuren fuhren eine Art Rundtanz auf bei dem es sich um eine Jota handeln konnte Aus dem linken Bildrand sturmt eine dunkle Barengestalt mit klauenbewehrten Pranken und aufgerissenem Maul auf die Tanzgruppe zu Im Vordergrund am unteren Bildrand sitzen zwei Paare die sich in den Armen halten und dem bunten Treiben zuschauen am rechten unteren Bildrand sitzt eine weitere einzelne Figur die das angedeutete Rund das die Tanzgruppe umgibt optisch abschliesst Der Bar die Teufelsfigur der Bannertrager und der rechte Tanzer bilden ein gedachtes Dreieck in Schwarztonen das einen Hell Dunkel Kontrast zu den Tanzerinnen bildet nbsp AusschnittDie drangende Menschenmenge im Hintergrund ist dagegen nur mit fast lasierend fluchtigen Strichen angedeutet und vom Kunstler mit weissen Lichtern und schwarzen oder roten Akzenten versehen worden die Fahnen oder Kopfbedeckungen wie Schleier Hauben und Hute vermuten lassen Entgegen seiner sonstigen Detailtreue verzichtete Goya dabei weitgehend auf ausgearbeitete Darstellungen Die meisten Gestalten darunter einige Kinder tragen Masken manche klatschen in die Hande und bewegen sich scheinbar rhythmisch zum Geschehen im Vordergrund Den Hintergrund bildet blauer Himmel der von einer weissen Wolkenwand unterbrochen wird die den Ubergang zu der Menschenmenge bildet Der gedachte Horizont etwa auf Bildmitte ist nach rechts abfallend Vor dem Himmel ragt auf dem linken Drittel ein Baum bis uber den oberen Bildrand hinaus am linken und rechten Bildrand finden sich weitere mit fluchtig geschwungenen Pinselstrichen angedeutete Baume Das von links einfallende Licht lasst spate Nachmittags oder beginnende Abendstunden vermuten Der Beginn des Sardinenfestes ist meistens am Dienstagabend vor Aschermittwoch Insgesamt besitzt das Gemalde eine erdige Grundstimmung in der abgedunkelte Grun Braun und Terrakottatone vorherrschen Seit seinen Szenen der napoleonischen Kriege vgl Die Erschiessung der Aufstandischen reduzierte Goya die Schonfarbigkeit seiner fruheren Genrebilder und setzte vermehrt Hell Dunkel Kontraste und braunlich graue Tone abseits des klassizistischen Schonheitsideals ein 1 Einordnung in Goyas Werk BearbeitenDie Entstehungszeit des Gemaldes wird allgemein zwischen 1812 und 1819 wahrend oder im Anschluss an die Radierungen Desastres de la Guerra angegeben die vor dem Hintergrund der Napoleonischen Kriege auf der Iberischen Halbinsel von 1807 bis 1814 entstanden Die Goya Expertin Sarah Symmon datiert das Bild auf 1816 2 Der Kunsthistoriker Fred Licht bezeichnet Das Begrabnis der Sardine als eines von Goyas Gelegenheitsbildern in denen der Kunstler Themen wie Kranke Geistesgestorte Narren fahrendes Volk Betrunkene Zigeuner und Randgruppen der Gesellschaft darstellte Menschen zu denen Goya eine gewisse Solidaritat verspurte 3 Weitere bekannte Werke dieser Periode sind die Flagellanten Prozession 1812 1814 oder das Irrenhaus 1815 1819 Etwa zur gleichen Zeit befasste sich Goya in den Stierkampf Studien der grafischen Serie Tauromaquia mit volksnahen Sujets Deutungen BearbeitenUnter dem Aspekt der Nachwirkungen des Krieges wird das Bild manchmal als narrischer Freudentanz uber die Befreiung von der franzosischen Fremdherrschaft 1813 betrachtet zumal der Karneval in Spanien unter Joseph Bonaparte zeitweise verboten war Trotz aller Ausgelassenheit strahlt das Werk eine eher dustere unheilvolle Grundstimmung aus die einem grotesken Totentanz nahekommt wahrend der unruhige Hintergrund an die Darstellung eines Volksaufstandes erinnert und in der Komposition einem Schlachtengemalde ahnelt Das Absurde an dem Sujet ist die Verkehrung die dem Fest zugrunde liegt Indem die Fastenspeise Fisch symbolisch beerdigt wird wird quasi die Fastenzeit beerdigt obwohl sie der Kirche entsprechend gerade erst beginnt Die Narren konnen in diesem Kontext als Vanitas Symbole gedeutet werden zumal der Tod in tradierten karnevalesken Szenerien als Narrengestalt dargestellt wird Das Motiv des Narren als Metapher fur Verganglichkeit Absurditat und verkehrte Welt faszinierte Goya ebenso wie samtliche Topoi die von Ausschweifungen Rausch Verderbnis oder Wahnsinn handeln Uberdies beschaftigte den Maler stets die Frage nach der wahren Identitat des Menschen und so befasste er sich dem Zeitalter der Aufklarung entsprechend in zahlreichen Werken mit dem Thema des Betrugs und des Irrtums der Maskerade des Wandels und der Verstellung sowie der Verblendung im politischen wie im religiosen Kontext 1814 musste sich der Hofmaler vor der vom reaktionaren Konig Ferdinand VII wieder eingefuhrten Inquisition verantworten Ferdinand der nach seiner Befreiung vom spanischen Volke zunachst gefeiert wurde machte schnell alle aufklarerischen Hoffnungen zunichte und stutzte sich wieder auf das alte System aus Adel und Klerus 4 nbsp Goya Caprichos No 6 Nadie se conoce Aquatinta Radierung 1799Eine fruhere Studie Goyas zum Karneval des Lebens findet sich beispielsweise in dem Blatt Nr 6 Nadie se conoce Niemand kennt sich aus den Los Caprichos von 1799 Aus dem Jahr 1816 existiert eine ebenfalls als Entierro de la sardina betitelte Zeichnung Goyas in der maskierte Monche und Nonnen um eine mit dem Wort MORT U US und papstlichen Insignien versehene Fahne tanzen Die Zeichnung die sich im Prado in Madrid befindet weist deutliche Abweichungen zum ausgefuhrten Gemalde auf Das Wort MORT U US lateinisch fur gestorben tot wird in dem hier besprochenen Gemalde durch das Narrengesicht symbolisiert die Nonnen ersetzte Goya durch die beiden lebenslustigen jungen Frauen den Monch durch den Tanzer nbsp Goya El entierro de la sardina Sepiazeichnung um 1816 Museo del Prado MadridSowohl der Picador mit dem Spiess als auch der Bar drangen in Richtung der Frauen was als sexuelle Anspielung oder heidnischer Fruhlingsritus gedeutet werden kann Der Bar der auf dem Hohepunkt des Festes aus seiner Hohle kriecht wird dabei traditionell von einem verkleideten Mann verkorpert der sich auf eines der tanzenden Madchen sturzt wobei Goyas Darstellung der puppengesichtigen Madchen auch auf verkleidete Manner oder Prostituierte vermuten lasst was der kurzfristigen Auflosung sozialer Unterschiede wahrend der Karnevalszeit nahekame Die Figuren entsprechen allesamt Charakteren die traditionell den spanischen Faschingsumzug anfuhren der hinter einer Maske mit den Augen rollende Onkel Chispas das aufreizende Madchen Chusca und der wilde in einen Mantel gehullte Herzensbrecher Juanillo 5 Ein wesentliches Element hat Goya in seinem Werk indes vermieden Die titelgebende Hauptfigur die Abbildung der Pelele der Strohpuppe die die Sardine symbolisiert 6 Mit den Mitteln der hofischen Verschlusselung und der Allegorisierung wird Goya in diesem narrischen Treiben wie in den Caprichos versteckte Kritik an der verdummenden Macht der Kirche geubt haben die er als Massenhysterie sah in der die Menge blindlings dem falschen Zauber der Monche erliegt 4 Vermutlich hatte Goya anfangs tatsachlich die Idee den Triumph der Religion uber den Karneval darzustellen Auf Rontgenbildern des Gemaldes wurde ersichtlich dass Goya das grosse Narrengesicht auf dem Banner erst nachtraglich eingefugt und das ursprungliche der Vorskizze entsprechende Wort MORT U US ubermalt hat An Stelle kirchlicher Insignien trat also narrisches Lachen 6 Provenienz BearbeitenDas Gemalde befand sich ursprunglich in der Sammlung des Madrider Bankiers und Kunstsammlers Manuel Garcia de la Prada den Goya zwischen 1805 und 1810 portratiert hatte 7 Die weitere Vorgeschichte des Bildes ist unbekannt De la Prada vermachte das Gemalde zusammen mit den Goya Werken Prozession der Flagellanten Das Irrenhaus Stierkampf und einer unbenannten Inquisitionsszene der Real Academia de Bellas Artes de San Fernando in Madrid Er beschrieb die Werke in seinem auf den 17 Januar 1836 datierten Testament als funf Gemalde auf Holz vier von ihnen sind horizontal und stellen ein Autodafe der Inquisition eine Flagellanten Prozession ein Irrenhaus und einen Stierkampf dar ein weiteres etwas grosseres Gemalde zeigt ein Maskenfest Alle sind Olgemalde gemalt vom Hofmaler Don Francisco de Goya und sehr gepriesen von den Professoren 8 Tradition BearbeitenDas Begrabnis der Sardine ist ein grosses Volksfest in Spanien und symbolisiert traditionell das Ende des Karnevals und den Beginn der Fastenzeit am Aschermittwoch Das Fest wird regional unterschiedlich zelebriert nbsp Entierro de la sardina in MurciaIm Mittelpunkt steht dabei eine riesige buntgeschmuckte Fischfigur aus Pappmache und Stoff die in einer Prozession von Fackeltragern wehklagenden Witwen und Trauergasten in Trauerkleidung begleitet durch die Strassen getragen wird Dem Trauerzug folgen geschmuckte Festwagen mit Musikanten und Tanzgruppen in deren Tross Gaukler und Narren in volkstumlichen Maskeraden allerlei Schabernack treiben Das Fest endet in den fruhen Morgenstunden wenn die Fischfigur schliesslich angezundet oder in manchen Kustenorten wie etwa in Puerto de la Cruz Teneriffa und auf anderen kanarischen Inseln brennend aufs offene Meer hinaus getragen wird Mit dem Verbrennen der Figur findet allgemein ein grosses Feuerwerk statt Der Ritus besagt dabei dass etwas zerstort werden muss damit es mit neuer Kraft wiedergeboren wird und Neues entstehen lasst wobei dem Fisch die Symbolik der christlichen Liturgie zukommt Die Beerdigung der Fastenspeise Fisch erscheint dabei etwas absurd was wohl im ursprunglichen Brauchtum begrundet liegt bei dem Schweinehalften beerdigt wurden Daraus entwickelte sich eine Art ironisches Gegenspiel aus mageren und fetten Zeiten 6 Einer der traditionellsten Festumzuge ist die Entierro de la Sardina in Murcia deren Ursprung in das Jahr 1851 zuruckreicht als eine Gruppe Studenten damit begann die Maskeraden die sie zuvor in Madrid gesehen hatten und die in Goyas Gemalde dargestellt sind nachzuahmen Am Vorabend des Festes in Murcia wird an einem offentlichen Platz meistens vor dem Rathaus das Testament der Sardine verlesen Die eigentliche Parade ist eine Mischung aus mythologischen Karnevalskostumierungen und Festwagen aus denen Spielzeuge und Sussigkeiten verteilt werden Die Festvereinigungen stehen dabei unter den Zeichen der verschiedenen Gotter des Olymp 9 Literatur BearbeitenSarah Symmons Goya Phaidon London 1998 ISBN 0 7148 3751 2 englisch Victor Ieronim Stoichiţă Anna Maria Coderch Goya The Last Carnival Reaktion Books London 1999 ISBN 1 86189 045 1 englisch Fred Licht Goya Die Geburt der Moderne Hirmer Munchen 2001 ISBN 3 7774 9160 8 Werner Hofmann Goya Vom Himmel durch die Welt zur Holle Beck Munchen 2003 ISBN 3 406 48619 3 Jutta Held Francisco de Goya 8 Auflage Rowohlt Reinbek bei Hamburg 2005 ISBN 3 499 50284 4 Valeriano Bozal Francisco Goya Band 1 Vida y obra Aficiones Band 5 Tf Editores Madrid 2005 ISBN 84 96209 39 3 S 167 176 Weblinks BearbeitenFrancisco de Goya Burial of the Sardine englisch Neoclassicism and Romanticism Francisco de Goya Bildbesprechung im Text englisch Einzelnachweise Bearbeiten Jutta Held Francisco de Goya Reinbek bei Hamburg 2005 S 88 Sarah Symmon Burial of the Sardine In Goya Phaidon Press 1998 S 276 archiviert vom Original am 29 Mai 2009 abgerufen am 6 Februar 2009 englisch Ingrid Hacker Klier Rezension Fred Licht Goya Die Geburt der Moderne Munchen 2001 a b Jutta Held Francisco de Goya Reinbek bei Hamburg 2005 S 90 95 The Grotesque in Elisabeth Le Guin Boccherini s Body University of California Press Berkeley 2006 ISBN 0 520 24017 0 S 139 a b c Goya und der Karneval In Daniel Arasse Andrea von Hulsen Esch Bernd Carque Die Methodik der Bildinterpretation Wallstein Gottingen 2002 ISBN 3 89244 523 0 S 209 212 vgl Neoclassicism and Romanticism Francisco de Goya Abgerufen am 12 Februar 2009 englisch Das Portrat Manuel Garcia de la Pradas befindet sich heute im Des Moines Art Center Des Moines The Burial of the Sardine Web Gallery of Art abgerufen am 24 Marz 2019 Entierro de la Sardina en Murcia Murcia turistica abgerufen am 22 Juli 2010 nbsp Dieser Artikel wurde am 20 Februar 2009 in dieser Version in die Liste der lesenswerten Artikel aufgenommen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Das Begrabnis der Sardine amp oldid 209462223