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Das Bielefelder Abkommen war eine Vereinbarung wahrend des Ruhrkampfes von 1920 zwischen den Abgesandten der Roten Ruhrarmee und Vertretern der Reichsregierung Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Die Verhandlungen und das Abkommen 3 Scheitern und Eskalation des Konflikts 4 Text des Abkommens 5 Unterzeichner 6 Literatur 7 WeblinksVorgeschichte BearbeitenAuf dem Hohepunkt des Ruhrkampfes der im Zusammenhang mit dem Kapp Putsch ausgebrochen war beherrschte die Rote Ruhrarmee weite Teile des Ruhrgebiets und der angrenzenden Gebiete Allerdings waren die Differenzen innerhalb der Beteiligten gross So war die Hagener Zentrale relativ gemassigt wahrend der Mulheimer Zentralrat von Syndikalisten beherrscht wurde In Duisburg ubernahmen anarchistische Krafte die Kontrolle und agierten vollig losgelost von allen uberortlichen Verbindungen Insgesamt dominierte im ostlichen und sudlichen Teil des Ruhrgebiets die weniger radikale USPD wahrend im Westen Syndikalisten und Linkskommunisten vorherrschten Diese Differenzen unter den Aufstandischen sah die SPD gefuhrte Reichsregierung in Berlin als Chance Sie wollte einen Keil zwischen die verschiedenen Krafte treiben und so die Schlagkraft der gesamten Bewegung schwachen Die Verhandlungen und das Abkommen BearbeitenDie Vertreter der Regierung waren Reichspostminister und Gewerkschafter Johannes Giesberts von der Zentrumspartei und der preussische Landwirtschaftsminister Otto Braun von der SPD Diese hielten am 23 und 24 Marz 1920 in Bielefeld eine Konferenz ab An dieser nahmen neben den Vollzugsraten der Aufstandischen Stadtverwaltungen die Regierungsprasidenten von Dusseldorf Munster und Arnsberg die Gewerkschaften und die politischen Parteien von der Mitte bis zur KPD teil Als Reichs und preussischer Staatskommissar fur das Ruhrgebiet spielte der aus Herford stammende Sozialdemokrat Carl Severing eine zentrale Rolle Dieser formulierte als Ziel der Verhandlungen zu einer Verstandigung uber eine Entwaffnung und die Organisation der Waffenablieferung zu kommen Wahrend Braun und Giesberts bestrebt waren moglichst wenig Zugestandnisse zu machen hielt sich Severing an das Neunpunkteprogramm das der Vorsitzende des ADGB Carl Legien mit Friedrich Ebert ausgehandelt hatte welches eine Starkung des politischen Einflusses der Arbeiterbewegung in der Politik des Reiches vorsah Eine Kommission kam tatsachlich zu einer Einigung Dieses Bielefelder Abkommen enthielt zunachst ahnliche Formulierungen wie die kurze Zeit vorher geschlossene Vereinbarung auf Reichsebene zwischen Gewerkschaften und Regierung Daruber hinaus enthielt sie einige spezifische Punkte So sah sie eine Amnestie fur Gesetzesverstosse vor die im Rahmen des Widerstands gegen den Kapp Putsch vorgekommen waren In Hinsicht auf die Waffenabgabe einigte man sich auf eine Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Behorden und den Vollzugsraten Beide sollten gar zusammen republikanische Schutzwehren aufbauen Die Regierungsvertreter sagten zu dass bei einer Befolgung dieser Vereinbarungen das Ruhrgebiet nicht von der Reichswehr militarisch besetzt werden wurde Das Abkommen schien ein sinnvoller Versuch zu sein den Konflikt auf friedlichem Wege beizulegen In der Tat kam es zu einer Teilung der Aufstandischen Die gemassigten Krafte unter Einschluss der USPD und die Hagener Zentrale stellten sich hinter die Vereinbarungen Der Essener Zentralrat und die KPD verlangten neue Verhandlungen wahrend die radikalen Vollzugsrate von Mulheim und Hamborn jede Ubereinkunft ablehnten Denselben Standpunkt nahmen die militarischen Fuhrer der Roten Ruhrarmee ein Diese zogen einen ehrenvollen Untergang einem vermeintlich faulen Kompromiss vor Scheitern und Eskalation des Konflikts BearbeitenDie Forderungen nach neuen Verhandlungen hatten moglicherweise Erfolg gehabt waren nicht die immer chaotischer werdenden Zustande in Duisburg gewesen Das Reichskabinett unter Hermann Muller verliess die Basis des Bielefelder Abkommens und stellte ein Ultimatum Dieses wurde vom regionalen Militarbefehlshaber Generalleutnant Oskar von Watter hinsichtlich der Waffenabgabe eigenmachtig so verscharft dass den Aufstandischen auch bei der Bereitschaft darauf einzugehen dies technisch gar nicht moglich war Das Vorgehen Watters zeigt eine zentrale Schwache des Bielefelder Abkommens Das Militar war namlich nicht in die Vereinbarungen eingebunden und da es auch insgesamt von der Regierung nicht wirkungsvoll kontrolliert wurde konnte es eigenmachtig handeln Die Folge von Watters Ultimatum war die Proklamation des Generalstreiks durch den Essener Zentralrat Diesem folgten ab dem 29 Marz etwa drei Viertel der Bergarbeiter des Reviers Das Militar vor allem die halboffiziellen Freikorps schlugen den Aufstand in der Folgezeit mit teilweise brutaler Gewalt nieder Das Bielefelder Abkommen hatte so letztlich keine tatsachliche Wirkung entfalten konnen Text des Abkommens BearbeitenWie oben geschildert wurde das amtliche Werk von einem vielkopfigen Gremium aus Politik Parteien und Gewerkschaften erstellt Bielefeld den 24 Marz 1920 6 30 Uhr nachmittagsDie Vertreter aller beteiligten Parteien und Erwerbsgruppen erklaren dass sie ihre Forderungen zur Entwirrung der aus dem Kapp Putsch entstandenen Lage mit der Verfassung und der Regierung auf Grund folgender Vereinbarung in Einklang bringen wollen 1 Die anwesenden Vertreter der Regierungsparteien werden bei ihren Fraktionen dafur eintreten dass bei der bevorstehenden Neubildung der Regierung im Reich und in Preussen die Personenfrage von den Parteien nach Verstandigung mit den am Generalstreik beteiligten gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiter Angestellten und Beamten gelost und dass diesen Organisationen ein entscheidender Einfluss auf die Neuregelung der wirtschafts und sozialpolitischen Gesetze eingeraumt wird unter Wahrung der Rechte der Volksvertretung 2 Sofortige Entwaffnung und Bestrafung aller am Putsch oder am Sturz der verfassungsmassigen Regierung Schuldigen sowie der Beamten die sich ungesetzlichen Regierungen zur Verfugung gestellt haben Es wird Straffreiheit denen gewahrt die in der Abwehr des gegenrevolutionaren Anschlages gegen Gesetze verstossen haben wenn die Verstosse und Vergehen vor Abschluss dieser Vereinbarungen spatestens aber bis zum 25 Marz vormittags 8 Uhr erfolgten Auf gemeine Verbrechen gegen Personen und Eigentum findet diese Bestimmung keine Anwendung 3 Grundliche Reinigung der gesamten offentlichen Verwaltungen und Betriebsverwaltungen von gegenrevolutionaren Personlichkeiten besonders solchen in leitenden Stellungen und Ersatz durch zuverlassige Krafte Wiedereinstellung aller in offentlichen Diensten aus politischen und gewerkschaftlichen Grunden gemassregelten Organisationsvertreter 4 Schnellste Durchfuhrung der Verwaltungsreform auf demokratischer Grundlage unter Mitbestimmung auch der wirtschaftlichen Organisationen der Arbeiter Angestellten und Beamten 5 Sofortiger Ausbau der bestehenden und Schaffung neuer Sozialgesetze die den Arbeitern Angestellten und Beamten volle soziale wirtschaftliche Gleichberechtigung gewahrleisten Schleunige Einfuhrung eines freiheitlichen Beamtenrechts 6 Sofortige Inangriffnahme der Sozialisierung der dazu reifen Wirtschaftszweige unter Zugrundelegung der Beschlusse der Sozialisierungskommission zu der Vertreter der Berufsverbande hinzuzuziehen sind Die Einberufung der Sozialisierungskommission erfolgt sofort Ubernahme des Kohlen und Kalisyndikats durch das Reich 7 Auflosung aller der Verfassung nicht treu gebliebenen konterrevolutionaren militarischen Formationen und ihre Ersetzung durch Formationen aus dem Kreisen der zuverlassigen republikanischen Bevolkerung insbesondere der organisierten Arbeiter Angestellten und Beamten ohne Zurucksetzung irgendeines Standes Bei dieser Reorganisation bleiben erworbene Rechtsanspruche treugebliebener Truppen und Sicherheitswehren unangetastet Unter die danach aufzulosenden Truppen fallen nach Ansicht der Kommission die Korps Lutzow Lichtschlag und Schulz 8 Wirksame Erfassung gegebenenfalls Enteignung der verfugbaren Lebensmittel und verstarkte Bekampfung des Wucher und Schiebertums in Stadt und Land Sicherung der Erfullung der Ablieferungsverpflichtung durch Grundung von Lieferungsverbanden und Verhangung fuhlbarer Strafen bei boswilliger Verletzung der Verpflichtung 9 Die verfassungsmassigen Behorden walten ihres Amtes nach den gesetzlichen Vorschriften Die jetzt bestehenden Vollzugs und Aktionsausschusse haben in Gemeinschaft mit der Gemeindebehorde die Ortswehr aufzustellen und die Waffenabgabe zu regeln Dieses muss spatestens innerhalb von zehn Tagen geschehen Danach tritt an die Stelle jener Ausschusse ein aus der organisierten Arbeiter Angestellten und Beamtenschaft und den Mehrheitsparteien gebildeter Organisationsausschuss der im Einvernehmen mit den zustandigen Gemeindeorganen bei der Durchfuhrung der Sicherheitsdienstes mitwirkt 10 Zur Unterstutzung der ordentlichen Sicherheitsorgane wird soweit erforderlich eine Ortswehr in Starke bis zu drei auf 1000 Einwohner aus den Kreisen der republikanischen Bevolkerung insbesondere der organisierten Arbeiter Angestellten und Beamten gebildet Fur die Zeit wahrend welcher sie zum Dienst eingezogen sind werden sie soweit nicht der Staat die Kosten ubernimmt von der Gemeinde bezahlt Durch die Bildung von Ortswehren sind die Einwohnerwehren aufgehoben 11 Die samtlichen Beteiligten verpflichten sich ihren ganzen Einfluss dahin auszuuben dass die Arbeiterschaft restlos zur gewohnten Arbeit sofort zuruckkehrt Die Arbeitgeber sind gehalten die zuruckkehrenden Arbeiter wieder einzustellen 12 Es erfolgt sofortige Abgabe der Munition sowie die Ruckgabe requirierten und erbeuteten Heeresgerates an die Gemeindebehorden 13 Alle Gefangenen sind sofort spatestens bis zum 27 Marz mittags 12 Uhr zu entlassen 14 Bei loyaler Einhaltung dieser Vereinbarungen wird ein Einmarsch der Reichswehr in das rheinisch westfalische Industriegebiet nicht erfolgen Nach der Erklarung des Bevollmachtigten des Wehrkreiskommandos VI und des Reichskommissars wird das Wehrkreiskommando in politisch militarischen Angelegenheiten nur auf schriftliche Anweisung des gesamten Reichsministeriums handeln Ferner erklart der Reichskommissar dass er einen Vertrauensmann der Arbeiterschaft berufen werde der bei allen militarisch politischen Handlungen uber die der Reichskommissar mit zu befinden hat gehort werden soll 15 Der verscharfte Ausnahmezustand soll sofort aufgehoben werden der allgemeine Ausnahmezustand dann wenn die unter Ziffer 9 12 festgelegte Regelung erfolgt ist 16 Der Herr Reichsminister Giesberts wird die Frage der Versorgung der Hinterbliebenen und Verletzten dem Reichskabinett vortragen mit dem Bestreben dass die Kosten vom Reiche ubernommen werden Die Kommission spricht die Erwartung aus dass das Reich die Kommunalverbande fur alle ihnen aus den Unruhen erwachsenen Kosten und Schaden schadlos halt 17 Weder den Arbeitern die an den Kampfen teilgenommen haben noch den Mitgliedern der Polizei und Einwohnerwehren und den Mannschaften der Reichswehr durfen Nachteile oder Belastigungen wegen ihrer Teilnahme erwachsen Giesberts Reichspostminister Severing Thielemann Heinrich Meyer F Klupsch E Sasse Cuno Stens Imbusch Kloft Hamm Dr Jarres Max Herbrig Paul Oettinghaus O Brass W Enz Fritz Charpentier O Triebel Mehlich Protokollfuhrer Unterzeichner BearbeitenThielemann Karl Mitglied der MSPD in Dusseldorf und Parteisekretar Er sollte am 18 Marz zum Zivilkommissar ziviler Beigeordneter beim in Dusseldorf stationierten Militar ernannt werden Meyer Heinrich Mitglied der MSPD in Dusseldorf gehorte dem Bezirksvorstand der freien Gewerkschaften an Sasse Ewald Oberstadtsekretar in Hagen Mitglied der DDP und Vertreter der Hirsch Dunkerschen Gewerkschaftsorganisation Stens Hermann Redakteur und Parteisekretar der DDP in Hagen Hamm Sulpiz Mitglied des Zentrums und 1 Burgermeister von Recklinghausen Herbrig Max Mitglied der USPD in Gelsenkirchen Gewerkschaftssekretar Paul Walter Mitglied der USPD in Ronsdorf Gewerkschaftssekretar Enz Wilhelm Mitglied der MSPD in Barmen Stadtverordneter im dortigen Aktionsausschuss Triebel Oskar fuhrender Kommunist aus Barmen stimmte dem Abkommen zu und wurde ebenso wie Charpentier seitens der KPD gemassregelt da keine Erlaubnis zur Mitwirkung vorlag Literatur BearbeitenHans Spethmann Die Rote Armee an Ruhr und Rhein 3 Auflage Hobbing Berlin 1932 S 101 117 Heinrich August Winkler Weimar 1918 1933 Die Geschichte der ersten deutschen Demokratie Munchen 1993 S 132 134 Thomas Alexander Carl Severing Sozialdemokrat aus Westfalen mit preussischen Tugenden Bielefeld 1992 S 120 126 Erhard Lucas Marzrevolution 1920 Weblinks BearbeitenLudger Grevelhorster Geschichte Westfalens in der Weimarer Republik Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bielefelder Abkommen amp oldid 226155952