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Die Bethe Weizsacker Formel auch Weizsacker Formel halbempirische Massenformel 1 erlaubt die Berechnung der Bindungsenergie des aus Nukleonen zusammengesetzten Atomkerns nach dem Tropfchenmodell dessen Grundideen erstmals 1930 von George Gamow vorgeschlagen wurden 2 3 Die Bindungsenergie ist die Energie die dem Atomkern zugefuhrt werden musste um ihn in die einzelnen Nukleonen zu zerlegen Im Tropfchenmodell werden die Nukleonen wie Molekule eines inkompressiblen geladenen Flussigkeitstropfchens betrachtet Die halbempirische Formel wurde erstmals 1935 von Carl Friedrich von Weizsacker aufgestellt 4 Bekannt wurde sie auch durch die Veroffentlichung und Weiterentwicklung von Hans Bethe 1936 5 Inhaltsverzeichnis 1 Bedeutung und Anwendungsbereich der Formel 2 Gesamtbindungsenergie 3 Erlauterung der funf Beitrage 3 1 Volumenanteil 3 2 Oberflachenanteil 3 3 Coulomb Anteil 3 4 Symmetrieanteil 3 5 Paarungsanteil 4 Literatur 5 EinzelnachweiseBedeutung und Anwendungsbereich der Formel Bearbeiten nbsp Mit der Bethe Weizsacker Formel berechnete Bindungsenergie pro Nukleon aufgetragen in der Art der Nuklidkarte als Funktion von Z und N Mit gelber Farbe sind die Bereiche mit hochster Bindungsenergie dargestellt im weissen Bereich gibt es keine stabilen Kerne Fur einen Kern mit N displaystyle N nbsp Neutronen und Z displaystyle Z nbsp Protonen und damit einer Nukleonenzahl A N Z displaystyle A N Z nbsp ergibt sich die Bindungsenergie E B displaystyle E mathrm B nbsp aus funf Summanden die in verschiedener Weise von N displaystyle N nbsp Z displaystyle Z nbsp abhangen und jeweils einen zunachst unbekannten Parameter zum Vorfaktor haben Diese funf Parameter konnen so angepasst werden dass oberhalb einer Nukleonenzahl A 30 displaystyle A approx 30 nbsp die Berechnung weniger als 1 von der gemessenen Bindungsenergie abweicht 6 Mit wenigen Ausnahmen betragen die Abweichungen auch bei den leichteren Kernen nur wenige Prozent Die Bindungsenergie betragt nur knapp 1 der gesamten Ruheenergie bzw der Masse eines Kerns Fur stabile Kerne ist die Bindungsenergie stets grosser als null Mit der Formel kann naherungsweise die bei einer Kernreaktion oder dem Betazerfall Alphazerfall oder der Kernspaltung frei werdende Energie abgeschatzt werden Fur eine genauere Berechnung sind allerdings die genau gemessenen Massen der im Einzelfall beteiligten Kerne heranzuziehen Die Bethe Weizsacker Formel liefert die Bindungsenergie und damit die Massen nur fur die Kerne Fur die Masse des gesamten Atoms ist die Masse der Atomhulle dazu zu addieren Diese ergibt sich aus der Masse der Z displaystyle Z nbsp Elektronen abzuglich des ca 1 prozentigen Massendefekts aufgrund der Bindungsenergie der Hulle Insgesamt macht diese Korrektur nicht mehr als einige Promille der Kernmasse aus denn ein Elektron ist ca 2000 mal leichter als ein Nukleon und die Nukleonenzahl A displaystyle A nbsp ist abgesehen vom Wasserstoff ca doppelt so gross wie die Zahl der Elektronen Z displaystyle Z nbsp Gesamtbindungsenergie BearbeitenDie gesamte Bindungsenergie eines Atomkerns setzt sich aus funf Beitragen zusammen 5 nbsp E Bindung E Volumen E O b e r f l a c h e E Coulomb E S y m m e t r i e E Paarung displaystyle E text Bindung E text Volumen E mathrm Oberfl ddot a che E text Coulomb E mathrm Symmetrie pm E text Paarung nbsp E Bindung a V A a O A 2 3 a C Z Z 1 A 1 3 a S N Z 2 4 A a P A 1 2 f u r gg Kerne 0 f u r ug und gu Kerne a P A 1 2 f u r uu Kerne displaystyle E text Bindung a mathrm V cdot A a mathrm O cdot A frac 2 3 a mathrm C cdot Z cdot Z 1 cdot A frac 1 3 a mathrm S cdot frac N Z 2 4A begin cases a mathrm P cdot A frac 1 2 amp mathrm f ddot u r text gg Kerne 0 amp mathrm f ddot u r text ug und gu Kerne a mathrm P cdot A frac 1 2 amp mathrm f ddot u r text uu Kerne end cases nbsp Hierbei mussen die Werte fur die Parameter a V a O a C a S a P displaystyle a mathrm V a mathrm O a mathrm C a mathrm S a mathrm P nbsp experimentell bestimmt werden indem die Massenformel an die Bindungsenergien von mindestens funf Kernen angepasst wird Je nach Wahl dieser Kerne variieren die genauen Werte in der Literatur Dies liegt dann daran dass die Parameter fur jeweils andere Massenbereiche optimiert wurden Die Formel ist unbrauchbar fur sehr leichte Atomkerne mit geringer Nukleonenzahl fur grossere Kerne ist sie eine gute Naherung Aber auch hier kann sie beispielsweise die besonders grossen Bindungsenergien in Bereichen um die Magischen Zahlen nicht erklaren Erst das Schalenmodell liefert dafur eine Erklarung Uber die Bindungsenergie lasst sich die gesamte Kernmasse m displaystyle m nbsp berechnen Es gilt namlich m N m n Z m p E B c 2 displaystyle m Nm n Zm p E B c 2 nbsp mit der Masse des Neutrons m n displaystyle m n nbsp und der Masse des Protons m p displaystyle m p nbsp Damit erhalt man aus der Bethe Weizsacker Formel eine Massenformel Neuere Zahlen Stand 2006 zu den Koeffizienten und verschiedenen Termkombinationen wurden von Royer und Gautier berechnet 7 Erlauterung der funf Beitrage BearbeitenVolumenanteil Bearbeiten Wegen der konstant angenommenen Dichte ist das Volumen proportional zur Massenzahl Die Volumenenergie resultiert aus der gegenseitigen Anziehung der Nukleonen aufgrund der starken Kernkraft Da diese aber ausserst kurzreichweitig ist tragt immer nur die Wechselwirkung mit den nachsten Nachbarn eines Nukleons zur Bindung bei Die Bindungsenergie eines von allen Seiten mit anderen Nukleonen umgebenen Nukleons wie es sie in grosseren Kernen gibt ist somit unabhangig von der Anwesenheit weiterer Nukleonen und damit von deren Gesamtzahl a V A mit a V 15 67 M e V displaystyle a mathrm V cdot A qquad text mit qquad a mathrm V approx 15 67 mathrm MeV nbsp Oberflachenanteil Bearbeiten Die Nukleonen an der Oberflache sind von weniger Nachbarn umgeben als die Nukleonen im Inneren des Kerns Dadurch sind sie schwacher gebunden und reduzieren die Bindungsenergie Es wird daher ein destabilisierender Term angenommen der proportional zur Oberflache des Kerns ist negatives Vorzeichen Der Oberflachenterm beschreibt das Verhaltnis von Oberflache und Volumen Die Oberflache einer Kugel ist proportional zu R 2 displaystyle R 2 nbsp und daher auch zu V 2 3 displaystyle V frac 2 3 nbsp Wegen V A displaystyle V sim A nbsp siehe Volumenanteil gilt R 2 A 2 3 displaystyle R 2 sim A frac 2 3 nbsp Vor allem bei kleinen Kernen mit wenigen Nukleonen macht sich der Oberflachenanteil bemerkbar verliert dann allerdings mit wachsender Nukleonenzahl an Bedeutung a O A 2 3 mit a O 17 23 M e V displaystyle a mathrm O cdot A frac 2 3 qquad text mit qquad a mathrm O approx 17 23 mathrm MeV nbsp Coulomb Anteil Bearbeiten Ein weiterer destabilisierender Einfluss ist die coulombsche Abstossung der gleichnamig positiv geladenen Protonen Diese Energie ist nach dem coulombschen Gesetz proportional zum Quadrat der elektrischen Ladung also der Ladungszahl Z displaystyle Z nbsp und umgekehrt proportional zum Radius Da jedes der Z displaystyle Z nbsp Protonen nur von den anderen Z 1 displaystyle Z 1 nbsp Protonen abgestossen wird ist der Effekt eigentlich proportional zu Z Z 1 displaystyle Z Z 1 nbsp und nicht zu Z 2 displaystyle Z 2 nbsp was aber fur grosse Z displaystyle Z nbsp vernachlassigt werden kann Der Radius wiederum ist proportional zur Potenz V 1 3 displaystyle V frac 1 3 nbsp und damit zu A 1 3 displaystyle A frac 1 3 nbsp Je grosser ein Kern wird desto grosser wird die gegenseitige Coulomb Abstossung der Protonen im Kern sodass der Coulomb Anteil fur grosse Kernladungszahlen immer wichtiger wird Dies ist auch der Grund dafur dass Atome nur bis zu einer Ordnungszahl von 82 Blei dauerhaft bestehen konnen Aufgrund der eben genannten Argumente kann der Coulomb Anteil folgendermassen genahert werden a C Z Z 1 A 1 3 mit a C 0 714 M e V displaystyle a mathrm C cdot Z cdot Z 1 cdot A frac 1 3 qquad text mit qquad a mathrm C approx 0 714 mathrm MeV nbsp Symmetrieanteil Bearbeiten Dieser Term ist quantenmechanischer Natur und sorgt fur ein Gleichgewicht zwischen Neutronenzahl und Protonenzahl Er verschwindet fur N Z displaystyle N Z nbsp und schwacht die Bindung mit zunehmender Differenz zwischen Neutronen und Protonenzahl Ein Ungleichgewicht zwischen der Protonenzahl Z displaystyle Z nbsp und der Neutronenzahl N A Z displaystyle N A Z nbsp wirkt also destabilisierend auf einen Kern Zur physikalischen Deutung betrachtet man Protonen und Neutronen als zwei getrennte Fermi Gase die in demselben Potentialtopf die Einteilchenniveaus bis zu ihrer jeweiligen Fermienergie fullen Dann sind bei N Z displaystyle N Z nbsp beide Fermienergien gleich und bei festgehaltener Gesamtzahl A displaystyle A nbsp ist dies die energetisch gunstigste Mischung sozusagen der niedrigste Fullstand Umwandlung eines Nukleons erhoht eine der beiden Fermienergien bis zum nachsten Einteilchenniveau und senkt die andere ab kostet an Energie also die Differenz der Fermienergien Da diese Differenz beim sukzessiven Umschichten bis zu einer bestimmten Differenz N Z displaystyle N Z nbsp jedes Mal anwachst steigt der gesamte dafur benotigte Energieaufwand mit N Z 2 displaystyle N Z 2 nbsp Eine zusatzliche Division durch A displaystyle A nbsp berucksichtigt dass mit steigendem Volumen das proportional zu A displaystyle A nbsp ist der Abstand der Einteilchenniveaus sinkt Dies ergibt einen Term a S N Z 2 4 A mit a S 93 15 M e V displaystyle a mathrm S cdot frac N Z 2 4A qquad text mit qquad a mathrm S approx 93 15 mathrm MeV nbsp Teilweise findet man in der Literatur einen Wert a S 23 M e V displaystyle a mathrm S approx 23 mathrm MeV nbsp Dort wurde der Faktor 4 aus dem Nenner mit in die Konstante eingerechnet und tritt dann in der Formel nicht mehr auf Paarungsanteil Bearbeiten Die bisherigen Terme werden durch einen weiteren Term erganzt der auf der Beobachtung beruht dass Kerne mit geraden Protonen und Neutronenzahlen stabiler sind als solche mit ungeraden Dies findet erst im Schalenmodell des Atomkerns eine Erklarung durch Bildung von Neutron Neutron und Proton Proton Paaren jeweils mit Spin Null Bei ungerader Protonen und oder Neutronenzahl bleibt jeweils ein ungepaartes Teilchen ubrig das deshalb lockerer gebunden ist Kerne mit gerader Protonenzahl Z displaystyle Z nbsp und gerader Neutronenzahl N displaystyle N nbsp gg Kerne sind daher besonders fest gebunden solche mit ungeradem Z displaystyle Z nbsp und N displaystyle N nbsp uu Kerne besonders schwach gebunden die restlichen ug und gu Kerne liegen dazwischen gg Kerne stellen die meisten stabilen Nuklide wahrend von den uu Kernen nur die vier leichten Nuklide 2H 6Li 10B und 14N stabil sind Der Paareffekt nimmt mit steigender Nukleonenzahl ab Als geeigneten Term in der Formel verwendet man daher a P A 1 2 f u r gg Kerne 0 f u r ug und gu Kerne a P A 1 2 f u r uu Kerne displaystyle begin cases a mathrm P cdot A frac 1 2 amp mathrm f ddot u r text gg Kerne 0 amp mathrm f ddot u r text ug und gu Kerne a mathrm P cdot A frac 1 2 amp mathrm f ddot u r text uu Kerne end cases nbsp mit a P 11 2 M e V displaystyle qquad a mathrm P approx 11 2 mathrm MeV nbsp Literatur BearbeitenSiehe auch KernphysikEinzelnachweise Bearbeiten Zur Benennung zum Beispiel Jorn Bleck Neuhaus Elementare Teilchen Springer Verlag 2010 S 109 Die Formel war in der Veroffentlichung von Weizsacker schwer verstandlich sie wurde durch Verbesserungen von Niels Bohr und Hans Bethe verstandlicher und weiteren Kreisen bekannt gemacht G Gamow Mass defect curve and nuclear constitution In Proceedings of the Royal Society of London Series A Containing Papers of a Mathematical and Physical Character Band 126 Nr 803 3 Marz 1930 ISSN 0950 1207 S 632 644 doi 10 1098 rspa 1930 0032 englisch royalsocietypublishing org abgerufen am 30 Marz 2023 Liquid drop model Definition amp Facts Britannica Abgerufen am 30 Marz 2023 englisch C F v Weizsacker Zur Theorie der Kernmassen In Zeitschrift fur Physik Band 96 Nr 7 1 Juli 1935 ISSN 0044 3328 S 431 458 doi 10 1007 BF01337700 a b H A Bethe R F Bacher Nuclear Physics A Stationary States of Nuclei In Reviews of Modern Physics Band 8 Nr 2 1 April 1936 S 82 229 doi 10 1103 RevModPhys 8 82 englisch aps org abgerufen am 30 Marz 2023 Ein damals viel verwendeter Ubersichtsartikel der den damaligen Stand der Kernphysik darstellte Theo Mayer Kuckuk Kernphysik 7 Auflage Teubner Stuttgart Leipzig Wiesbaden 2002 ISBN 3 519 13223 0 S 49 G Royer C Gautier Coefficients and terms of the liquid drop model and mass formula In Physical Review C Band 73 Nr 6 23 Juni 2006 ISSN 0556 2813 S 067302 doi 10 1103 PhysRevC 73 067302 arxiv nucl th 0608064 englisch aps org abgerufen am 30 Marz 2023 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bethe Weizsacker Formel amp oldid 236901244