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Die bandkeramische Siedlung auf dem Muhlengrund in Rosdorf ist ein jungsteinzeitlicher Siedlungsplatz der Bandkeramischen Kultur in Rosdorf bei Gottingen in Niedersachsen Grabungsflache der bandkeramischen Siedlung auf dem Muhlengrund mit rekonstruiertem Hausgrundriss anhand von Holzstammen uber Pfostenlochern 2016Die um etwa 5500 bis 5000 v Chr entstandene Siedlung zahlte zur ersten bauerlichen Kultur in Mitteleuropa In den 1960er Jahren wurde der Siedlungsplatz der innerhalb des heutigen Ortes liegt grossflachig ausgegraben Im Jahr 2016 kam es zu einer erneuten Ausgrabung auf einer kleineren Flache 1 Inhaltsverzeichnis 1 Fundstelle 2 Forschungsgeschichte 3 Befunde 3 1 Gebaude 3 2 Keramik und Steinfunde 3 3 Pflanzenreste und Knochenfunde 3 4 Ausgrabung 2016 4 Resumee 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseFundstelle Bearbeiten nbsp Gebaudegrundriss eines Baus mit 35 Meter Lange und 6 5 Meter BreiteDie Fundstelle liegt an der Strasse Muhlengrund innerhalb der Ortschaft Rosdorf Sie befindet sich auf einem Lossrucken der eine Ausdehnung von etwa 400 800 Meter aufweist und sich in Ost West Richtung erstreckt Der Loss hat hier eine Machtigkeit von bis zu 7 Meter daruber liegt als Oberboden 40 bis 70 Zentimeter fruchtbare Schwarzerde Bis ins Mittelalter war die Lossinsel von einer feuchten Niederung umgeben die erst durch die Regulierung von Bach und Flusslaufen trocken fiel Heute fliesst nordlich der Fundstelle der Bach Rase In den 1960er Jahren entstanden auf dem jungsteinzeitlichen Siedlungsplatz ein weitlaufiges Neubaugebiet und ein Schulkomplex Forschungsgeschichte BearbeitenRosdorf geriet 1962 in den Fokus von Archaologen als ein Mitarbeiter des Agrikulturchemischen und bodenkundlichen Instituts der Universitat Gottingen bei Bauarbeiten in eisenzeitlichen Abfallgruben umfangreiches Fundmaterial geborgen hatte Im Folgejahr 1963 beobachtete derselbe Mitarbeiter beim Bau der Mittelpunktschule in Rosdorf Bodenverfarbungen die auf vorgeschichtliche Siedlungsreste deuteten Daraufhin kam es 1963 zu einer Rettungsgrabung Die Grabung wurde anschliessend auf das Umfeld ausgedehnt wo sich die Siedlungsreste fortsetzten Da bereits Grundstucke bebaut waren war das etwa 250 500 Metern grosse Untersuchungsgebiet nicht zusammenhangend sondern bestand aus 36 Einzelflachen mit insgesamt 23 000 m Die Ausgrabungen hatten den Charakter von Notbergungen da durch die Baumassnahmen ein erheblicher Zeitdruck bestand Die Grabungen die erst 1970 abgeschlossen waren fuhrten Studierende des Seminars fur Ur und Fruhgeschichte der Universitat Gottingen durch Eine zusammenhangende wissenschaftliche Auswertung der Ausgrabungen liegt bis heute 2016 nicht vor Im Jahr 2016 kam es zu einer erneuten Ausgrabung im Bereich des Schulgrundstucks unter Leitung des Archaologen Eberhard Kettlitz Es handelte sich um eine Rettungsgrabung die der Landkreis Gottingen als Grundstuckseigentumer durch ein Grabungsunternehmen vornehmen liess Sie war durch eine geplante Neubebauung erforderlich geworden Dafur sah der Landkreis 200 000 Euro in seinem Haushaltsplan vor Die dreimonatige Grabung betraf eine Flache von etwa 3200 m Sie fuhrte zu rund 300 Befunden 2 Befunde BearbeitenGebaude Bearbeiten Bei den ersten archaologischen Untersuchungen in den 1960er Jahren trugen die Archaologen zunachst den dunklen Oberboden aus Schwarzerde ab und legten auf dem gelben Loss eine plane Flache an Darin zeichneten sich die einstigen Holzpfosten als kreisformige dunkle Verfarbungen ab Sie waren durch Schwarzerde entstanden die von oben in den Raum des vergangenen Holzes eingesickert ist Es konnten die Grundrisse von 52 Hausern der Linienbandkeramik 5500 5000 v Chr festgestellt werden nbsp Dunkle Bodenverfarbung eines Pfostenlochs kenntlich gemacht mit einem Holzstamm 2016 nbsp Dunkle Bodenverfarbung eines Pfostenlochs im Boden etwa 1 6 Meter tief 1970Wie in anderen Siedlungen dieses Typs war auch in Rosdorf der Laufhorizont in dem sich in der Regel Haushaltsgegenstande und Herdstellen finden wegen der Erosion der Lossboden nicht erhalten Obwohl die Rekonstruktion der aufgehenden Hausteile erschwert wurde liessen die Befunde auf ebenerdige rechteckige Pfostenhauser schliessen deren Dacher durch Dreistanderreihen getragen wurden Dabei bildete der mittlere Stander den Dachfirst Die Pfosten waren ursprunglich bis zu 2 Meter tief in den Boden eingegraben Die Aussenwande bestanden aus lehmverputztem Flechtwerk Bei den Gebauden kamen uberwiegend Grossbauten mit bis zu 35 Meter Lange und etwa 7 Meter Breite vor Es gab nur wenige Kleinbauten Die Gebaudeausmasse variierten zwischen 4 und 35 Meter Lange sowie zwischen 5 und 7 Meter Breite Die Giebel der grosseren Gebaude waren uberwiegend nach Nordwesten bzw Sudosten ausgerichtet Zwischen den Hausgrundrissen liegen Gruben Sie durften bei der Entnahme von Lehm fur den Wandputz der Flechtwerkwande entstanden sein Eventuell hatten sie auch eine Bedeutung als Drainage Im Laufe der Zeit wurden sie mit Substanzen verfullt die die Archaologen fur Abfall halten Durch diese Funde ist eine zeitliche und kulturelle Einordnung der Siedlung moglich Keramik und Steinfunde Bearbeiten nbsp Dechselklinge nbsp Keramikfragment mit bandkeramischer Verzierung nbsp Auswahl an Fundstucken der Ausgrabung von 2016Das Fundmaterial stammt uberwiegend aus den Gruben die sich neben den Gebauden befanden Keramischer Nachlass bildet den Grossteil der Funde Der bei den Keramikgefassen verwendete Ton ist fein geschlammt hat eine geglattete Oberflache und weist geringe Wandstarken auf Manche Keramikbruchstucke lassen sich zu Schalen flachen Gefassen Kumpfen und grossen Vorratsgefassen erganzen Verzierungen kommen eingeritzt eingestochen und modelliert vor Bander aus Ritzlinien bilden das Motiv das der Linienbandkeramik ihren Namen gab Nur in Einzelfallen liessen sich in den Ritzlinien weisse und rote Farbreste feststellen die auf eine farbige Verzierung schliessen lassen Zum Farben wurde wahrscheinlich Roteisenstein und Braunstein verwenden beide Steinarten zahlten zu den Fundstucken Spinnwirtel aus Ton bezeugen die Textilherstellung Einige Schleifsteine wenige Artefakte aus Knochen und Geweih und unbearbeitete Steine die zum Teil in mehr als 10 Kilometer Entfernung zu finden sind erganzen des Fundmaterial Die zahlreichen Mahlsteine aus Muhlenquarzit dienten zum Mahlen des Getreides Die Mahlsteine stammten von der Erhebung Kattenbuhl im 20 km entfernten Hann Munden Im Vergleich zu anderen bandkeramischen Siedlungsplatzen wurde in Rosdorf eine geringe Anzahl an Steingeraten geborgen Dazu zahlen geschliffene Flachhacken und sogenannte Schuhleistenkeile aus Felsgestein An Artefakten aus Feuerstein wurden nur 140 Stucke gefunden Die geringe Anzahl ist durch das Fehlen von Feuersteinvorkommen in der Nahe des Siedlungsplatzes begrundet die auf Lossboden nicht vorkommen Untersuchungen ergaben dass der verwendete Flint beim 50 km entfernten Alfeld und bei der 16 km entfernten Bramburg vorkommt Feuerstein wurde vor allem zu Klingen verarbeitet Ein Teil davon durfte wie Gebrauchsspuren anzeigen zu Sicheln zusammengesetzt gewesen sein An den Klingen fand sich sogenannter Sichelglanz Er entsteht durch haufiges Schneiden von siliciumhaltigen Pflanzen wie z B Schilf das zur Abdeckung von Hausdachern verwendet wurde Pflanzenreste und Knochenfunde Bearbeiten Um Erkenntnisse zu den angebauten Pflanzensorten und damit uber die pflanzliche Kost der damaligen Bewohner zu erlangen wurden Bodenproben entnommen Sie hatten mit 580 Proben einen erheblichen Umfang darunter eine Charge von 83 Proben mit der Masse 2 05 Tonnen Die archaobotanische Auswertung der Bodenproben ergab Emmer und Einkorn Nackt und Spelzgerste Erbse Linse und LeinAls Wildfrucht wurde die Haselnuss gesammelt Bestattungsplatze wurden nicht gefunden Dagegen lagen in einer Grube die Skelettreste eines Kindes im Alter von etwa 5 Jahren Funde von Tierknochen belegen den Haustierbestand Besondere Bedeutung kam dem Rind zu das sich durch eine fur diese Zeit erhebliche Grosse auszeichnet Daneben sind das Hausschwein und bei dem gefundenen Knochenmaterial noch nicht unterscheidbar das Schaf oder die Ziege vertreten Die Jagd auf Wildtiere spielte eine untergeordnete Rolle nbsp Grabungsflache auf dem Schulgrundstuck 2016Ausgrabung 2016 Bearbeiten Bei der Ausgrabung von Juli bis September 2016 auf dem Schulgrundstuck konnten 300 Befunde festgestellt werden darunter Siedlungsgruben und drei neue Hausgrundrisse Von den Hausern zahlen zwei zur alteren Phase und eins zur jungeren Phase der Bandkeramik Zu den geborgenen Fundstucken zahlen Gebrauchsgegenstande aus Keramik und Stein Die gefundenen Keramikfragmente weisen die typischen Verzierungsformen der Bandkeramik mit eingeritzten Bandern auf Anhand der Verzierungen lassen sie sich der mittleren Stufe der Bandkeramik zwischen 5300 und 5150 v Chr zuordnen Unter den Steinartefakten finden sich Sichelklingen eine Pfeilspitze aus Feuerstein Dechselklingen sowie Steinkeile zur Holzbearbeitung 3 Resumee BearbeitenDie Altgrabungen in den 1960er Jahren und die Neugrabung 2016 fuhrten zu insgesamt 55 festgestellten Hausgrundrissen aus der Zeit der bandkeramischen Kultur wobei die tatsachlich vorhanden gewesene Anzahl hoher gewesen sein durfte Man schatzt anhand der C14 Datierungen die bandkeramische Besiedlungsdauer in Rosdorf auf etwa 700 Jahre Es wird angenommen dass zeitgleich nicht mehr als drei oder vier Hauser bestanden Von einem geschlossenen Dorf ist nicht auszugehen sondern von Einzelhofen in lockerer Streuung In spateren Zeitepochen gab es an der Fundstelle weitere nicht kontinuierliche Besiedlungen worauf Siedlungsreste aus der Bronzezeit der Eisenzeit der Latenezeit und der Romischen Kaiserzeit deuten Bei der bandkeramischen Siedlung auf dem Muhlengrund handelt es sich um die bisher grosste archaologisch untersuchte Siedlung aus der Steinzeit in Niedersachsen ebenso die bisher grosste untersuchte Siedlung im nordlichen Randbereich des Verbreitungsgebietes der bandkeramischen Kulturen in Mitteleuropa Insgesamt ist die Siedlung nicht vollstandig ausgegraben worden was auch in der bereits erfolgten Teilbebauung des Siedlungsplatzes begrundet ist Ausserdem wurden bei den Untersuchungen die Siedlungsgrenzen im Norden und Westen nicht erreicht Durch die bisherigen Untersuchungen konnten Ackerbau und pflanzliche Ernahrung der ersten Ackerbauern und Viehzuchter in Sudniedersachsen analysiert werden Daher sind die Ergebnisse der Ausgrabungen fur die Erforschung der Linienbandkeramik von uberregionaler Bedeutung Literatur BearbeitenReinhard Maier Vorbericht uber die Ausgrabung der bandkeramischen Siedlung in Rosdorf Kr Gottingen in Niedersachsisches Jahrbuch fur Landesgeschichte 36 1964 S 67 69 Reinhard Maier Hans Gunter Peters Vorgeschichtliche Siedlungsspuren in Rosdorf Kr Gottingen in Niedersachsisches Jahrbuch fur Landesgeschichte 37 1965 S 82 Wolf Haio Zimmermann Eine Ausgrabung vorgeschichtlicher Siedlungen auf dem Muhlengrund in Rosdorf Kr Gottingen in Niedersachsisches Jahrbuch fur Landesgeschichte 38 1966 S 58 59 Brigitte Schluter Urgeschichtliche Siedlungsreste in Rosdorf Kr Gottingen Vorlaufiger Bericht uber die Grabungen in den Jahren 1969 und 1970 in Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 40 1971 S 236 ff Brigitte Schluter Die bandkeramische Siedlung auf dem Muhlengrund in Rosdorf Ldkr Gottingen Sonderdruck aus Archaologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland Beiheft 1 Redaktion Gunter Wegner Hrsg Staatliches Museum fur Naturkunde und Vorgeschichte Oldenburg Oldenburg 1983 Jan Graefe Bandkeramische und spathallstattzeitliche Mahlsteine aus der Siedlung Rosdorf Muhlengrund Ldkr Gottingen In Frank Verse Benedikt Knoche Jan Graefe Martin Hohlbein Kerstin Schierhold Claudia Siemann Marion Uckelmann Gisela Woltermann Hrsg Durch die Zeiten Festschrift fur Albrecht Jockenhovel zum 65 Geburtstag Internationale Archaologie Studia honoraria 28 Rahden Westfalen 2008 S 15 28 Wiebke Kirleis Ulrich Willerding Die Pflanzenreste aus der linienbandkeramischen Siedlung von Rosdorf Muhlengrund Ldkr Gottingen im sudostlichen Niedersachsen Prahistorische Zeitschrift 83 2008 S 133 178 Online pdf Andrea Bulla Eine 7 000 Jahre alte Siedlung Die ersten Bauern und Viehzuchter in Gottingen Rosdorf in Berichte zur Denkmalpflege in Niedersachsen 4 2016 S 201 202 Brigitte Schluter Wolfgang Schluter Die nachbandkeramischen Befunde und Funde vom Muhlengrund in Rosdorf Ldkr Gottingen in Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte 87 2018 S 69 ff Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Siedlung Rosdorf Muhlengrund Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Eva Werler 7 000 Jahre Hausbau Geschichte in Rosdorf bei ndr de vom 28 Juli 2016 Videofilm zur Ausgrabung 2016 bei Sat 1 vom 7 September 2016 2 55 Minuten In Rosdorf gab es schon vor 7 000 Jahren Bauern mit 2 Videofilmen bei ndr de vom 7 September 2016 7000 Jahre alte Fundstucke in Rosdorfer Siedlung entdeckt in Hessische Niedersachsische Allgemeine vom 7 September 2016 Klingen Keile und Hauser in Gottinger Tageblatt vom 7 September 2016 Kurzbeschreibung zur Fundstelle und zur Pflanzenuntersuchung in einem Untersuchungsprojekt seit 2002Einzelnachweise Bearbeiten Grabungen bei ehemaliger Anne Frank Schule Memento vom 29 Juli 2016 im Internet Archive in Gottinger Tageblatt vom 28 Juli 2016 Grabung Rosdorfer Funde konnten mehr als 7000 Jahre alt sein in Hessische Niedersachsische Allgemeine vom 30 Juli 2016 Archaologen legen grosse steinzeitliche Siedlung frei in Hessische Niedersachsische Allgemeine vom 30 August 2016 51 50461 9 90482 Koordinaten 51 30 16 6 N 9 54 17 4 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Bandkeramische Siedlung Muhlengrund in Rosdorf amp oldid 231877132