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Die Apocolocyntosis nach dem griechischen Neologismus Ἀpokolokyntwsis in etwa Verwandlung in einen Kurbis bzw eine Koloquinte Verkurbissung von kolokyn8h attisch kolokynth Flaschenkurbis ist eine wahrscheinlich Ende des Jahres 54 n Chr von Seneca verfasste Satire auf den kurz zuvor verstorbenen romischen Kaiser Claudius Der Werktitel parodiert den aus dem Griechischen stammenden und auch im Lateinischen gebrauchlichen Begriff apotheosis fur die Vergottlichung eines Verstorbenen Formal ist die Apocolocyntosis durch ihre Mischung von Prosa und lyrischen Partien der menippeischen Satire zuzurechnen Die Apocolocyntosis in der Handschrift St Gallen Stiftsbibliothek 569 Seite 251 9 Jahrhundert Sofern die herkommlichen Angaben zu Verfasser und Entstehungskontext zutreffen wirft der Text ein bezeichnendes Bild auf die Verhaltnisse im fruhen Prinzipat Seneca der sich damals bei Hof aufhielt muss angenommen haben mit der Verspottung des Claudius das Wohlgefallen des neuen Kaisers Nero zu erregen obwohl dieser erst kurz zuvor die Vergottlichung seines Vorgangers angeordnet hatte Inhaltsverzeichnis 1 Uberlieferung und Titel 2 Handlung 2 1 1 Kapitel 2 2 2 Kapitel 2 3 3 Kapitel 2 4 4 Kapitel 2 5 5 Kapitel 2 6 6 Kapitel 2 7 7 Kapitel 2 8 8 Kapitel 2 9 9 Kapitel 2 10 10 Kapitel 2 11 11 Kapitel 2 12 12 Kapitel 2 13 13 Kapitel 2 14 14 Kapitel 2 15 15 Kapitel 3 Senecas Umsetzung 4 Textausgaben teilweise mit Ubersetzung und oder Kommentar 5 Literatur 6 Weblinks 7 AnmerkungenUberlieferung und Titel BearbeitenDie beste heute vorliegende Handschrift des Textes ist der Codex Sangallensis 569 das Stuck wird darin unter dem Titel Apotheosis Annaei Senecae per saturam gefuhrt In den anderen aber weitaus schlechteren Textzeugen wird die Satire schlicht als Ludus de morte Claudii Neronis oder ahnlich bezeichnet dort wird uberhaupt kein Autor genannt Der Name Apocolocyntosis ist erst um das Jahr 200 n Chr bei dem Geschichtsschreiber Cassius Dio uberliefert auf dessen Angabe sich auch die Zuschreibung an Seneca den Jungeren grundet 1 Diese These ist in jungster Zeit aber teils bestritten worden Das Bild der Verwandlung in einen Kurbis sollte Claudius postum der Lacherlichkeit preisgeben und seine Apotheose persiflieren Dass der Kurbis in der Antike als Symbol der Dummheit galt im Sinne von Hohlkopf wird zwar immer wieder behauptet ist jedoch alles andere als sicher 2 Handlung BearbeitenDie Handlung spielt sich am Todestag des Claudius ab also am 13 Oktober 54 n Chr 1 Kapitel Bearbeiten Zunachst stellt der Autor sich als Historiograph dar der daruber schreiben mochte was am 13 Oktober 54 n Chr im Himmel geschehen sei Er fuhrt auch einen Gewahrsmann fur seine Informationen an obwohl er der Meinung ist dass dies fur einen Geschichtsschreiber nicht notig sei 2 Kapitel Bearbeiten In epischen Hexametern nennt Seneca das Datum des Todestages Er erkennt jedoch dass es in Prosa besser verstandlich ist nennt also Tag und ungefahre Uhrzeit die er dann auf einen gedachten Einwand des Lesers auch noch in Hexameter fasst 3 Kapitel Bearbeiten Hier beginnt die eigentliche Handlung Claudius liegt im Sterben Mercurius begibt sich zu den Parzen und bittet sie dem langen Leiden des Claudius doch nun ein Ende zu setzen Diese wenden ein dass sie ihn eigentlich noch ein wenig am Leben lassen wollten willigten dann jedoch ein 4 Kapitel Bearbeiten Wiederum in Hexametern beschreibt Seneca kurz wie Claudius Lebensfaden abgeschnitten wird um dann in den folgenden 30 Versen ein Loblied auf dessen Nachfolger Nero anzustimmen Weiterhin legt er Claudius als letzte Worte den Satz Vae me puto concacavi me Oh weh ich glaube ich habe mich angeschissen in den Mund 5 Kapitel Bearbeiten Hier beginnt die Beschreibung der Vorgange im Himmel Dem Jupiter wird die Ankunft eines Fremden gemeldet Da keiner ihn verstehen oder erkennen kann wird Hercules zu ihm geschickt der ja weitgereist und mit Monstern aller Art vertraut sei Dieser fragt ihn mit einem Homervers aus welchem Erdteil er komme und erhalt sogleich Antwort in einem weiteren Homervers den Claudius zitiert und sich damit als Julier zu erkennen gibt er gibt an er komme gerade von Ilion Troja der Heimat des Aeneas des Stammvaters der Julier 6 Kapitel Bearbeiten Hier greift Febris die Gottin des Fiebers die ihn bis in den Himmel begleitet hat Claudius war zeitlebens ein kranklicher Mann ein und stellt diese Aussage richtig indem sie erklart dass er eigentlich aus Lyon stamme Daraufhin will Claudius sie abfuhren und toten lassen doch naturlich hat er im Himmel keine Befehlsgewalt 7 Kapitel Bearbeiten Daraufhin stellt Hercules ihn streng zur Rede und Claudius sieht ein dass er nichts zu melden hat Stattdessen beginnt er nun Hercules zu schmeicheln und versucht ihn fur sich als Fursprecher bei den anderen Gottern zu gewinnen Der Text bricht dann ab Vermutlicher Inhalt des verlorenen Abschnitts Claudius zieht Hercules auf seine Seite Beide gehen zur Gotterversammlung zu der ihnen Herkules gewaltsam Zutritt verschafft Der Antrag auf Vergottlichung des Claudius wird gestellt 8 Kapitel Bearbeiten Ein Gott vermutlich Apollo fragt was Claudius denn fur ein Gott werden solle und behauptet dass kein Gott einer Apotheose zustimmen werde nicht einmal Saturn dessen Fest Claudius das ganze Jahr lang gefeiert habe 9 Kapitel Bearbeiten Jupiter greift ein stellt die Senatsordnung wieder her indem er den Privatmann Claudius fur die Zeit der Beratung aus dem Gebaude schickt und dann die Diskussion leitet Zunachst spricht Janus der sich gegen eine Vergottlichung ausspricht und zwar nicht nur fur Claudius sondern fur alle Menschen Anschliessend setzt sich Dis Pater auf ein Zeichen des Hercules hin fur Claudius ein Es wird berichtet dass die Meinungen nicht einheitlich waren aber wohl eine Mehrheit fur Claudius sich abzeichnete 10 Kapitel Bearbeiten Der vergottlichte Kaiser Augustus halt eine kunstlose Rede in der er sich vehement gegen eine Vergottlichung des Claudius ausspricht 11 Kapitel Bearbeiten Fortsetzung von Augustus Rede und Beschluss der Gotterversammlung Claudius wird kein Gott und soll in die Unterwelt einziehen 12 Kapitel Bearbeiten Claudius wird von Mercurius uber die Via Sacra zum Eingang der Unterwelt geleitet Dabei schaut er kurz seiner eigenen Bestattung zu und erfreut sich an einem Trauerlied dessen spottischer Sinn ihm wohl vollig entgeht 13 Kapitel Bearbeiten Mercurius und Claudius kommen in der Unterwelt an wo er von den Vielen die er hatte hinrichten lassen erwartet wird Die freuen sich naturlich ihn zu sehen zum einen weil er nun tot ist zum anderen da auch er kein Gott ist sondern in der Unterwelt sein Dasein fristen muss was Claudius als echte Freude versteht und ihn zu dem Ausruf Panta filwn plhrh Alles ist voll von Freunden veranlasst 14 Kapitel Bearbeiten Claudius wird dem Unterweltsrichter Aeacus vorgestellt Zunachst findet sich kein Anwalt fur ihn dann aber tritt doch ein Verteidiger Publius Petronius ein Zechkumpan fur ihn auf Der Richter hort jedoch nur die Anklage nicht die Verteidigung Es wird uber das Strafmass verhandelt Schliesslich wird Claudius dazu verurteilt sich zu solch grossen Unterweltsbussern wie Tantalos oder Sisyphos zu gesellen und bis in alle Ewigkeit mit einem Wurfelbecher zu wurfeln aus dessen Boden die Wurfel immer wieder herausfallen eine Strafe ahnlich dem Fass der Danaiden 15 Kapitel Bearbeiten Caligula taucht auf und fordert Claudius als Sklaven als Ausgleich fur personlich erlittene Unbill Dieser wird ihm prompt zugesprochen doch dann will der Kaiser ihn selbst nicht haben und verschenkt ihn an Aeacus der Claudius wiederum an einen Freigelassenen weitergibt Nun leistet er auf Ewigkeit polizeiliche Kleinarbeit Senecas Umsetzung BearbeitenDas Stuck ist das einzige nahezu vollstandig erhaltene Exemplar einer lateinischen menippeischen Satire 3 Seneca vereint im Stuck in besonderem Ausmass Elemente aus dem verschiedensten Genres so zum Beispiel Epos Gotterapparat und Unterweltsfahrt Tragodie Auftritt eines Chors und Komodie Auftritt des Hercules als Heracles comicus in parodisierender Weise 4 Wie in den anderen romischen Satiren des Juvenal und Persius ist auch hier der Zeitbezug ein wichtiges Element 5 Uber die Dauer des gesamten Stucks finden sich zahlreiche Hinweise auf die Zeit in der Claudius regiert hat So enthalt das Werk unter anderem Anspielungen auf die Anstellung zahlreicher Winkeladvokaten wahrend Claudius Amtszeit und seinen Hang politische Widersacher hinrichten zu lassen 6 Seneca nimmt auch freilich in grotesker Verzerrung verschiedene schlechte Charaktereigenschaften und Gebrechen des Claudius aufs Korn zum Beispiel dessen nuschelnde undeutliche Aussprache den hinkenden Gang wie auch die Leidenschaft fur das Glucksspiel 7 Spater soll sich Seneca dieser zornigen Polemik die dem von ihm propagierten Ideal philosophischer Gelassenheit so offenkundig widersprach geschamt haben und versuchte angeblich ihre weitere Verbreitung zu verhindern 8 Wahrend Historiker wie Ulrich Gotter die Seneca eher als Machtpolitiker sehen die Apocolocyntosis oft als Beleg dafur heranziehen wie skrupellos er sich in den Dienst Neros gestellt habe haben insbesondere jene Forscher die ein positives Seneca Bild vertreten seit jeher Schwierigkeiten damit gehabt den Text mit seinem sonstigen philosophischen Werk in Einklang zu bringen Eine neue Losung des Problems schlug im Jahr 2016 Niklas Holzberg vor der die Autorschaft Senecas bestritt und die Apocolocyntosis fur ein Werk des 2 oder fruhen 3 Jahrhunderts hielt 9 Textausgaben teilweise mit Ubersetzung und oder Kommentar BearbeitenRenata Roncali L Annaei Senecae Apokolokyntōsis Leipzig 1990 ISBN 3 322 00670 0 Reprint Berlin New York 2010 ISBN 978 3 11 097534 5 Bibliotheca Teubneriana Otto Schonberger Lucius Annaeus Seneca Apocolocyntosis divi Claudii Einfuhrung Text und Kommentar Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1990 ISBN 3 88479 564 3 Allan A Lund L Annaeus Seneca Apocolocyntosis divi Claudii Herausgegeben ubersetzt und kommentiert Winter Heidelberg 1994 ISBN 3 8253 0139 7 Gerhard Binder L Annaeus Seneca Apokolokyntosis lateinisch deutsch Dusseldorf 1999 Sammlung Tusculum ISBN 978 3 7608 1716 3Literatur BearbeitenChristoph Begass Zu Marcus Aurelius VI 30 und Senecas Apocolocyntosis In Hermes Band 138 Heft 3 2010 S 337 351 Andreas Heil Die Herkunft des Claudius Etymologische Wortspiele in Seneca Apocolocyntosis 5 6 In Museum Helveticum 63 2006 S 193 207 Niklas Holzberg Racheakt und negativer Furstenspiegel oder literarische Maskerade Neuansatz zu einer Interpretation der Apocolocyntosis In Gymnasium 123 2016 S 321 339 Michael Paschalis The Afterlife of Emperor Claudius in Seneca s Apocolocyntosis In Numen 56 2009 S 198 216 Thomas Reiser Bachtin und Seneca zum Grotesken in der Apocolocyntosis Divi Claudii In Hermes 135 2007 S 469 481 Christian Reitzenstein Ronning certa clara affero Senecas Apocolocyntosis und die Zeichensprache des Principats In Chiron 47 2017 S 213 242 Meike Ruhl Alle Angaben ohne Gewahr Momente der Unsicherheit und des Ubergangs in Senecas Apocolocyntosis In Antike und Abendland 57 2011 S 74 94 Sonja Wolf Die Augustusrede in Senecas Apocolocyntosis Ein Beitrag zum Augustusbild der fruhen Kaiserzeit Hain Konigstein Ts 1986 Weblinks BearbeitenLateinischer Text der Apocolocyntosis Lateinischer Text deutsche Ubersetzung und NamenserklarungAnmerkungen Bearbeiten Cassius Dio Romische Geschichte LX 35 2 ff Joachim Adamietz Die Romische Satire Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1986 S 363 Allan A Lund Einleitung In L Annaeus Seneca Apocolocyntosis Divi Claudii Wissenschaftliche Kommentare zu griechischen und lateinischen Schriftstellern C Winter Heidelberg 1994 S 18 James Ker Seneca man of many genres In Katharina Volk Gareth Williams Seeing Seneca Whole Perspectives on Philosophy Poetry and Politics Brill Leiden Boston 2006 S 19 41 hier S 31 Daniel Hooley Roman Satire Blackwell Introductions to the Classical World Blackwell Publishing Malden 2007 bes S 144 f Apocolocyntosis 12 2 Vgl auch Anton Bauer Anmerkungen In L Annaeus Seneca Apocolocyntosis Die Verkurbissung des Kaisers Claudius Philipp Reclam jun Stuttgart 1981 S 64 Anm 108 Miriam T Griffin Imago Vitae Suae In John G Fitch Hg Seneca Oxford Readings in Classical Studies Oxford University Press Oxford New York 2008 S 23 58 hier S 43 f Gregor Maurach Einleitung In Ders Hrsg Seneca als Philosoph Wege der Forschung Bd CCCCXIV Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1975 S 4 Niklas Holzberg Racheakt und negativer Furstenspiegel oder literarische Maskerade Neuansatz zu einer Interpretation der Apocolocyntosis In Gymnasium 123 2016 S 321 339 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Apocolocyntosis amp oldid 237658612