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Anhaltelager waren in Osterreich wahrend der Zeit des austrofaschistischen Standestaats zunachst zwischen 1933 und 1938 Internierungslager in die politische Gegner zuerst illegale Nationalsozialisten nach dem Februaraufstand 1934 auch Sozialdemokraten und Kommunisten ohne Anhorung und ohne Gerichtsverfahren eingewiesen wurden Zudem wurden sie als Notarreste verwendet da regulare Gefangnisse stark uberbelegt waren Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 2 Vergleich mit Konzentrationslagern 3 Bettleranhaltelager in Schlogen 4 Zwangsarbeit im NS Zigeuner Anhaltelager Lackenbach 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseGeschichte BearbeitenIm nationalsozialistischen Deutschland wurde das erste Konzentrationslager am 20 Marz 1933 auf Veranlassung von Heinrich Himmler in den Baracken einer ehemaligen Munitionsfabrik in Dachau gegrundet In Osterreich ging die Idee zur Einrichtung von Sammellagern von Kreisen der Heimwehr um den Innenminister Emil Fey aus Diese Ideen waren in der osterreichischen Regierung nicht unumstritten Abgeordnete des Landbundes sprachen sich vehement dagegen aus Fey konnte sich aber durchsetzen und die Regierungsmitglieder des Landbundes Vizekanzler Franz Winkler Minister Vinzenz Schumy Staatssekretar Franz Bachinger schieden daraufhin unter Protest aus der Regierung aus 1 Das erste Anhaltelager wurde im September 1933 nach einem Erlass der Regierung Dollfuss errichtet um sicherheitsgefahrliche Personen zu verhaften und ohne gerichtliches Verfahren zur Verhaltung in einen bestimmten Ort zu verbringen 2 Dies scheint auch das Charakteristikum all dieser Einrichtungen zu sein dass namlich Personen ohne richterliche Anhorung oder gerichtliche Verurteilung von der Exekutive auf bestimmte oder unbestimmte Zeit in Haft genommen wurden Es gab in Osterreich eine Vielzahl lokaler Anhaltelager und Notarreste zur Unterbringung von Gefangenen aus uberbelegten Haftanstalten von denen das bekannteste das Anhaltelager Wollersdorf in den schon lange leerstehenden Wollersdorfer Werken war Hier befanden sich am 17 Oktober 1933 elf festgehaltene Nationalsozialisten der Hochststand wurde am 15 Oktober 1934 mit 4794 Anhaltehaftlingen und Strafgefangenen erreicht 4256 Nationalsozialisten 538 Sozialdemokraten und Kommunisten kurz vor Schliessung waren noch 114 Personen in Wollersdorf darunter 45 Nationalsozialisten 11 Sozialdemokraten und 58 Kommunisten Das zweitgrosste war das Anhaltelager Kaisersteinbruch hier befanden sich am 22 Januar 1934 77 Inhaftierte der Hochststand wurde mit 629 Personen am 2 April 1934 erreicht 516 Nationalsozialisten 119 Sozialdemokraten und Kommunisten am 27 April 1934 wurden die restlichen Gefangenen nach Wollersdorf verbracht 3 Weitere grossere Lager waren das Anhaltelager Messendorf und jenes in Finstermunz Unmittelbar nach dem 12 Februar und 25 Juli 1934 entstanden auch zahlreiche kleine Lager um die grosse Zahl an gefangen genommenen Aufstandischen und politischen Funktionaren in Verwahrung nehmen zu konnen Jagschitz nennt beispielsweise Amstetten Hollabrunn Modling St Polten oder die Festung Hohensalzburg 4 Anhaltelager existierten bis zum so genannten Anschluss Osterreichs 1938 Vergleich mit Konzentrationslagern BearbeitenVersuche des Vergleichs von Anhaltelagern mit den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten in Deutschland wurden damals vor allem von den Nationalsozialisten gemacht Der Volkische Beobachter verwendete diesen Begriff in stereotyper Weise so lautet beispielsweise eine Schlagzeile vom 2 Januar 1934 Ein Reichsdeutscher in ein osterreichisches Konzentrationslager verschleppt Auch heute finden sich solche Anspielungen sie sind aber umstritten Diese Gleichsetzung berucksichtigt die Besonderheiten der politischen Situation Osterreichs nicht die unter anderem durch die 1933 massiv einsetzenden Terrorakte der Nationalsozialisten durch den Juliputsch und die Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuss zur Inhaftierung von Nationalsozialisten gefuhrt hatte Besonders die in Wollersdorf inhaftierten illegalen osterreichischen Nationalsozialisten versuchten propagandistischen Nutzen aus den Zustanden im Lager zu ziehen und stellten Wollersdorf als Holle auf Erden dar Im Unterschied zu diesen Propagandaversuchen kreisten in nationalen und auch nationalsozialistischen Darstellungen die Bezeichnung von Wollersdorf als volkischem Erholungsheim wobei die Repression im Einzelfall aber durchaus bedruckend war 5 Als erwiesen gilt dass die Behandlung der Haftlinge in den Anhaltelagern nicht mit den deutschen Konzentrationslagern gleichzusetzen ist so gab es im Gegensatz zu den KZs bis zum Anschluss Osterreichs an das Deutsche Reich keine Zwangsarbeit keine Folter oder gar Hinrichtungen Haftlinge konnten sich Geld zum Kauf von Lebensmitteln ins Anhaltelager schicken lassen und sich auf dem Lagergelande frei bewegen Diese Freiheiten wurden von den Inhaftierten sowohl von kommunistischer wie auch nationalsozialistischer Seite zur ideologischen Indoktrination benutzt Der britische Journalist George Eric Rowe Gedye der Wollersdorf 1934 besucht hatte schrieb daruber die Inhaftierten mussten um 6 Uhr aufstehen ihre Baracken reinigen und eine Stunde lang gymnastische Ubungen machen um 21 Uhr musste das Licht ausgeloscht werden Ansonsten konnten sie uber ihre Zeit frei verfugen und schienen sie hauptsachlich mit Fussball Sonnenbaden und Lesen unter den Baumen zu verbringen Am ernstesten beschwerten sich alle Nazis mir gegenuber uber das Verbot des Gemeinschaftssingens 6 Die Inhaftierten mussten jedoch ihren Aufenthalt in den Lagern selbst bezahlen die Kosten betrugen sechs Schilling pro Tag was viele an den Rand des Ruins trieb Besuch durch Familienangehorige und Briefverkehr waren moglich Einige Gefangene litten aber unter Depressionen und Haftpsychosen Suizidversuche kamen vor erfolgreiche Suizide gab es hingegen kaum Bettleranhaltelager in Schlogen BearbeitenEine Besonderheit des Standestaates war die Errichtung eines Bettleranhaltelagers in Schlogen in Oberosterreich 7 Durch die druckende wirtschaftliche Not der 30er Jahre waren viele Arbeitslose gezwungen sich ihr Uberleben durch Bettelei zu verdienen Eigentlich waren die Heimatgemeinden fur die Armenfursorge zustandig waren aber selbst finanziell nicht liquide Die Heimatgemeinden konnten aber Unterstutzungsausweise ausstellen in die dann Leistungen anderer Gemeinden eingetragen werden konnten eine Ruckforderung dieser Leistungen war zwar moglich aber aufgrund des hohen Verwaltungsaufwandes nicht durchzusetzen Personen ohne einen Unterstutzungsausweis konnten aufgegriffen und zu Arrest von drei Tagen bis zu sechs Wochen verurteilt werden Den Bundeslandern stand es aufgrund der Heimatgesetznovelle von 1935 frei Anstalten zu schaffen in denen die aufgegriffenen Bettler ihre Haftzeit abarbeiten konnten Von dieser Moglichkeit hat nur Oberosterreich Gebrauch gemacht und 1935 ein Haftlagergesetz beschlossen Landesrat und Sicherheitsdirektor Peter Revertera gab dies am 5 Juli 1935 der Offentlichkeit bekannt Gebaut wurde das Haftlager auf der rechten Donauseite in Schlogen was mit der den Haftlingen zugedachten Arbeit den Ausbau der Strasse Passau Linz zusammenhing Auf dem Areal des Lagers wurden vier Baracken in denen die Haftlinge untergebracht werden konnten und weitere Baulichkeiten zur Unterbringung des Wachpersonals errichtet 8 Umgeben war das Lager mit einem ubermannshohen Stacheldraht dann wurden noch ein 20 Meter hoher Wachturm und Scheinwerferbeleuchtung errichtet Die Bewachung wurde anfanglich von 35 Schutzkorpsmannern vorgenommen ab 1 Mai 1936 wurde dafur eine eigene Gendarmerie Expositur mit drei Gendarmen und sieben Mann Zivilwache eingerichtet Am 30 August 1935 fand die erste Bettlerrazzia in Oberosterreich statt weitere folgten Von den aufgegriffenen 915 Personen wurden 134 nach Schlogen uberstellt die anderen an ihre Heimatgemeinden verwiesen Der Sinn des Lagers war ein edukativer Gewohnung an Arbeit der Strafaspekt sei sekundar Nach der Haft sollten die Personen in ein Arbeitsverhaltnis kommen oder in den Freiwilligen Arbeitsdienst eintreten Entweichungen waren selten allerdings gelang die Uberfuhrung in ein Arbeitsverhaltnis auch nur unzureichend Die Insassen bekamen pro Tag einen Sold von 50 Groschen und funf Zigaretten der Sold wurde aber nach der Haft nicht ausbezahlt sondern in Form von Sachleistungen Kleidung Schuhe ausgefolgt In der spateren Zeit wurde die Uberwachung der Haftlinge auf den Baustellen eingestellt und die Inhaftierten konnten unter dem Kommando eines Gruppenfuhrers zu ihrer Arbeit ausrucken Neben dem Ausbau der Strasse Passau Linz waren die Inhaftierten auch an Ausgrabungen eines romischen Kastells 9 und an der Bergung eines Donaudampfers beteiligt In der Presse wurden den Inhaftierten ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt grosser Arbeitseifer und Ausdauer hohe Disziplin Nach dem Anschluss vermutlich im August 1938 wurde das Bettlerlager aufgelost und die Insassen freiwillig in den Arbeitsprozess eingefuhrt Die Resonanz auf die Einrichtung war gespalten Andere Bundeslander konnten sich aus vorwiegend finanziellen Grunden nicht dazu entschliessen solche Lager einzurichten und kritisierten dass dadurch die Bettelei nur in andere Bundeslander ausgelagert werde Tschechische Diplomaten welche das Lager besichtigten ausserten sich sehr positiv Auch in der damaligen Presse war das Echo gespalten Wahrend die offizielle Presse des Standestaates das Lager als wegweisende Tat ruhmte und die Kirchenblatter dazu nicht Stellung nahmen bewertete die sozialistische Untergrundpresse dieses Lager als offentliche Schande Die Not bleibt also in Osterreich anhaltend lagernd Zwangsarbeit im NS Zigeuner Anhaltelager Lackenbach BearbeitenSammellager fur ethnische Minderheiten vor allem gegen die Roma die durchaus den Charakter von Konzentrationslagern besassen wurden in Osterreich erst nach 1938 in der NS Zeit eingerichtet 10 Grundlage war der in Berlin am 13 Mai 1938 beschlossene Erlass zur Bekampfung der Zigeunerplage Mit der von der Kriminalpolizei organisierten Aktion Arbeitsscheu Reich wurden im April und im Juni 1938 Sinti und Roma in Konzentrationslager eingewiesen Dem Genozid an dieser Volksgruppe fielen nach Schatzungen 500 000 Menschen zum Opfer 11 Das grosste KZ Sammellager dieser Art in Osterreich war das Zigeuner Anhaltelager Lackenbach Es wurde im November 1940 auf dem Schaflerhof einem ehemaligen esterhazyschen Gutshof eingerichtet und unterstand der Kriminalpolizeileitstelle Wien Gestapo von der auch die Beamten der Lagerverwaltung gestellt wurden 12 In Lackenbach mussten die Haftlinge ihren Unterhalt durch Zwangsarbeit vergleichbar den deutschen Konzentrationslagern selber bestreiten und dabei angeblich auch die nicht arbeitsfahigen Insassen mit erhalten Anfangs arbeiteten sie nur im Lager und auf den lagereigenen Feldern bzw in einem Sagewerk Spater wurden sie verstarkt ausserhalb des Lagers eingesetzt beim Reichsautobahnbau beim Strassenbau beim Bau einer Flugabwehrstellung beim Regulieren von Bachen beim Wehrbau in Ziegeleien in Muhlen in Fabriken in Wirtshausern und auf Bauernhofen Kinder und Jugendliche vergab man an Guts und Forstbetriebe Die Haftlinge mussten 8 bis 11 Stunden am Tag arbeiten Da nur die ausnutzbare Arbeitskraft wichtig war waren besonders Alte und Kinder von den Deportationen bedroht 13 Weitere Anhalte und Zigeunerlager befanden sich in St Pantaleon Weyer 14 sowie am Traunsee 15 Literatur BearbeitenGerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich besonders das Anhaltelager Kaisersteinbruch In Helmuth Furch Hrsg 400 Jahre Kaisersteinbruch 1590 1990 Festschrift S 58 60 1990 DNB 941654117 Gerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich In Ludwig Jedlicka Rudolf Neck Hrsg Vom Justizpalast zum Heldenplatz Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1975 S 128 151 Helmuth Furch Historisches Lexikon Kaisersteinbruch Anhaltelager Band 1 Museums und Kulturverein Kaisersteinbruch 2004 S 32ff DNB 973632313 Andreas Maislinger Zigeuneranhaltelager und Arbeitserziehungslager Weyer Erganzung einer Ortschronik In Pogrom Zeitschrift der Gesellschaft fur bedrohte Volker Band 18 Nr 137 1987 S 33 36 Anton Philapitsch Wollersdorf Trauma oder Mythos In Leopold Mulley Geschosse Skandale Stacheldraht Arbeiterschaft und Rustungsindustrie 1999 ISBN 3 9500563 1 6 Regina Zodl Das Anhaltelager Wollersdorf 1933 1939 Erganzende Bemerkungen In Leopold Mulley Geschosse Skandale Stacheldraht Arbeiterschaft und Rustungsindustrie 1999 ISBN 3 9500563 1 6 Kurt Bauer Die osterreichischen Anhaltelager 1933 1938 Auszug aus einem unveroffentlichten Forschungsbericht kurt bauer geschichte at PDF 3 3 MB Kurt Bauer Kurzbiografien bekannter linker Anhaltehaftlinge 1933 1938 Weblinks BearbeitenKonkurrenz der Nationalsozialisten Artikel zum Lager Lackenbach auf Shoa de Wir haben nichts zu furchten In Die Presse 28 Marz 2008 Einzelnachweise Bearbeiten Gerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich In Ludwig Jedlicka Rudolf Neck Hrsg Vom Justizpalast zum Heldenplatz Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1975 S 128 151 hier S 133 zitiert nach Hugo Portisch 1989 Gerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich In Ludwig Jedlicka Rudolf Neck Hrsg Vom Justizpalast zum Heldenplatz Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1975 S 128 151 hier S 149 Gerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich In Ludwig Jedlicka Rudolf Neck Hrsg Vom Justizpalast zum Heldenplatz Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1975 S 128 151 hier S 148 Gerhard Jagschitz Die Anhaltelager in Osterreich In Ludwig Jedlicka Rudolf Neck Hrsg Vom Justizpalast zum Heldenplatz Studien und Dokumentationen 1927 bis 1938 Osterreichische Staatsdruckerei Wien 1975 S 128 151 Pia Scholnberger Durchaus ertraglich Alltag im Anhaltelager Wollersdorf PDF 977 kB In DOW Mitteilungen 195 Marz 2010 S 1 4 Siegwald Ganglmair Die hohe Schule von Schlogen Zur Geschichte und Rezeption eines Bettlerlagers im Standestaat In Medien amp Zeit 5 S 19 29 Gernot Haupt Armut zwischen Ideologie und Okonomie Uber die Un Wirksamkeit wirtschaftlicher Argumentationen gegenuber Verelendung am Beispiel der Diskussion uber Bettlerlager 1935 36 Romisches Donaukastell Schlogen ORF ON Science Roma und Sinti Vernichtung schon 1933 angedacht Memento vom 13 Juli 2012 im Webarchiv archive today Gernot Haupt Armut zwischen Ideologie und Okonomie Uber die Un Wirksamkeit wirtschaftlicher Argumentationen gegenuber Verelendung am Beispiel der Diskussion uber Bettlerlager 1935 36 S 6 Erika Thurner Kurzgeschichte des Nationalsozialistischen Zigeunerlagers in Lackenbach 1940 bis 1945 Eisenstadt 1984 shoa de Erika Thurner Nationalsozialismus und Zigeuner in Osterreich Veroffentlichungen der Zeitgeschichte 2 Band Geyer Wien Salzburg 1983 Wolfgang Quatember Reichsstrassenbau Wohnlager Traunsee Memento vom 25 Januar 2016 im Internet Archive Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Anhaltelager amp oldid 238695647