www.wikidata.de-de.nina.az
Die Aberration des Lichts von lat aberratio Ablenkung bezeichnet in der Astronomie eine kleine scheinbare Ortsveranderung aller Gestirne bei seitlicher Bewegung des Beobachters verursacht durch die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit Daruber hinaus war die theoretische Erklarung dieses Effekts von grosser Bedeutung in der Geschichte der speziellen Relativitatstheorie Inhaltsverzeichnis 1 Arten der Aberration 2 Erklarung 2 1 Allgemeine Aberration 2 2 Stellare Aberration 2 3 Herleitung 3 Geschichte 4 Siehe auch 5 EinzelnachweiseArten der Aberration BearbeitenDieser auch als stellare Aberration bezeichnete Effekt beeinflusst die Sternorter auf dreifache Weise 1 Jahrliche Aberration Der grosste jahrliche Aberrationswinkel wird erreicht wenn sich die Erde genau senkrecht zur Richtung des vom Stern kommenden Lichtstrahls bewegt Wenn sie sich dem Stern nahert oder von ihm entfernt ist der Aberrationswinkel kleiner Daher beschreibt jeder Stern jahrlich gegenuber dem Himmels Koordinatensystem eine kleine Ellipse mit 41 Durchmesser nur bei Sternen senkrecht oberhalb beziehungsweise unterhalb der Erdbahn siehe Ekliptik ist diese Richtungsanderung kreisformig Ihr mittlerer Radius von genau 20 49552 heisst Aberrationskonstante und ist von grosser Bedeutung fur das Fundamentalsystem der Astronomie siehe auch Simon Newcomb Die tagliche Aberration infolge der Erdrotation ist ebenfalls festzustellen sie betragt aber selbst am Aquator nur etwa 1 6 Prozent der jahrlichen Aberration Fur einen Stern im Meridian betragt sie je nach Breitengrad B des Standorts 0 32 cos B und verschiebt den scheinbaren Sternort um diesen Betrag nach Osten Die sakulare Aberration aufgrund der Bewegung des Sonnensystems innerhalb der Milchstrasse ist viel grosser aber nur insoweit beobachtbar als sich die Bewegung andert Die Beschleunigung des Sonnensystems im galaktischen Gravitationsfeld bewirkt eine scheinbare Anderung der Position entfernter Quasare Dieses Phanomen konnte mit Gaia erstmals nachgewiesen und die Beschleunigung auf 7 0 5 mm s Jahr bestimmt werden 2 Zum Vergleich Die Bewegung um das Galaktische Zentrum erfolgt mit knapp 250 km s 3 Daneben gibt es auch eine planetare Aberration Dabei handelt es sich um den Fall dass Position und Geschwindigkeit des gemessenen Himmelskorpers wahrend der Emission des Lichtes genau bekannt sind wie bei den Planeten des Sonnensystems Dadurch kann aus dem Aberrationswinkel und Laufzeitkorrekturen die Position des Planeten zu dem Zeitpunkt berechnet werden zu dem das Licht beim Beobachter eintrifft 1 Erklarung BearbeitenAllgemeine Aberration Bearbeiten nbsp Bewegt sich der Beobachter links oder der beobachtete Stern rechts so muss das Fernrohr leicht gekippt werden damit der Lichtstrahl die Objektiv Mitte und spater das Okular trifft Kippwinkel in der Skizze stark ubertrieben Der Unterschied der Ausbreitungsrichtung von Licht in unterschiedlichen Inertialsystemen wird am einfachsten mit der Teilchentheorie des Lichts erklart Die Zusammenhange sind hier ahnlich wie bei einem bewegten Beobachter der die Richtung der auf ihn einprasselnden Regentropfen bestimmen will Es sei ein Inertialsystem gegeben in dem ein Lichtstrahl senkrecht von einer Lichtquelle ausgeht Die Lichtquelle wird aus Grunden der Anschaulichkeit vorerst als in diesem System ruhend angenommen was den Umstanden bei einer Lichtuhr oder dem senkrechten Arm eines Michelson Interferometers entspricht Wurde zusatzlich ein Fernrohr im selben Inertialsystem ruhen musste man es exakt in die Lotrichtung bringen um damit die Lichtquelle zu beobachten Hingegen fur den Fall dass sich das Fernrohr mit einer Geschwindigkeit v displaystyle v nbsp bewegt muss es in Bewegungsrichtung gekippt werden um den Lichtstrahl in seiner Mitte zu halten Bild links denn das Licht benotigt eine gewisse Zeit um das Fernrohr zu durchlaufen Hingegen entsteht im Inertialsystem des Beobachters beim Fernrohr der Eindruck dass die Strahlen geneigt eintreffen und die Lichtquelle erscheint nicht in ihrer tatsachlichen Richtung sondern um einen kleinen Aberrationswinkel in Richtung der Fernrohrbewegung verschoben Bild rechts Die entsprechende Aberrationsformel zur Bestimmung der relativen Winkel in zueinander bewegten Inertialsystemen wird durch Anwendung der relativistischen Geschwindigkeitsaddition abgeleitet siehe Herleitung 4 Stellare Aberration Bearbeiten Die relativistische Aberrationsformel gilt nun generell beim Ubergang von einem Inertialsystem in ein anderes egal ob die Lichtquelle in irgendeinem dieser Systeme ruht oder nicht Beispielsweise bei astronomischen Beobachtungen handelt es sich bei den Lichtquellen um Sterne oder Sternsysteme deren genauer Bewegungszustand oft nicht bekannt ist Denn aufgrund der grossen Entfernung schrumpfen diese zu sehr kleinen oder uberhaupt punktformigen Objekten deren Eigenbewegungen zu gering sind um ihre relativen Positionen im Nachthimmel nennenswert zu verandern Fixsterne Aus Sicht eines bei der Sonne ruhenden Beobachters wurde das Licht eines entfernten Sternsystems also immer annahernd im gleichen Winkel einstromen Selbst grosse Geschwindigkeiten innerhalb des beobachteten Sternsystems wie beispielsweise die gegensatzlichen Bewegungen von Doppelsternen andern an diesem Umstand nichts da auch hier nur diejenigen Lichtstrahlen von Bedeutung sind die sich vom Doppelsternsystem aus geradlinig mit genau dem Winkel ausbreiten um den Beobachter uberhaupt zu erreichen Zur Bestimmung der Richtung eines Strahls spielen also nur der relative Ort der Emission und der Ort des Empfangers eine Rolle Deswegen ist die gelegentlich auftretende Vorstellung zu verwerfen dass der stellare Aberrationswinkel von der tatsachlichen Eigenbewegung der Lichtquelle abhangt aktive Aberration 5 Dieser Umstand wurde bereits 1844 von Herschel 6 und spater auch von Emden 1926 7 und Eisner 1967 8 aufgezeigt Entscheidend ist die Orbitalgeschwindigkeit der Erde um die Sonne von ungefahr 30 km s womit in 6 Monaten eine maximale Geschwindigkeitsdifferenz von ungefahr 60 km s gegeben ist Dadurch ist der Fixsternhimmel aus Sicht der Erde als Ganzes in Bewegung Nun ist es fur den irdischen Beobachter nicht moglich aus einer einzigen Messung zu entscheiden ob der Strahl deshalb bei ihm geneigt eintrifft weil ein Aberrationseffekt vorliegt oder ob der Strahl geneigt von einem Stern abgestrahlt wurde der im selben Inertialsystem ruht wie der Beobachter Deshalb ist es notwendig dass zu einem spateren Zeitpunkt eine zweite Messung durchgefuhrt wird die mit der ersten Messung verglichen wird Die so gemessene jahrliche Veranderung des Aberrationswinkels entspricht unter Vernachlassigung von geringfugigen Effekten wie der Parallaxe dem Ergebnis der relativistischen Aberrationsformel wobei die verwendete Geschwindigkeit v displaystyle v nbsp nicht die Relativgeschwindigkeit zwischen Stern und Erde ist sondern die Relativgeschwindigkeit zwischen dem Inertialsystem in dem die Erde ruht wahrend der ersten Messung und dem Inertialsystem in dem sie bei der nachfolgenden Messung im Zuge der Umkreisung der Sonne ruht 5 Herleitung Bearbeiten In der klassischen Mechanik sind die Geschwindigkeitskomponenten eines Strahls in verschiedenen Inertialsystemen durch die Galilei Transformation miteinander verknupft Ein Strahl der sich in einem Inertialsystem mit c displaystyle c nbsp ausschliesslich in y Richtung ausbreitet erhalt in einem relativ mit v displaystyle v nbsp bewegten zweiten Inertialsystem zusatzlich die Geschwindigkeitskomponente v displaystyle v nbsp in x Richtung wahrend die Komponente in y Richtung gleich bleibt Die Aberrationsformel ergibt sich mit tan a v c displaystyle tan alpha frac v c nbsp Dieses Ergebnis ist allerdings nur als Naherung gultig denn wie Albert Einstein 1905 zeigte muss gemass der speziellen Relativitatstheorie die Lorentz Transformation bzw die relativistische Geschwindigkeitsaddition angewendet werden Dadurch ergeben sich Geschwindigkeitskomponenten von v displaystyle v nbsp in x Richtung und c 2 v 2 textstyle sqrt c 2 v 2 nbsp in y Richtung wodurch die Gesamtgeschwindigkeit des Strahls gleich c displaystyle c nbsp bleibt Die korrekte relativistische Aberrationsformel fur diesen Spezialfall lautet somit tan a g v c oder sin a v c displaystyle tan alpha gamma frac v c quad text oder quad sin alpha frac v c nbsp wo g 1 1 v 2 c 2 textstyle gamma 1 sqrt 1 v 2 c 2 nbsp der Lorentzfaktor ist Die Abweichung von der klassischen Formel ist also bei im Vergleich zur Lichtgeschwindigkeit geringen Geschwindigkeiten sehr klein Dasselbe Ergebnis erhalt man auch wenn man berucksichtigt dass Lichtstrahlen bzw Photonen einen Impuls von p E c displaystyle p E c nbsp besitzen wobei E displaystyle E nbsp die Energie ist Auch hier ergibt eine Transformation in ein relativ bewegtes System eine entsprechende Anderung der Impulskomponenten gemass der relativistischen Aberrationsformel 4 Fur den Fall dass der Strahl in beiden Systemen geneigt ist gilt die allgemeine Aberrationsformel welche in einigen aquivalenten Varianten angegeben werden kann die erste Variante stammt von Einstein 1905 9 cos a cos a v c 1 v c cos a sin a sin a 1 v 2 c 2 1 v c cos a tan a 2 tan a 2 c v c v displaystyle cos alpha frac cos alpha frac v c 1 frac v c cos alpha quad sin alpha frac sin alpha sqrt 1 frac v 2 c 2 1 frac v c cos alpha quad tan frac alpha 2 tan frac alpha 2 sqrt frac c v c v nbsp wenn a displaystyle alpha nbsp der Winkel im ersten System und a displaystyle alpha nbsp in einem mit v displaystyle v nbsp bewegten System ist Geschichte BearbeitenDie Aberration wurde 1725 vom englischen Astronomen James Bradley entdeckt und unabhangig etwas spater von Eustachio Manfredi in Italien Eigentlich wollte er die jahrliche Parallaxe des Sterns Etamin messen um endlich eine Vorstellung uber die Entfernungen der Sterne zu erhalten Doch hatte er die Parallaxe weit unter 0 1 mit den Mitteln des 18 Jahrhunderts noch nicht nachweisen konnen dies gelang erst 1838 Friedrich Wilhelm Bessel bei einem naheren Stern Bei der von Bradley beobachteten Ortsverschiebung konnte es sich nicht um die Parallaxe handeln da sie quer zu der Richtung verlief die fur die Parallaxe zu erwarten war Bradley war jedoch imstande die beobachtete Verschiebung auf Basis von Isaac Newtons Korpuskeltheorie oder Emissionstheorie durch eine simple Addition der Geschwindigkeiten zu deuten Wahrend diese Aberrationsformel im Vakuum weitgehend korrekt war stand sie im Widerspruch zum Experiment von Francois Arago 1810 der ein Prisma zur Messung von Abweichungen von der normalen Aberration benutzte Gemass der Emissionstheorie hatte aufgrund unterschiedlicher Lichtgeschwindigkeiten ein veranderter Winkel folgen mussen jedoch wurde kein solcher Effekt gemessen Vor allem jedoch sagt die Emissionstheorie eine Quellenabhangigkeit der longitudinalen Geschwindigkeit von Licht voraus was experimentell vielfach widerlegt wurde wodurch die Emissionstheorie zu verwerfen ist s Korpuskeltheorie nbsp Links Aberration bei ruhendem AtherRechts Keine Aberration bei vollstandiger Athermitfuhrung schwarze Linien Fernrohr Im 19 Jahrhundert wurde diese Erklarung durch die Annahme ersetzt dass Licht kein Teilchen sondern eine im Ather ubertragene Welle sei Die Aberration und spater das Fizeau Experiment spielte bei der Frage nach der Relativbewegung zwischen Materie und Ather eine wichtige Rolle denn sie sprach gegen eine vollstandige Mitfuhrung des Athers durch die Materie und schien die Existenz eines ruhenden oder unbeweglichen Athers zu bestatigen Aber auch diese Erklarung hatte das Problem dass die Wellenebenen der Wellenfronten im Ather eigentlich keiner Aberration unterworfen sein sollten Deshalb musste man auf das Konzept der Energieubertragung gemass dem Poynting Vektor wodurch die Strahlbahn bestimmt wird zuruckgreifen 4 Eine analoge Erklarung bot sich an als erkannt wurde dass im Teleskop die Wellenpakete durch Interferenz aus den Wellenfronten ausgeschnitten werden wobei auf die Wellenpakete die Aberration angewendet werden konnte 5 Daruber hinaus steht auch die Theorie des ruhenden Athers im Widerspruch zu Aragos Nullresultat da es in Medien zu Abweichungen von der gewohnlichen Aberration aufgrund der Relativbewegung Erde Ather Atherwind kommen musste Augustin Jean Fresnel konnte dieses Problem jedoch beheben indem er annahm dass der Ather gemass dem Fresnelschen Mitfuhrungskoeffizienten teilweise von der Materie mitgefuhrt wird Wahrend dieses Modell mathematisch erfolgreich war war die Annahme einer Athermitfuhrung und alternativer Mitfuhrungsmodelle wie von George Gabriel Stokes sehr problematisch und konnte niemals widerspruchsfrei durchgefuhrt werden Letztendlich musste die Idee eines Athers als Tragermedium fur Licht verworfen werden da sein Bewegungszustand nicht gemessen werden konnte s Michelson Morley Experiment Diese Erklarungen wurden schliesslich im Rahmen der speziellen Relativitatstheorie ersetzt und wesentlich vereinfacht Hier ist es belanglos ob Licht als Welle oder Teilchen aufgefasst wird denn auch die Wellenfronten sind fur einen auf der Erde ruhenden Beobachter aufgrund der Relativitat der Gleichzeitigkeit gekippt und ergeben somit zwanglos die Aberration des Lichtes Analog dazu wird die Neigung der Photonenbahn durch die relativistische Addition der Geschwindigkeiten berechnet 5 Albert Einstein schrieb 1952 dass sein direkter Weg zur speziellen Relativitatstheorie SRT von der elektromagnetischen Induktion aber auch von der Aberration des Lichts und dem Fizeau Experiment bestimmt war 10 Und Robert S Shankland berichtet von einem Gesprach mit Einstein 11 He continued to say the experimental results which had influenced him most were the observations of stellar aberration and Fizeau s measurements on the speed of light in moving water They were enough he said Er Einstein fuhr fort dass die experimentellen Resultate die ihn am meisten beeinflusst hatten die Beobachtungen der stellaren Aberration und Fizeaus Messungen zur Lichtgeschwindigkeit in bewegtem Wasser waren Diese waren ausreichend sagte er Siehe auch BearbeitenRotverschiebungEinzelnachweise Bearbeiten a b US Nautical Almanac Office Astronomical Almanac United States Government Printing Office 2008 ISBN 0 11 887342 3 S M 1 Jo Bovy A purely acceleration based measurement of the fundamental Galactic parameters using Gaia EDR3 3 Dez 2020 arXiv 2012 02169 GRAVITY Collaboration A geometric distance measurement to the Galactic center black hole with 0 3 uncertainty Astronomie amp Astrophysics 625 2019 doi 10 1051 0004 6361 201935656 a b c Max Born Die Relativitatstheorie Einsteins Springer Berlin Heidelberg New York 2003 ISBN 3 540 00470 X a b c d D E Liebscher P Brosche Aberration and relativity In Astronomische Nachrichten Band 319 Nr 5 1998 S 309 bibcode 1998AN 319 309L Siehe auch Fallstricke Aberration Memento vom 21 Mai 2012 im Internet Archive PDF 527 kB Herschel John Frederick William Schreiben des Herrn Baronets Herschel an den Herausgeber In Astronomische Nachrichten 22 Jahrgang Nr 520 1844 S 249 254 bibcode 1844AN 22 249H Emden R Aberration und Relativitatstheorie In Die Naturwissenschaften 14 Jahrgang Nr 16 1926 S 329 335 doi 10 1007 BF01506966 Eisner Edward Aberration of Light from Binary Stars a Paradox In American Journal of Physics 35 Jahrgang Nr 9 1967 S 817 819 doi 10 1119 1 1974259 R K Pathria The theory of relativity Courier Dover Publication 2003 ISBN 0 486 42819 2 S 113 114 My own thought was more indirectly influenced by the famous Michelson Morley experiment I learned of it through Lorentz path breaking investigation on the electrodynamics of moving bodies 1895 of which I knew before the establishment of the special theory of relativity Lorentz basic assumption of a resting ether did not seem directly convincing to me since it led to an struck out to me artificial appearing interpretation of the Michelson Morley experiment which struck out did not convince me seemed unnatural to me My direct path to the sp th rel was mainly determined by the conviction that the electromotive force induced in a conductor moving in a magnetic field is nothing other than an electric field But the result of Fizeau s experiment and the phenomenon of aberration also guided me John D Norton Einstein s Investigations of Galilean Covariant Electrodynamics prior to 1905 In Archive for History of Exact Sciences Band 59 2004 S 45 105 doi 10 1007 s00407 004 0085 6 bibcode 2004AHES 59 45N pitt edu R S Shankland Conversations with Albert Einstein In American Journal of Physics Band 31 Nr 1 1963 S 47 57 doi 10 1119 1 1969236 bibcode 1963AmJPh 31 47S Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Aberration Astronomie amp oldid 234910359