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Die Epizykeltheorie besagt dass ein beweglicher Stern sich auf einer kleinen Kreisbahn Epizykel Aufkreis genannt bewegt die ihrerseits auf einer grossen Kreisbahn Deferent Tragerkreis genannt um einen festen Mittelpunkt wandert Der Epizykel griechisch epikyklos Neben oder Aufkreis von epi auf kyklos Kreis ist also ein auf einem Kreis kreisender Kreis Diese Theorie wurde vermutlich von Apollonios von Perge gegen Ende des 3 Jahrhunderts v Chr aufgestellt und war in der Astronomie fast 2000 Jahre lang bis ins 17 Jahrhundert vorherrschend Mit der Epizykeltheorie konnte begrundet werden warum die Planeten sich gegenuber den Fixsternen mit variierender Geschwindigkeit bewegen und manche zuweilen auf einer Schleifenbahn sogar ruckwarts laufen Wegen des religios motivierten Glaubens an eine Beziehung zwischen Sternen und Gottern wurden solche Bewegungen aber auch enge Begegnungen der Planeten untereinander oder mit bestimmten Sternen als ausserst wichtige Ereignisse eingestuft Astrologie Grundlage der Epizykeltheorie ist die Lehre des Aristoteles dass es bis auf die Mondphasen am Himmel keine Veranderungen geben kann und dass unter den Bewegungen einzig die gleichformige Kreisbewegung vollkommen ist und ohne aussere Einwirkung ablauft Demnach mussen alle Bewegungen ausserhalb der Mondbahnsphare gleichformige Kreisbewegungen sein Im ptolemaischen Weltbild wurde die Epizykeltheorie systematisch ausgebaut um die Bewegungen von Mond Sonne und Planeten gegenuber dem Sternenhimmel zu erklaren wie sie von der Erde aus erscheinen geozentrisches Weltbild Auch im heliozentrischen Weltbild nach Nikolaus Kopernikus wurden noch Epizykel eingesetzt wobei die Deferenten fur die Planeten nun die mittlere Sonne zum Mittelpunkt hatten Die Epizykeltheorie wurde erst von Johannes Keplers Theorie der ellipsenformigen Planetenbahnen abgelost Inhaltsverzeichnis 1 Einzelheiten 1 1 Ptolemaisches Weltbild 1 2 Vergleich mit Keplerbahnen 1 3 Theorie des Ptolemaus fur die Bahnen von Sonne Mond und Planeten 2 Uberwindung durch Kopernikus und Kepler 3 Siehe auch 4 Weblinks 5 EinzelnachweiseEinzelheiten BearbeitenPtolemaisches Weltbild Bearbeiten nbsp Darstellung von Deferent und Epizykel nach Ptolemaus Im Centrum Mundi befindet sich die punktformige Erde Um die Exzentrizitat des Planeten versetzt befindet sich daruber das Centrum Deferentis Im gleichen Abstand liegt daruber das Centrum Equantis Von diesem Punkt aus bewegt sich der Epizykel mit konstanter Winkelgeschwindigkeit auf dem Deferenten was durch die blau gefarbten Flachen symbolisiert wird Die Uberlagerung von Epizykelbewegung und Deferentenbewegung ist als gestrichelte rote Linie zu sehen Die grune Linie zeigt den wahren Ort des Planeten auf der Ekliptik Zusatzlich ist auf der Verlangerung der Linie der Zentren die sogenannte Aux des Planeten angezeigt der Winkel zwischen diesem Punkt auf der Ekliptik und dem Fruhlingspunkt wird ebenfalls Aux genannt Viele Rechenmodelle der Antike hat Ptolemaus im Almagest zusammengetragen Damit schuf er ein benutzbares Handbuch das fur die nachfolgenden Wissenschaftsgenerationen im arabischen und lateinischen Mittelalter verbindlich war Die Planetenbewegungen werden darin auf Basis der Epizykeltheorie mit der Erde als Zentrum erklart Nach der Epizykeltheorie bewegen sich die Planeten zusatzlich zum taglichen Umlauf um die Erde entlang eines kleinen Kreises des Epizykels der sich seinerseits entlang eines grosseren Kreises bewegt der Deferent genannt wird auch deferierender Kreis von lateinisch deferre wegtragen mitnehmen Die Kreise liegen etwa parallel zur Ebene der jahrlichen Umlaufbewegung der Sonne Ebene der Ekliptik Die Bewegung entlang jedes Kreises erfolgt mit konstanter Geschwindigkeit jeweils gegen den Uhrzeigersinn Die Planetenbahnen in diesem System sind ahnlich zu Epizykloiden Von der Erde im Mittelpunkt des Deferenten aus gesehen bewegt sich der Planet zum einen mit der langsamen Bewegung auf dem Deferenten gegen den Uhrzeigersinn was der durchschnittlichen Bewegung des Planeten durch den Sternenhimmel entspricht Zum anderen summiert sich wahrend der Halfte der Zeit zu dieser Bewegung die ebenfalls gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Bewegung auf dem Epizykel In der ubrigen Zeit aber lauft der Planet auf dem Epizykel entgegengesetzt zur Bewegung auf dem Deferenten wodurch sich seine Gesamtbewegung am Himmel verlangsamt und schliesslich fur kurze Zeit rucklaufig wird sodass die Planetenbahn schliesslich eine Schleife vollfuhrt Dieser rechnerische Kunstgriff reichte aber nicht aus um die immer genauer beobachteten Planetenbewegungen angemessen zu beschreiben Daher wurde die Epizykeltheorie spatestens schon von Ptolemaus mit der Exzentertheorie von Hipparch verbunden in der die Erde gegenuber dem Zentrum des Deferenten versetzt ist Ferner fuhrte Ptolemaus den Aquanten 1 oder Ausgleichspunkt ein einen Punkt der von der Erde aus hinter dem Mittelpunkt des Deferenten liegen sollte aber doppelt so weit entfernt wie dieser Der Grundgedanke von der Gleichformigkeit der Kreisbewegung wurde auf den Aquanten angewendet Der Epizykelmittelpunkt sollte auf dem Deferenten gerade so umlaufen dass sie nicht vom Mittelpunkt sondern vom Aquanten aus gesehen gleichformig erscheinen wurde An diesem rechnerischen Kunstgriff wurde aber auch kritisiert dass er kaum noch mit der aristotelischen Lehre von den gleichformigen Kreisbewegungen um den Mittelpunkt der Welt also die Erde vereinbar sei Nikolaus Kopernikus zeigte dass man auf den Aquanten auch wieder verzichten kann indem man zum ptolemaischen Himmelsmodell weitere geeignet gewahlte Epizykel hinzufugt Epizykel auf Epizykeln Gleichzeitig fuhrte er das heliozentrische Weltbild ein in dem es nicht mehr notwendig war die Bewegung der Erde einschliesslich ihrer Ungleichformigkeiten in jeder einzelnen Planetenbahn getrennt zu berucksichtigen So konnte er auf eine gewisse Anzahl von Epizyklen verzichten Im Ergebnis erreichte Kopernikus im Vergleich mit dem ptolemaischen System mit einer etwa gleichen Anzahl von Epiyklen eine etwa gleiche Genauigkeit in der Beschreibung der Planetenbewegung Beide Systeme fuhrten zu Positionsfehlern von bis zu 10 Bogenminuten 1 3 Monddurchmesser Das war nicht unbedeutend in der damaligen noch sehr von Astrologie gepragten Zeit denn es kann in der Vorhersage des Zeitpunkts bestimmter astronomischer Ereignisse einen Fehler von einigen Tagen bedeuten So z B beim Zusammentreffen zweier Planeten oder eines Planeten mit einem Fixstern 2 S 58 Vergleich mit Keplerbahnen Bearbeiten nbsp Alternative Beschreibung einer elliptischen Bahn durch eine epizyklische BewegungMit dem rechnerischen Kunstgriff eines Epizykels kann man bei entgegengesetztem Drehsinn s Abbildung auch eine exakt elliptische Bahn beschreiben wie sie im 17 Jahrhundert von Johannes Kepler mit der Sonne in einem der Brennpunkte der Ellipse als zutreffend erkannt wurde erstes Keplersches Gesetz Der Aquant wurde dann in dem anderen Brennpunkt liegen und nach dem zweiten Keplerschen Gesetz tatsachlich die Eigenschaft zeigen dass von ihm aus gesehen die Winkelgeschwindigkeit des Umlaufs in den Bereichen der Sonnennahe und der Sonnenferne gleich ist Mit der seinerzeit vorgeschriebenen Annahme alle Kreisbewegungen mussten gleichformig ablaufen ergeben sich fur die Positionen bei mittleren Entfernungen von der Sonne dann aber falsche Zeitpunkte wie Kepler aufgrund der detaillierten und genauen Beobachtungen von Tycho de Brahe feststellte Das musste durch eine variierende Bahngeschwindigkeit berichtigt werden Kepler fand heraus dass der Betrag der Geschwindigkeit des Planeten in seiner Bahn in der Weise variiert dass die von seinem Ortsvektor von der Sonne zum Planeten uberstrichene Flache sich linear mit der Zeit andert oder wie Kepler es in seinem zweiten Gesetz formulierte dass die Verbindungslinie von der Sonne zum Planeten in gleichen Zeitintervallen gleich grosse Flachen uberstreicht Diese Bewegung erscheint vom anderen Fokus aus gesehen tatsachlich fast gleichformig der Fehler liegt im Bereich der Exzentrizitat der Bahnellipse zum Quadrat ist also selbst beim Planeten Mars noch unter einem Prozent Angesichts solch naher Ubereinstimmung erscheint Keplers Entdeckung besonders bemerkenswert Theorie des Ptolemaus fur die Bahnen von Sonne Mond und Planeten Bearbeiten Fur die Planeten Venus Mars Jupiter und Saturn gab Ptolemaus eine einheitliche Theorie zur Beschreibung der Planetenbewegung im Almagest an Im Mittelpunkt des Universums dem Centrum Mundi befindet sich die punktformige Erde von der aus der Betrachter die Bewegungen des Planeten vor der Fixsternsphare sieht Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die Ekliptik die in zwolf Abschnitte gemass der Tierkreiszeichen aufgeteilt ist Jeder dieser Abschnitte ist wiederum in 30 Winkelgrade unterteilt Der Mittelpunkt des Deferenten eines Planeten ist um die sogenannte Exzentrizitat gegenuber dem Centrum Mundi verschoben Die Bewegung des Epizykelzentrums auf dem Deferenten erfolgt ungleichmassig gegenuber dem irdischen Betrachter im Centrum Mundi aber auch bezogen auf das Centrum Deferentis ist die Bewegung ungleichmassig Es gibt jedoch einen weiteren Ort das Centrum Equantis von dem aus die Bewegung des Epizykelzentrums mit konstanter Winkelgeschwindigkeit erfolgt Alle drei Punkte liegen auf der Linie der Zentren welche wiederum gegenuber dem Fruhlingspunkt auf der Ekliptik einen bestimmten Winkel die sogenannte Aux annimmt Der Planet umkreist mit konstanter Winkelgeschwindigkeit das Zentrum des Epizykels Ein Projektionsstrahl der vom Centrum Mundi durch den Planeten geht projiziert den wahren Ort des Planeten auf das ekliptikale Koordinatensystem Da in diesem Modell sowohl der Deferent als auch der Epizykel gegenuber der Ekliptik eine Schiefstellung aufweisen kann die Bewegung des Planeten in ekliptikaler Lange und ekliptikaler Breite angegeben werden Die Aux des Planeten ist nicht konstant sondern wandert laut Ptolemaus mit einer Geschwindigkeit von 1 pro Jahrhundert im Uhrzeigersinn durch die Ekliptik Diese Bewegung wird durch die Prazession der Erdachse verursacht Moderne Messungen zeigen dass die beschriebene Bewegung mit einer Geschwindigkeit von etwa 1 innerhalb etwa 70 Jahren erfolgt ein kompletter Umlauf dauert etwa 25800 Jahre 3 Da die Sonne nur eine einzige astronomische Anomalie besitzt also innerhalb eines Jahres lediglich eine zeitlich variable Bewegungsgeschwindigkeit aufweist kann das ptolemaische Sonnenmodell sowohl mit Hilfe eines Exzenters als auch mit Hilfe eines Epizykels dargestellt werden Die Gleichwertigkeit beider Theorien wird im Almagest bewiesen 4 Fur Mond und Merkur sind kompliziertere Modelle erforderlich Die Mondbewegung wird durch die Sonne stark gestort von Vollmond bis Neumond beschleunigt in der anderen Monatshalfte verzogert so dass der Mond einen derart grossen Epizykel haben musste dass sein Abstand zur Erde und damit seine scheinbare Grosse erheblich variieren musste Beim Merkur steht die besonders stark elliptische Bahn der Naherung durch Epizykel im Wege Ihrem Prinzip nach kann man die Epizykeltheorie als eine Approximation der tatsachlichen Planetenbahnen durch Fourier Reihen betrachten zumindest im Fall gleichformiger Bewegungen wie man sie in den Modellen der Bewegung von Mond und Sonne vorfindet Diese Parallele wurde spatestens durch Giovanni Schiaparelli entdeckt und durch Giovanni Gallavotti formal bewiesen 5 6 Uberwindung durch Kopernikus und Kepler BearbeitenDas heliozentrische Weltbild erklart die Schleifen der Planetenbahnen durch Uberlagerung mit der Erdbewegung und scheint deshalb auf Epizykel verzichten zu konnen Da das neue Modell aber immer noch von kreisformigen Umlaufbahnen fur die Planeten ausging mussten Unstimmigkeiten wieder durch Verwendung von Epizykeln erklart werden Kopernikus verwendete in seinem Weltsystem immer noch 34 Epizykel konnte aber eine schlussige Erklarung liefern fur die Bindung der Merkur und Venusbahn an die Sonne Erst durch Johannes Kepler wurde die Epizykeltheorie uberflussig Das naturliche Modell der Planeten auf ellipsenformigen Keplerbahnen um die Sonne benotigt keine Korrektur durch uberlagerte Epizykel Siehe auch BearbeitenTychonisches Weltmodell Rettung der Phanomene Kopernikanische Wende Kosmologie des Mittelalters Keplersche GesetzeWeblinks BearbeitenInteraktive Simulation der Planetenbahnen im geozentrischen Weltbild copernican revolution org Memento vom 17 Mai 2014 im Internet Archive Einzelnachweise Bearbeiten Vgl auch George Saliba Ibn Sina und Abu ʿUbayd al Juzjani The Problem of the Ptolemaic Equant In Journal for the History of Arabic Science Band 4 1980 S 376 403 Robert Wilson Astronomy through the Ages Taylor and Francis London 1997 ISBN 0 7484 0748 0 Poulle Sandig Scharsin Hasselmeyer Die Planetenlaufuhr Ein Meisterwerk der Astronomie und Technik der Renaissance geschaffen von Eberhard Baldewein 1563 1568 Deutsche Gesellschaft fur Chronometrie Stuttgart 2008 ISBN 978 3 89870 548 6 S 21 ff Karl Manitius Ptolemaus Handbuch der Astronomie B G Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1963 Ubersetzung von Manitius mit Korrekturen von Otto Neugebauer Giovanni Gallavotti Quasi periodic motions from Hipparchus to Kolmogorov In Rendiconti Lincei Matematica e Applicazioni Serie 9 Band 12 Nr 2 2001 S 125 152 PDF Memento vom 18 Dezember 2005 im Internet Archive 205 kB Lucio Russo The forgotten revolution How science was born in 300 BC and why it had to be reborn Springer Berlin u a 2004 ISBN 3 540 20068 1 S 91 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Epizykeltheorie amp oldid 238327071 Aquant