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Die Zentralstelle fur judische Auswanderung in Prag auch als Zentralstelle fur judische Auswanderung in Bohmen und Mahren bezeichnet war eine auf Anordnung des Reichsprotektors in Bohmen und Mahren Konstantin Freiherr von Neurath Ende Juli 1939 durch Walter Stahlecker und Adolf Eichmann geschaffene SS Dienststelle in Prag zur Zeit des Nationalsozialismus Die Prager Zentralstelle wurde nach dem Vorbild der im August 1938 geschaffenen Zentralstelle fur judische Auswanderung in Wien aufgebaut war jedoch bedeutend kleiner als diese Die Aufgaben der Zentralstelle umfassten zunachst die Beschleunigung der zwangsweisen Emigration von Juden aus dem vom Deutschen Reich besetzten Protektorat Bohmen und Mahren Spater war die Zentralstelle Exekutivorgan fur alle judischen Angelegenheiten im Protektorat bis hin zu Deportationen in die Vernichtungslager 1 Sie bestand bis Anfang Mai 1945 seit dem 20 August 1942 als Zentralamt fur die Regelung der Judenfrage in Bohmen und Mahren Inhaltsverzeichnis 1 Aufgaben 2 Struktur und Personal 3 Literatur 4 EinzelnachweiseAufgaben Bearbeiten nbsp Die Villa in der sich die ehemalige Zentralstelle fur judische Auswanderung beziehungsweise das Zentralamt in Prag befand Zuvor residierte in dem Gebaude die Gesandtschaft der Niederlande Das Gebaude befindet sich in der Delostrelecka 11 ehemals Schillstrasse 11 im Prager Stadtteil Stresovice 2 Die Aufgabe der Zentralstelle bestand zunachst darin die zwangsweise Emigration von Juden im besetzten Tschechien und dort befindlichen judischen Fluchtlingen zu beschleunigen In der Zentralstelle wurden alle die Ausreise betreffenden Massnahmen koordiniert so Fragen der Staatsburgerschaft Vermogensabgaben Devisenumtausch Errichtung und Uberwachung von Umschulungsstatten sowie Ausstellung und Sichtung aller notwendigen Dokumente Bevor die judischen Ausreisewilligen jedoch in der Zentralstelle abgefertigt wurden erhielten sie durch die 90 Mitarbeiter umfassende Auswanderungsabteilung der Judischen Kultusgemeinde JKG in Prag Unterstutzung bei der Zusammenstellung aller notwendigen Dokumente Insgesamt 18 Dokumente mussten in deutscher Sprache und maschinengeschrieben fur die erzwungene Ausreise beigebracht werden darunter Steuererklarungen und ein Polizeiliches Fuhrungszeugnis Zudem war die JKG genotigt fur jeden Ausreisenden eine Vermogensabgabe festzulegen die bis zu 20 des Gesamtvermogens betrug Weiterhin musste auf jedes Einzelteil welches der Emigrant mitnahm eine so genannte Dego Abgabe gezahlt werden Es bestanden strenge Beschrankungen bei der Mitnahme von Edelmetallen Radios Musikinstrumente und weitere Wertgegenstande durften hingegen uberhaupt nicht ausgefuhrt werden Nach der Beendigung dieses burokratischen Vorgangs wurde dem Ausreisewilligen durch die JKG ein Durchlassschein mit Terminvergabe fur die Zentralstelle ausgestellt 3 Die JKG wurde wie andernorts die Judenrate durch die erzwungene Kooperation mit den nationalsozialistischen Besatzern zum zentralen Ansprechpartner der SS fur judische Angelegenheiten Leiter der JKG war Franz Weidmann sein Stellvertreter wurde der Leiter der Auswanderungsabteilung der Kultusgemeinde Jakob Edelstein Die JKG war gezwungen ein tagliches Auswandererkontingent zu erfullen die Anzahl lag anfangs bei 200 Personen die sich kriegsbedingt allmahlich auf 40 reduzierte Wurden diese Quoten nicht erfullt musste insbesondere der Leiter der Auswanderungsabteilung Edelstein mit Repressalien rechnen Diese Anordnungen wurden von der SS ausschliesslich mundlich erteilt 4 In der Zentralstelle wurden die Antragsteller schliesslich zugig abgefertigt Mitarbeiter der verschiedenen Abteilungen uberpruften die Zahlung aller Gebuhren sowie die Richtigkeit und Vollstandigkeit aller notwendigen Dokumente Zuletzt wurde noch die Auswanderungsabgabe festgelegt die dem Auswanderungsfonds welcher der Zentralstelle angegliedert war zufloss Die Emigranten die durch ihre Abgaben die Zentralstelle und ihre Ausreise selbst finanzieren mussten konnten erst nach dieser Prozedur auswandern Diese burokratische Prozedur war fur den Antragsteller durch lange Wartezeiten und auch zum Teil erfolgte Misshandlungen ausserst erniedrigend Vor der Ausreise mussten die Antragsteller jedoch auf Befehl der SS nach Prag umziehen 3 Bis zum Ausreiseverbot im Dezember 1941 konnten uber 26 500 Juden und Judinnen noch aus dem Protektorat emigrieren 5 Weitere Aufgaben der Zentralstelle umfassten in schneller Abfolge die Umsetzung von Verordnungen die judische Burger diskriminierten Darunter fielen Massnahmen wie Aufenthalts Berufs und Kapitaltransferverbote Einschrankungen bei Vereinsmitgliedschaften und Wohnsitznahme die Pflicht zum Tragen eines Judensterns und weitere Schikanen Des Weiteren wurde Anfang 1943 durch die SS ein Judisches Zentralmuseum in Prag geschaffen in dem Ausstellungen uber das Judentum organisiert wurden 6 Nach dem Auswanderungsverbot lag der Arbeitsschwerpunkt innerhalb der Zentralstelle auf der Vermogensverwertung Ausgrenzung und schliesslich der Deportation der judischen Opfer in die Ghettos und Vernichtungslager Auch das Ende 1941 eingerichtete Ghetto Theresienstadt unterstand der Zentralstelle 7 Die Zentralstelle wurde schliesslich das Exekutivorgan fur alle die so genannte Judenfrage betreffenden Angelegenheiten im Protektorat Bohmen und Mahren Im Herbst 1941 wurden 5000 Menschen durch funf Transporte ins Ghetto Lodz und weitere 1000 Personen ins Ghetto Minsk verbracht Im Juni 1942 erfolgte die Deportation weiterer 1000 Prager Judinnen und Juden in das KZ Majdanek Zwischen November 1941 und Marz 1945 wurden etwa 74 000 Juden aus dem Protektorat Bohmen und Mahren in 122 Transporten in das Ghetto Theresienstadt deportiert und von dort grosstenteils weiter in die Vernichtungslager Insgesamt wurden etwa 78 000 tschechische Juden Opfer des Holocaust Von den 1500 osterreichischen Juden die aus dem Protektorat deportiert wurden uberlebten nur 350 5 Struktur und Personal BearbeitenDie Zentralstellen in Wien Prag sowie die im April 1941 in Amsterdam entstandene Zentralstelle waren Aussenstellen der Reichszentrale fur judische Auswanderung in Berlin Formal unterstand die Zentralstelle in Prag dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Prag praktisch war sie jedoch wie auch die Reichszentrale und die ihr angegliederten Zentralstellen dem spater im Reichssicherheitshauptamt eingerichteten Eichmannreferat unterstellt 8 Bis Mitte Februar 1940 war die Zentralstelle ausschliesslich fur Prag zustandig danach fur das gesamte Protektorat Bohmen und Mahren Diese Dienststelle wurde anfangs kurzzeitig von Eichmann und ab Herbst 1939 durchgehend von Hans Gunther geleitet dessen Stellvertreter zeitweise Karl Rahm war Zum Aufbau dieser Dienststelle brachte Eichmann erfahrene Mitarbeiter aus der Wiener Zentralstelle mit darunter auch Franz Stuschka und Franz Novak 9 Im Marz 1941 befanden sich in der Zentralstelle unter den 42 Mitarbeitern hauptsachlich SS Angehorige aber auch 8 Sekretarinnen und 3 Zivilangestellte Das Hauptburo leitete zeitweise Ernst Girzick Weitere 14 Zivilangestellte waren im Auswanderungsfond Bohmen und Mahren beschaftigt welcher der Zentralstelle angeschlossen war Dem von Karl Reisinger geleiteten Auswanderungsfond war eine Verwaltungs und Verwertungsstelle angegliedert in der wiederum 240 Mitarbeiter darunter 200 Tschechen beschaftigt waren Bis zu 2 000 von judischen Burgern beschlagnahmte Liegenschaften wurden dort verwaltet Ab dem Fruhjahr 1941 entstand unter der Leitung von Anton Burger eine Aussenstelle der Prager Zentralstelle in Brunn der ebenfalls ein Auswanderungsfond sowie eine Verwaltungs und Verwertungsstelle angegliedert war 10 Von 1940 bis 1945 betrieb die Prager Zentralstelle ein Umerziehungslager in Linden 11 Literatur BearbeitenJan Bjorn Potthast Das judische Zentralmuseum der SS in Prag Gegnerforschung und Volkermord im Nationalsozialismus Campus Verlag Munchen 2002 ISBN 3 593 37060 3 Hans Safrian Eichmann und seine Gehilfen Fischer Taschenbuch Verlag Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 596 12076 4 Hans Gunther Adler Theresienstadt Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft 1941 1945 Nachwort Jeremy Adler Wallstein Gottingen 2005 ISBN 3 89244 694 6 Reprint der 2 verb Auflage Mohr Siebeck Tubingen 1960 1 Auflage ebd 1955 Hans G Adler Die verheimlichte Wahrheit Theresienstadter Dokumente Mohr Siebeck Tubingen 1958 Einzelnachweise Bearbeiten Hans Gunther Adler Theresienstadt Das Antlitz einer Zwangsgemeinschaft 1941 1945 Gottingen 2005 S 5f Wolfgang Benz Zentralstelle fur judische Auswanderung aus Benz Graml Weiss Enzyklopadie des Nationalsozialismus 2001 S 700 online Memento vom 3 Dezember 2008 im Internet Archive PDF 76 kB Jan Bjorn Potthast Das judische Zentralmuseum der SS in Prag Gegnerforschung und Volkermord im Nationalsozialismus Munchen 2002 S 68 a b Jan Bjorn Potthast Das judische Zentralmuseum der SS in Prag Gegnerforschung und Volkermord im Nationalsozialismus Munchen 2002 S 70 ff Jan Bjorn Potthast Das judische Zentralmuseum der SS in Prag Gegnerforschung und Volkermord im Nationalsozialismus Munchen 2002 S 96 ff a b Flucht Emigration Protektorat Bohmen und Mahren Memento vom 30 November 2010 im Internet Archive auf www doew at Dirk Rupnow Endlager Museum in Gedenkdienst Ausgabe 02 07 Dokumentationsarchiv des osterreichischen Widerstandes Deportationen nach Theresienstadt Gabriele Anderl Dirk Rupnow Alexandra Eileen Wenck Historikerkommission der Republik Osterreich Die Zentralstelle fur Judische Auswanderung als Beraubungsinstitution Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2004 S 311 Gabriele Anderl Dirk Rupnow Alexandra Eileen Wenck Historikerkommission der Republik Osterreich Die Zentralstelle fur Judische Auswanderung als Beraubungsinstitution Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2004 S 309 f Jan Bjorn Potthast Das judische Zentralmuseum der SS in Prag Gegnerforschung und Volkermord im Nationalsozialismus Campus Verlag Munchen 2002 S 76 ff Helena Krejcova u a Zide v protektoratu Hlaseni Zidovske nabozenske obce v roce 1942 1 vyd Praha Maxdorf amp Ustav pro soudobe dejiny AV CR 1997 ISBN 80 85270 67 6 s 123 124 50 095966666667 14 388027777778 Koordinaten 50 5 45 5 N 14 23 16 9 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Zentralstelle fur judische Auswanderung in Prag amp oldid 230113976