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Vertesszolos ˈveːrtɛʃsoːloːʃ ehemals Szollos kroatisch Selus ist eine ungarische Gemeinde im Kreis Tatabanya im Komitat Komarom Esztergom mit knapp 3 200 Einwohnern Sie liegt zwischen den Stadten Tata und Tatabanya am Ufer des Flusses Ataler einem Zufluss der Donau am Fusse des Gerecse Gebirge VertesszolosVertesszolos Ungarn VertesszolosBasisdatenStaat Ungarn UngarnRegion MitteltransdanubienKomitat Komarom EsztergomKleingebiet bis 31 12 2012 TatabanyaKreis TatabanyaKoordinaten 47 37 N 18 23 O 47 6167 18 37905 Koordinaten 47 37 0 N 18 22 45 OFlache 17 12 km Einwohner 3 400 1 Jan 2022 Bevolkerungsdichte 199 Einwohner je km Telefonvorwahl 36 34Postleitzahl 2837KSH kod 31264Struktur und Verwaltung Stand 2020 Gemeindeart GemeindeBurgermeister Csaba Nagy parteilos Postanschrift Tanacs u 59 2837 VertesszolosWebsite www vertesszolos hu Quelle Localities 01 01 2022 bei Kozponti statisztikai hivatal Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte 1 1 Forschungsgeschichte 1 2 Steinwerkzeuge 1 3 Knochenwerkzeuge 1 4 Vertesszolos I 1 5 Vertesszolos II 1 6 Datierung 1 7 Bedeutung der Fundstelle 2 Gemeindepartnerschaften 3 Sehenswurdigkeiten 4 Verkehr 5 Literatur 6 WeblinksGeschichte BearbeitenDer Ataler hat sich im Laufe der Zeit durch das anstehende Travertingestein gearbeitet und so vier bis funf Terrassen herausgespult die sich in palaolithischer Zeit auch durch die dort vorkommenden Quellen hervorragend fur einen Siedlungsplatz eigneten In diesen Flussterrassen wurde seit der Romerzeit bis heute in Steinbruchen das Kalkgestein abgebaut das sich aufgrund seines geringen Gewichtes sehr gut zum Bauen eignet Forschungsgeschichte Bearbeiten Aufgrund mangelnder Forschungsarbeit gab es in Ungarn lange Zeit keine palaolithischen Fundstellen Aus Vertesszolos waren lediglich botanische Funde bekannt deren Abdrucke sich im anstehenden Travertingestein gut erhalten konnten Diese pflanzlichen Fossilien weisen ein Alter von 400 000 500 000 Jahren auf Erst mit den Nachforschungen Otto Hermans und spater des Palaontologen Ottokar Kadics in der Szeletahohle wurde bekannt dass auch das Gebiet des heutigen Ungarn in der Zeit jenseits des Neolithikums besiedelt war Erst 1962 stiess der Geologe Marton Pecsi der hier mit Studenten in Feldarbeit eine stratigraphische Abfolge der Gesteinsschichten dokumentieren wollte auf die ersten archaologischen Funde Oldowan aus Quarzit und Tierknochen mit Verbrennungsspuren Oldowans sind einfache Gerollgerate die durch harten Schlag mit einem Stein behauen werden Von 1963 bis 1968 fanden unter der Leitung von Laszlo Vertes der sozusagen als der Vater entgegen der weitverbreiteten Meinung aber nicht als Namensgeber dieser Fundstelle betrachtet werden kann in Vertesszolos mehrere Ausgrabungen statt Am 1 Mai 1968 wurde das Freilichtmuseum zur Fundstelle Vertesszolos einer Aussenabteilung des Ungarischen Nationalmuseums im heutigen Naturschutzgebiet um Vertesszolos eroffnet Laszlo Vertes wird oft mit dem Satz I live and die for Vertesszolos zitiert Diese Aussage bewahrheitete sich kurz nach der Eroffnung des Museums Vertes erlag einem Herzleiden dass er sich wohl aufgrund des Stresses bei der Arbeit in Vertesszolos zugezogen hatte Steinwerkzeuge Bearbeiten Wahrend der Grabungen wurden in Vertesszolos insgesamt 8890 Steingerate gefunden Das Rohmaterial dieser Artefakte setzt sich ausschliesslich aus Gesteinen zusammen die in der naheren Umgebung vorkommen hauptsachlich aus den Ablagerungen des Ataler Es handelt sich zum grossten Teil um Kalksteine und Quarzite Bei ca 50 aller gefundenen Artefakte handelt es sich tatsachlich um Werkzeuge die zum Teil auch Abnutzungsspuren aufweisen Unter diesen Werkzeugen befinden sich Chopper Chopping Tools Abschlage die als Schneidewerkzeug Kratzer Schaber und Spitze fur alle moglichen Arbeiten zu gebrauchen waren und auch sehr einfache Faustkeile Vertes unternahm den Versuch das Steingerateinventar als eigene typologische Nische zu etablieren Er nannte die Werkzeugindustrie aus Vertesszolos Buda Industrie was sich allerdings nicht durchgesetzt hat Heutzutage werden die Steinfunde meist der Alt Acheuleen bzw Abbevillienindustrie zugerechnet Knochenwerkzeuge Bearbeiten In Vertesszolos wurden auch 105 Knochenfragmente gefunden die eindeutig als Werkzeug identifiziert werden konnten die nicht einfach nur gespalten sondern ahnlich wie die Steinwerkzeuge durch Abschlagen gefertigt wurden Ausserdem ist aus Vertesszolos ein Faustkeil aus Knochen bekannt Knochen wurden neben Werkzeug vermutlich auch als Brennmaterial gebraucht worauf die grosse Menge angebrannter Knochenfragmente hinweist Vertesszolos I Bearbeiten In den Travertinschichten wurden wahrend der Grabung 1965 vier Zahnfragmente gefunden die zum Milchgebiss eines ca 7 Jahre alten Kindes gehorten Es handelt sich hierbei um den linken Eckzahn und den linken Molaren des Unterkiefers Vsz I Die anthropologische Bestimmung der Art gestaltet sich schwierig da die Stammbaumforschung dieser Zeit sehr strittig ist Sicher ist dass es eine Menschenart ist die noch vor dem Neandertaler in Europa gelebt hat vermutlich Homo heidelbergensis Vertesszolos II Bearbeiten Wahrend derselben Grabungsperiode wurde am 21 August wieder in einer Travertinschicht ca 8 m von der alten Fundstelle entfernt ein weiterer Uberrest derselben Urmenschart gefunden Vsz II Das Fragment des Os occipitale Hinterhauptbein gehorte vermutlich einem jungen erwachsenen Mann Die Verformungen die daran zu erkennen sind traten alle erst postmortal durch die Einbettung in die Travertinschicht auf keine davon ist pathologisch Am Foramen magnum Hinterhauptloch allerdings sind einige Spuren zu erkennen die Vertes zu dem Schluss verleiteten dass es sich hier um eine rituelle Entfernung des Gehirns und vielleicht sogar um Kannibalismus gehandelt haben konnte Diese Meinung wird aber heutzutage als sehr unwahrscheinlich gehandelt Die Klassifizierung fallt ebenso schwer wie bei Vsz I das Schadelvolumen wird auf 915 1225 cm geschatzt was dem eines Homo heidelbergensis entsprache Das Problem der Klassifizierung der Menschenarten in Vertesszolos ist grundsatzlicher Art Sicher ist dass die Menschen die damals gelebt haben eine Vorform der Neandertaler und oder des modernen Menschen waren Wie sie bezeichnet werden sollten bzw zu welcher Art sie gehorten ist strittig Eine weit verbreitete Meinung ist dass sich aus Homo erectus der Homo heidelbergensis und unabhangig davon der archaische Homo sapiens entwickelt haben Eine der Besonderheiten in Vertesszolos ist die gute Erhaltung der Siedlungsspuren der Menschen im Altpalaolithikum Im Gebiet der Fundstelle wurden neben sehr vielen Faunenresten die zum grossten Teil nichts mit der menschlichen Besiedlung zu tun haben es wurden auch Fussspuren gefunden auch Knochenfragmente gefunden die eindeutig als Essensreste identifiziert werden konnten Man fand an den Knochen Schnittspuren die vom Entfleischen zeugen Knochen denen die Epiphysen abgetrennt oder die gespalten wurden um an das Knochenmark heranzukommen Hauptsachlich wurden in Vertesszolos wohl Pferde Equus mosbachensis Rotwild Cervus elaphus Ssp und vermutlich Bisons Bison schoetensacki verarbeitet Aber auch eine grosse Menge an Barenknochen Ursus deningeri konnte hier gefunden werden wobei hier unklar ist ob diese ein naturliches Vorkommen darstellen oder tatsachlich vom Menschen verzehrt wurden Da die Theorie der Aasverwertung immer mehr in den Hintergrund ruckt kann man wohl in Vertesszolos trotz des Fehlens eindeutiger Beweise fur die Jagd aufgrund der hohen Konzentration bearbeiteter Tierknochen von einer altpalaolithischen Jagdstation sprechen Allerdings handelte es sich wohl nicht um echte Jagd sondern eher um eine Taktik die auch heute noch bei einigen Eingeborenenstammen ublich ist Einer Tierherde wird beim Trinken an einem Wasserloch oder Fluss aufgelauert dann werden sie durch Larm Wurfgeschosse und nicht zuletzt Feuer in Panik versetzt Die in Panik geratenen Tiere verletzen sich teils durch Niedertrampeln teils durch Ausrutschen usw so dass die Jager die hilflosen Tiere danach leicht erlegen konnen Diese Technik scheint fur Vertesszolos die plausibelste da im gefundenen Inventar keine Waffen vorhanden sind die zur Jagd im klassischen Sinne geeignet waren Auch waren zu dieser Zeit Bogen und evtl auch Speer noch unbekannt 1966 fand Dr Istvan Skoflek wahrend seiner Gelandearbeiten die palaolithische Fauna betreffend in einer Lossschicht eine ca 5 cm machtige linsenformige Holzkohleschicht mit einem Durchmesser von ca 7 m Nach eingehender Untersuchung des Befundes der 47 gefundenen Holzkohlepartikel und dem zum Teil braungebrannten Loss bestatigte sich der Verdacht dass es sich hier um eine Feuerstelle handelt die wie die Machtigkeit Farbe und die floristischen Reste bewiesen uber einen langeren Zeitraum vermutlich sogar uber mehrere Jahre hinweg genutzt wurde Diese Feuerstelle stellt eine weitere archaologische Sensation dar da aufgrund des hohen Alters aus diesen Zeiten kaum Feuerstellen bekannt sind und lange Zeit zum Teil bis heute diskutiert wird ob die damaligen Menschen uberhaupt schon das Feuer beherrschten Die Fundstelle Vertesszolos liefert hierfur einen weiteren Beweis Es wurden weitere Feuerstellen gefunden allerdings gibt die Literatur hierzu zu wenig her Die angebrannten Knochensplitter die in den Feuerstellen gefunden wurden wurden ins Feuer geworfen Da Knochen unter den richtigen Umstanden tagelang glimmen konnen kann ein Feuer auch nach ein oder zwei Tagen wieder entzundet werden Datierung Bearbeiten Die Schicht in der der menschliche Schadel gefunden wurde wurde mit der Th U Methode auf ca 350 000 Jahre datiert was mit einer Elektronenspin Resonanz Datierung bestatigt wurde die zum Ergebnis 333 000 17 000 Jahre fuhrte Damit ware der Terminus ante quem bestimmt der Terminus post quem lasst sich einfach anhand der Geomagnetik der Schichten festlegen die aufgrund ihrer normalen Ausrichtung auf maximal 600 000 Jahre bestimmt werden konnen Damit konnen die Funde aus Vertesszolos zwar ungenau aber sicher auf ein Alter zwischen 350 000 und 600 000 Jahren vor heute datiert werden Durch die Datierung der gefundenen Tierknochen und Pollen lasst sich das Alter der Fundstelle auf ca 350 000 Jahre und damit ins Mittelpleistozan festlegen Bedeutung der Fundstelle Bearbeiten Aufgrund der Funde in Vertesszolos muss diese Fundstelle gleichwertig mit den grossen Namen der altpalaolithischen Forschung wie Bilzingsleben Schoningen Boxgrove Swanscombe und anderen genannt werden da es ausserst selten ist dass man einen Siedlungsplatz aus dieser Zeit fast in situ findet und auswerten kann Ausserdem bedeutet Vertesszolos dass der Mensch schon zu dieser Zeit den europaischen Kontinent von den britischen Inseln im Westen bis hin zu den Karpaten besiedelt hatte Jedoch kommt Vertesszolos sicher nicht zuletzt wegen der politischen Vergangenheit Ungarns und den damit verbundenen Schwierigkeiten in der Forschung immer noch eine sehr kleine Rolle in der Erforschung der Lebensweise der Menschen im Altpalaolithikum und deren Migration nach Europa zu was sich in den nachsten Jahren allerdings entscheidend andern durfte Gemeindepartnerschaften BearbeitenSlowakei nbsp Dvory nad Zitavou Slowakei Deutschland nbsp Muhr am See DeutschlandSehenswurdigkeiten BearbeitenMadonnenstatue Romisch katholische Kirche Kisboldogasszony erbaut 1789 1792 Spatbarock mit einer Orgel von Janos Schack aus dem Jahr 1844 Szent Imre Statue an der Grundschule Szent Istvan BusteVerkehr BearbeitenVertesszolos liegt an der Hauptstrasse Nr 1 Die Gemeinde ist angebunden an die Eisenbahnstrecke von Tatabanya nach Komarom Literatur BearbeitenMiklos Kretzoi und Viola T Dobosi Hrsg Vertesszolos Site Man and Culture Akademiai Kiado Budapest 1990 ISBN 963 05 4713 9 Winfried Henke und Hartmut Rothe Stammesgeschichte des Menschen Eine Einfuhrung Springer Berlin u a 1998 ISBN 3 540 64831 3 Steve Jones Robert Martin und David Pilbeam Hrsg The Cambridge Encyclopedia of Human Evolution Cambridge University Press Cambridge u a 1992 ISBN 0 521 32370 3 Weblinks BearbeitenVertesszolos bei Magyarorszag helysegnevtara ungarisch Szollos in A Pallas nagy lexikona ungarisch Gemeinden im Kreis Tatabanya Gyermely Hereg Kornye Szarliget Szomor Tarjan Tatabanya Vargesztes Vertessomlo Vertesszolos Normdaten Geografikum GND 5283923 0 lobid OGND AKS VIAF 32146152995405251568 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Vertesszolos amp oldid 225561154