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Tukh Manuk seltener Tux Manuk armenisch Թուխ Մանուկ dunkler Junge Transliteration T owx Manowk deutsche Transkription Tuch Manuk ist ein in Armenien aus der vorchristlichen Zeit erhaltener Kult einer teils hilfreichen teils boswilligen mythischen Figur in Gestalt eines schwarzen Jugendlichen die am Rand der armenisch apostolischen Mehrheitsreligion weiterexistiert in vielen Volkserzahlungen vorkommt und in Schreinen auf dem Land verehrt wird Tukh Manuk Kapelle auf dem alten Friedhof des Dorfes Oschakan Provinz Aragazotn Daneben ein grosser Chatschkar Inhaltsverzeichnis 1 Kulturelles Umfeld 2 Mythos 3 Kult 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseKulturelles Umfeld BearbeitenIn der Region Transkaukasien verehrten die zur Kura Araxes Kultur gezahlten sesshaften Bauern und Viehnomaden der Fruhbronzezeit im 3 Jahrtausend v Chr kleinen weiblichen Statuetten nach zu urteilen eine Muttergottin In der Mittelbronzezeit Ende 3 Jahrtausend bis Mitte 2 Jahrtausend v Chr anderten sich die bisher eher friedlichen Lebensumstande durch nomadische kriegerische Stamme die haufig an Berghangen siedelten und dort wie in Zorakarer Steinkammergraber mit Steinplatten und aufgestellten Steinen bedeckt hinterliessen Ab der Mitte des 2 Jahrtausend wurde die Muttergottheit in Tempeln verehrt und die Steinsetzungen erhielten Reliefs von fisch drachen und schlangenartigen Wesen Diese Steinmale standen vielleicht mit Buffelopfern in Verbindung Heute werden sie Vischap Steine genannt und gelten als Quellen beschutzende Drachen und im ubertragenen Sinn als Fruchtbarkeitssymbole Die Drachen Schlangen Steine der Urartaer im 1 Jahrtausend v Chr waren Vorbilder fur fruhchristliche Steinbearbeitungen aus denen sich im 9 Jahrhundert die Chatschkare entwickelten die zu den wesentlichen religiosen Zeichen der armenischen Christen gehoren 1 Die Armenier ubernahmen die urartaische Religion zu der spater noch Elemente des iranischen Mithraismus kamen 2 Heilige Orte in vorchristlicher Zeit deren Bedeutung im kulturellen Gedachtnis der Armenier bewahrt blieb sind neben Vischap Steinen Garten mit Weintrauben die nach urartaischen Inschriften der Konig bei besonderen Anlassen stiften musste und heilige Walder Beide wurden als mythologische Paradiesgarten gedacht in Legenden beschrieben und in Bildwerken dargestellt 3 Der als nationaler Berg verehrte Ararat gilt in der armenischen Mythologie als Heimat des Drachenkonigs Azdahak weshalb von seinem vulkanischen Gipfel schwarzes Wasser herabfliesst 4 In der christlichen Volksreligion und der Kultpraxis finden sich die prahistorischen Mythen in einer angepassten Bedeutung wieder Christus kommt im ewigen Kampf zwischen Gut und Bose als himmlischer Schmied vor der den unterweltlichen Schlangen Drachen besiegt Das Kreuz erhebt sich auf den Chatschkar Reliefs triumphierend uber die sich in Spiralen windende Schlange Das von einem heidnischen Lebensbaum umgebene Kreuz hat ebenso eine magische Bedeutung und kann in Heilungsritualen verwendet werden wie die im 4 Jahrhundert erfundene armenische Schrift Zur gegenseitigen Durchdringung altarmenischer und christlicher Vorstellungen gehort auch der von der Amtskirche vernachlassigte aber nicht verdammte Kult um Tukh Manuk Die heutige apostolische Kirche beobachtet kritisch sektiererische Tendenzen und missionierende evangelikale Gruppen bleibt jedoch gegenuber heidnischen Traditionen tolerant 5 Schreine in denen Tukh Manuk verehrt wird gelten fur die Glaubigen ebenso als heilige Orte wie Kirchen oder wie bis Anfang des 20 Jahrhunderts der Herd in der Kuche des traditionellen Hauses glkhatun Viele Wohnraume besassen einen zweiten heiligen Bereich der mit Reliquien tan surb Heiliger des Hauses handgeschriebenen Papieramuletten Eisenkreuzen dem Bruchstuck eines Chatschkars vollgestellt war 6 Mythos BearbeitenDer Name Tukh Manuk dunkelhaariger dunkelhautiger Junge bezieht sich vermutlich auf die schwarze Haarfarbe des schonen Junglings Im 19 Jahrhundert gab es Kapellen in denen Tukh Manuk verehrt wurde auf Hugelkuppen an Quellen oder in heiligen Hainen in praktisch allen von Armeniern bewohnten Gebieten in Ostanatolien und dem sudlichen Kaukasus wo sie sich uberwiegend in einem vernachlassigten Zustand befanden Die Schreine wurden von Frauen besucht die jeden Samstagabend einfache Gebetsformeln sprachen moge sich Gott der Seelen unserer Vorfahren erbarmen und dabei Kerzen und Raucherwerk anzundeten Ausserdem gab es Jahresfeste mit Musik Tanz und Festessen an den Schreinen Heute sind Tukh Manuk Schreine in vielen landlichen Regionen Armeniens verbreitet Die Schreine liegen an einsamen Orten ausserhalb der Dorfer oder inmitten von Hausern Die Verehrungsplatze haben die Form kleiner einraumiger Wohnhauser mit Satteldach entsprechen Andachtskapellen oder befinden sich wie im Dorf Mastara innerhalb einer christlichen Kapelle Dort wird ein mit roter Farbe bemalter formloser Stein am Boden verehrt 7 Die Schreine werden als Pilgerorte aufgesucht von denen eine magische Heilkraft ausgehen soll Tukh Manuk wird als Blut trinkende niedere Gottheit und als schoner schwarzer Jungling vorgestellt Rotwein ist ein sublimer Ersatz fur Blut und verbindet Tukh Manuk mit dem griechischen Bacchus dessen kultischer Rausch aus Indien importiert zu sein scheint 8 Der amerikanische Religionswissenschaftler James Russell bringt den Charakter Tukh Manuks mit dem jugendlichen hinduistischen Gott Krishna und mit Melanthos Der Dunkle von griechisch melas schwarz der griechischen Mythologie in Verbindung Russell sieht in ihnen die mythische Figur eines schwarzen Jungen von schoner Gestalt aber listigem Wesen der mit Quellen Reinheit Liebesspielen und Fruchtbarkeit assoziiert wird Fur diese Hypothese muss eine gemeinsame fruhe indo iranisch griechische Kulturschicht zugrunde gelegt und Armenien nicht nur geografisch in der Mitte zwischen Indien und dem Mittelmeer liegend gesehen werden Der Mythos konnte durch von Indien westwarts ziehenden Volkern Roma verbreitet worden oder ein an verschiedenen Orten entwickelter Teil einer universalen indoeuropaischen Volkserzahlung sein Im antiken Griechenland veranderte sich die Funktion der mythischen Erzahlungen die in der klassischen Zeit eine sozial politische Bedeutungsebene erhielten So taucht etwa das mythische als wild und leidenschaftlich charakterisierte Pferdemischwesen Kentaur storend bei einer Hochzeit auf damit es von den als Ordnungsmacht gegen das Chaos eingefuhrten Grundern der Stadt Athen uberwaltigt werden kann Eine vergleichbare Doppelrolle sieht Russell beim indischen Gandharva der fur seine Wildheit seine kreative Ader vor allem als himmlischer Musiker bekannt ist der musikalisch betorend wirkt wie die griechische Sirene und zugleich bei der menschlichen Fortpflanzung als eine Art dritte Kraft mitwirkt Mit Yushkaparik kommt in der iranischen Mythologie ein Wesen in Gestalt eines Steinbocks vor dessen Wildheit und sexuelle Freizugigkeit ein armenischer Historiker des 8 oder 9 Jahrhunderts mit dem Kentauren vergleicht In einem spateren mittelalterlichen armenischen Text bekommt diese mythische Figur eine Funktion im christlichen Weltbild zugesprochen indem sie zum Ursprung der Haresie erklart wird In diesem Zusammenhang steht Melanthos in der griechischen Mythologie ein jugendlicher Aussenseiter dessen Erwachsenwerden und Eingliederung in die Gesellschaft im Apaturia Ritual nacherzahlt wurde Eine mit Melanthos vergleichbare Rolle nimmt Tukh Manuk ein der in armenischen Volksliedern aus den wilden Bergwaldern flussabwarts zu den Menschen vordringt und an den Wasserstellen junge Madchen verfuhrt In Indien bringt entsprechend der junge Krishna am Flussufer die Kuhmadchen Gopis in seinen Bann und wird so zum Sinnbild der mystischen Liebe 9 Tukh Manuk ist die Hauptfigur in zahlreichen mittelalterlichen und modernen volkstumlichen Gedichten und wird im armenischen Nationalepos David von Sassun 10 erwahnt Dessen Geschichten basieren auf mundlichen Uberlieferungen des 8 bis 10 Jahrhunderts und handeln von einem christlichen Konig David in der Stadt Sassun der heldenhaft gegen die unglaubigen arabischen Eindringlinge kampft Daneben tragen mehrere geografische Orte den Namen Es gibt einen Tukh Manuk Pass der mit 1795 Metern Hohe die Grenze zweier Provinzen an der Strasse zwischen Ararat und Areni bildet einen Fluss und eine Festung gleichen Namens sowie ein Dorf Tukh Kult Bearbeiten nbsp Einfacher neuer Schrein bei DvinTukh Manuk Kapellen werden vielerorts noch heute verehrt Sie bestehen aus einem rechteckigen Raum in dem sich eine Andachtsecke befindet Die im Raum ausserdem aufgestellten Kultobjekte und Heiligenbilder unterscheiden sich nicht von denen eines geschmuckten Altars in der Kirche Haufig reprasentiert eine Steinsetzung oder ein steinernes Grabmal den schwarzen Jungling Ihm werden wie es auch im christlichen Kult in Armenien vorkommt nach alter Tradition Tieropfer matagh ursprungliche Bedeutung Opferlamm dargebracht meist in Form von Huhnern Tauben oder Schafen Das Fleisch des matagh muss am Tag der Schlachtung im Kreis der Familie verzehrt werden Christliche Opferungen finden ublicherweise an Ostern oder bei Familienfeiern wie Taufen und Hochzeiten statt 11 Die Glaubigen umschreiten im Gebet sieben Mal den Schrein bevor sie das Tieropfer darbringen 12 Zu jeder Gelegenheit werden Kerzen angezundet Neben dem Schrein kann wie an anderen magisch heiligen Orten ein Wunscherfullungsbaum stehen der von Bittstellern mit Stofffetzen behangt wird Tukh Manuk Schreine in der Provinz Aragazotn Oschakan Dorf nahe Aschtarak am Sudhang des Aragaz Die aus rotem und grauem Tuff errichtete Kapelle steht auf einem kleinen Hugel im alten Friedhof neben einem grossen Chatschkar Monument in der Nahe der Grabstatte des heiligen Mesrop aus dem 4 Jahrhundert der als Erfinder der armenischen Schrift verehrt wird Agarak Dorf nordlich von Oschakan am Fluss Amberd In der Nahe der Georgskirche steht ein 1999 auf den Resten eines vorchristlichen Tukh Manuk Schreins neu erbautes Steingebaude Tegher Dorf ebenso am Sudhang des Aragaz zwischen Bjurakan und Kosch Die kleine auf das 5 Jahrhundert zuruckgehende Kirche ist Tukh Manuk und der Muttergottes Surb Astvatsatsin gewidmet Ostufer des Aparan Stausees sudostlich von Aparan Das Satteldach eines aus grossen Tuffquadern errichteten Schreins ist mit Wellblech gedeckt Der Eingang befindet sich an der Sudseite und der Altar wie bei christlichen Kirchen im Osten wahrend er in vorchristlicher Zeit im Westen lag In der Umgebung ostlich des Stausees blieben weitere Schreine aus fruhchristlicher Zeit erhalten Mastara im Westen des Aragaz Der fruhchristliche Schrein liegt zwischen Baumen und Wohnhausern versteckt einige Meter sudlich der Johanneskirche Tukh Manuk Schreine in der Provinz Armawir Arevaschat Dorf sudostlich Etschmiadsin Es gibt eine Basilika aus dem 19 Jahrhundert und einen Tukh Manuk Schrein Aghavnatun nordlich von Etschmiadsin Das bereits in vorchristlicher Zeit existierende Dorf beherbergt zwei Tukh Manuk Schreine und zwei fruhchristliche Kirchenruinen Der hoch verehrte Karmravor Tukh Manuk ist der einzige Uberrest einer fruheren Klosteranlage und war moglicherweise ein Nebenraum der ehemaligen Kirche Arschaluys westlich Etschmiadsin Zwei Schreine liegen ausserhalb des Dorfes Sie gehorten einst zu einem Kloster einer davon ist uberreich mit Kultobjekten ausgestattet Aknaschen sudlich Etschmiadsin Der restaurierte Surb Sarkis Tukh Manuk ein Kilometer ausserhalb des Dorfes ist von bronzezeitlichen Vischap Steinen umgeben 13 Tukh Manuk Schreine in der Provinz Wajoz Dsor Areni Eine der verehrten Felshohlen in der Nahe des Dorfes Surb Grigor Nahatak ist Tukh Manuk gewidmet Arkaz Kloster Arkazi Surb Khach drei Kilometer ostlich von Tanahat Die um 1870 an der Stelle eines mittelalterlichen Klosters neu erbaute Kirche ist ein Pilgerort besonders am Jahresfest der Kreuzerhohung im September Das Kloster wurde vermutlich an der Stelle eines Tukh Manuk Schreins errichtet dessen Ruine noch verehrt wird Herher in den Bergen nordlich von Vayk Zwei Kilometer vom Dorf entfernt befindet sich die ehemalige Einsiedelei Chiki Vank aus dem 13 Jahrhundert mit einer einschiffigen Kirche die als Tukh Manuk Schrein verehrt wird 14 Tukh Manuk Schreine in der Provinz Sjunik Angeghakot Dorf nordwestlich von Sisian Zu den drei bis in fruhchristliche Zeit zuruckreichenden Kirchen gehort eine kleine Tukh Manuk Kapelle in deren Wande als Zeichen ihrer religiosen Bedeutung einige Chatschkar Steine verbaut sind Ein weiterer Schrein in der Nahe wurde in einem aus der Bronzezeit stammenden Steinkammergrab eingerichtet Werischen Auf einem Hugel nordlich des an Goris grenzenden Dorfes befindet sich ein Schrein in einer Hohle umgeben von mittelalterlichen Chatschkaren Eine Wandnische im Innern gehorte zu einer heiligen Quelle die dem Ort seinen Namen Nora Knunk Neuer Taufplatz gab Artsvanik nordostlich von Kapan Etwa zwei Kilometer sudlich des Dorfes steht ein Tukh Manuk Schrein an der Strasse der aus zwei kleinen Raumen besteht In jeder Kammer wird ein Chatschkar Stein verehrt Vahravar an der Grenze zum Iran und zu Nachitschewan Das Kloster Karmravank aus dem 10 Jahrhundert wurde an der Stelle einer fruheren Tukh Manuk Kapelle errichtet 15 Literatur BearbeitenJames R Russell The Armenian Shrines of the Black Youth t ux manuk In Le Museon 111 3 4 1998 S 319 343 Abstract Weblinks BearbeitenHarry Terhanian Love and lust Memento vom 6 Januar 2014 im Internet Archive Erzahlung Tukh Manuk ArmeniapediaEinzelnachweise Bearbeiten Hamlet Petrosyan In the Beginning In Levon Abrahamian Nancy Sweezy Hrsg Armenian Folk Arts Culture and Identity Indiana University Press Bloomington 2001 S 6 10 Religion In Rouben Paul Adalin Historical Dictionary of Armenia Scarecrow Press Lanham 2002 S 322 Hamlet Petrosyan Symbols of Armenian Identity In Levon Abrahamian u a S 25 Hamlet Petrosyan The Sacred Mountain In Levon Abrahamian u a S 35 Karine Ter Saakian Armenia Pagan Games In Caucasus CRS Issue 247 19 August 2004 IWPR Institute for War and Peace Reporting Harutyun Marutyan Home as the World In Levon Abrahamian u a S 93 Rick Ney Aragatsotn Marz Tour Armenia 2008 S 90 Alain Danielou Gods of Love and Ecstasy The Traditions of Shiva and Dionysus Inner Traditions Rochester Vermont 1992 S 154 James R Russell Early Armenian civilization In Edmund Herzig Marina Kurkchiyan Hrsg The Armenians Past and Present in the Making of National Identity Caucasus World Peoples of the Caucasus Routledge Curzon Oxon 2005 S 28f David von Sassun In Grikor Chalatianz Marchen und Sagen Verlag von Wilhelm Friedrich Leipzig 1887 S 80 83 Online bei Zeno org Fotos Memento vom 1 Marz 2005 im Internet Archive Naregatsi Art Institute Rick Ney Aragatsotn Marz Tour Armenia 2008 S 29 Rick Ney Armavir Tour Armenia 2008 S 59f 63 85 Rick Ney Vayots Dzor Tour Armenia 2009 S 4 16 25 Rick Ney Siunik Tour Armenia 2009 S 4 28 33 43 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Tukh Manuk amp 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