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Das Todaustragen ist ein alter Brauch der am Sonntag Laetare dem vierten Fastensonntag und zugleich dem dritten Sonntag vor Ostern in einigen Teilen Mitteleuropas begangen wird Dabei wird der Winter ausgetrieben was haufig wie ein Volksfest zelebriert wird Der Brauch dessen Ursprunge vermutlich bis in die vorchristliche Zeit zuruckreichen weist somit einen engen Bezug zum Maifest auf bei dem einige Monate nach dem Austreiben des Winters der Fruhling beziehungsweise Sommer eingelautet wird Gedicht uber das Todaustragen an der Fassade der Todmuhle in Ullersdorf bei RadebergDas Todaustragen in MahrenDas Todaustragen in Radeberg Inhaltsverzeichnis 1 Grundmuster des Brauchtums 2 Verbreitung und regionale Bezeichnungen 3 Geographische Namen 4 Regionale Besonderheiten 5 Geschichte 6 Ahnliche Brauche 7 Thema in der Literatur 8 Literatur 9 Weblinks 10 EinzelnachweiseGrundmuster des Brauchtums BearbeitenDer Brauch des Todaustragens zeigt sich in regional unterschiedlichen Formen unterliegt aber einem weitgehend ubereinstimmenden Grundmuster Unter dem Absingen von bestimmten Liedern wird eine zum Teil einem Schneemann nachempfundene Stroh oder Pappfigur durch den Ort oder aus diesem herausgetragen und danach verbrannt anderweitig zerstort oder ins Wasser geworfen Diese Strohpuppe wird mit verschiedenen Namen bezeichnet In Mitteldeutschland heisst sie meist schlicht Tod in Hettingen Odenwald wird sie als Toter Degen bezeichnet 1 Der sudwestdeutsche Hisgir oder Hisgier wird hingegen nicht verbrannt sondern sammelt Gaben und sagt Heischeverse auf 2 Dies war fruher auch in Teilen Bohmens ublich Die Figur symbolisiert hierbei mit hoher Wahrscheinlichkeit im Ursprung den Tod da sie dort wo das Wort Tod in der Landessprache mannlich ist als Mann dargestellt wird wie es auch im deutschen Raum allgemein ublich war Dort wo das Wort Tod in der Landessprache weiblich ist wie beispielsweise im Tschechischen smrt ist auch die Figur weiblich So erklart sich auch dass es im bis zur Vertreibung der deutschen Bevolkerung zweisprachigen Bohmen neben dem mannlichen Tod auch ein weibliches Aquivalent namens Todi gab die allerdings ein ahnliches Schicksal erwartete Im Raum Heidelberg existiert uberdies neben dem Tode beziehungsweise Winter auch eine zweite den Fruhling darstellende Figur die den Winter symbolisch in einem Wortgefecht mit sich anschliessender tatlicher Auseinandersetzung besiegt 3 Verbreitung und regionale Bezeichnungen BearbeitenDas Todaustragen wurde und wird in mehreren Teilen Deutschlands und seiner ostlichen Nachbarlander begangen So existiert der Brauch teilweise bis heute in Schlesien Brandenburg der Lausitz Bohmen Sachsen Thuringen Franken Baden Elsass der Pfalz und Hessen Das Verbreitungsgebiet dehnt sich uber Polen weiter in Richtung Sudosteuropa aus Im Sudwesten Deutschlands bedient man sich dem gleichen Brauch hier aber unter dem Oberbegriff der Winterverbrennung So ist das Fest in Rheinhessen als Stabausfest bekannt und in der Pfalz werden die Sommertagszuge veranstaltet Im Ostmitteldeutschen Sprachraum bezeichnete die Bevolkerung den Brauch vorwiegend als Todaustragen oder Todaustreiben Nach und nach ging der Brauch jedoch stark zuruck So wurde er beispielsweise in Radeberg letztmals am 28 Marz 1745 begangen 4 Hochburgen sind bis heute Eisenach mit seinem Sommergewinn 5 Heidelberg Weinheim und Speyer mit ihren Sommertagszugen Nurnberg mit dem Winteraustreiben und Hettingen wo alljahrlich das Todaustragen stattfindet Geographische Namen BearbeitenOrte die mit dem Brauch in Verbindung stehen oder standen weisen manchmal einen namentlichen Bezug zur ortlichen Bezeichnung des Brauchs auf So gibt es zum Beispiel nordostlich Dresdens entlang des Verlaufs der Priessnitz den Todberg mitsamt den Todberghausern die Todmuhle und zwei Todbrucken von denen sich eine bei Ullersdorf und die andere bei Klotzsche befindet 6 Vielerorts gibt es auch Toten oder Todwiesen bei Bad Schandau auch einen Todhubel 7 Die Wiesen und Felder in Oberschlesien an denen Marschaseka genannte Gotzenbilder ins Wasser geworfen wurden hiessen Marsehanka 8 Regionale Besonderheiten BearbeitenDas Todaustragen wurde in vielen verschiedenen Variationen zelebriert Die jeweiligen Zeremonien wiesen teilweise bereits von Dorf zu Dorf Unterschiede auf Diese zeigen sich vorwiegend in voneinander abweichenden Liedtexten und Ablaufen Das Wesen des Brauchs hangt nicht zuletzt von dem Erhaltungsgrad der ursprunglichen Art und Weise dieser Gewohnheiten ab denn schliesslich ist das Todaustragen mehrfach umgewidmet oder umgedeutet worden So hat sich mancherorts bis in die Gegenwart das eigentliche Austragen des Todes erhalten an anderen Orten wiederum steht der Wettstreit zwischen Sommer und Winter im Vordergrund den der Winter immer verliert An wieder anderen Orten verkam das Todaustragen zu einer Volksgaudi bis es schliesslich auch auf Grund von Unfallen verboten wurde oder entwickelte sich zu Bittgangen von Kindern um Gaben In Schlesien beispielsweise hielten die Kinder beim sogenannten Sommersingen kleine geschmuckte Tannenbaumchen in der Hand so auch im brandenburgischen Fichtenberg 9 In Niederschlesien gehorte zum Sommersingen stets auch das Backen von Schaumbrezeln ein Kleingeback 10 Im bohmischen Schneidmuhl wurde die den Tod symbolisierende Puppe nach dem Austragen auf einem Feld mit Holzschwertern zerdroschen In Nurnberg hingegen wird die Puppe auf dem Hauptmarkt verbrannt 11 ebenso in Hettingen 1 In Radeberg wurde die Strohpuppe bis zum Verbot des Todaustragens im Jahre 1745 auf einer Wiese zerrissen und danach verbrannt 12 Auch vom anlasslich des Todaustragens haufig gesungenen Lied gibt es verschiedene Versionen Geschichte BearbeitenIn seinen altesten Ursprungen geht das Todaustragen eventuell auf alte vorchristliche Brauche zuruck Denkbar ist eine Verbindung mit heidnischen Fruhlings und Fruchtbarkeitsfesten deren Traditionen teilweise bereits in den spateren Brauch eingeflossen sein konnten In einer fruheren Phase des Christentums wurde eine solche Integration alten in neues Brauchtum von der Kirche zugelassen oder geradezu gefordert Bereits in der Bibel findet sich eine erstaunliche und zudem im Jahresverlauf zeitnahe Parallele zum heutigen Brauchtum Dem Evangelium des Donnerstags nach Laetare zufolge sei Jesus in die Nahe des Stadttors von Nain gekommen und habe dort einen jungen Mann der zuvor tot durch das Tor nach draussen getragen worden war wieder zum Leben erweckt 13 Da uber diesen Text haufig schon am Sonntag Laetare gepredigt wurde ist es moglich dass das Todaustragen in seinen Anfangen eine der nicht unublichen Verbildlichungen und Nachstellungen von Predigten darstellte Erstmals verfremdet wurde der Brauch demnach infolge der grossen Pestepidemie in Europa in der Mitte des 14 Jahrhunderts Im Aberglauben so den schwarzen Tod aus den Dorfern verbannen zu konnen widmete man die dem Jungling von Nain nachempfundene Figur zum Pesttod um Dies verurteilte und verbot unter anderem die Prager Synode von 1366 in einem Schriftstuck das das Todaustragen erstmals in der Historie erwahnt Allerdings liess die Kirche den Brauch bald wieder zu und vereinnahmte ihn vollends fur sich um die Fastenzeit heilsdidaktisch zu erklaren und gleichzeitig die Vorfreude auf das Osterfest zu wecken Nach der durch die Asche des Aschermittwochs symbolisierten Verganglichkeit zu Beginn der Fastenzeit namlich habe Jesus Christus durch die Auferweckung eines Toten etwa zu Mittfasten seine Uberlegenheit uber den Tod gezeigt und auf seine eigene drei Wochen spatere Auferstehung hingewiesen 3 Der Brauch des Todaustragens verband sich indes um 1540 mit dem etwa zeitgleichen Austreiben des Winters Im spaten 18 Jahrhundert deutete die heimatkundliche Literatur das Todaustragen zu einem alleinigen Austreiben des Winters um was durch die Romantik schliesslich popular wurde 14 Dies fuhrt dazu dass das Todaustreiben bis heute mitunter auf eine Existenz als Rest heidnischer Fruhlingsfeste reduziert wird 15 obwohl Einflusse des Christentums und die Pestepidemie wesentlichere Rollen im Werdegang des Brauchs gespielt haben durften Ahnliche Brauche BearbeitenIm Ablauf mit dem Todaustragen verwandte im Ursprung jedoch davon abweichende Festlichkeiten und Brauche werden besonders im Suden und Westen Deutschlands und dort angrenzenden Nachbarstaaten begangen Sie weisen wie oftmals auch das Todaustragen einen Bezug zum Feuer auf und sollen den Fruhling einlauten Ein Hauptunterschied ist der abweichende Zeitpunkt zu denen die Brauche begangen werden Dieser ist in der Regel der ortlich auch Schafsonntag genannte Funkensonntag 15 der der erste Fastensonntag ist und drei Wochen vor Laetare liegt In der Eifel und Luxemburg heisst der Brauch Burgbrennen oder Huttenbrennen Verwandt damit durften auch das Hutzelfeuer im Raum Fulda das alemannische Scheibenfeuer sowie der Chienbase Brauch in Liestal sein die alle zum gleichen Termin stattfinden Weitere Brauche die dem Todaustragen ahneln sind das nordfriesische Biikebrennen und der ratoromanische Chalandamarz In Italien gibt es einen Brauch der sowohl vom Zeitpunkt her als auch im Ablauf einen engen Bezug zum Todaustragen besitzt Entweder am mathematischen Mittelpunkt der Fastenzeit dem Donnerstag vor Laetare oder dem Sonntag Laetare selbst wird eine grosse Puppe die die Fastenzeit symbolisiert durch die Strassen getragen und anschliessend zersagt 3 Thema in der Literatur BearbeitenIn der alteren Literatur ist das fruher weitverbreitete Todaustragen vielfach erwahnt oder behandelt worden So beschrieb Achim von Arnim den Brauch in seinem Werk Die Kronenwachter in dessen sechster Geschichte die Das Todaustreiben heisst 16 Literatur BearbeitenFriedrich Sieber Siegfried Kube Deutsch westslawische Beziehungen in Fruhlingsbrauchen Todaustragen und Umgang mit dem Sommer Akademie Verlag Berlin 1968 Veroffentlichungen des Instituts fur Deutsche Volkskunde 45 ZDB ID 515889 8 Helmut Seebach Alte Feste in der Pfalz Band 3 Sommertag Ostern Pfingsten Johannistag Bachstelz Verlag Seebach Mainz Gonsenheim 1998 ISBN 3 924115 20 6 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Todaustragen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Todaustragen in Meyers Grosses Konversations Lexikon Band 19 Leipzig 1909Einzelnachweise Bearbeiten a b heimatverein hettingen de Tod austragen labbe de a b c die tagespost de Memento vom 21 Marz 2008 im Internet Archive Eventuell war der Artikel von Thomas Steimer In Hollerbach im Odenwald gibt es die Tradition des Todaustragens gemeint bierstadt radeberg de eisenachonline de Sommergewinn am 9 Marz 2013 und 2011 Memento vom 9 August 2011 im Internet Archive Axel Mullner Uber Ullersdorf Memento vom 20 Mai 2008 im Internet Archive wandern saechsische schweiz de Memento vom 6 Januar 2006 im Internet Archive namslau schlesien de PDF Datei 74 kB 1 2 Vorlage Toter Link www fichtenbergelbe de fichtenbergelbe de Seite nicht mehr abrufbar Suche in Webarchiven Roswitha Hennig Susses Schlesien Bako 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