Die Fantastische Symphonie op. 14, im Original Épisode de la vie d’un artiste, symphonie fantastique en cinq parties (Episode aus dem Leben eines Künstlers, fantastische Sinfonie in fünf Teilen), ist ein programmatisches musikalisches Werk von Hector Berlioz. Mit diesem Werk begründete Berlioz die Programmmusik und schuf eines der bedeutendsten Stücke der romantischen Musik überhaupt. Das Zar Nikolaus I. von Russland gewidmete Werk wurde am 5. Dezember 1830 unter der Leitung von François-Antoine Habeneck im Pariser Konservatorium uraufgeführt. Als Weiterführung der Symphonie fantastique kann das in Italien geschriebene Lélio ou Le retour à la vie (op. 14b), ein „Monodrame lyrique“ (1831–1832/1855) gesehen werden.
Mit der 1830 entstandenen Symphonie fantastique betrat Berlioz Neuland, obwohl er an Beethovens 6. Sinfonie (1808) anknüpfte. Auch beinhaltet das Stück einige (zu dieser Zeit) völlig neuartige Instrumentationstechniken (wie das weitgefächerte Divisi-Spiel der Streicher) und eine daraus resultierende neuartig-innovative Ausnutzung des klassischen Orchesterkorpus. Berlioz bezeichnete sein Werk zudem ausdrücklich als drame musical („musikalisches Drama“) und gliedert es folgerichtig in fünf Sätze analog zu den fünf Akten des klassischen Dramas. Das Leitmotiv (idée fixe), das Motiv der „Geliebten“, wird in den Sätzen, die einzelnen Szenen zugeordnet sind, verarbeitet.
Sätze und Programm Bearbeiten
- Träumereien, Leidenschaften (Rêveries, Passions), Largo (c-Moll, 4/4-Takt) – Allegro agitato e appassionato assai (C-Dur, 2/2-Takt); Dauer: ca. 15 min
- Ein Ball (Un Bal), Allegro non troppo, (A-Dur, 3/8-Takt); Dauer: ca. 6 min
- Szene auf dem Lande (Scène aux champs), Adagio (F-Dur, 6/8-Takt); Dauer: ca. 16 min
- Der Gang zum Richtplatz (Marche au supplice), Allegretto non troppo (g-Moll, 2/2-Takt); Dauer: ca. 7 min
- Hexensabbat (Songe d’une nuit du Sabbat), Larghetto (c-Moll, 4/4-Takt) – Allegro (Es-Dur, später C-Dur, 6/8-Takt); Dauer: ca. 10 min
Die Verwendung der idée fixe, die vorher schon Carl Maria von Weber in seinen Opern praktizierte, hatte großen Einfluss auf die Musik der Romantik, insbesondere auf Franz Liszt und Richard Wagner. Franz Liszt stellte eine Klaviertranskription des Werkes her.
Entstehung Bearbeiten
Am 11. September 1827 hatte Berlioz eine Aufführung von William Shakespeares Hamlet besucht und sich in die Darstellerin der Ophelia, die irische Schauspielerin Harriet Smithson, verliebt. Er schickte ihr unzählige Liebesbriefe, die sie alle nicht beantwortete. Als sie Paris verließ, hatte sie immer noch nicht reagiert. Stattdessen schrieb er sich seinen „Liebeskummer“ durch die „Symphonie fantastique“ von der Seele.
Die Uraufführung der Sinfonie fand in Paris am 5. Dezember 1830 statt. Sie hörte das Werk zwei Jahre später und erkannte endlich das Genie des Komponisten. Die zwei trafen sich und heirateten am 3. Oktober 1833. Ihre Ehe wurde jedoch zunehmend problematisch, und schließlich trennten sie sich nach mehreren unglücklichen Ehejahren.
Instrumentation Bearbeiten
Neu war die Dramatik, die durch erweiterte Orchestrierung verstärkt wurde. Die Orchesterbesetzung des Werkes sieht wie folgt aus:
- 2 Flöten (2. auch Piccoloflöte)
- 2 Oboen (2. auch Englischhorn)
- 2 Klarinetten in C, A, B und Es
- 4 Fagotte
- 4 Hörner in C, Es, E, F und B tief
- 2 Kornette in A und B
- 2 Trompeten in B und C
- 3 Posaunen
- 1 Ophikleide, 1 Serpent kommt im V. Satz hinzu (in einigen späteren Ausgaben 2 Tuben)
- 2 Harfen
- Pauken (bis zu 4 Spieler erforderlich)
- Große Trommel, Becken, Kleine Trommel, 2 Glocken in C und G
- Streicher in gewöhnlicher Besetzung (1. und 2. Violinen, Bratschen, Violoncelli, Kontrabässe), 1. und 2. Violinen jedoch teilweise jeweils dreifach geteilt, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässe jeweils zweifach
Die teilweise äußerst weitgefächerte Teilung bzw. das Divisi-Spiel der Streicher war zur Zeit der Komposition völlig neuartig und erinnert eher an weitaus spätere Klanganleihen von Richard Strauss oder Erich Wolfgang Korngold. Harfen und Piccoloflöte gehörten ebenfalls nicht zu einer üblichen Orchesteraufstellung dieser Zeit. Ebenso fallen die großbesetzten Fagotte und Pauken auf. Zudem stechen auch die Kornette ins Auge, welche in symphonischer Literatur auch heute eher selten zum Einsatz kommen und eher in der Blasmusik beheimatet sind.
Diskografie (Auswahl) Bearbeiten
- Boston Symphony Orchestra, Charles Münch, RCA (1956)
- Philharmonic-Symphony Orchestra of New York, Dimitri Mitropoulos, Columbia (1957)
- Philharmonia Orchestra, André Cluytens, EMI (1958)
- Wiener Philharmoniker, Pierre Monteux, Decca (1958)
- Orchestre national de la RTF, Thomas Beecham, EMI (1959)
- Detroit Symphony Orchestra, Paul Paray, Mercury (1959)
- Lamoureux-Orchester, Igor Markevitch, Deutsche Grammophon (1961)
- London Symphony Orchestra, Colin Davis, Philips (1964)
- Orchestre de Paris, Charles Munch, EMI (1967)
- Concertgebouw-Orchester Amsterdam, Colin Davis, Philips (1974)
- Wiener Philharmoniker, Sir Colin Davis, Philips (1991)
- Orchestre Révolutionnaire et Romantique, John Eliot Gardiner, Philips (1993)
Literatur Bearbeiten
- Robert Schumann: Symphonie von H. Berlioz (1835).
- Rudolf Kloiber: Handbuch der Symphonischen Dichtung. (1967), 3. Auflage. Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 1990, ISBN 3-7651-0018-8.
- Wolfgang Dömling: Die Symphonie fantastique und Berlioz’ Auffassung von Programmusik. In: Die Musikforschung 28 (1975), S. 260–283.
- Christian Berger: Phantastik als Konstruktion. Hector Berlioz’ ‚Symphonie fantastique‘ (= Kieler Schriften zur Musikwissenschaft. Band 27). Bärenreiter, Kassel 1983, ISBN 3-7618-0726-0.
- Wolfgang Dömling: Symphonie fantastique. In: Wulf Konold (Hrsg.): Lexikon Orchestermusik Romantik A–H. Schott, Mainz 1989, ISBN 3-7957-8226-0, S. 22–27.
Weblinks Bearbeiten
- Symphonie Fantastique: Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project
Einzelnachweise Bearbeiten
- Wolfgang Dömling: Berlioz. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg, 5. Auflage 2001, S. 50 und 133.
- Mémoires de Hector Berlioz (französisch)
- In den Aufführungsanweisungen des Autographen schreibt Berlioz: "Wenn ein Kirchenserpent unsauber spielt, wie das meistens der Fall ist, tut eine Ophikleide bessere Dienste". Vgl. S. XXXIV im Vorwort zu: Symphonie Fantastique, edited by Nicholas Temperly, Kassel u. a.: Bärenreiter 1972 (Hector Berlioz. New Edition of the Complete Works Volume 16).