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Sympathie wurde in medizinischem Sinne bereits von dem altgriechischen Arzt Hippokrates von Kos um 460 370 v Chr als begriffliches Konzept verwendet 1 Es bedeutet so viel wie Mitgefuhl oder Mitleiden altgriechisch syn syn zusammen mit und pa8ein pathein empfinden und leiden Das altgriechische Wort pa8ein stellt ein Oppositionswort dar in dem die als gegensatzlich und ambivalent bewerteten Gefuhle des Mitgefuhls und des Mitleidens zum Ausdruck kommen 2 a 3 a Auch in den ersten christlichen Jahrhunderten war dieser Begriff bei den antiken Arzten gebrauchlich so etwa bei Aretaios ca 80 138 n Chr oder Galenos ca 129 200 n Chr Er wurde auch in der Bedeutung von Ubereinstimmung lateinisch consensus verwendet und druckt eine Beziehung aus zwischen den Organen der uber Nerven bzw das Nervensystem vermittelte 4 consensus partium 5 oder einen seelischen Zusammenhang mit einzelnen kranken Organen so etwa zwischen Lunge und seelischer Alteration im Falle von Pneumonie Von dieser seelischen Betroffenheit bzw von dem bei somatischen Krankheiten feststellbaren Mitgefuhl der eigenen Seele leitet sich die vitalistische Bezeichnung des sympathischen Nervensystems als Lebensnerv durch Jacob Winslow im Jahr 1722 ab 6 7 8 Inhaltsverzeichnis 1 Georg Ernst Stahl 2 Robert Whytt 3 Psychiker 4 Pierre Pomme 5 Schule von Montpellier 6 Simon Auguste Tissot 7 Franz Anton Mesmer 8 Friedrich Wilhelm Joseph Schelling 9 Max Scheler 10 Carl Gustav Jung 11 Siehe auch 12 EinzelnachweiseGeorg Ernst Stahl BearbeitenGeorg Ernst Stahl 1659 1734 hat den Begriff sympathisch in Abgrenzung zu dem Begriff pathetisch gebraucht Damit wollte er verschiedene Arten von Geisteskrankheiten voneinander unterscheiden Mit sympathischen Geisteskrankheiten meinte er die durch Organe verursachten Storungen unter pathetischen Geisteskrankheiten verstand er diejenigen Storungen die nicht durch eine Organerkrankung hervorgerufen waren Diese Unterscheidung erschutterte den alten Somatismus der seit Hippokrates das psychiatrische Denken beherrscht hatte Auch wenn Stahl nicht sehr viel uber Geisteskrankheiten schrieb so wurde seine Einteilung doch von vielen Theoretikern ubernommen Die pathetischen Geisteskrankheiten Stahls wurden spater nicht nur als Storungen mit funktioneller oder psychogener Auslosung beschrieben sondern waren auch fur die Krankheitslehre der endogenen Psychosen einflussgebend Autoren die solche Gedanken aufgriffen waren Johann Friedrich Zuckert Christian Gottlieb Ludwig Andrew Harper und Johann Gottfried Langermann 9 a Wie die Geschichte der funktionellen Syndrome zeigt hat der Begriff Sympathie zur Auseinandersetzung zwischen Psychikern und Somatikern beigetragen Robert Whytt BearbeitenRobert Whytt 1714 1766 nannte seine ersten Experimente 1751 uber Reflexe noch Sympathie 9 b Die Arbeiten fanden Beachtung bei den Vitalisten die sie fortfuhrten und dabei ebenfalls auf die Harmonie der Nervenkraft Wert legten wie sie sich z B bei verschiedenen Aufgaben an verschiedenen Stellen des Zentralnervensystems wie Ruckenmark und Gehirn zeigt Siehe dazu die Werke von Johann August Unzer Georg Prochaska und Wilhelm Griesinger 10 11 Psychiker BearbeitenDer Begriff Sympathie spielt in der Medizin auch insofern eine Rolle als bei der moralischen Behandlung wie sie vielfach u a auch von den Psychikern vertreten wurde die englische Moralphilosophie ein wichtiges Element darstellt Shaftesbury hat die sympathy als wichtigen Aspekt des sensus communis angesehen Gleichwohl wird dieses philanthropische Moment von vielen Psychikern gerade in Deutschland haufig ubersehen angesichts der von ihnen als erforderlich betrachteten Zwangsbehandlung Anstelle des Entgegenbringens von Sympathie wird dabei die Forderung nach Anpassung gegenuber dem Kranken betont 12 13 14 a Pierre Pomme BearbeitenPierre Pomme 1735 1812 verwendete in seiner 1763 erschienenen Abhandlung uber die Vapeurs den Begriff der Sympathie ebenfalls im Zusammenhang mit den neuen Nerventheorien Hysterie und Hypochondrie seien durch zu grosse sympathische Nahe des Organismus zu sich selbst zu erklaren Diese Nahe wiederum sei durch ein Zusammenschrumpfen und Eintrocknen des Nervensystems racornissement des nerfs bedingt 15 14 b 16 Schule von Montpellier BearbeitenAuch die Schule von Montpellier verwendete den Begriff Sympathie im medizinischen Sinne siehe auch Paul Joseph Barthez 1734 1806 Unter Sympathie verstand man die Ubereinstimmung der Eigengesetzlichkeit der Organe mit dem Zusammenwirken der Organe als Gesamtorganismus Simon Auguste Tissot BearbeitenSimon Auguste Tissot 1728 1797 bezieht den Begriff Sympathie auf die Ereignisse der Aussenwelt Nervos leidende Menschen haben ein zu sensibles Nervensystem und zugleich eine zu gefuhlvolle Seele Sie beziehen die Ereignisse der Aussenwelt sympathisch mitfuhlend unmittelbar auf sich Durch diese z T extreme Resonanzfahigkeit und Sensibilitat kann das Nervensystem in einen hochgradigen Zustand der Irritation geraten so dass die erlittenen Eindrucke nicht mehr verarbeitet werden konnen Dem Individuum kann jedoch die Schuld hierfur gegeben werden da es die unnaturlichen Reize des gesellschaftlichen Lebens den stets heilsamen Wirkungen des naturlichen Daseins vorgezogen hat Tissot ist daher als Vertreter der moralischen Behandlung anzusehen 14 c Franz Anton Mesmer BearbeitenFranz Anton Mesmer 1734 1815 versuchte ebenfalls die Ideen seiner Zeit die Sensibilitat Irritabilitat Saitentheorie der Nerven die Annahmen entfernter sympathischer Wirkungen die vitalistische Lebenskraft den unmittelbaren Einfluss der Natur zu betonen wie dies von Jean Jacques Rousseau und Simon Auguste Tissot erfolgt war Er wollte diese Krafte durch die physikalische Analogie mit der Gravitation mit der Elektrizitat und dem Magnetismus in einem einzigen rationalen und naturlichen Erklarungsschema vereinigen Er verstand sich daher als Aufklarer und pladierte in seinem letzten Werk Mesmerismus oder System der Wechselwirkungen 1814 fur eine demokratische Staatsordnung und fur eine dem Vernunftkult der Revolution ahnliche Religion 14 d Friedrich Wilhelm Joseph Schelling BearbeitenFriedrich Wilhelm Joseph Schelling 1775 1854 deutscher Philosoph erorterte gemeinsam mit den Psychikern Fragen der korperlichen und seelischen Gesundheit Er betrachtete die Sympathie als Erscheinung des Gemuts 14 e Max Scheler BearbeitenDie Ausfuhrungen von Max Scheler 1874 1928 zur Sympathie beruhren im Rahmen seiner philosophischen Anthropologie die Medizin insofern als die in seinem Werk verwendeten Begriffe wie Lebensgefuhl Leibgefuhl Vitalstorung auch als sog leibnahe Gefuhle bzw als Zonasthesien aufgefasst werden 3 b Max Scheler wird von Hans Walter Gruhle 1880 1958 rezipiert 2 b Die Vitalisten und viele andere philosophischen und medizinischen Schulen betrachteten Sympathie als den umfassenden Begriff fur die inneren seelisch korperlichen und die ausseren weltlichen Einflusse Sie sahen darin die Voraussetzung fur einen kosmisch harmonischen Zusammenklang 17 Carl Gustav Jung BearbeitenFur die Phanomene der Synchronizitat halt Carl Gustav Jung 1875 1961 den von der romantischen Medizin verwendeten Terminus der Sympathie fur zutreffend Synchronizitat bedeutet nicht nur Sinnzusammenhang sondern auch Gleichzeitigkeit bei fehlender Kausalbeziehung Dem ware dann die Bedeutung von Sympathie anzupassen 18 Siehe auch BearbeitenSympathie EmpathieEinzelnachweise Bearbeiten Corpus Hippocraticum Vorschriften 14 a b Hans Walter Gruhle Verstehende Psychologie Erlebnislehre 2 Auflage Georg Thieme Stuttgart 1956 a S 63 zu Zitat Max Scheler b S 42 f 50 52 57 58 63 68 129 a b Max Scheler Wesen und Formen der Sympathie 21923 5 Auflage Cohen Verlag Bonn 1948 a Unterscheidung zwischen Nachfuhlen und Mitfuhlen bzw Mitleid Ich kann Ihnen das sehr gut nachfuhlen aber ich habe kein Mitleid mit Ihnen b zu Stw Leib und Lebensgefuhle Der Autor verwendet diese Begriffe die hauptsachlich unmittelbar auf den Vitalismus zuruckgehen Otto Westphal Theodor Wieland Heinrich Huebschmann Lebensregler Von Hormonen Vitaminen Fermenten und anderen Wirkstoffen Societats Verlag Frankfurt am Main 1941 Frankfurter Bucher Forschung und Leben Band 1 insbesondere S 9 35 Geschichte der Hormonforschung hier S 9 Vgl Bartholomaus Bausner De consensu partium humani corporis Libri III In quibus Ea omnia quae ad quamque Actionem que quomodo in Homine concurrunt recensentur actionum modus ut et consensus ratio explicatur adeoque Universa Hominis Oeconomia traditur Amsterdam 1656 Drei Bucher uber die Harmonie der menschlichen Korperteile in welchem alle diejenigen Dinge aufgezahlt werden die in einem gewissen Masse zu deren Funktionen insbesondere beim Menschen beitragen mit Erlauterungen der Funktionen wie auch der Vernunftigkeit der Beziehungen und die auch das gesamte Gleichgewicht des Menschen behandeln Stanley Finger Minds behind the brain A history of the pioneers and their discoveries Oxford University Press 2000 ISBN 0 19 518182 4 S 46 Peter R Hofstatter Hrsg Psychologie Das Fischer Lexikon Fischer Taschenbuch Frankfurt a M 1972 ISBN 3 436 01159 2 S 269 zu Lemma Psychosomatische Storungen Hermann Triepel Die Anatomischen Namen Ihre Ableitung und Aussprache 26 Auflage Verlag von J F Bergmann Munchen 1962 bearbeitet von Robert Herrlinger S 72 zu Lemma sympathicus a b Erwin H Ackerknecht Kurze Geschichte der Psychiatrie 3 Auflage Enke Stuttgart 1985 ISBN 3 432 80043 6 a S 36 zu Stw Stahl b S 37 zu Stw Whytt Wilhelm Griesinger Uber psychische Reflexactionen In Abhandlungen Bd I S 4 Karl Jaspers Allgemeine Psychopathologie 9 Auflage Springer Berlin 1973 ISBN 3 540 03340 8 S 130 ff 133 ff 150 f 156 zu Stw psychischer Reflexbogen Shaftesbury Characteristics Treatise II Siehe insbesondere Part III Sect I Hans Georg Gadamer Wahrheit und Methode Grundzuge einer philosophischen Hermeneutik Gesammelte Werke J C B Mohr Paul Siebeck Tubingen 1990 Hermeneutik I Band I ISBN 3 16 145616 5 zu Shaftesbury S 29 f in Fortfuhrung der Tradition von Shaftesbury die hermeneutischen Uberlegungen von Johann Gustav Droysen S 217 und 219 und von Wilhelm Dilthey zur Sympathie S 236 f a b c d e Klaus Dorner Burger und Irre Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie 1969 Fischer Taschenbuch Bucher des Wissens Frankfurt M 1975 ISBN 3 436 02101 6 a S 34 37 42 78 205 zu Stw Shaftesbury b S 129 zu Stw Pomme c S 131 zu Stw Tissot d S 134 zu Stw Mesmer e S 263 zu Stw Schelling Francois Ledermann La psychiatrie francaise et les medicaments Pomme Pinel Esquirol Morel In Revue d histoire de la pharmacie 70e annee N 254 1982 pp 189 206 70 Jg 254 1982 189 206 Pierre Pomme Traite des affections vaporeuses des deux sexes ou maladies nerveuses vulgairement appelees maux de nerfs Lyon 1763 S 87 f Georgi Schischkoff Hrsg Philosophisches Worterbuch 14 Auflage Alfred Kroner Stuttgart 1982 ISBN 3 520 01321 5 S 680 zu Wb Lemma Sympathie Carl Gustav Jung Synchronizitat als ein Prinzip akausaler Zusammenhange In Gesammelte Werke Band 8 Die Dynamik des Unbewussten Walter Verlag Dusseldorf 1995 Paperback Sonderausgabe ISBN 3 530 40083 1 S 482 850 zu Stw Sympathie Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sympathie Medizin amp oldid 235055846