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Eusozialitat von griechisch eὐ gut und lateinisch socialis kameradschaftlich ist eine Bezeichnung fur eine besondere Form des Sozialverhaltens sozialer Insekten wie Termiten Ameisen und Bienen und anderer sozialer Tierarten Der Begriff wurde 1969 von dem Bienenforscher Charles Michener eingefuhrt um unterschiedliche Formen des sozialen Verhaltens die bis dahin begrifflich oft nicht unterschieden worden waren und meist summarisch unter dem Terminus sozial zusammengefasst worden waren praziser beschreiben zu konnen Michener griff dabei eine Wortschopfung seiner Schulerin Suzanne Batra von 1966 auf 1 und verallgemeinerte sie Micheners Terminologie ist innerhalb der Biologie besonders der Soziobiologie akzeptiert und weithin angewandt worden In jungerer Zeit wird sie von einigen Forschern als zu schematisch kritisiert 2 Nacktmull Heterocephalus glaber sie gehoren zu den wenigen eusozialen SaugetierenEusoziale Sozialverbande uberwiegend von sozialen Insektenarten werden im deutschen Sprachraum als Staat Insektenstaat bei Hautfluglern Hymenopterenstaat bei Honigbienen Bien oder Volk bezeichnet die entsprechenden Arten als staatenbildend Im englischen Sprachraum spricht man von insect societies Inhaltsverzeichnis 1 Definition 2 Abstufungen der Sozialitat 3 Eusozialitat im Tierreich 4 Evolution von Eusozialitat 5 Literatur 6 EinzelnachweiseDefinition BearbeitenIn der Terminologie nach Michener bezeichnet eusozial das was fruhere Forscher sozialer Insekten meist einfach sozial genannt hatten Es handelt sich um die am hochsten integrierte Form des Sozialverhaltens bei Tierarten abseits des Menschen Kennzeichnend fur eusoziale Verbande sind kooperative Brutpflege durch mehrere Tiere gemeinsame Nahrungsbeschaffung und auch verteilung zum Beispiel durch gegenseitige Futterung Trophallaxis der Verband umfasst mehrere unterscheidbare Teilgruppen die arbeitsteilig verschiedene Aufgaben erfullen die Kasten genannt werden Beispiele waren etwa Nahrungsbeschaffer Arbeiter und Verteidiger Soldaten in den Staaten der Termiten Zusammenleben von Tieren mehrerer Generationen meist in Familienverbanden aus Muttern und TochternEin Verband der diese Voraussetzungen erfullt wird dann Staat genannt die entsprechende Art staatenbildend Innerhalb der Eusozialitat werden noch zwei Abstufungen unterschieden hoch oder komplex eu sozial sind Arten bei denen sich die Kasten nicht nur in Verhalten Physiologie und ggf Korpergrosse unterscheiden sondern klar unterschiedliche Morphologie mit unterschiedlichen Merkmalen umfassen Dazu gehoren innerhalb der Bienen die Honigbienen Apini und die stachellosen Bienen Meliponini primitiv eu sozial sind Arten die eusozial sind bei denen aber die Kasten nur am Verhalten oder ggf der Physiologie aber nicht morphologisch unterschieden werden konnen Bei den Bienen gehoren dazu z B viele Furchenbienen der Gattungen Halictus und Lasioglossum die Hummeln Bombus stehen zwischen primitiv und komplex eusozial Abstufungen der Sozialitat BearbeitenFur Sozialverbande von Tieren die die Kriterien der Eusozialitat nicht erfullen sind im selben Zusammenhang eine Reihe weiterer Ausdrucke zur Beschreibung des Verhaltens eingefuhrt worden Semisoziale Arten bilden Kolonien oder soziale Verbande bei denen die morphologisch nicht unterscheidbaren Individuen arbeitsteilig verschiedene Aufgaben erfullen oft als Arbeiterinnen und Koniginnen Dies gehort zum regelmassigen Verhaltensrepertoire der Art tritt also nicht nur fakultativ auf Der Hauptunterschied zu eusozialen Gruppen ist dass alle kooperierenden Individuen derselben Generation angehoren meist Schwestern Die Koloniegrosse ist immer relativ klein die individuenreichen Staaten vieler eusozialer Arten werden nie erreicht Quasisoziale Arten umfassen fruchtbare eierlegende Weibchen die den Koniginnen der eu und semisozialen Arten entsprechen die bei der Versorgung ihres Nachwuchses Gruppen bilden sich ggf gegenseitig helfen und Teile der anfallenden Arbeiten wie etwa den Bau einer Nesthulle gemeinsam erledigen Im Gegensatz zu semisozialen Arten sind also keine Kasten ausgebildet Kommunal sind Arten bei denen die Weibchen ein gemeinsames Nest anlegen und bewohnen bei denen aber jedes Weibchen einen eigenen Teil davon bewohnt und die ansonsten nicht zusammenarbeiten Jedes Weibchen versorgt hier nur seinen eigenen Nachwuchs Subsozial sind Arten bei denen der Nachwuchs eines Weibchens nach dem Schlupf mehr oder weniger lange zusammenbleibt und Aggregationen bildet Der Nachwuchs wird von der Mutter in der Regel gefuttert oder bei der Nahrungsaufnahme unterstutzt und oft auch gegen Pradatoren verteidigt Meist stirbt die Mutter wenn oder kurz bevor der Nachwuchs selbstandig wird Zusammenarbeit und Arbeitsteilung kommen nicht vor Semisoziales quasisoziales und kommunales Verhalten sind in der Natur oft schwer unterscheidbar Es gibt viele Arten z B unter den Furchenbienen bei denen je nach Koloniegrosse eine andere Art der Zusammenarbeit vorkommt oder bei denen die Stufen nacheinander durchlaufen werden Sie werden daher haufig unter dem Ausdruck parasozial zusammengefasst Arten bei denen gar kein Sozialverhalten dieser Art ausgepragt ist werden solitar lebend genannt Es kann dabei zu Ansatzen von Zusammenleben kommen also gregares Verhalten im weiteren Sinne wenn zum Beispiel viele Bienen derselben Art an besonders gunstigen Stellen zahlreiche Nester dicht nebeneinander bauen Solche Aggregationen die gelegentlich auch Kolonien genannt werden umfassen aber dann Tiere die untereinander nicht interagieren und sich auch nachdem der Bau fertiggestellt verproviantiert und die Eier gelegt worden sind nicht mehr um ihren Nachwuchs kummern Solche Aggregationen fallen nicht unter den Begriff Sozialitat Eusozialitat im Tierreich BearbeitenNeben den sozialen Hautfluglern und Termiten den Paradegruppen fur eusoziales Verhalten kommt dieses seltener auch bei anderen Tierarten vor Es gibt einige Falle bei denen es eine Soldatenkaste nicht reproduzierender Individuen gibt die aber in anderer Hinsicht kein besonders komplexes Sozialverhalten entwickelt haben Dies gibt es beispielsweise bei ansonsten nicht sozialen parasitischen Schlupfwespen In einigen Fallen kommt es dabei dazu dass einige Larven sich nicht mehr selbst weiterentwickeln sondern ausschliesslich ihre Geschwister gegen andere Parasitoidenlarven im selben Wirt verteidigen 3 Nachgewiesen wurden solche Ansatze zur Eusozialitat auch bei parasitisch in Weichtieren lebenden Saugwurmern von denen ein Teil der Kolonie sich reproduzieren kann wahrend andere Individuen die Kolonie verteidigen Diese Soldaten weisen nur zwei Prozent der Korpergrosse von reproduktionsfahigen Individuen auf 4 Ahnliche Beispiele gibt es bei einigen australischen Thripsarten die in selbst erzeugten blasenartigen Blattgallen von Akazien leben Einige Individuen entwickeln sich hier zu Soldaten die sich durch Korpergrosse auszeichnen aber nur eingeschrankte Fortpflanzungsfahigkeit besitzen 5 Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der Galle gegen andere Fransenflugler Arten die die Gallen nutzen ohne sie selbst erzeugen zu konnen Kleptoparasiten Echte hoch eusoziale Tierarten sind aber in anderen Gruppen selten Sie wurden etwa nachgewiesen bei im Meer lebenden Knallkrebsen der Gattung Synalpheus Weitere Vertreter mit eusozialem Verhalten sind der afrikanische Nacktmull der auch Kolonien mit einem einzigen fortpflanzenden Weibchen einer Konigin ausbildet und die in Deutschland weniger bekannten Graumulle der Gattung Fukomys und Cryptomys 6 Evolution von Eusozialitat BearbeitenEusozialitat bedingt ein hohes Mass an Altruismus weil einige Individuen zugunsten anderer mit denen sie in der Regel nahe verwandt sind auf eigenen Nachwuchs verzichten Die Erklarung dieses Verhaltens ist ein Problem der Evolutionsbiologie 7 die eigentlich annehmen wurde dass ein solches Verhalten evolutiv nachteilig sein musste Individuen die Gene fur altruistisches Verhalten besitzen haben schliesslich weniger eigene Nachkommen als solche ohne sie wodurch das Verhalten von der Selektion eigentlich ausgemerzt werden musste Dieses Problem war bereits dem Begrunder der modernen Evolutionstheorie Charles Darwin bewusst Zur Losung des Problems sind eine Reihe Theorien entwickelt worden wie diejenigen der Gruppenselektion am einflussreichsten aber das auf vor allem von J B S Haldane und William D Hamilton entwickelte Konzept der Verwandtenselektion Literatur BearbeitenAlfred Buschinger Soziale Insekten Kapitel 14 in Konrad Dettner Werner Peters Hrsg Lehrbuch der Entomologie Springer Verlag 2011 ISBN 978 3 8274 2618 5 Rossiter H Crozier Advanced eusociality kin selection and male haploidy In Australian Journal of Entomology Band 47 Nr 1 2008 S 2 8 doi 10 1111 j 1440 6055 2007 00621 x Peter M Kappeler Verhaltensbiologie Springer Verlag Berlin 2006 ISBN 3 540 24056 X Charles D Michener Comparative social behavior of bees In Annual Review of Entomology Band 14 1969 S 299 342 Einzelnachweise Bearbeiten S W T Batra 1966 Nests and social behavior of haliictine bees of India Indian Journal of Entomology 28 375 393 James T Costa The Other Insect Societies Harvard University Press 2006 ISBN 978 0 674 02163 1 Y P Cruz 1981 A sterile defender morph in a polyembryonic hymenopterous parasite Nature 294 446 447 Ryan F Hechinger u a Social organization in a flatworm trematode parasites form soldier and reproductive castes In Proceedings of the Royal Society B online Vorabveroffentlichung vom 17 September 2010 doi 10 1098 rspb 2010 1753 Thomas W Chapman Brenda D Kranz Kristi Lee Bejah David C Morris Michael P Schwarz Bernard J Crespi The evolution of soldier reproduction in social thrips In Behavioral Ecology 13 4 2002 S 519 525 doi 10 1093 beheco 13 4 519 Tamsin M Burland Nigel C Bennett Jennifer U M Jarvis Christopher G Faulkes Eusociality in African mole rats new insights from patterns of genetic relatedness in the Damaraland mole rat Cryptomys damarensis In Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences Band 269 Nr 1495 22 Mai 2002 ISSN 0962 8452 S 1025 1030 doi 10 1098 rspb 2002 1978 PMID 12028759 PMC 1690998 freier Volltext vgl etwa Bert Holldobler amp Edward O Wilson Der Superorganismus Springer Verlag 2010 ISBN 978 3 540 93766 1 darin Kap 2 genetische Grundlagen der sozialen Evolution Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Eusozialitat amp oldid 234955936