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Eine Pflanzengalle oder Cecidie auch Gallapfel und kurz Galle genannt ist als kugelformige Geschwulst an Pflanzen von lateinisch galla Geschwulst an Pflanzen und Tieren insbesondere die durch den Stich einiger Gallwespen an Eichenblattern verursachte Eichengalle bezeichnend 1 eine Anomalie im Pflanzenwachstum die durch fremde Organismen verursacht wird Die Wissenschaft der Pflanzengallen Cecidien wird als Cecidologie bezeichnet Gallapfel an einer EicheEine allgemein akzeptierte Definition des Begriffs Pflanzengalle gibt es noch nicht Diverse Versuche wurden bereits gemacht um die Gallbildung an Pflanzen umfassend zu umschreiben Die auch in aktueller Literatur haufig verwendete Definition von Ernst Kuster aus dem Jahre 1953 definierte Pflanzengallen als Produkte abnormen Wachstums die durch die Einwirkung tierischer oder pflanzlicher Parasiten entstehen und den Nahrboden fur diese abgeben 2 Heutzutage gibt es aber auch viele andere Definitionen die das Phanomen der Gallbildung beschreiben Aufgrund der grossen Vielfalt an Gallerregern fallt eine eindeutige Definition allerdings schwer da einige Galltypen wie beispielsweise Verkummerungen bei der Ausbildung einzelner Organe in den meisten Definitionen nicht erwahnt werden Inhaltsverzeichnis 1 Geschichte der Cecidologie 2 Pflanzengallen erzeugende Lebewesen 3 Entstehung einer Pflanzengalle 4 Einteilung der verschiedenen Gallformen 4 1 Organoide Gallen 4 2 Histoide Gallen 4 2 1 Filzgallen 4 2 2 Blattrollungen und Blattfaltungen 4 2 3 Beutelgallen 4 2 4 Umwallungsgallen 4 2 5 Markgallen 4 3 Einteilung des Gallgewebes 5 Bestimmung von Gallen 6 Gallen als Lebensraum 7 Quellen 7 1 Einzelnachweise 7 2 Literatur 7 3 WeblinksGeschichte der Cecidologie BearbeitenWahrend der wirtschaftliche Nutzen von einigen Gallen dem Menschen schon langer bekannt war manche Gallapfel an Eichen dienten zum Beispiel zu Herstellung von Eisengallustinte und als Gerbstofflieferant in der Gerberei begann die wissenschaftliche Erforschung dieses Fachgebiets der Biologie erst gegen Ende des 17 Jahrhunderts Die erste wissenschaftliche Beschreibung des Phanomens der Gallbildung an Pflanzen ist Hippokrates von Kos zuzurechnen dieser hielt die beobachteten Wucherungen allerdings nur fur spezielle Fruchte der Pflanzen und erkannte keinen Zusammenhang zwischen Parasiten und Gallbildung Erst Marcello Malpighi leitete mit seinem Buch Anatome Plantarum idea den Durchbruch der Cecidologie ein Dort beschrieb er im Kapitel De Gallis 60 verschiedene Gallformen ausfuhrlich und versuchte sich an einer ersten Systematisierung und Definition des Phanomens der Gallbildung Pflanzengallen erzeugende Lebewesen BearbeitenEinfacher als die Definition einer Pflanzengalle ist die Beschreibung der Lebewesen die die Gallbildung hervorrufen Prinzipiell gilt dass die Gallerzeuger beinahe aus dem ganzen Spektrum der Lebewesen kommen Hervorgerufen werden sie aber insbesondere von Viren Bakterien Pilzen Milben und Insekten Den Grossteil der gallerzeugenden Arten machen die Insekten aus Insgesamt sind aus dem gesamten Spektrum der Lebewesen knapp 15 000 3 Arten bekannt die zur Gallbildung an Pflanzen fahig sind Gallerreger und befallene Pflanzen leben nicht immer in einem parasitaren Verhaltnis das der Pflanze Schaden zufugt Abgesehen von einigen Arten wie der Reblaus die Wirtspflanzen massiv schadigt greifen die meisten Gallerzeuger in den Stoffwechsel ihres Wirts kaum messbar ein Zwischen einigen Pflanzen und den auf bzw in ihnen befindlichen Gallerzeugern gibt es sogar symbiotische Verhaltnisse Hierher gehoren die Wurzelknollchen der Schmetterlingsblutengewachse nbsp BaumkrebsZu den bekanntesten gallerzeugenden Lebewesen zahlen die Gallwespen die durch ihre haufig grossen und von Farbe und Form her auffalligen Gebilde die zumeist an Eichenblattern beobachtet werden konnen auf sich aufmerksam machen Die zweifellos grossten Pflanzengallen werden von Pilzen ausgelost wie der Obstbaumkrebs Manche Erreger fallen aber auch durch ihre aussergewohnlichen Lebensweisen auf wie die Blattlausart Pemphigus spirothecae in deren Generationszyklus Soldatenlause vorkommen die als Kaste auf eine eigene Fortpflanzung verzichten und stattdessen die Gallenpopulation gegen eindringende Feinde verteidigen Damit ist eine der Bedingungen fur Eusozialitat erfullt Viele der hoher entwickelten Gallerzeuger weisen einen Generationenkreislauf auf der sich im Verlauf eines oder mehrerer Jahre wiederholt und in dessen Verlauf asexuelle als auch sexuelle Vermehrung stattfindet Oftmals geht ein Generationenwechsel mit dem Wechsel des Wirts oder des Lebensraums am Wirt einher Entstehung einer Pflanzengalle BearbeitenDie genaue Entstehung einer Pflanzengalle ist von Art zu Art sehr unterschiedlich Wahrend besonders bei niedrigeren Lebensformen allein die Prasenz und Vermehrung des Parasiten in den Pflanzenorganen zu den von aussen sichtbaren Deformationen fuhrt haben hoher entwickelte Lebewesen Methoden entwickelt mit denen sie gezielt in das Wachstum der Pflanzenteile eingreifen Das Spektrum an Veranderungen an der Pflanze reicht hierbei von dem gezielten Hervorrufen von Misswuchs bis hin zur Bildung von vollkommen neuen Organen die sich aus den bereits bestehenden Organen der Pflanze heraus entwickeln Vor allem im Bereich der Insekten und Spinnentiere erzeugen die Tiere haufig durch ein von ihnen ausgelostes Wachstum um sie herum abgeschlossene und nicht abgeschlossene Hohlraume in denen sie Schutz vor Witterungsbedingungen und Fressfeinden haben Hervorgerufen und gesteuert wird die Gallentwicklung durch Insekten mittels Injektion sogenannter Cytokinine in das zu verandernde Pflanzengewebe wodurch die fur die Galle charakteristischen Formen hervorgerufen werden Vor allem die hoher entwickelten Gallerzeuger nutzen Cytokinine zur Bildung der Gallen Diese Cytokinine konnen wachstumshemmende wachstumssteigernde und allgemein regenerierende Vorgange im Gallgewebe auslosen Gallentwicklungen laufen selten vollkommen gleich ab Tatsachlich ist der Formenschatz der von einer einzigen Art erzeugt werden kann teilweise so gross dass man die Gallen haufig verschiedenen Erzeugern zugeordnet hat Einteilung der verschiedenen Gallformen BearbeitenGrundsatzlich lassen sich Gallgebilde in Histoide und Organoide Gallen einordnen Viele Gallen lassen sich aber auch nicht eindeutig zuordnen und weisen verschiedene Eigenschaften sowohl aus Bereichen der Histoiden als auch der Organoiden Gallen auf Organoide Gallen Bearbeiten nbsp Verzweigungsanomalie Hexenbesen nbsp Gallbildung der Gallmilbe Aceria genistae an den Blattern des Besenginsters Organoide Gallen sind Abwandlungen in der Ausbildung einzelner Organe der Pflanzen und lassen sich weiter in Formanomalien Blattstellungsanomalien Verzweigungsanomalien und Neubildungen von Organen gliedern Histoide Gallen Bearbeiten Histoide Gallen sind Veranderungen des Pflanzengewebes die keine nahere Gliederung in einzelne Organe zulassen Sie konnen in Filzgallen Blattrollungen Blattfaltungen Beutelgallen Umwallungsgallen und Markgallen unterteilt werden Filzgallen Bearbeiten Bei Filzgallen bildet sich auf der Epidermis der Pflanze eine kleine Haarschicht der so genannte Filz Diese Haarschicht wird von den Gallerregern zumeist Gallmilben bewohnt und dient ihnen als Schutz gegen schlechte Umweltbedingungen und Fressfeinde Leicht aufzufinden sind die Gallen von Aceria genistae am Besenginster Blattrollungen und Blattfaltungen Bearbeiten nbsp Blattfaltung ausgelost durch die Gallmucke Macrodiplosis dryobia nbsp Beutelgalle an der Oberseite eines GoldulmenblattesPflanzengallen die durch Blattrollung oder Blattfaltung entstehen verandern den naturlichen Blattwuchs an einer Knickstelle bei der das Blattende anfangt sich aufzurollen und eine schutzende Schicht um den Erreger bildet Gallen die durch Blattrollung oder Blattfaltung entstehen sind bedingt durch ein schnelleres Wachstum der unteren Blattseite oder durch eine Hemmung des Wachstums an der oberen Seite des Blattes Durch diese Veranderung entsteht sowohl eine typische Knickstelle als auch eine auf der Oberseite oval geformte Faltung die sich wie ein schutzender Panzer um den Erreger legt Diese so gebildete Schicht schutzt diesen gegen widrige Umwelteinflusse und Fressfeinde ist aber in der Regel leicht zu offnen da das Ende der Rollung zumeist nicht mit der Blattoberseite verwachst sondern nur aufliegt Beutelgallen Bearbeiten Beutelgallen entstehen durch ein Streckungswachstum von allen Blattgewebeschichten das zu einer Ausstulpung an dem Angriffsort des Erregers fuhrt Dieses Streckungswachstum hat die Bildung eines grossen Hohlraums zur Folge der von dem Erreger bewohnt wird Einzig eine kleine Offnung an der Unterseite des Blattes bleibt oftmals bestehen die haufig von einer feinen Filzschicht verschlossen wird und dadurch einen Luftaustausch ermoglicht Umwallungsgallen Bearbeiten Umwallungsgallen werden erzeugt indem der Erreger auf der Blattoberflache einen verstarkten wulstahnlichen Wuchs um sich herum auslost der schliesslich uber ihm zusammenwachst und den Erreger einschliesst Haufig bleibt dabei jedoch ein kleines Ausgangsloch bestehen uber das der Erreger die Galle verlassen kann sobald seine Entwicklung abgeschlossen ist Markgallen Bearbeiten Markgallen sind Gallformen bei dem das Wachstum der Galle von den inneren Schichten der Pflanzen ausgeht Man kann sie in geschlossene Gallen und freie Gallen unterteilen Bei geschlossenen Gallen wird das Gewebe der Pflanze nach aussen hin nicht durchbrochen Die Wachstumsreaktion beschrankt sich auf das innere Gewebe Freie Gallen hingegen durchdringen die Gewebeschichten des Wirtsorgans Einteilung des Gallgewebes Bearbeiten Durch die Gallbildung entstehendes Gewebe kann man in kataplasmatisches und prosoplasmatisches Gallgewebe einteilen Bei kataplasmatischem Gewebe ist der Gewebeaufbau der befallenen Organe gleich oder sehr ahnlich wie bei nichtbefallenen jugendlichen Organen der gleichen Art Prosoplasmatisches Gewebe weist Ausdifferenzierungen auf die bei normal entwickeltem Gewebe des Pflanzenorgans nicht vorkommen Bestimmung von Gallen Bearbeiten nbsp Andricus quercuscalicis auf Quercus robur nbsp Cecidien auf Schinus polygamaAngesichts der grossen Anzahl von Gallerregern ist eine eindeutige Bestimmung des Gallerregers nicht immer leicht Das wichtigste Merkmal eines Gallerregers ist der Wirt auf dem er seine Galle ausbildet Hierbei muss allerdings berucksichtigt werden dass einige Gallerreger einen Wirtswechsel vollziehen Einer der beliebtesten Wirte ist die Eiche auf der besonders viele Arten ihre Gallen ausbilden Warum sich so viele Gallerreger auf die Eiche spezialisiert haben ist noch nicht naher erforscht Ein weiteres wichtiges Kriterium ist der genaue Ort der Ausbildung der Galle auf dem Wirt Grundsatzlich konnen alle Organe der Pflanze Gallen ausbilden wobei die Teile der Pflanze die uber der Erde liegen eine deutlich hohere Anzahl von auf sie spezialisierten Gallenerregern aufweisen Neben den recht haufig auffindbaren Blattgallen die auf den Blattern der Wirtspflanze gebildet werden sind die am haufigsten betroffenen Organe der Pflanzen die Blute die Wurzel und der Stamm oder Stangel der Pflanze Hinzu kommen aber noch Erreger die das Wachstum der gesamten Pflanze verandern konnen zumindest den oberirdisch liegenden Teil Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist das zeitliche Auftreten der Galle an ihrem Wirt Hierbei muss allerdings berucksichtigt werden dass das Vorkommen von zahlreichen Gallformen insbesondere ausgelost durch Bakterien Viren und weitere einzelligen Lebewesen zeitlich nicht begrenzt ist Eine Einteilung in Eigenschaften der Galle wurde schon von einigen Forschern vorgeschlagen allerdings konnte sich bis heute kein System zur Klassifizierung durchsetzen Eine derartige Kategorisierung ist auch dadurch erschwert dass Gallen zumeist mehrere formgebende Eigenschaften besitzen Weiter verkompliziert wird dies dadurch dass sich selbst Gallbildungen eines Gallerregers die auf dem gleichen Pflanzenorgan stattfinden sowohl in der gesamten Form als auch im Gewebeaufbau erheblich voneinander unterscheiden konnen Dazu konnen aussere Umstande wie der Zustand der Wirtspflanze und allgemein klimatische und meteorologische Umstande den Aufbau und Wachstumsprozess der Galle stark beeinflussen Gallen als Lebensraum BearbeitenGallen dienen nicht nur dem Gallerzeuger als Lebensraum Sie werden oft von weiteren Organismen genutzt Der Ubergang zwischen blossen Mitnutzern Inquilinismus bis zum Parasitoid der sich in der Galle vom Gallerzeuger ernahrt ist dabei fliessend Verlassene Gallen dienen haufig als Zufluchtsort von Inquilinen die in die Galle einziehen nachdem der Gallerzeuger die Galle bereits verlassen hat oder den Gallerzeuger aus der Galle entfernen oder auffressen In manchen Fallen verandern die Inquilinen durch ihre Anwesenheit die Form der besetzten Galle so dass man sie von unbesetzten Gallen und Gallen die noch von ihren ursprunglichen Erzeugern bewohnt werden schon von aussen unterscheiden kann Neben Inquilinen gibt es noch einige Sekundar und Tertiarparasiten die ebenfalls in den Gallen zu finden sein konnen Die Anwesenheit dieser Parasiten geht haufig mit dem Tod des Gallerzeugers einher Quellen BearbeitenEinzelnachweise Bearbeiten Vgl etwa Jurgen Martin Die Ulmer Wundarznei Einleitung Text Glossar zu einem Denkmal deutscher Fachprosa des 15 Jahrhunderts Konigshausen amp Neumann Wurzburg 1991 Wurzburger medizinhistorische Forschungen Band 52 ISBN 3 88479 801 4 zugleich Medizinische Dissertation Wurzburg 1990 S 129 galla Plant Galls and Cecidology Was sind Pflanzengallen cecidology blogspot com Rolf Beiderbeck Ingo Koevoet Pflanzengallen am Wegesrand Entstehung und Bestimmung ISBN 3 440 04751 2 Literatur Bearbeiten DeutschsprachigHeiko Bellmann Bienen Wespen Ameisen Hautflugler Mitteleuropas Kosmos Franckh Kosmos 2005 ISBN 3 440 09690 4 Konrad Bohner Geschichte der Cecidologie Veroffentlichung der Gesellschaft fur Geschichte der Pharmazie Arthur Nemayer Mittenwald Bayern Ernst Kuster Die Gallen der Pflanzen Leipzig 1911 Rolf Beiderbeck amp Ingo Koevoet Pflanzengallen am Wegesrand Entstehung und Bestimmung Kosmos Verlag 1979 ISBN 3 440 04751 2 Herbert Buhr Bestimmungstabellen der Gallen Zoo und Phytocecidien an Pflanzen Mittel und Nordeuropas Gustav Fischer Verlag Jena 1964 65 G Hieronymus Beitrage zur Kenntnis der europaischen Zoocecidien und der Verbreitung derselben Gross Barth amp Co Breslau 1890 Karl Czech Neue Eintheilung der Pflanzengallen Gross Barth amp Co Dusseldorf 1858 urn nbn de hbz 061 1 115216 EnglischsprachigRon Russo Field Guide to Plant Galls of California and Other Western States University of California Press London 2006 ISBN 0 520 24886 4 Arnold Darlington The Pocket Encyclopaedia Of Plant Galls In Colour Blandford Press Dorset 1968 ISBN 0 7137 0471 3 Margaret Redfern Peter Shirley British plant galls Identification of galls on plants and fungi Field Studies Council Shropshire 2002 ISBN 1 85153 214 5 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pflanzengallen Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Pflanzengallen von Hans Jurgen Buhr Artenliste und Bestimmungsschlussel fur die haufigsten Pflanzengallen in Deutschland Volkers Pflanzengallen mit Bildergalerie Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pflanzengalle amp oldid 235338101