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Als Sozialparasitismus bezeichnet man in der Biologie eine besondere Form des Parasitismus Sozialparasitismus ist definiert als die Beziehung zwischen zwei Tierarten bei der sich eine eusoziale Art mit steriler Arbeiterkaste oder eine Art die ihre Arbeiterkaste sekundar verloren hat das Sozialsystem anderer ebenfalls eusozialer Arten zunutze macht Sozialparasiten sind ausserordentlich spezialisierte Arten denen es typischerweise gelingt durch Mimikry oder andere Formen der Tarnung die reichhaltigen aber stark bewachten Ressourcen einer Kolonie eusozialer Lebewesen auszubeuten Sozialparasitismus tritt vor allem bei Hautfluglern auf Inhaltsverzeichnis 1 Vorkommen 2 Sozialparasitismus bei Ameisen 2 1 Inquilismus Permanenter Sozialparasitismus 2 2 Dulosis Sklaverei 2 3 Temporarer Sozialparasitismus 2 4 Xenobiose 2 5 Lestobiose 2 6 Cleptobiose 2 7 Plesiobiose 3 Sozialparasitismus bei Wespen 4 Sozialparasitismus bei Bienen und Hummeln 5 Sozialparasitismus bei Termiten 6 Literatur 7 WeblinksVorkommen BearbeitenMan kennt weltweit mehrere hundert Ameisenarten die sich zu sozialen Parasiten anderer Ameisen entwickelten und vermutet dass es ein paar weitere hundert Arten gibt die das Potenzial besassen diesen entwicklungsgeschichtlichen Weg einzuschlagen Bei Bienen und Wespen sind ebenfalls viele Falle von Sozialparasitismus bekannt In diesem Zusammenhang ist es sehr erstaunlich dass diese Form des Parasitismus bei Termiten so gut wie uberhaupt nicht beobachtet wurde obwohl diese Tiergruppe mit sehr vielen eusozialen Arten in weiten Teilen der Erde vorkommt Sozialparasitismus bei Ameisen BearbeitenDie folgenden Abschnitte beschaftigen sich ausschliesslich mit Sozialparasitismus bei Ameisen da er dort am vielfaltigsten auftritt und am besten erforscht ist Die ersten drei Kategorien sind von den ubrigen deswegen abzugrenzen weil sie in der Evolution wahrscheinlich die am starksten abgeleitete Form des Sozialparasitismus darstellen Definitionen nach Wilson In Mitteleuropa sind bisher 54 Arten bekannt die entweder temporar oder permanent sozialparasitisch auftreten Das sind 35 aller bekannten Arten von denen wiederum 15 ihren gesamten Lebenszyklus als Parasiten verbringen Sehr erstaunlich ist dass Sozialparasitismus in den gemassigten Breiten viel haufiger aufzutreten scheint Aus den Tropen sind nur halb so viele Falle bekannt und das obwohl dort etwa 97 aller bekannten Ameisenarten auftreten Als Erklarung fur dieses Phanomen wurden folgende Theorien aufgestellt nach Seifert Ein kuhles Klima bietet gunstigere Voraussetzungen um in eine Wirtskolonie einzudringen da die Arbeiterinnen in ihrer Angriffslust und Bewegungsgeschwindigkeit gehemmt sind Die Ameisengesellschaften der Tropen sind unglaublich artenreich und sehr zerstuckelt Da Sozialparasitismus in seiner Entstehung wahrscheinlich oft an eine spezifische Art gebunden ist bietet die artenarmere Ameisenfauna der Nordhemisphare mit ihren zum Teil recht homogenen Bestanden bessere Anpassungsvoraussetzungen fur die parasitierende Art In den gemassigten Breiten treten haufig polygyne Arten auf Das erleichtert das Eindringen verwandter Arten da die Akzeptanz von Jungkoniginnen in polygynen Kolonien hoher sein muss um die Polygynie zu gewahrleisten Inquilismus Permanenter Sozialparasitismus Bearbeiten nbsp Teleutomyrmex schneideriDas klassische Beispiel fur vollendeten Sozialparasitismus ist Teleutomyrmex schneideri griech die letzte Ameise eine Ameisenart die Mitte des 20 Jahrhunderts von Heinrich Kutter entdeckt wurde Dieser aussergewohnliche Parasit kommt ausschliesslich als Untermieter zweier Ameisenarten Tetramorium caespitum und Tetramorium impurum in den Franzosischen und Schweizer Alpen vor Bei T schneideri sind keine Arbeiterkasten zu beobachten es existieren also ausschliesslich Koniginnen und Mannchen Dabei ist der Parasit von den Arbeiterinnen der Wirtskolonie ganzlich abhangig Er lebt die meiste Zeit ektoparasitisch auf den Rucken seiner Wirte Diese Extremform der Anpassung fuhrte im Laufe der Stammesgeschichte allerdings dazu dass der Korper im Vergleich zu anderen Arten verkummert wirkt beispielsweise ist der Chitinpanzer dunn und unpigmentiert zudem kann ausschliesslich flussige Nahrung aufgenommen werden Dulosis Sklaverei Bearbeiten Einige Ameisenarten sind von Arbeiterinnen anderer Arten abhangig geworden Die parasitierende Ameisenart begibt sich auf regelrechte Raubzuge um die Ameisennester anderer Arten zu uberfallen und die Brut zu verschleppen Nach der Heimkehr ins eigene Nest werden die erbeuteten Eier und Puppen von bereits versklavten Arbeiterinnen versorgt und grossgezogen um ihrerseits wiederum als Sklaven zu dienen Die sklavenhaltende Ameisenart ist dabei physiologisch so stark an die rauberische Lebensweise angepasst dass sie ohne die geraubten Arbeiterinnen nicht uberleben konnte Dulosis kommt bei der Amazonenameise Polyergus rufescens und Mitgliedern der Formica sanguinea Gruppe vor ist auch in Deutschland anzutreffen Temporarer Sozialparasitismus Bearbeiten Der Sozialparasit nutzt das Wirtsnest nur zur Koloniegrundung Die frisch begattete Konigin der parasitierenden Art findet eine Wirtskolonie und stellt die Adoption sicher entweder durch zwanghafte Unterwerfung der Arbeiter oder durch Formen der Besanftigung Die ursprungliche Wirtskonigin wird dann durch den Eindringling oder konvertierte Arbeiterinnen getotet Nach und nach verwandelt sich das Nest in eine Mischkolonie bis es schliesslich durch das Aussterben der letzten Wirtsarbeiterin ganzlich zu einer Kolonie der Parasitenkonigin und ihres Nachwuchses wird Temporarer Sozialparasitismus tritt in Europa beispielsweise bei allen Echten Waldameisen auf also bei Formica Arten der Untergattung Formica sensu stricto Xenobiose Bearbeiten Hier lebt eine Art in den Wanden oder Kammern des Nestes der anderen und bewegt sich frei unter ihren Wirten Sie erhalt Nahrung oft durch Regurgitation dennoch wird die Brut getrennt gehalten Lestobiose Bearbeiten Ein paar kleinere Ameisenarten meist zur Gattung Solenopsis oder verwandten Gattungen gehorend warten in den Nestwanden anderer Ameisen oder Termiten Bauten und dringen in die Nestkammern ihrer Wirte ein um Futter zu stehlen und oder die Brut zu rauben Einige Carebara Arten in Afrika und dem tropischen Asien bauen ihre Nester in den Wallen von Termitenhugeln und leben wahrscheinlich von den Bewohnern oder deren Brut Cleptobiose Bearbeiten Einige kleinere Ameisenarten bauen Nester in der Nahe grosserer und entnehmen Nahrung oder Brut aus der Wirtskolonie In Indien wurde sogar eine Crematogaster Art beschrieben die lauernd auf eine Holcomyrmex Art wartet die schwer beladen mit erbeuteter Nahrung heimwarts lauft um sie in einem Moment der Bedrohung durch andere Feinde auszurauben Dieses Verhalten ist offensichtlich keine Einzelleistung sondern wird von der parasitierenden Kolonie systematisch betrieben Im Suden der Vereinigten Staaten von Amerika wurden Arbeiter der Art Conomyrma pyramica beobachtet die tote Insekten aufsammelten die von einer Pogonomyrmex Kolonie entsorgt worden waren einschliesslich der Pogonomyrmex Leichen Plesiobiose Bearbeiten Der Sozialparasitismus ist nur rudimentar ausgepragt Verschiedene Ameisenarten bauen ihre Nester nah beieinander behelligen einander aber kaum ausser ihre Nestkammern werden zufalligerweise aufgebrochen dann konnen Kampfe und Nestrauberei auftreten Sozialparasitismus bei Wespen BearbeitenPrinzipiell gibt es drei Formen des Sozialparasitismus bei Wespen Parasitoider Angriff Die weibliche Wespe uberfallt eine andere Wespenart paralysiert sie und legt ihre Eier in ihr ab Daraufhin dient das bewegungsunfahige Opfer den Larven als Nahrung Arbeitsparasitismus Ein Weibchen sucht gezielt nach einem bereits von einer anderen Wespenart gelahmten Opfer grabt sich in die Brutkammer vor frisst die Eier des Parasitoiden und legt ihre eigenen Eier ab Diese Form kommt nicht sehr haufig vor Ersatz der Konigin Das parasitierende Weibchen dringt in ein Wespennest einer sozialen Art ein und totet die Konigin um ihren Platz einzunehmen Dieses Phanomen scheint bei Wespen und Ameisen ahnlich haufig aufzutreten Beispielsweise sind zwei der sechzehn in Nordamerika vorkommenden Vespula Arten permanente Sozialparasiten Sozialparasitismus bei Bienen und Hummeln BearbeitenAuch bei Bienen ist Sozialparasitismus ein weit verbreitetes Phanomen Es kommt in den Familien der Halictidae Anthophoridae Megachilidae und Apidae vor In typischer Weise dringt dabei die parasitierende Bienenart in die Nestkammer vor und legt ein Ei in einer der vielen Brutkammern ab Die schnell heranwachsende Larve verdrangt daraufhin den ursprunglichen Bewohner passiv oder totet ihn gar aktiv mit den bei manchen Arten sehr fruh ausgepragten Mandibeln In seltenen Fallen wird das Opfer verspeist Im Gegensatz zu den Wespen ist bei Bienen keine parasitoide Lebensweise bekannt da sie sich ausserst selten von tierischem Protein ernahren Aus Argentinien ist eine Bienenart Lestrimelitta limao bekannt die regelrechte Raubzuge gegen Bienen der Gattung Melipona und Trigona unternimmt Dabei geht es in erster Linie darum Nahrungsvorrate zu erbeuten die im Kropf gespeichert werden um sie in die eigene Kolonie zu schaffen Wahrend des Uberfalls sondert die Angreiferin eine stark limonenartig duftende Substanz aus ihren Mandibulardrusen ab Dieses als Citral identifizierte Pheromon wirkt auf die Arbeiterinnen offensichtlich aufheizend sodass sie den Stock verlassen Es ist schon beobachtet worden dass L limoa das eroberte Nest besetzten und es als eigene Kolonie annektierten ahnlich der Dulosis bei Ameisen Der Sozialparasitismus bei Hummeln begrundet sich direkt aus der aggressiven Organisation ihrer Kolonien und ist recht gut erforscht Bei einigen Arten der Gattung Bombus versuchen die Koniginnen in fremde Nester einzudringen und die Grunderkonigin zu toten um ihren Platz einzunehmen In solchen Fallen wehren sich die Grunderkonigin und ihr Hofstaat oft bis zum Tod Haufig treten mehrere Invasionen nacheinander auf In einem Extremfall wurden in einer Kolonie 20 tote B terrestris gefunden Auch temporarer Sozialparasitismus und sogar Inquilismus wurde bei Bombus nachgewiesen Sozialparasitismus bei Termiten BearbeitenWie bereits erwahnt ist der Sozialparasitismus bei Termiten fast uberhaupt nicht vorhanden Im Vergleich zu den Hymenopteren kommt hier eine eher schwache Form vor die am ehesten mit der Xenobiose bei Ameisen vergleichbar ist Es wurden Arten aus drei Ordnungen beobachtet Ahamitermes Incolitermes und Termes bei denen ein Verhalten erkennbar ist das als Nestparasitismus bezeichnet werden konnte Die Mitglieder dieser Arten leben in den Wanden anderer Termitenkolonien und ernahren sich von der pappmacheartigen Bausubstanz Diese Vorgehensweise sorgt fur nicht unbetrachtliche Probleme bei der Wirtskolonie da es zu Schadigungen des hocheffizienten Beluftungssystems kommen kann Ein sehr spezieller Fall des Sozialparasitismus durch eine Ameisenart wurde bereits weiter oben unter Lestobiose aufgefuhrt Literatur BearbeitenAlfred Buschinger Social parasitism among ants a review Hymenoptera Formicidae In Myrmecological News Bd 12 2009 ISSN 1994 4136 S 219 235 Volltext PDF 208 KB und Ameisen Artenliste PDF 52 KB Bert Holldobler Edward O Wilson Ameisen Die Entdeckung einer faszinierenden Welt Birkhauser Basel u a 1995 ISBN 3 7643 5152 7 Bert Holldobler Edward O Wilson The Ants Springer Berlin u a 1990 ISBN 3 540 52092 9 Bernhard Seifert Ameisen Beobachten bestimmen Naturbuch Verlag Augsburg 1996 ISBN 3 89440 170 2 Edward O Wilson The insect societies The Belknap Press of Harvard University Press Cambridge MA 1971 ISBN 0 674 45490 1 Weblinks BearbeitenSozialparasitismus bei Ameisen Memento vom 23 Juli 2008 im Internet Archive Usurpation und Adoption fremder Nester durch Hornissenkoniginnen Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Sozialparasitismus amp oldid 229064635