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Schleuderbleie lateinisch glans Eichel plural glandes sind antike Wurfgeschosse aus Blei welche mittels einer Schleuder verschossen wurden Sie stellen eine militarische Weiterentwicklung formgleicher Geschosse aus gebranntem Ton dar welche in der Antike vor allem von Hirten eingesetzt wurden Romisches Schleuderblei vom Dunsberg im hessischen Biebertal Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Antike Bezeichnungen 3 Antike Darstellungen 4 Typologie 4 1 Formenspektrum 4 2 Gewicht 4 3 Dekor und Inschriften 5 Geschosse aus Stein und Ton 6 Wirkungsweise 7 Literatur 8 Weblinks 9 EinzelnachweiseHerkunft Bearbeiten nbsp Schleuderer auf der Ruckseite eines Staters aus AspendosDer griechische Historiker Strabon uberliefert von Ephoros von Kyme die Aussage die Aitolern hatten die Schleuder erfunden 1 Plinius der Altere schreibt sie in seiner naturalis historia dagegen den Syrophonikern zu 2 in der Bibel werden Schleuderer in der Richterzeit vor 1000 v Chr erwahnt Ri 20 16 EU Aus Troja sind erstmals Schleudergeschosse aus Metall Bronze belegt 3 Die ersten Bleigeschosse die zum Schleudern verwendet worden sein konnten stammen aus minoischer Zeit LM III aus dem Palast von Knossos 4 Schleuderer sind in der europaischen Militargeschichte in grosserer Zahl erstmals in den Berichten des Thukydides uber den Peloponnesischen Krieg erwahnt 5 Dort gelten sie als die wichtigsten Abteilungen der leichtbewaffneten Einheiten Seit etwa 413 395 v Chr scheinen die Achaier Rhodier Kreter und Akarnaner Aitoler und Thessalier mit bleiernen Schleudergeschossen ausgerustet gewesen zu sein wie der alteste Fund eines solchen Geschosses mit der Aufschrift TISSAPHER aus Iulia Gordus heute Gordes in Lydien belegt 6 Seitens der schriftlichen Uberlieferung erwahnt erstmals Xenophon aus Blei gegossene Schleudergeschosse Er beschreibt in seiner Anabasis dass die Rhodier mit diesen Bleigeschossen eine grossere Reichweite erzielen konnten als die Perser die Steine verwendeten Der romische Historiker Titus Livius nennt die Schleuder als Bewaffnung der 5 Klasse in der servianischen Heeresordnung Die Romer kannten verschiedene Arten der Schleuder die aber vermutlich jedoch nicht gleichzeitig in Gebrauch waren Die haufigste ist die funda die einfache Handschleuder Die funda wurde in erster Linie als Jagdwaffe verwendet und war erst nachrangig eine militarisch genutzte Waffe Eine typologische Unterscheidung zwischen Jagd und Kriegsschleuder ist nicht moglich In der Schlacht von Cannae hatten die romischen Truppen Schleudern dabei 7 Es ist jedoch wahrscheinlich dass die Munition fur Jagd und Krieg sich unterschieden Blei scheint mehr oder weniger sicher fur Geschosse verwendet worden zu sein die man eher im Krieg als zur Jagd benutzte Die romische Armee verwendete in der republikanischen Zeit achaische von den Etruskern ubernommene Schleudern In der romischen Kaiserzeit wurden Schleudern verwendet die ihren Ursprung auf den Balearen hatten Antike Bezeichnungen BearbeitenDie eichelahnliche Form der Geschosse gab ihnen ursprunglich den Namen glans 8 Als Bezeichnung fur Schleuderbleie wurden in romischer Zeit neben glans Eichel auch die Bezeichnungen glans plumbea Bleieichel plumbum Blei oder plumbum pondes Bleispitze verwendet In der spatrepublikanischen und fruhen Kaiserzeit verwendete man vor allem die Begriffe glans und plumbum Antike Darstellungen Bearbeiten nbsp Darstellung eines Schleuderers auf der TrajansauleRomische Schleuderer sind von der Trajanssaule bekannt die am 12 Mai 113 eingeweiht wurde Auch auf der Marcussaule sind Schleuderer dargestellt Anderes als auf der Trajansaule sind dort aber nicht romische Hilfstruppen sondern Barbaren die einen Fluss gegen die Romer verteidigen gezeigt Die einzige Darstellung einer moglichen Schleuder nordlich der Alpen findet sich auf einem Grabstein der in die trajanische Zeit datiert wird und wahrscheinlich aus Xanten stammt Typologie BearbeitenFormenspektrum Bearbeiten nbsp Typentafel romischer Schleuderbleie Typen nach Volling 1990Eine typologische Gliederung der Schleuderbleie erfolgte durch Thomas Volling 9 Anhand der Form der Bleigeschosse lassen sich sechs Typen erkennen die teilweise noch in sich gegliedert werden Typ 10 FormTyp I a c ovoide TypenTyp II a c bikonoide TypenTyp III mehrkantiger TypTyp IV rautenformiger Typ mit zwei abgeflachten SeitenTyp V eichelformiger TypTyp VI spharoider TypDie Typen I und II scheinen bei weitem die gebrauchlichsten gewesen zu sein In Kampfsituationen wurden Schleuderbleie auch unter schlechten Bedingungen hergestellt Die Soldaten konnten sie wahrend einer Belagerung giessen Die Qualitat und Form werden dann durch die gegebene Eile bestimmt in der sie hergestellt werden mussten 11 Bei Ausgrabungen am Hillfort von Burnswark nahe der schottischen Stadt Dumfries wurden zahlreiche Schleuderbleie verschiedener Typen gefunden die teilweise durchbohrt waren Dieses Bohrloch verursachte beim Abschuss ein sirrendes Gerausch das den Gegner zusatzlich einschuchtern sollte 12 Gewicht Bearbeiten Die Gewichte der Schleuderbleie schwanken erheblich So wurde am Dunsberg ein Geschoss vom Typ I mit einem Gewicht von 23 Gramm gefunden wahrend der gleiche Typ in Haltern 129 Gramm aufwies Bei Typ II verhalt es sich ahnlich Ein Fund vom Dunsberg mit 26 Gramm steht einem Fund aus Haltern mit 155 Gramm gegenuber Das Gros der Geschosse liegt bei 40 70 Gramm wobei es eine Entwicklung zu grosserem Gewicht hin gegeben zu haben scheint Es kommen aber immer leichte und schwere Geschosse innerhalb der einzelnen Geschosstypen vor Schleuderbleie aus spatklassischer Zeit aus Olynth etwa wiegen zwischen 18 und 26 Gramm Die bleiernen Geschosse aus dem Kastell Gelduba bei Krefeld aus diokletianscher Zeit liegen dagegen im Schnitt um 80 Gramm Dekor und Inschriften Bearbeiten Viele Bleigeschosse waren mit Bildern und Inschriften versehen die entweder in die Gussform eingearbeitet waren oder nachtraglich in das weiche Blei eingeritzt wurden Besonders die Typen I II und III weisen des Ofteren Inschriften zumeist in Reliefform auf Daneben kommen aber auch bildhafte Darstellungen vor wie etwa Blitze Dolche pugiones Anker Keulen und Delphine oder Phalli nbsp Schleudergeschoss aus Blei mit der Aufschrift DE3A Das wohl bekannteste griechische Geschoss stammt aus dem Athen des 4 vorchristlichen Jahrhunderts und tragt die Inschrift DE3A was so viel wie Nimm das oder Fang auf bedeutet Es befindet sich heute im Britischen Museum in London Aus dem antiken Dor sind Bleigeschosse mit der Inschrift Fur den Sieg von Tryphon und Dor das funfte Jahr in dem Dor Sumach schmecken muss aus der Zeit der Belagerung des Diodotos Tryphon durch Antiochos VII Sidetes bekannt 13 Die romischen Inschriften nennen meist Legionen oder Kommandeure Ebenfalls konnten sie Schmahschriften erhalten die besonders in den romischen Burgerkriegen vertreten waren Man beschimpfte die Anfuhrer der Gegenpartei oder lobte den eigenen 14 Daneben konnten auch Botschaften oder taktische Anweisungen mit ihnen verschossen werden 15 Daneben finden sich auch Hinweise auf den Eigentumer oder Hersteller der Geschosse oder den Feldherren von Philippos was fur Archaologen eine wichtige Hilfe bei der Datierung von Funden darstellt Die Schmahung Auf den Hintern von Octavian 16 ist ein Beispiel fur eine Inschrift die bei der Datierung eines Kampfplatzes hilfreich sein kann Ein weiteres Beispiel hierfur ist die schwere Schlacht Caesars bei Munda 17 Daruber hinaus sind die Inschriften auf den Schleuderbleien gute Beispiele fur die Alltagssprache einer Epoche Geschosse aus Stein und Ton BearbeitenNeben Schleudergeschossen aus Blei kamen in der Antike auch Projektile aus Stein und aus gebrannten Ton zum Einsatz Ursprunglich wurden Schleudern mit geeigneten Steinen bestuckt Schleudersteine lateinisch lapis lapillus lapis missilis saxum oder saxum missilis werden besonders haufig von Autoren der Spatantike genannt Jedoch waren Steinprojektile stets in Form und Gewicht heterogen Eine Auswahl geeigneter Projektilsteine musste zusammengesucht werden Spater kamen Geschosse aus gebranntem Ton hinzu Diese konnten in Grosse und Form besser an die Erfordernisse der Schleuderer angepasst werden Bikonisch geformte Projektile konnen zielgenauer abgeschossen werden Tonerne Geschosse sind archaologisch seit der Eisenzeit fur nahezu den gesamten keltisch germanischen Kulturraum bekannt Jedoch sind sie in der uberlieferten lateinischen Literatur nicht im Zusammenhang mit romischen Truppen belegt kommen aber im archaologischen Befund bei vielen romischen Fundstellen vor So wurden bei Ausgrabungen im Romerlager Haltern zahlreiche tonernen Geschosse gefundenen Die meisten derartigen Funde stammen aus der Verfullung der Lagergraben Dieser Befund wird dahingehend interpretiert dass die Projektile von den germanischen Eroberern ins Lager geschleudert worden sein Eine andere Interpretation weist die Tongeschosse den Treverern zu die als Hilfstruppen in Haltern stationiert waren Bekannt ist den Einsatz von Tonprojektilen auch bei den Nerviern Casar berichtet das die Nervier bei einem Angriff auf das Winterlager Quintus Tullius Ciceros gluhende Schleudergeschosse aus Ton einsetzten mit denen sie Stroh gedeckten Lagerhutten in Brand setzten 18 In Westfalen gefundene eisenzeitliche Schleuderprojektile aus Ton sind in Form und Grosse recht einheitlich 19 Sie sind gewohnlich eiformig bis bikonisch ca 4 Zentimeter lang und weisen einen Durchmesser von 2 5 bis 3 Zentimetern und einen durchschnittliches Gewicht von 28 Gramm auf Eine Besonderheit sind wesentlich kleinere Projektile die bei Ausgrabungen einer eisenzeitlichen Siedlung von Hamm gefunden wurden Diese haben eine Lange von 3 Zentimetern und einen Durchmesser von 2 1 Zentimetern Moglicherweise wurden diese kleineren Geschosse zur Jagd auf Vogel oder kleinere Saugetiere in der Weise von Schrot verwendet 20 Wirkungsweise BearbeitenSchleudergeschosse aus Blei sind denen aus Stein oder Ton uberlegen Versuche haben gezeigt dass bei einem Abwurfwinkel von 40 und einer Wurfgeschwindigkeit von 75 Meter Sekunde Weiten von 352 Meter erreicht werden konnen 21 Der Energieverlust betragt 58 Steingeschosse kommen auf nur etwa 232 Meter bei einem Verlust von 77 Tongeschosse erreichen nur 200 Meter bei 81 Verlust Militarisch gesehen sind Stein und Tongeschosse wohl auf weite Distanzen uneffektiv Naturlich steigen bei grosserer Entfernung die Flugdauer des Geschosses und der Windwiderstand wohingegen die Zielgenauigkeit abnimmt Fur einen gezielten Abwurf ist eine gestreckte rasante Flugbahn vonnoten Eine solche Flugbahn erlangt man bei einem Abwurfwinkel von 10 Mit einem Bleigeschoss kann man so auf eine ungefahre Entfernung von 150 Meter kommen Vermutlich lag die militarisch effektive Entfernung von Handschleudern bei etwa 100 Meter Der effektivste Wirkbereich scheint zwischen 30 und 60 Meter gelegen zu haben Einerseits war bei dieser Entfernung eine hohe Treffsicherheit gegeben und andererseits ein geringer Verlust an Energie Somit konnte hier maximaler Schaden erreicht werden Dennoch zeigen die Versuche von Baatz dass Bleiglandes auf bis zu 200 Meter wirksam sind allerdings nicht mehr treffgenau Der romische Arzt Aulus Cornelius Celsus beschrieb medizinische Techniken um Schleudergeschosse aus dem Korper eines Getroffenen zu entfernen 22 Literatur BearbeitenVladilen A Anochin Renate Rolle Griechische Schleuderbleie von den Mauern vor Olbia In Renate Rolle Karin Schmidt Hrsg Archaologische Studien in Kontaktzonen der antiken Welt Vandenhoeck amp Ruprecht Gottingen 1998 ISBN 3 525 86278 4 Veroffentlichung der Joachim Jungius Gesellschaft der Wissenschaften 87 S 837 848 Dietwulf Baatz Schleudergeschosse aus Blei Eine waffentechnische Untersuchung In Saalburg Jahrbuch 45 1990 ISSN 0080 5157 S 59 67 A V A J Bosman Pouring lead in the pouring rain Making slingshot under battle conditions In Journal of Roman Military Equipment Studies 6 1995 ISSN 0961 3684 S 99 103 Michel Feugere Les Armes des Romains Errance Paris 1993 ISBN 2 87772 077 2 Collection des Hesperides Michel Feugere L equipement militaire d epoque republicaine en Gaule In Journal of Roman Military Equipment Studies 5 1994 ISSN 0961 3684 S 3 23 W B Griffith The sling and its place in the Roman Imperial Army Proceedings of the Fifth Roman Military Equipment Conference In Carol van Driel Murray Hrsg Roman Military Equipment The sources of evidence BAR Oxford 1989 ISBN 0 86054 613 6 British archaeological reports International series 476 S 255 279 Martin Grunewald Alexandra Richter Zeugen Caesars schwerster Schlacht Beschriftete andalusische Schleuderbleie aus der Zeit des Zweiten Punischen Krieges und der Kampagne von Munda In Zeitschrift fur Papyrologie und Epigraphik Bd 157 2006 S 261 269 A V M Hubrecht The use of the sling in the Balearic Islands In Bulletin Antieke Beschaving 39 1964 ZDB ID 215359 2 S 92 93 Hans Peter Isler Glandes Schleudergeschosse aus den Grabungen auf dem Monte Iato In Archaologischer Anzeiger 1994 239 254 Manfred Korfmann Schleuder und Bogen in Sudwestasien Von den fruhesten Belegen bis zum Beginn der historischen Stadtstaaten Habelt Bonn 1972 ISBN 3 7749 1227 0 Antiquita Reihe 3 Abhandlungen zur Vor und Fruhgeschichte zur klassischen und provinzial romischen Archaologie und zur Geschichte des Altertums 13 zugleich Frankfurt am Main Univ Diss 1971 G D Stiebel You were the word of war A sling shot testimony from Israel In Journal of Roman Military Equipment Studies Bd 8 1997 ISSN 0961 3684 S 301 307 Thomas Volling Funditores im romischen Heer In Saalburg Jahrbuch Bd 45 1990 ISSN 0080 5157 S 24 58 Wieland Wienkamper Neue Munition fur eine alte Waffe Schleudergeschosse aus gebranntem Ton In Eva Cichy Jurgen Gaffrey Manuel Zeiler Westfalen in der Eisenzeit Philipp von Zabern Darmstadt 2015 ISBN 978 3 8053 4918 5 S 72 73 Karl Zangemeister Glandes Plumbeae Latine Inscriptae Instituto Berolini Rom 1885 Ephemeris epigraphica 6 ZDB ID 216379 2 Weblinks Bearbeiten81 Schleuderbleie aus Haltern Artikel bei archaeologie online deEinzelnachweise Bearbeiten Strabon 8 3 Plinius naturalis historia 7 57 Bernard M Henry La fronde en Italie du VIIe siecle av J C a l Empire Romain 2 Bd Paris 1971 S 3 Clive Foss A bullet of Tissaphernes In Journal of Hellenic Studies Bd 95 1975 S 26 f Thukydides 6 22 25 43 Clive Foss A bullet of Tissaphernes In Journal of Hellenic Studies Bd 95 1975 S 25 ff Anm 12 Silius Italicus 7 521 ff Caesar Commentarii de bello Gallico 7 81 4 Volling 1990 S 34 nach Volling 1990 S 34 Bosman 1995 S 99 Artikel uber die Burnswark Hill Ausgrabungen bei Live Science engl Ephraim Stern Dor ruler of the seas Israel Exploration Society Jerusalem 2000 41 40 v Chr Marcus Antonius gegen Octavian CIL 130 133 Pseudo Caesar bellum Hispaniense 13 Im Originaltext Pet e culum Octavia ni CIL I 682 die Textteile in eckiger Klammer sind erganzt Grunewald Richter 2006 S 261 269 Caesar Commentarii de bello Gallico 5 43 1 Wienkamper 2015 S 72 Wienkamper 2015 S 72f Baatz 1990 S 60 f Celsus De medicina 7 Siehe die folgende englische Ubersetzung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schleuderblei amp oldid 239543223