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Die Schechina hebraisch ש כ ינ ה sechinah ist in der judischen Religion die Einwohnung oder Wohnstatt Gottes in Israel die als Inbegriff der Gegenwart Gottes bei seinem Volk verstanden werden kann Zu den Nebenbedeutungen des Begriffes gehoren Ruhe Gluck Heiligkeit oder Frieden immer als Merkmale die den Wirkungskreis der Gegenwart Gottes charakterisieren und fur die Menschen spurbar werden lassen Inhaltsverzeichnis 1 Ursprung und Bedeutung 1 1 Rabbinische Tradition 2 Kabbala und Chassidismus 2 1 Bahir 2 2 Zohar 2 3 Lurianische Kabbala 2 4 Lecha Dodi 2 5 Chassidische Tradition 3 Christliche Mystik 4 Islamische Verwendung des Begriffes 5 Zusammenfassender Ausblick 6 Ausgewahlte Literatur 7 Weblinks 8 EinzelnachweiseUrsprung und Bedeutung BearbeitenDie Vorgeschichte dieses Begriffs und der damit verbundenen theologischen Konzeption von Gottes Heimstatte auf Erden die erst spater in der rabbinischen Literatur zu einem zentralen Topos des Judentums wurde reicht in die persisch hellenistische Zeit zuruck Zwar kommt das Substantiv schechina selbst im Tanach nicht vor die Wurzel ist allerdings haufig anzutreffen insbesondere in dem Verb schachan שכן wohnen zelten und dem Substantiv mischkan משכן Wohnsitz Stiftszelt Von seinem Ursprung und seiner Grundbedeutung her weist der Begriff auf die Begegnung des Volkes Israel mit seinem Gott in der Wuste zuruck Gottes Gegenwart manifestiert sich in seinem Zelten mitten unter dem Volk vgl Ex 25 8 9 EU Dementsprechend bestand das erste israelitische Heiligtum aus einem beweglichen Zelt und der darin aufgestellten Bundeslade Die Schechina als Inbegriff der Nahe und Prasenz Gottes ging spater auf den Jerusalemer Tempel und den heiligen Bezirk der Stadt uber Die Wurzel ist auch in dem im Tanach zahlreich erwahnten Eigennamen Schechanjahu oder Schechanja so hiess beispielsweise der Grossvater Elams oder Schekanja enthalten die ebenfalls auf die Bedeutung Einwohnung Gottes hinweisen Esra 8 3 5 10 2 EU Neh 3 29 EU Neh 6 18 EU Neh 12 3 EU 2 Chr 31 15 EU In einigen Texten der Septuaginta wird die Bezeichnung kataskḗnosis kataskhnosis als griechisches Aquivalent der hebraischen Wurzel schin kaf nun שכנ verwendet ein Begriff der in Anlehnung an das Schrifttum der Wustenvater spater in der lateinischen Ubersetzung als Tabernakel tabernaculum auch Eingang in die christliche Architektur und Spiritualitat fand Im Zusammenhang mit der Begrifflichkeit steht daneben das hebraische kavod das in der altgriechischen Bibelubersetzung Septuaginta mit Doxa und in der lateinischen Vulgata entsprechend mit Gloria beide etwa Ruhm Herrlichkeit Gottes wiedergegeben wird Rabbinische Tradition Bearbeiten In der rabbinischen Literatur taucht der Begriff Schechina neben den Ausdrucken ha qadosh baruch hu der Heilige gepriesen sei er shamayim Himmel und ha schem der Name als Bezeichnung JHWHs auf wobei im Fall von Schechina eine besondere Betonung auf dem Anwohnen der gottlichen Macht in Jerusalem inmitten des Volkes Israel liegt Diese Auffassung andert sich im Mittelalter als Saadia Gaon in seinem Werk Ha emunot we ha deot dt Glaubensuberzeugungen und Ideen den Begriff Schechina verwendet um das Problem der anthropomorphen Darstellungen Gottes in der Bibel zu losen Er meint alle diese Hinweise bezogen sich auf einen von Gott geschaffenen Engel der bald kavod Glanz Ehre und bald schechina genannt wurde Im elften und zwolften Jahrhundert erfahrt dieses Konzept wiederum eine Erweiterung indem z B Abraham ibn Esra sie als direkt aus Gott emanierte gottliche Kraft auffasst Eine besondere Betonung der Weiblichkeit dieses Konzeptes liegt jedoch in all diesen rabbinischen Konzeptionen noch nicht vor Kabbala und Chassidismus BearbeitenBahir Bearbeiten Der Sefer ha Bahir erstmals im 12 Jhd in Sudfrankreich veroffentlicht ist das erste Werk das die Schechina in einem weiblichen Kontext erwahnt indem es sie als Frau Braut und Tochter der mannlichen Kraft beschreibt Ubernommen wird dieses Bild von Abraham Abulafia und anderen Kabbalisten aus Gerona und Kastilien Gershom Scholem deutete die Idee einer weiblichen Schechina als Manifestation einer gnostisch dualistischen Vorstellung in der fruhen Kabbala die seit der Antike im Verborgenen ruhte und erst im Mittelalter an die Oberflache tritt Neuere Forschungen betrachten diese Wendung eher als Ubernahme der Madonnenverehrung des Christentums die im 12 Jahrhundert ihren Hohepunkt fand allerdings kann diese Herleitung ebenso wenig wie die Gnosis These Scholems anhand von Textfunden bewiesen werden Eine dritte Hypothese geht davon aus dass es sich hierbei um eine eigene Schopfung des Verfassers des Bahir handelt wofur auch textimmanent hermeneutische Argumente angefuhrt werden konnen Zohar Bearbeiten Im Zohar werden die Funktionen der Schechina schliesslich in grosser Ausfuhrlichkeit beschrieben und das Bestreben mit ihr in geistige Beruhrung zu kommen bildet einen Hauptbestandteil kabbalistischer Rituale Sie steht als niedrigste Sefira den Leiden des Volkes Israel am nachsten befindet sich wie dieses im Exil und ist am starksten den Kraften des Bosen ausgesetzt die sich ihrer weiblichen Schwache bedienen um Macht uber sie zu gewinnen und sie von der Sefira Tif eret wegziehen wollen Durch das kabbalistische Ritual soll die Wiedervereinigung mit ihrem Mann erwirkt werden 1 Lurianische Kabbala Bearbeiten In der Vorstellung des Kreises um Isaak Luria entsteht die Schopfung aus gottlichen Kontraktionen und Stromungen In der lurianischen Darstellung eines aus Sefirot bestehenden Urbildes des Menschen Adam Qadmon geht aus der letzten Sefira die untere Welt hervor Diese Sefira wird Schechina genannt auch Malchut was Konigreich oder Herrlichkeit bedeutet Funken der Schechina also gottliche Funken sind bei der Schopfung in die Welt gefallen Dabei wird die Schechina der weiblichen Sphare zugeordnet und als erganzende weibliche Dimension Gottes begriffen was sich bspw im Bild der Braut aussert Das Brautmotiv stellt metaphorisch die Gemeinschaft zwischen der Schechina und Gott dar also die Einheit zwischen dem fur menschliche Begriffe unfassbaren Gott im Himmel und seiner Vergegenwartigung in der Welt Lecha Dodi Bearbeiten Das akrostische Gebet Lecha Dodi dessen Anfangsbuchstaben auf den Verfasser Schlomo Alkabez einen Schuler aus dem kabbalistischen Kreis von Isaak Luria hinweisen gehort bis heute zur Liturgie am Vorabend des Schabbats Das Gebet mit der Anfangszeile Geh mein Geliebter der Braut entgegen ist als Jubel uber die Heimkehr der Braut identifiziert mit dem Schabbat bzw der Schechina in messianischer Zeit konzipiert Chassidische Tradition Bearbeiten Im Chassidismus konnen die Menschen eine aktive Rolle bei der Erlosung spielen indem sie die Funken der Schechina einsammeln Die Chassidim gehen von gottlicher Immanenz in der Welt aus Christliche Mystik BearbeitenIn christlichen Interpretationen des kabbalistischen Lebensbaums Sephiroth findet uber die Weisheitstradition eine Gleichsetzung nicht nur von Malchut Gottesreich und Schechina sondern auch von Chokhma hebraisch bzw Sophia griechisch Weisheit und Schechina statt In seinen mystischen Abhandlungen schildert Jakob Bohme die personifizierte Weisheit Jesu Christi und beschreibt die Gemeinschaft zwischen der Weisheit und dem Menschen als Erleuchtungserfahrung Die Erlosung durch Jesus Christus wird in der Begegnung des Menschen mit dieser Weisheit im Hier und Jetzt vergegenwartigt Schechina und Sophia konnen zwar nicht per se gleichgesetzt werden personifizieren aber beide die weibliche Dimension Gottes die sowohl der Schopfung als auch der Erlosung innewohnt Beide Vorstellungen sind auch mit messianischen Erwartungen verbunden die der Christ in Jesus Christus erfullt sieht Besonders Friedrich Christoph Oetinger zogen die messianischen Tendenzen der Kabbala an Islamische Verwendung des Begriffes BearbeitenMit Sakina kennt auch der Islam einen sprachlich und inhaltlich eng verwandten Begriff der ebenfalls die Gegenwart Allahs und den damit verbundenen gluckseligen und friedlichen Seelenzustand bezeichnet Zusammenfassender Ausblick BearbeitenDie Schechina bezeichnet die Gegenwart Gottes in der Welt also seine Immanenz Die Schechina tragt verschiedene Namen z B die hier erwahnten Malchut und Schabbath Sie bietet Anknupfungspunkte fur das interreligiose okumenische Gesprach Ihre Vorstellung als eine weibliche gottliche Dimension bietet auch Anknupfungspunkte fur die feministische Theologie Aufgrund mancher tradierter negativer Beschreibung von weiblichen Aspekten ergeben sich daraus auch Ansatze zur Kritik Beispiele zur Kritik an der kabbalistischen Tradition sind die Vorstellung der Passivitat des Weiblichen oder die Vorstellung dass alles Bose aus dem Weiblichen entspringt Das Gesamtkonzept zielt auf kosmisches Gleichgewicht Die Idee der Einheit von Ursprung und Ziel ist schon platonisch und findet sich auch in Gnosis und Gnostizismus Ausgewahlte Literatur BearbeitenJ Abelson The Immanence of God in Rabbinical Literature Macmillan London 1912 Reprint Hermon Press New York NY 1969 Ariel Bension The Zohar in Moslem and Christian Spain George Routledge and Sons London 1932 Reprint Hermon Press New York NY 1974 ISBN 0 87203 046 6 Ernst Benz Die christliche Kabbala Ein Stiefkind der Theologie Albae vigiliae NF Bd 18 Rhein Verlag Zurich 1958 Moses Cordovero The Palm Tree of Deborah Translated from the Hebrew with an introduction and notes by Louis Jacobs Vallentine Mitchell London 1960 Joseph Dan Die Kabbalah Eine kleine Einfuhrung Reclams Universal Bibliothek 18451 Reclam Stuttgart 2007 ISBN 978 3 15 018451 6 Arnold M Goldberg Untersuchungen uber die Vorstellung von der Schekhinah in der fruhen rabbinischen Literatur Talmud und Midrasch Studia Judaica Bd 5 ISSN 0585 5306 de Gruyter Berlin 1969 Zugleich Freiburg Breisgau Univ Habil Schr 1965 Jurgen Moltmann Gott in der Schopfung Okologische Schopfungslehre Systematische Beitrage zur Theologie Bd 2 Kaiser Munchen 1985 ISBN 3 459 01590 X Ernst Muller Hrsg Der Sohar Das heilige Buch der Kabbala Diederichs gelbe Reihe Judaica Bd 35 5 Auflage Diederichs Munchen 1991 ISBN 3 424 00695 5 Pnina Nave Levinson Einfuhrung in die rabbinische Theologie 2 unveranderte Auflage Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 1987 ISBN 3 534 08558 2 Judith Plaskow Feministischer Antijudaismus und der christliche Gott In Kirche und Israel Jg 5 Nr 1 1990 ISSN 0179 7239 S 9 25 Peter Porzig Schechina In Michaela Bauks Klaus Koenen Stefan Alkier Hrsg Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet WiBiLex Stuttgart 2006 ff Gershom Scholem Zur Entwicklungsgeschichte der kabbalistischen Konzeption der Schechinah In Eranos Jahrbuch Jg 21 1952 S 45 107 Gershom Scholem Schechinah Das passiv weibliche Moment in der Gottheit In Ders Von der mystischen Gestalt der Gottheit Studien zu Grundbegriffen der Kabbala Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 209 Suhrkamp Frankfurt am Main 1977 ISBN 3 518 07809 7 Clemens Thoma Die Sekina und der Christus In Judaica Bd 40 1984 S 237 247 Weblinks Bearbeiten nbsp Wiktionary Schechina Bedeutungserklarungen Wortherkunft Synonyme UbersetzungenEinzelnachweise Bearbeiten Joseph Dan Die Kabbala Reclam Stuttgart 2007 S 65f Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schechina amp oldid 214127480