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Die Schatztheorie ist neben der Testtheorie ein zentrales Gebiet der induktiven Statistik Sie befasst sich zum einen mit der Frage Schatzfunktionen fur unbekannte Parameter einer Grundgesamtheit zu entwickeln Zum anderen mochte sie aber auch Qualitatsaussagen uber die entwickelten Schatzfunktionen machen Siehe auch statistische Inferenz Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegende Modellierung 2 Methoden der Schatzfunktionengewinnung 3 Qualitatskriterien fur Schatzer 3 1 Effizienz 3 2 Erwartungstreue 3 3 Konsistenz 3 4 Suffizienz 4 Zentrale Aussagen 5 Punktschatzung als Entscheidungsproblem 6 LiteraturGrundlegende Modellierung BearbeitenZugrunde liegt der Schatztheorie ein statistisches Modell X A P ϑ ϑ 8 displaystyle mathcal X mathcal A P vartheta vartheta in Theta Dabei enthalt X displaystyle mathcal X alle moglichen Werte welche die Stichprobe annehmen kann A displaystyle mathcal A alle Mengen denen man eine Wahrscheinlichkeit zuordnen will P ϑ ϑ 8 displaystyle P vartheta vartheta in Theta alle Wahrscheinlichkeitsmasse auf X A displaystyle mathcal X mathcal A die man fur moglich oder relevant erachtet Des Weiteren ist eine Funktion g 8 E displaystyle g colon Theta to E gegeben die jedem Wahrscheinlichkeitsmass P ϑ displaystyle P vartheta aufgrund seines Index ϑ displaystyle vartheta den zu schatzenden Wert beispielsweise einen Verteilungsparameter oder eine Grosse aus der ein solcher berechnet werden kann zuweist Meist handelt es sich hier um Erwartungswert Varianz oder Median dann ist E R displaystyle E mathbb R Im Falle eines parametrischen statistischen Modells heisst diese Funktion ParameterfunktionEin Punktschatzer oder einfach Schatzer ist dann eine Funktion T X A E E displaystyle T colon mathcal X mathcal A to E mathcal E fur einen Entscheidungsraum E E displaystyle E mathcal E Sie ordnet jeder Stichprobe x X displaystyle x in mathcal X einen geschatzten Wert fur den zu schatzenden Wert zu Hier ist wieder am haufigsten E E R B R displaystyle E mathcal E mathbb R mathcal B mathbb R oder entsprechende Teilmengen oder hoherdimensionale Aquivalente Bei dieser Schatzung ist das zugrunde liegende Wahrscheinlichkeitsmass P ϑ displaystyle P vartheta unbekannt Allerdings sind die Stichproben gemass diesem Wahrscheinlichkeitsmass verteilt und erlauben daher einen Ruckschluss auf gewisse Eigenschaften des Wahrscheinlichkeitsmasses Die Verteilung der Stichproben gemass einem Wahrscheinlichkeitsmass wird dadurch formalisiert das man sie als Realisierung einer Zufallsvariable X displaystyle X mit Verteilung P ϑ displaystyle P vartheta schreibt So bezeichnet T X displaystyle T X die Zufallsvariable die entsteht wenn die Stichprobe selbst als Zufallsvariable angesehen wird Analog bezeichnet dann T x displaystyle T x die Auswertung der Realisierung x displaystyle x der Zufallsvariable X displaystyle X T X displaystyle T X ist eine Funktion T x displaystyle T x eine Auswertung dieser Funktion an der Stelle x displaystyle x Methoden der Schatzfunktionengewinnung Bearbeiten Hauptartikel Schatzmethode Statistik Man geht aus von Stichprobenvariablen X i displaystyle X i also von Zufallsvariablen deren Verteilung die Wahrscheinlichkeit angibt welche Merkmalsauspragung fur diskrete Daten bzw welcher Bereich von Merkmalsauspragungen fur stetige Daten fur die i displaystyle i te Beobachtung einer Stichprobe auftreten In der Verteilung der Stichprobenvariablen treten die gesuchten Parameter der Grundgesamtheit auf Im Laufe der Zeit sind verschiedene Methoden zur Gewinnung von Schatzfunktionen entwickelt worden z B die Maximum Likelihood Methode die Methode der kleinsten Quadrate die Momentenmethode oder das Substitutionsprinzip Die Schatzfunktionen und deren Verteilung sind dann Grundlage von Punktschatzern und Intervallschatzern Konfidenzintervalle Qualitatskriterien fur Schatzer BearbeitenDie Qualitat bzw Gute eines Punktschatzers wird nach unterschiedlichen Kriterien bemessen Dabei lassen sich zwei verschiedene Klassen von Gutekriterien unterscheiden Kriterien die einen direkten Vergleich im Sinne von besser schlechter zwischen Schatzern zulassen Einschrankungen auf Klassen von Schatzern die gewisse wunschenswerte strukturelle Eigenschaften aufweisen Zu den ersteren gehoren beispielsweise die Effizienz und der mittlere quadratische Fehler zu den zweiten die Suffizienz Die klassischen Gutekriterien der Schatztheorie sind Effizienz Erwartungstreue Konsistenz und Suffizienz Effizienz Bearbeiten Hauptartikel Effizienz Statistik Die Gute eines Schatzers wird meist uber seinen mittleren quadratischen Fehler MSE T ϑ E ϑ T g ϑ 2 displaystyle operatorname MSE T vartheta operatorname E vartheta left left T g vartheta right 2 right definiert Dabei werden grossere Abweichungen von der zu schatzenden Funktion durch das Quadrat starker gewichtet Ein Schatzer T displaystyle T heisst dann effizienter als S displaystyle S wenn MSE T ϑ MSE S ϑ f u r a l l e ϑ 8 displaystyle operatorname MSE T vartheta leq operatorname MSE S vartheta quad mathrm f ddot u r alle vartheta in Theta Im erwartungstreuen Fall reduziert sich dies zu Var ϑ T Var ϑ S f u r a l l e ϑ 8 displaystyle operatorname Var vartheta T leq operatorname Var vartheta S quad mathrm f ddot u r alle vartheta in Theta Gesucht werden meist absolut effiziente Schatzer also solche die effizienter sind als jeder weitere Schatzer in einer vorgegebenen Menge Unter relativ milden Annahmen an eine Schatzfunktion sichert die Cramer Rao Ungleichung eine untere Schranke fur die Varianz von erwartungstreuen Schatzfunktionen fur ein Schatzproblem zu Hat man eine Schatzfunktion mit dieser Varianz gefunden kann es keine effizientere Schatzfunktion mehr geben Erwartungstreue Bearbeiten Hauptartikel Erwartungstreue Ein erwartungstreuer Schatzer trifft im Mittel immer den zu schatzenden Wert es gilt also E ϑ T g ϑ f u r a l l e ϑ 8 displaystyle operatorname E vartheta T g vartheta quad mathrm f ddot u r alle vartheta in Theta Ist ein Schatzer nicht erwartungstreu so nennt man ihn verzerrt Eine Abschwachung der Erwartungstreue ist die asymptotische Erwartungstreue Bei ihr gilt die Erwartungstreue erst im Grenzwert Eine Verallgemeinerung der Erwartungstreue ist die L Unverfalschtheit sie enthalt neben der Erwartungstreue auch noch die Median Unverfalschtheit als Spezialfall Konsistenz Bearbeiten Hauptartikel Konsistente Schatzfolge Die Konsistenz ist ein asymptotisches Gutekriterium und formalisiert dass fur grosse Stichproben die Wahrscheinlichkeit dass der geschatzte Wert von dem zu schatzenden Wert abweicht sehr klein werden soll Es soll also gelten lim n P T n g ϑ gt e 0 displaystyle lim n to infty P T n g vartheta gt varepsilon 0 Es existieren unterschiedliche Versionen des Konsistenzbegriffes welche sich durch die verwendeten Konvergenzarten unterscheiden Suffizienz Bearbeiten Hauptartikel Suffiziente Statistik Die Suffizienz formalisiert dass alle fur die Schatzung relevanten Informationen beachtet werden Man unterscheidet in suffiziente Statistiken die alle Daten von Relevanz ubertragen und suffiziente s Algebren die alle relevanten Daten enthalten Eine Verscharfung der Suffizienz ist die Minimalsuffizienz sie beschaftigt sich mit der Frage wie sehr Daten komprimiert werden konnen ohne dass Informationsverlust auftritt Ihre Bedeutung erlangt die Suffizienz unter anderem durch den Satz von Rao Blackwell Dieser besagt dass optimale Schatzer immer in der Klasse der suffizienten Schatzer zu finden sind Zentrale Aussagen Bearbeiten Illustration der Cramer Rao Schranke es gibt keinen unberuhrten Schatzer welcher den 2 dimensionalen Parameter mit niedrigerer Varianz schatzt als die Cramer Rao Schranke welche als Standardabweichungs Ellipse dargestellt istZu den zentralen Aussagen der Schatztheorie gehoren Der Satz von Rao Blackwell Er liefert zu einem vorgegebenen Punktschatzer eine Modifikation dieses Schatzers mit geringerer Varianz Der Satz von Lehmann Scheffe Er beschreibt aufbauend auf dem Satz von Rao Backwell die Struktur gleichmassig bester erwartungstreuer Schatzer Analog dazu beschreibt der Satz von Barankin und Stein die Struktur lokal minimaler Schatzer Die Cramer Rao Ungleichung Sie liefert in regularen statistischen Modellen eine untere Schranke fur die Varianz von erwartungstreuen Schatzern Eine Spezialisierung ist die Chapman Robbins Ungleichung sie liefert bei Grenzubergang eine punktweise Version der Cramer Rao Ungleichung Punktschatzung als Entscheidungsproblem BearbeitenViele Optimalitats und Reduktionsprinzipien der Schatztheorie lassen sich im Rahmen der Entscheidungstheorie sinnvoll in ein statistisches Entscheidungsproblem einordnen und miteinander vergleichen Grundlage des statistischen Entscheidungsproblems ist wie in der Schatztheorie ein statistisches Modell E X A P ϑ ϑ 8 displaystyle mathcal E mathcal X mathcal A P vartheta vartheta in Theta sowie ein Entscheidungsraum E E displaystyle E mathcal E Entscheidungsfunktionen sind dann genau die Punktschatzer S X A E E displaystyle S mathcal X mathcal A to E mathcal E Ist nun g 8 E displaystyle g Theta to E eine zu schatzende Funktion im parametrischen Fall Parameterfunktion genannt so lassen sich verschiedene Verlustfunktionen L 8 E 0 displaystyle L Theta times E to 0 infty definieren Typische Verlustfunktionen sind der Gauss Verlust L 2 ϑ e e g ϑ 2 displaystyle L 2 vartheta e Vert e g vartheta Vert 2 der Laplace Verlust L 1 ϑ e e g ϑ displaystyle L 1 vartheta e Vert e g vartheta Vert eine Einschrankung auf konvexe Verlustfunktionen L e g ϑ displaystyle L e g vartheta Die zum Gauss Verlust zugehorige Risikofunktion ist dann der mittlere quadratische Fehler die zum Laplace Verlust gehorende Risikofunktion der mittlere betragliche Fehler Statistisches Modell zu schatzende Funktion Entscheidungsraum und Verlustfunktion werden dann zu einem Schatzproblem zusammengefasst Typische Reduktionskriterien sind Suffizienz Der Satz von Rao Blackwell liefert nun dass fur alle konvexen Verlustfunktionen und somit auch fur den Laplace und Gauss Verlust die Bedingung auf suffiziente Schatzer immer mit einer gleichmassigen Verminderung des Risikos einhergeht und begrundet somit die Einschrankung der Suche von Elementen minimalen Risikos auf suffiziente Schatzer L Unverfalschtheit Pragmatisch motiviert ist die Einschrankung auf L unverfalschte Schatzer Diese weisen keinen systematischen Fehler auf Spezialfallen sind Erwartungstreue Gauss Verlust und Median Unverfalschtheit Laplace Verlust Fur die Erwartungstreue reduziert sich dann das Risiko eines Schatzers auf seine Varianz So sind dann beispielsweise die zulassigen Entscheidungsfunktionen bezuglich des Gauss Verlustes in der Menge der erwartungstreuen Schatzer genau die gleichmassig besten erwartungstreuen Schatzer und ein Schatzer ist genau dann relativ effizienter als ein weiterer Schatzer wenn sein Risiko stets kleiner ist als das des zweiten Schatzers Literatur BearbeitenLudger Ruschendorf Mathematische Statistik Springer Verlag Berlin Heidelberg 2014 ISBN 978 3 642 41996 6 doi 10 1007 978 3 642 41997 3 Claudia Czado Thorsten Schmidt Mathematische Statistik Springer Verlag Berlin Heidelberg 2011 ISBN 978 3 642 17260 1 doi 10 1007 978 3 642 17261 8 J Hartung B Elpelt K H Klosener Statistik Oldenbourg Munchen Wien 1995 ISBN 3 486 23387 4 H Pruscha Vorlesungen uber Mathematische Statistik B G Teubner Stuttgart 2000 ISBN 3 519 02393 8 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Schatztheorie amp oldid 234033431