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Unter Quadratnotation versteht man in der Geschichte der Notenschrift die letzte Entwicklungsstufe der Tonhohen anzeigenden diastematischen Neumen vor der Einfuhrung der zusatzlich die Tonlangen anzeigenden Modalnotation die vorwiegend fur den Gregorianischen Choral Verwendung findet Die rhythmische Differenzierung ist bei der ursprunglichen Quadratnotation immer angedeutet Seit dem Beginn der Restitution um die Mitte des 19 Jahrhunderts wurden der Quadratnotation Zeichen fur Dehnungen und Tonverlangerungen hinzugefugt die den Rhythmus besser differenzieren Neographie Der Introitus Nos autem im 4 Ton mit der farbig ausgestalteten Initiale N in handschriftlicher Quadratnotation mit Notenschlussel sowohl in C als auch in F am Beginn der Zeilen und Custodes am Ende der Zeilen Die lateinischen Textangaben oben rechts beziehen sich auf die Verwendung fur das Proprium vom 3 Mai an dem das Fest der Kreuzauffindung in roter Schrift In inventione sanctae crucis gefeiert wurde Inhaltsverzeichnis 1 Entwicklung 2 Beschreibung 2 1 Neumenlinien 2 2 Asteriscus 2 3 Einzeltonneumen 2 4 Mehrtonneumen 2 5 Alteration 2 6 Custos 2 7 Dehnungszeichen 2 8 Pausae 3 Digitaler Satz 4 Literatur 5 AnmerkungenEntwicklung BearbeitenQuadratnoten haben ihren Namen von der vorwiegend quadratischen Form der Notenzeichen durch die Benutzung von Federkielen Quadrate und Rauten waren damit einfacher zu schreiben als Kreise oder andere Formen Alternativ entstand die durch schrag gestellte Federn hergestellte Hufnagelnotation mit Rauten als Notenkopfen Ihren Ursprung hat die Quadratnotation in der Erfindung der horizontalen Neumenlinien und der Notenschlussel durch Guido von Arezzo in der ersten Halfte des 11 Jahrhunderts Mit diesem Notationssystem war es moglich die Tonhohe einzelner Tone zu beschreiben und somit auch die Tonintervalle festzulegen Die ursprungliche Quadratnotation enthalt jedoch kaum Angaben zur Lange der Tone so dass die Interpretation der Gesange haufig mensuralistisch oder zeitweise sogar aqualistisch war Diese Interpretationsformen gelten jedoch heute als veraltet die reiche Rhythmisierung in den adiastematischen Neumensystemen wie sie in verschiedenen damals grosstenteils noch nicht publizierten Handschriften zu finden sind stehen dem entgegen Die heute in der Kirchenmusik verbreiteten romischen Choralneumen wurden im 19 Jahrhundert standardisiert nach dem Vorbild der seit dem Ende des 12 Jahrhunderts ublichen Quadratneumen wie sie zum Beispiel in der abgebildeten Jenaer Liederhandschrift zu finden sind In den modernen liturgischen Chorbuchern wird bewusst die alte Notation verwendet In neueren Veroffentlichungen werden die Quadratneumen teilweise auch in der Notation der weiterentwickelten Neographie wiedergegeben die eine bessere Differenzierung der Rhythmen erkennen lasst In einer leicht modernisierten Abwandlung werden die quadratischen Neumen noch heute in der katholischen Liturgie in den entsprechenden Choralbuchern des Gregorianischen Chorals verwendet wie zum Beispiel dem Liber Usualis oder dem Graduale Romanum Neuere Choralbucher wie das Graduel neume 1966 das Graduale Triplex 1979 oder das Graduale Novum 2011 zeigen neben der Quadratnotation auch noch adiastematische Neumen die direkt uber oder unter den quadratischen Neumen hinzugefugt sind Die Sanger konnen dann anhand der Quadratneumen die eindeutigen relativen Tonhohen identifizieren und sich anhand der adiastematische Neumen den genauen Rhythmus erschliessen Beschreibung Bearbeiten nbsp Beginn des Kyrie aus dem Ordinarium der elften Choralmesse im 1 Ton mit der Initiale K im gedruckten Notenbild des Graduale RomanumDie Melodie wird von links nach rechts gesungen wobei beim Pes bei dem beide Quadrate ubereinander stehen zuerst der untere Ton gesungen wird Der Text steht mit dem ersten Vokal der jeweiligen Silbe unter der ersten zu dieser Silbe gehorenden Neume Die Melodien sind ublicherweise in einer der acht Kirchentonarten und diatonisch notiert die durch eine entsprechende romische oder arabische Ziffer angegeben wird Der erste Buchstabe des Liedtextes wird haufig als Initiale gesetzt Neumenlinien Bearbeiten In der Quadratnotation werden fur die Notation der Melodien meist vier horizontale Neumenlinien verwendet die vier Tonhohen im Terzabstand festlegen Eine der Neumenlinien wird durch einen Notenschlussel der Tonhohe C oder F zugeordnet Diese Tonhohe ist jedoch nicht absolut sondern beschreibt lediglich einen Ton der uber einem der beiden Halbtone der Tonskala liegt Der Notenschlussel kann auf jeder der vier Linien liegen abhangig von der Tonlage des Stucks Es ist auch moglich dass der Schlussel bei einer neuen Zeile auf einer anderen Linie liegt In einigen Handschriften sind auch beide Notenschlussel gleichzeitig gesetzt Fur Tonhohen die mindestens eine Terz hoher als die oberste Neumenlinie oder mindestens eine Terz tiefer als die unterste Neumenlinie liegen werden Hilfslinien eingesetzt Notenschlussel in der Quadratnotation nbsp C Schlussel nbsp F SchlusselAsteriscus Bearbeiten nbsp AsteriscusEin Asteriscus Sternchen im Text zeigt an an welcher Stelle die Choralschola in den durch einen einzelnen oder mehrere Kantoren begonnenen Versgesang einstimmt Einzeltonneumen Bearbeiten Die einfachste Einzeltonneume ist das Punctum Eine Neume mit vertikalem Notenhals rechts an der Quadratneume wird Virga genannt Eine Sonderstellung unter den Einzeltonneumen nimmt das Quilisma ein das gezackt dargestellt und ublicherweise als leichte Durchgangsnote oder mit einem leichten Vibrato gesungen wird und in der Regel im Zusammenhang mit einem Pes auftaucht Bei bestimmten Dreifachtonneumen beispielsweise beim Climacus wird das quadratische Punctum um 45 auf die Seite geneigt so dass das rautenformige Punctum inclinatum entsteht Einzeltonneumen nbsp Punctum nbsp Punctum inclinatum nbsp Virga nbsp QuilismaMehrtonneumen Bearbeiten Fur Silbenfolgen bei denen die erste mit einem Konsonanten endet und die zweite mit einem Konsonanten beginnt werden oft Liqueszenzen verwendet bei der in der Quadratnotation der letzte Ton der ersten Silbe als kleine Stichnoten dargestellt wird Diese Darstellung soll die Sanger darauf hinweisen die Konsonanten getrennt zu artikulieren was fur deutsche Muttersprachler in der Regel aber keine Probleme darstellt da solche Konsonantenfolgen in der deutschen Sprache haufig sind nbsp Quadratnotation von vier Doppeltonneumen als Ligaturen links oben und unten eine Clivis rechts oben und unten ein Pes nbsp Quadratnotation eines Torculus resupinus flexusMehrere Einzeltonneumen konnen zu verschiedenen Doppeltonneumen und Dreifachtonneumen oder mehrere solcher Gruppenneumen zu Mehrgruppenneumen zusammengesetzt werden Der Torculus resupinus flexus Abbildung siehe rechts ist zum Beispiel aus der Dreifachtonneume Torculus und der Doppeltonneume Clivis Synonym fur Flexa zusammengesetzt Alteration Bearbeiten Der Ton auf der Tonhohe H kann durch die Notation des B molle um einen Halbton nach unten alteriert werden Eine solche Alteration gilt gegebenenfalls fur das gesamte Melisma auf dem entsprechenden Vokal Die Notation des B durum hebt diese Alteration wieder auf Tief und Hochalteration in der Quadratnotation nbsp B molle nbsp B durumCustos Bearbeiten nbsp Custos am Ende der NeumenlinienAm Ende einer Neumenzeile wird haufig ein Custos lat fur Wachter gesetzt der die Tonhohe des ersten Tons der nachsten Zeile angibt Der Custos ist ein Hilfszeichen und besteht aus einer halbierten Neume die nicht gesungen wird sondern dazu gedacht ist dass der Sanger leichter den Anschluss an die erste Neume der nachsten Zeile findet Dehnungszeichen Bearbeiten Dehnungen beziehungsweise Tonverlangerungen konnen durch Morae hinter einer Einzeltonneume und Episeme uber oder unter einer Neume oder Gruppenneume verdeutlicht werden Eine Mora wird durch einen Punkt hinter der Neume angezeigt ein Episem wird durch einen Strich uber oder unter der Neume angezeigt Der Iktus wird durch einen senkrechten Strich angezeigt wird aber als Betonungszeichen heute meist nicht mehr beachtet Beispiele fur Morae in der Quadratnotation bei Einzeltonneumen nbsp Einzeltonneume zwischen den Linien nbsp Einzeltonneume auf der Linie nbsp Punctum inclinatum auf der LinieBeispiele fur Episeme in der Quadratnotation nbsp Episemiertes Punctum nbsp Episemierte Clivis nbsp Episemierter Pes nbsp Episemierter Porrectus nbsp Episemierter TorculusDie Zusatzzeichen wie der Punkt das vertikale und horizontale Episem das Bindezeichen zwischen Noten und das Komma auf der obersten Linie hier nicht gezeigt wurden von den Monchen von Solesmes in ihren sehr verbreiteten Choralausgaben eingetragen In Originalhandschriften der Quadratnotation sind diese Interpretationszeichen nicht vorhanden 1 Pausae Bearbeiten Atemzasuren oder Pausen zur Gliederung des Textes werden durch die Pausae gekennzeichnet Sie sind bei Gesangen die im Original in adiastematischer Schreibweise vorliegen hinzugefugt worden um den Sangern eine bessere Orientierung zu geben Die Pausenzeichen haben keine fest vorgegebene Lange und sind auch nicht in einem Metrum verankert Die pausa finalis steht ublicherweise am Ende eines Verses Pausenzeichen in der Quadratnotation nbsp Pausa minima kleinste Pause nbsp Pausa minor kleine Pause nbsp Pausa maior grosse Pause nbsp Pausa finalis Schlusspause In den Choralbucher in Quadratnotation aus Solesmes werden diese Zeichen auch als Zeichen der Formgliederung angedeutet lateinisch signa interpunctionis beziehungsweise divisio minima minor maior et finalis Digitaler Satz BearbeitenDie Quadratnotation ist nicht der primare Fokus moderner Notensatzprogramme Einige enthalten dennoch Funktionen zum Setzen von Quadratnotation oder sind sogar extra dafur geschrieben Lilypond erlaubt auch den Satz von Quadratnotation und anderen alteren Notationssystemen Dieses Feature wird allerdings nicht weiterentwickelt capella enthalt einen Zeichensatz fur Quadratnotation einschliesslich gebrauchlicher Ligaturen Gregorio ist ein Programm das extra fur diesen Zweck gemacht wurde In Verbindung mit LaTeX bietet es qualitativ hochwertigen Notensatz Zahlreiche Abteien nutzen es fur Veroffentlichungen Gregoire ist ein proprietares WYSIWYG Programm fur die Quadratnotation 2 Literatur BearbeitenLuigi Agustoni Gregorianischer Choral In Hans Musch Hrsg Musik im Gottesdienst Ein Handbuch zur Grundausbildung in der katholischen Kirchenmusik Band 1 Historische Grundlagen Liturgik Liturgiegesang 5 unveranderte Auflage ConBrio Verlags Gesellschaft Regensburg 1994 ISBN 3 930079 21 6 S 199 356 Luigi Agustoni Johannes Berchmans Goschl Einfuhrung in die Interpretation des Gregorianischen Chorals Bosse Musik Paperback 31 3 Bande Band 2 in zwei Teilbanden Bosse Regensburg Band 1 Grundlagen 1987 ISBN 3 7649 2343 1 Band 2 Teilband 1 Asthetik 1991 ISBN 3 7649 2430 6 Band 2 Teilband 2 Asthetik 1991 ISBN 3 7649 2431 4 Eugene Cardine Gregorianische Semiologie La Froidfontaine Solesmes 2003 ISBN 2 85274 049 4 Bernhard K Grobler Einfuhrung in den Gregorianischen Choral 2 uberarbeitete und erganzte Auflage IKS Garamond Jena 2005 ISBN 3 938203 09 9 Stefan Klockner Handbuch Gregorianik Einfuhrung in Geschichte Theorie und Praxis des gregorianischen Chorals ConBrio Regensburg 2009 ISBN 3 940768 04 9 Bruno Stablein Schriftbild der einstimmigen Musik Musik des Mittelalters und der Renaissance Lieferung 4 Musikgeschichte in Bildern Bd 3 Deutscher Verlag fur Musik Leipzig 1975 Anmerkungen Bearbeiten Luigi Agustoni Johannes Berchmans Goschl Einfuhrung in die Interpretation des gregorianischen Chorals Band 1 Grundlagen Bosse Regensburg 1987 S 78 79 Gregoire Online Prasenz des Anbieters abgerufen am 30 Mai 2016 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Quadratnotation amp oldid 217026181