www.wikidata.de-de.nina.az
Der Mensuralismus interpretiert gregorianische Melodien so dass jeder einzelne Ton im Zeitmass siehe auch Mensur einer ganzen Zahl entspricht Eine besondere Form des Mensuralismus ist der Aqualismus bei dem alle Einzeltone dasselbe Zeitmass haben Inhaltsverzeichnis 1 Entstehung 2 Restitution 3 Beispiele 3 1 Text 3 2 Mittelalterliche Handschrift 3 3 Spate Handschrift 3 4 Editio Medicaea 3 5 Choralbuch Anfang 20 Jahrhundert 4 Einzelnachweise 5 LiteraturEntstehung BearbeitenDer Gregorianische Choral wurde in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten nur mundlich tradiert und seine ausschliesslich einstimmigen Melodien konnten ab dem 9 Jahrhundert mittels Neumen festgehalten werden Die Interpretation dieser Gesange orientierte sich sehr an den Texten die gesungen wurden und sie zeigten eine deutliche und vielfaltige rhythmische Differenzierung Einerseits durch die Etablierung der Quadratnotation aber auch durch die Entstehung der mehrstimmigen Musik vom 9 bis zum 14 Jahrhundert ging das Bewusstsein uber die ursprungliche Interpretation des gregorianischen Gesangs zunehmend verloren Ausgehend vom homophonen Organum mit parallelen Intervallen uber die Musik in der Modalnotation im 12 Jahrhundert bis zur Musik in der Mensuralnotation im 13 Jahrhundert wurden die Rhythmen der mehrstimmigen Melodien immer komplexer Die zunehmende Polyphonie machte es aus praktischen Erwagungen erforderlich dass sich alle Einzelstimmen am selben Zeitmass orientieren Die Verwendung von Metren und Takten setzte sich mehr und mehr durch In der Folge gab es fur den Gregorianischen Choral immer mehr Choralbucher wie die von Felice Anerio und Francesco Soriano wahrend der Renaissance bearbeitete Editio Medicaea die mensuralistisch oder sogar aqualistisch ediert waren und die ursprunglichen komplexen Rhythmen der Melodien nicht mehr wiedergaben Restitution BearbeitenErst im 19 Jahrhundert begann die Wiederherstellung der ursprunglichen gregorianischen Melodien In der Editio Vaticana von 1908 waren zunachst viele der originalen Gruppenneumen wieder vorhanden jedoch ohne dass allerdings rhythmische Differenzierungen vollstandig wiedergegeben wurden Da die Details in der Quadratnotation nicht gut darstellbar waren wurde im Jahre 1969 das Graduel neume herausgegeben in dem der Editio Vaticana handschriftliche Neumen hinzugefugt wurden Nach der Herausgabe des Graduale Romanum mit reiner Quadratnotation erfolgte einige Jahre spater dann auch die Veroffentlichung des Graduale Triplex bei dem bei fast allen Gesangen oberhalb und unterhalb der Notenlinien jeweils eine Neumenhandschrift hinzugefugt wurde Beispiele BearbeitenAnhand von schriftlichen Zeugnissen aus verschiedenen Jahrhunderten soll anhand des Introitus Nos autem verdeutlicht werden mit welchen deutlichen Unterschieden der Rhythmus des Gregorianischen Chorals festgehalten wurde Dieser Introitus wurde ursprunglich bei der Feier der Kreuzauffindung und wird heute zu Beginn der Grundonnerstagsliturgie gesungen Text Bearbeiten Der Text lautet in Anlehnung an den Brief des Paulus an die Galater Gal 6 14 VUL Lateinisch DeutschNos autem gloriari oportet in cruce Domini nostri Iesu Christi in quo est salus vita et resurrectio nostra per quem salvati et liberati sumus Fur uns aber gebuhrt es sich dass wir uns des Kreuzes unseres Herrn Jesu Christi ruhmen bei dem unser Heil ist unser Leben und unsere Auferstehung durch den wir erlost und befreit worden sind Mittelalterliche Handschrift Bearbeiten Am Beispiel der Handschrift aus dem Codex Sangallensis 338 1 mit Neumen aus der Mitte des 11 Jahrhunderts stellt sich dieser Choral so dar nbsp Hochmittelalterliche adiastamatische Handschrift aus dem Codex Sangallensis 338 aus der Mitte des 11 Jahrhunderts Die Neumen sind zwar ohne Tonhohen adiastematisch aber rhythmisch sehr differenziert dargestellt und somit auch differenziert interpretierbar Neben allen Gruppenneumen und Episemen konnen insbesondere auch die beiden Tristrophae mit ihrer reperkussiven Singweise erkannt werden Die Pausae sind in alteren Handschriften meist nicht explizit angegeben Das folgende Horbeispiel ist entsprechend dieser Handschrift rhythmisiert source source Spate Handschrift Bearbeiten Eine Pergament Handschrift in Quadratnotation die ungefahr um 1500 hergestellt wurde zeigt den Introitus durch eine nachtragliche Bearbeitung deutlich verstummelt Die zunachst mensuralistische Notation wurde spater offensichtlich nach der durch das Konzil von Trient angestossenen Uberarbeitung des Gregorianischen Chorals und die Herausgabe der Editio Medicaea zu Beginn des 17 Jahrhunderts durch Herauskratzen entfernt was in der Handschrift durch die Unterbrechungen der entsprechenden Notenlinien erkannt werden kann so dass eine aqualistische Darstellung entstand nbsp Spatmittelalterliche Handschrift in Quadratnotation um 1500 Das folgende Horbeispiel ist eine Interpretation dieser nachtraglich aqualistisch gemachten Handschrift source source Editio Medicaea Bearbeiten Auch die 1890 vom Verlag Pustet in Regensburg herausgegebene Editio Medicaea zeigt diese aqualistische Variante dieses Introitus nbsp Editio Medicaea in Quadratnotation von 1890 Choralbuch Anfang 20 Jahrhundert Bearbeiten Die Editio Vaticana von 1908 stellt diesen Introitus bereits mensuralistisch dar nbsp Editio Vaticana in Quadratnotation von 1908 Alle Tonwiederholungen sind wieder vorhanden Nach den ersten Restitutionen wurden in einer inoffiziellen Ausgabe daruber hinaus einige Morae und Episeme hinzugefugt die den Rhythmus zwar besser differenziert darstellen aber immer noch keine Detailunterscheidung der vielen verschiedenen Neumen ermoglichen nbsp Inoffizielle Ausgabe nach der Editio Vaticana mit hinzugefugten DehnungszeichenEinzelnachweise Bearbeiten e codices St Gallen Stiftsbibliothek Codex Sangallensis 338 Auszug von Seite 171Literatur BearbeitenJean Pierre Schmit Die Dekadenz des Gregorianischen Gesanges In Geschichte des Gregorianischen Choralgesanges Paulinus Verlag Trier 1952 Der Rhythmus Die Rhythmusfrage In Dominikus Johner Maurus Pfaff Choralschule 8 Auflage umgearbeitet Friedrich Pustet Regensburg 1956 Bruno Stablein Der Rhythmus des Gregorianischen Chorals Aqualismus und Mensuralismus In Bruno Stablein Musik und Geschichte im Mittelalter Gesammelte Aufsatze Herausgegeben von Horst Brunner und Karlheinz Schlager Kummerle Goppingen 1984 ISBN 3 87452 552 X S 63 101 Goppinger Arbeiten zur Germanistik 344 Franz Caiter Die Rhythmisierung des Gregorianischen Chorals Eine Studie zum Lebenswerk Andre Mocquereaus OSB R G Fischer Frankfurt am Main 1995 ISBN 3 89501 267 X Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mensuralismus amp oldid 217036599