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Pygmaen ist in der griechischen Mythologie die Bezeichnung fur Fabelvolker die angeblich in Afrika oder Asien lebten Als ihr Hauptmerkmal galt ihre sehr geringe Korpergrosse Im Mittelalter wurde die antike Uberlieferung ernst genommen man glaubte an die reale Existenz der Pygmaen Erst in der Fruhen Neuzeit setzte sich die Erkenntnis durch dass es sich um Fabelwesen handelt Inhaltsverzeichnis 1 Begriff 1 1 Antike 1 2 Mittelalter 1 3 Fruhe Neuzeit 2 Literatur 3 AnmerkungenBegriff Bearbeiten Pygmaen ist die Eindeutschung des lateinischen Namens pygmaei der in der Antike aus der altgriechischen Sprache ins Lateinische ubernommen wurde Das altgriechische Wort pygmaῖos pygmaios bedeutet Faustling von der Grosse einer Faust es ist von pygmḗ Faust abgeleitet Als Faustlange war pygmḗ im antiken Griechenland auch ein Langenmass das 18 Fingerbreit entsprach knapp 35 cm Erst im 19 Jahrhundert wurde der ursprunglich mythologische Begriff Pygmaen auf tatsachlich existierende Gesellschaften in Zentralafrika ubertragen deren gemeinsames Merkmal eine relativ geringe Korpergrosse ist Siehe zu diesen Pygmaen Antike Bearbeiten nbsp Ein Pygmae kampft mit einem Kranich Attische rotfigurige Vasenmalerei um 430 v Chr 1 Museo Arqueologico Nacional de EspanaDer Begriff Pygmaen pygmaioi taucht schon in Homers Ilias auf 2 Dort wird nur beilaufig erwahnt dass die Kraniche im Herbst zum Okeanos fliegen und den Pygmaen in erbarmungslosem Kampf den Tod bringen Es gab damals also bereits eine Pygmaensage die Homer als bekannt voraussetzt Diese Sage war in der gesamten Antike popular besonders in der bildenden Kunst Zum Kernbestand der Pygmaensage die in verschiedenen Varianten erzahlt und kunstlerisch gestaltet wurde gehoren folgende Elemente Die Pygmaen werden als nackte oder sehr sparlich bekleidete jedoch Ackerbau treibende Hohlenbewohner am Rande der bewohnten Welt beschrieben Nach Aristoteles lebten sie im sumpfigen Gebiet der Nilquellen nach Ktesias und Megasthenes in Indien Ihre Kampfkraft wird als niedrig bezeichnet was seinen Grund in ihrer geringen Grosse hat Fur diese schwankten die gangigen Annahmen zwischen ca 30 cm und etwas weniger als einem Meter 3 Die Todfeinde der Pygmaen waren nach der Sage die Kraniche gegen die sie alljahrlich auf Leben und Tod kampften und deren Gelege und Nachwuchs sie nach Moglichkeit vernichteten Die Pygmaen waren bewaffnet unterlagen aber meist und wurden von den Kranichen getotet Dieser Kranichkampf Geranomachie hat die Phantasie vieler griechischer etruskischer und romischer Kunstler beschaftigt Er wurde als tragikomisches und unterhaltsames Motiv auf Vasen und Trinkgefassen Wandgemalden und Gemmen dargestellt Man fasste dies als Parodie auf die Heldensage auf Auch Statuetten Reliefs Mosaike und Lampen zeigten Pygmaen 4 In der bildenden Kunst wurden die Pygmaen manchmal als kleine aber normal proportionierte Menschen dargestellt oft aber mit teils grotesk verzerrten Proportionen etwa mit dicken Bauchen Ab dem 5 Jahrhundert v Chr dominierte die unproportionierte Darstellung 5 Der Dichter Ovid erwahnt in seinen Metamorphosen 6 eine Pygmaenmutter die es wagte sich mit der Gottin Juno in einem Wettkampf zu messen nach ihrer Niederlage wurde sie von Juno in einen Kranich verwandelt und musste dann auf der Seite der Kraniche am Kampf gegen ihr Volk teilnehmen Nach einer Version die der Mythograph Antoninus Liberalis uberliefert 7 hiess die schone und stolze Pygmain Oinoe nach ihrer Verwandlung in einen Kranich blieb sie zunachst in der Gegend weil sie sich nicht von ihrem menschlichen Sohn trennen wollte wurde dann aber von den Pygmaen vertrieben und dies war der Anlass zur seither bestehenden Erbfeindschaft zwischen Pygmaen und Kranichen Der Geograph Strabon hielt die Erzahlungen von den Pygmaen fur frei erfunden Er meinte die Dichter hatten nicht aus Unwissenheit Unwahres behauptet sondern nur zum Zweck der Unterhaltung solche Legenden ersonnen 8 Nach seiner Vermutung bildete den Ausgangspunkt der Legendenbildung der kleine Wuchs mancher Tiere im Gebiet sudlich von Agypten der dazu gefuhrt habe dass man sich auch kleinwuchsige menschliche Bewohner jener Region vorstellte Glaubwurdige Berichte von Augenzeugen uber die Pygmaen gebe es nicht 9 Mittelalter Bearbeiten nbsp Ein Pygmae bekampft seine Erzfeinde die Kraniche Abbildung aus der Schedelschen Weltchronik 1493 Im Mittelalter ging man von der antiken Uberlieferung aus man glaubte an die reale Existenz der mythischen Pygmaen In der damals massgeblichen lateinischen Bibelubersetzung der Vulgata kommt die Bezeichnung Pygmaen vor 10 An den spatmittelalterlichen Universitaten wurde daruber debattiert ob die Pygmaen Menschen sind oder ob es sich um eine besondere Affenart handelt gewissermassen eine Zwischenstufe zwischen Mensch und Tier Prominente Gelehrte wie Albertus Magnus und Petrus de Alvernia argumentierten es konne sich nicht um Menschen handeln da ihnen die Vernunft fehle Albertus Magnus meinte sie seien zu einer Art Uberlegung und zu artikuliertem Sprechen in der Lage jedoch unfahig zu Wissenschaft und Kunst und uberhaupt zum Erfassen von Allgemeinem und uberdies ohne Schamgefuhl Diese Diskussionen spielten im 13 Jahrhundert bei der Festlegung der Definitionsmerkmale des Begriffs Mensch eine wichtige Rolle 11 Die Erzahlung vom Kranichkampf fand damals allgemein Glauben Eine Pygmaenepisode wurde in die populare Herzog Ernst Sage aufgenommen Herzog Ernst greift auf der Seite der Pygmaen in den Kampf gegen die Kraniche ein und zwar im Orient denn man vermutete das Land der Pygmaen auch wie schon einzelne antike Autoren im Osten Die Pygmaensage mit dem Kranichkampf war bis nach China verbreitet sie findet sich in chinesischen Enzyklopadien des 7 bis 9 Jahrhunderts n Chr wo die Grosse der Pygmaen mit umgerechnet ca 90 cm angegeben wird 12 Fruhe Neuzeit Bearbeiten In der Fruhen Neuzeit setzten Naturforscher und Arzte Philosophen Philologen und Theologen die Pygmaendebatte fort Der Humanist Sebastian Munster 1488 1552 folgte in seiner Cosmographia noch der antiken und mittelalterlichen Tradition fur ihn handelte es sich um monstrose Wesen Ab der zweiten Halfte des 16 Jahrhunderts mehrten sich aber die Stimmen der Gelehrten welche die Existenz der Pygmaen bestritten Im Jahre 1557 trug Gerolamo Cardano in seinem Werk De rerum varietete eine durchdachte Argumentation vor Ihm kam vor allem die den Pygmaen unterstellte sehr kurze Lebensdauer unstimmig vor Er argumentierte bei einer so kurzen Lebenszeit musse gemass einer biologischen Gesetzmassigkeit die Schwangerschaft entsprechend kurz sein eine so schnelle Heranbildung eines menschlichen Korpers sei aber wegen dessen Komplexitat ausgeschlossen Als Ursache fur die Entstehung der Legende seien Tierbeobachtungen anzusehen Julius Caesar Scaliger 1484 1558 machte geltend inzwischen sei die Erde erforscht doch sei man nirgends auf Pygmaen gestossen daher seien sie als Fabelwesen zu betrachten Dieses Argument fand in der Folgezeit viel Anklang Ein weiterer Gelehrter der nachdrucklich gegen die Pygmaenlegende auftrat war Ulisse Aldrovandi 1522 1605 Er befasste sich eingehend mit der Frage wobei er als Zoologe besonders an der Geschichte vom Kampf gegen die Kraniche Anstoss nahm Wahrend sich die Altertumsforscher insbesondere fur die Angaben Homers und des Aristoteles interessierten war fur die Theologen die Erwahnung von Pygmaen in der lateinischen Bibel wichtig Manche Theologen sprachen sich gegen die Existenz der Pygmaen aus andere zweifelten nicht daran einige darunter Athanasius Kircher 1602 1680 hielten sie fur Damonen Thomas Browne wies in seiner Pseudodoxia Epidemica 1646 darauf hin dass das Vorkommen des Namens Pygmaen in der lateinischen Bibel auf einen Ubersetzungsfehler zuruckzufuhren ist 1699 veroffentlichte der englische Arzt und Zoologe Edward Tyson die Abhandlung Orang Outang sive Homo Sylvestris or The Anatomy of a Pygmie Compared with that of a Monkey an Ape and a Man worin er die Pygmaen mit Schimpansen identifizierte er betonte die anatomische Nahe des Schimpansen zum Menschen In der Epoche der Aufklarung pflegte man die Pygmaen als Fabelwesen zu betrachten 13 Ein Zusammenhang mit damals bereits vorliegenden Berichten uber tatsachlich existierende kleinwuchsige Menschen in Afrika wurde nicht hergestellt Literatur BearbeitenPietro Janni Etnografia e mito La storia dei Pigmei Edizioni dell Ateneo amp Bizzarri Rom 1978 Veronique Dasen Pygmaioi In Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae LIMC Band 7 1 Artemis Zurich 1994 ISBN 3 7608 8751 1 S 594 601 Text und Band 7 2 S 466 486 Abbildungen Nachtrage der Autorin in den Erganzungsbanden Supplementum 2009 Supplementband 1 Artemis Dusseldorf 2009 ISBN 978 3 538 03520 1 S 440 443 Text und Supplementband 2 S 211 213 Abbildungen Anmerkungen Bearbeiten Zur Datierung siehe Veronique Dasen Pygmaioi In Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae LIMC Supplementum 2009 Supplementband 1 Dusseldorf 2009 S 440 443 hier 441 Homer Ilias 3 3 7 Pietro Janni Etnografia e mito Rom 1978 S 19 49 Veronique Dasen Pygmaioi In Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae LIMC Bd 7 1 Zurich 1994 S 594 601 Text und Bd 7 2 Zurich 1994 S 466 486 Abbildungen Hansjorg Wolke Rezension von Pietro Janni Etnografia e mito In Gnomon 55 1983 S 97 99 hier 98 f Ovid Metamorphosen 6 90 92 Antoninus Liberalis Metamorphosen 16 Strabon Geographika 1 2 30 Strabon Geographika 17 2 1 Ezechiel 27 11 filii Aradii cum exercitu tuo erant super muros tuos in circuitu sed et Pigmei qui erant in turribus tuis faretras suas suspenderunt in muris tuis per gyrum ipsi conpleverunt pulchritudinem tuam Pigmei ist hier eine Ubersetzung des hebraischen Wortes Gammadim eine andere Ubersetzung lautet tapfere Krieger Joseph Koch Sind die Pygmaen Menschen Ein Kapitel aus der philosophischen Anthropologie der mittelalterlichen Scholastik In Archiv fur Geschichte der Philosophie 40 1931 S 194 213 Theodor W Kohler Homo animal nobilissimum Konturen des spezifisch Menschlichen in der naturphilosophischen Aristoteleskommentierung des dreizehnten Jahrhunderts Leiden 2008 S 420 443 Pietro Janni Etnografia e mito Rom 1978 S 59 f Zur fruhneuzeitlichen Rezeption der Pygmaensagen siehe Pietro Janni Etnografia e mito Rom 1978 S 67 95 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pygmaen Mythologie amp oldid 238470469