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Mit Strategie 18 auch Projekt 18 genannt wurde die Wahlkampfstrategie der FDP zur Bundestagswahl 2002 bezeichnet Im Mai 2001 beschloss der Dusseldorfer Bundesparteitag der FDP die Strategie die mit neuen Formen der Kommunikation und Darstellung neue Wahlerschichten 1 fur die Partei erschliessen und die FDP als eigenstandige und unabhangige politische Kraft ausserhalb eines vorgegebenen Lagers positionieren sollte Der Name bezog sich auf das Wahlziel den Anteil an den Wahlerstimmen von 6 auf 18 zu verdreifachen Inmitten von Kontroversen uber eine moglicherweise damit verbundene rechtspopulistische Ausrichtung erzielte die FDP letztlich 7 4 und ruckte nach der Wahl von diesem Kurs ab Wahlplakat der FDP zur Bundestagswahl 2002 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte und Entwicklung 2 Wahlkampf 3 Anschliessende Kritik und Abkehr 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseVorgeschichte und Entwicklung BearbeitenDie FDP geriet 1999 in eine existenzgefahrdende Krise 1 Bei der Bundestagswahl am 27 September 1998 hatte sie die jahrzehntelange Regierungsbeteiligung in einer Koalition mit CDU CSU an die rot grune Koalition verloren und war sowohl bei der Europawahl am 13 Juni 1999 als auch bei den meisten Landtagswahlen 1999 an der Funf Prozent Hurde gescheitert Die Partei war damit nur noch in 4 der 16 deutschen Landtage vertreten Vor diesem Hintergrund liess Jurgen Mollemann damals Landesvorsitzender der FDP NRW von Fritz Goergen ein Wahlkampfkonzept zur Landtagswahl im Mai 2000 entwickeln Es bekam den Namen Werkstatt 8 es stellte unter dem Motto NRW braucht Tempo Mollemann die Themen Bildung Verkehrsstau Burokratie und Sicherheit in den Vordergrund 2 Guido Westerwelle als damaliger Generalsekretar war von der Gesamtkonzeption sehr angetan 2 Bei der Kampagne war ein Plakat besonders umstritten es zeigte Adolf Hitler zwischen Osho und Freddy Krueger mit dem Untertitel Wenn wir nicht schnell fur Lehrer sorgen suchen sich unsere Kinder selber welche 3 Der Stimmenanteil konnte von 4 auf 9 8 Prozent mehr als verdoppelt werden Im Wahlkampf wurde durch die mediale Vermittlung von Emotionen und diffuser Ressentiments die FDP zu einer Protestpartei ahnlich der FPO und Mollemann zu einem Volkstribun nach Art von Haider 4 stilisiert Der Wahlerfolg veranlasste Mollemann ehrgeizigere Ziele fur die Bundes FDP zu propagieren Die Verwendung der Zahl 18 wurde verschiedentlich auch als rechtsextremes Symbol aufgefasst da dies ein in der Neonazi Szene gangiger Code fur die Initialen Adolf Hitlers der 1 und 8 Buchstabe des Alphabets ist 5 Auf dem folgenden Bundesparteitag 2001 wurde mit der Wahl Guido Westerwelles eine Abkehr vom bisherigen Image der F D P 6 als Partei der Besserverdiener beschlossen Das Konzept blieb in der Parteifuhrung umstritten Nachdem die FDP im konventionell gefuhrten Wahlkampf zur Burgerschaftswahl in Hamburg im September 2001 nur 5 1 die rechtspopulistische Schill Partei dagegen auf Anhieb 19 4 Stimmenanteil erzielte konnten sich die Vorstellungen von Westerwelle und Mollemann durchsetzen Goergen gehorte ab Januar 2002 zu den Wahlkampfberatern Westerwelles und arbeitete am Projekt 18 mit Die weiteren Ideen der Strategie 18 waren nicht neu Die Idee zur Kanzlerkandidatur stammte von Ralf Dahrendorf das Ausbrechen aus dem burgerlichen Lager hatten Jahrzehnte zuvor schon einmal Wolfgang Doring und Karl Hermann Flach postuliert Wahlkampf Bearbeiten nbsp Westerwelles Schuhe mit denen er auch im Fernsehen fur das Projekt 18 warbDie zur Bundestagswahl angestrebte Verdoppelung des Ergebnisses von NRW auf 18 sollte auch mit ahnlichen Methoden wie bei Werkstatt 8 erreicht werden So bewarb Guido Westerwelle das Projekt 18 in einem gelb blauen Wohnmobil Winnebago Elante 37 Baujahr um 1992 7 das mit www guidomobil de 8 beschriftet war und auf Volksfesten bei Schwimmbadern und an Stranden sowie bei einer McDonald s Filiale eingesetzt wurde Westerwelle trug dabei teils eine darauf abgestimmte Kleidung und versuchte vor Ort interessierte Burger fur seine Partei zu gewinnen Unter anderem stattete er auch dem Big Brother Container einen Besuch ab Diese Form des Wahlkampfes wurde in den Medien nicht selten als Spasswahlkampf bezeichnet und kritisiert 9 Laut Westerwelle sollte eine Aquidistanz ein ideologisch gleicher Abstand zu den Volksparteien CDU CSU und SPD geschaffen werden die es der FDP ermoglichen sollte jederzeit eine neue Koalition einzugehen Dem Liberalismus sollte insgesamt ein starkeres Gewicht verliehen und so eigene Positionen durchgesetzt werden was bis dahin nach Ansicht vieler Parteiaktiver zu stark der Koalitionsdisziplin und ahnlichen Erwagungen untergeordnet worden war Mollemann der Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag NRW unterstutzte im April 2002 die Angriffe Jamal Karslis auf die israelische Regierung wegen deren Vorgehen gegenuber den Palastinensern Einige rezipierten bzw bewerteten dies als gezielten Antisemitismus Mollemanns im Bundestagswahlkampf Einige fuhrende FDP Politiker lehnten den Fraktionswechsel Karslis von den Grunen zur FDP strikt ab Karsli trat schliesslich im Juni wieder aus der FDP aus Im Laufe der Auseinandersetzung kritisierte Mollemann auch Michel Friedman den damaligen Vizeprasidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland Kurz vor der Bundestagswahl liess Mollemann das Faltblatt Klartext Mut Mollemann als Postwurfsendung an die Haushalte in Nordrhein Westfalen verteilen 10 In diesem Blatt griff er Israels Ministerprasidenten Ariel Scharon und Friedman scharf an Die daraus entstandene Antisemitismus Debatte konterkarierte den Spasswahlkampf Westerwelles und verstarkte die Spannungen zwischen Westerwelle und Mollemann 11 Bei der Landtagswahl in Sachsen Anhalt im April 2002 konnte die FDP ihren Stimmenanteil von 4 2 auf 13 3 steigern Damit gelang es der FDP neue Wahlerkreise zu erschliessen Eine Partei die traditionell auf Wahler mit Besitz und Bildung setzte fand plotzlich Zuspruch von Arbeitern und einfach strukturierten Geistern 4 Schon bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin im Oktober 2001 konnte die FDP ihren Stimmenanteil von 2 2 auf 9 9 steigern bei der auch schon die Strategie 18 zum Einsatz kam 12 Dagegen distanzierten sich die Landesverbande Baden Wurttemberg unter Walter Doring und Hessen unter Ruth Wagner von dem Projekt 13 Der fruhere bayerische Landesvorsitzende Hermann K Stutzer trat mit der Begrundung aus der FDP aus die Bundesfuhrung prasentiere die FDP mutwillig als Spasspartei 14 Bei der Bundestagswahl 2002 erreichte die FDP schliesslich einen Stimmenanteil von 7 4 die rot grune Koalition unter Kanzler Gerhard Schroder konnte weiterregieren Am Wahlabend fragte der Moderator der Elefantenrunde Hartmann von der Tann Guido Westerwelle Herr Westerwelle sind 18 minus Mollemann sieben Westerwelle antwortete es habe nicht an Mollemann allein gelegen die FDP sei unter ihren Moglichkeiten geblieben Fritz Goergen verliess die Partei 15 Anschliessende Kritik und Abkehr BearbeitenSeit der Wahl verscharften sich die Konflikte in der Partei um den Fuhrungsstil Westerwelles und das Verhalten Mollemanns So trat Hildegard Hamm Brucher 1921 2016 nach uber funfzigjahriger Mitgliedschaft aus der FDP aus Sie forderte eine Aufarbeitung der von A bis Z verfehlten Wahlkampfstrategie 18 Dazu gehore dass dafur nicht allein Mollemann sondern auch der Parteivorsitzende als Kanzlerkandidat Verantwortung trage 16 Zum anderen wandte sie sich gegen die Annaherung der FDP an die antiisraelischen und einseitig propalastinensischen Positionen des Herrn Mollemann 17 und empfand die Abgrenzung Westerwelles als unzureichend Die hessische Landesvorsitzende Ruth Wagner forderte Mollemann aufgrund der Affare um sein antisemitisch gemeintes Flugblatt auf die FDP zu verlassen 18 Mollemann legte im Oktober 2002 den Vorsitz der Landtagsfraktion und des Landesverbandes nieder und kam einem Parteiausschlussverfahren zuvor indem er im Marz 2003 aus der FDP austrat er starb im Juni 2003 siehe Die Mollemann Affare 2002 2003 Obwohl durch den Spasswahlkampf die FDP bei der Wahl uberdurchschnittlich viele Jungwahler mobilisieren konnte 9 fuhrten die Kontroversen um Mollemann zu einer Abkehr vom Projekt Auf dem FDP Bundesparteitag 2004 ein Jahr nach Mollemanns Tod wurde die Abkehr vom Projekt 18 und der Spasspartei demonstrativ betont 19 In den Werbespots zur Bundestagswahl 2005 prasentierte sich die FDP in der Person ihres Vorsitzenden Westerwelle nun betont ernsthaft und staatstragend 20 Von Teilen der Offentlichkeit wurde das Projekt 18 eher als Medieninszenierung wahrgenommen und nicht als eigenstandiges Wahlkonzept Bereits vor der Kur Westerwelles zum Kanzlerkandidaten im Bundestagswahlkampf 2002 schrieben einige Medien der FDP das Image einer Spasspartei zu Der Medienwissenschaftler Christian Schicha fasste dies mit den Worten zusammen Mollemann hatte erkannt dass die personalisierte Form der Politikvermittlung ein wichtiger Gradmesser fur den politischen Erfolg ist Die Medieninszenierung eines Politikers wurde aber dann fragwurdig wenn die Darstellung die eigentlichen Inhalte zu stark dominiert und die Problemlosungskompetenz durch populistische Auftritte ersetzt wird 21 Literatur BearbeitenFritz Goergen Strategie 18 Nur Spuren im Sand In Axel Balzer Marvin Geilich Shamim Rafat Hg Politik als Marke Politikvermittlung zwischen Kommunikation und Inszenierung Lit Munster 2005 ISBN 3 8258 8146 6 S 229 237 Fritz Goergen Skandal FDP Selbstdarsteller und Geschaftemacher zerstoren eine politische Idee BrunoMedia Buchverlag Koln 2004 ISBN 3 9809607 8 1 Udo Leuschner Die Geschichte der FDP Metamorphosen einer Partei zwischen rechts sozialliberal und neokonservativ Edition Octopus Munster 2005 ISBN 3 86582 166 9 Kapitel 36 38 Marco Michel Die Bundestagswahlkampfe der FDP von 1949 bis 2002 VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2005 zugleich Dissertation Technische Universitat Chemnitz Vorschau Weblinks BearbeitenStrategie 18 Beschluss des 52 Ordentlichen Bundesparteitag der FDP 2002 bei der Friedrich Naumann Stiftung PDF Datei 55 kB Was Sie immer wissen wollten Die Punktchen Frage im Archiv des Liberalismus Einzelnachweise Bearbeiten a b Eckhard Jesse und Roland Sturm Hrsg Bilanz der Bundestagswahl 2005 Voraussetzungen Ergebnisse Folgen VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2006 ISBN 3 531 14968 7 S 103 ff a b FDP Wahlkampf Adolf Hitler auf Mollemann Plakat Der Spiegel 11 Januar 2000 abgerufen am 15 September 2009 FDP Wahlkampf Adolf Hitler auf Mollemann Plakat In Der Spiegel 11 Januar 2000 ISSN 2195 1349 spiegel de abgerufen am 19 Juli 2023 a b Udo Leuschner Die Geschichte der FDP Metamorphosen einer Partei zwischen rechts sozialliberal und neokonservativ Edition Octopus Munster 2005 ISBN 3 86582 166 9 S 301 ff vollstandige Ansicht bei Google Bucher Kunstler im Wahlkampf Die 18 bedeutet Adolf Hitler Der Spiegel 19 September 2002 abgerufen am 10 Juni 2019 Neues Selbstbewusstsein auch ohne Punkte In Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 7 Mai 2001 Guido macht mobil autobild de In autobild de autobild de abgerufen am 25 September 2018 Guido mobil im Guidomobil ab 20 Juli 2002 Memento vom 30 Mai 2002 im Internet Archive a b Eckhard Jesse Zwei Parteiensysteme Parteien und Parteiensystem in den alten und neuen Landern vor und nach der Bundestagswahl 2002 In Eckhard Jesse Roland Sturm Hrsg Bilanz der Bundestagswahl 2002 Voraussetzungen Ergebnisse Folgen VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2003 ISBN 3 531 14172 4 S 15 36 hier S 26 Abbildung des umstrittenen Flugblatts auf Spiegel Online vom 17 September 2002 Christian Schicha Guido gib Gas Vorfahrt fur Arbeit in den FDP Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 2002 und 2005 In Andreas Dorner Christian Schicha Hrsg Politik im Spot Format Zur Semantik Pragmatik und Asthetik politischer Werbung in Deutschland VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 ISBN 3 531 15408 7 S 257 294 hier S 272 Sabine Beikler FDP Landeschefs distanzieren sich von Projekt 18 In Der Tagesspiegel vom 8 September 2001 Barbara Gillmann FDP Landeschefs distanzieren sich von Projekt 18 In Handelsblatt vom 16 Oktober 2002 Austritt aus der Spasspartei In Hamburger Abendblatt Online vom 2 August 2002 Fritz Goergen Skandal FDP Selbstdarsteller und Geschaftemacher zerstoren eine politische Idee Rezensionen bei Perlentaucher FDP zwischen Streit und Strategie In Hamburger Abendblatt vom 6 Januar 2003 Interview mit Hildegard Hamm Brucher Die SPD ist in der Falle In Suddeutsche Zeitung vom 27 Mai 2008 Weg von Projekt 18 FDP sucht neuen Kurs In Berliner Morgenpost vom 27 Oktober 2002 Eckhard Jesse Roland Sturm Hrsg Bilanz der Bundestagswahl 2005 Voraussetzungen Ergebnisse Folgen VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2006 ISBN 3 531 14968 7 S 105 Christian Schicha Guido gib Gas Vorfahrt fur Arbeit in den FDP Wahlwerbespots zur Bundestagswahl 2002 und 2005 In Andreas Dorner Christian Schicha Hrsg Politik im Spot Format Zur Semantik Pragmatik und Asthetik politischer Werbung in Deutschland VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 ISBN 3 531 15408 7 S 257 294 hier S 285 Christian Schicha Kampfen Jurgen kampfen Die Inszenierungsstrategien des Jurgen W Mollemann zwischen Popularitat Provokation und Populismus In Zeitschrift fur Kommunikationsokologie Jahrgang 5 2003 Nr 1 S 57 60 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Strategie 18 amp oldid 235620302