www.wikidata.de-de.nina.az
Die 24 Preludes op 28 sind ein zwischen 1836 und 1839 komponierter Klavierzyklus von Frederic Chopin Die franzosische Erstausgabe widmete Chopin dem befreundeten Verleger und Konzertveranstalter Camille Pleyel Chopin Portrat von Eugene DelacroixDie stilbildende und epochale Sammlung gilt als ein Gipfelwerk seines Schaffens Mit ihr knupfte er an Das wohltemperierte Klavier des von ihm verehrten Johann Sebastian Bach an der in den beiden Teilen 48 Praludien und Fugen systematisch durch alle Dur und Molltonarten gefuhrt hatte Mit der Spannung zwischen dusterer Melancholie poetischer Melodieseligkeit und kraftvoll aufflammender Leidenschaft dokumentiert die Sammlung die Stimmungsbreite des Chopinschen Œuvres ebenso wie dessen zukunftsweisende Harmonik Inhaltsverzeichnis 1 Inhalt und Besonderheiten 2 Hintergrund und weitere Stucke 3 Widmung 4 Wirkung und Rezeption 5 Literatur 6 Einzelnachweise 7 WeblinksInhalt und Besonderheiten BearbeitenDie Orientierung an Bachs Praludien zeigt sich nicht nur ausserlich im Titel des Werkes sondern auch in der konstruktiven Verdichtung und Reduzierung des Materials die Chopins Meisterschaft der knappen Aussage und kleinen Form zeigt wie sie in den Mazurken und Etuden ebenfalls zum Ausdruck kommt Die franzosische Bezeichnung Preludes deutet darauf hin dass der Komponist von der ursprunglichen Funktion des Vorspiels absah und auf die Nebenbedeutung des Begriffs verwies indem er das Praludieren als Fantasieren verstand Vom Wohltemperierten Klavier abweichend folgen die einzelnen Stucke die Chopin erst nachtraglich in ein passendes Tonartenschema brachte nicht der chromatischen Tonleiter von c bis h sondern dem Quintenzirkel mit jeweils folgender Mollparallele Dem ersten Prelude in C Dur folgt somit eines in a Moll dem anschliessenden in G Dur eines in e Moll bis zum abschliessenden Prelude in d Moll nbsp Chopins Handschrift des Preludes Nr 23 F Dur Moderato delicatiss Original Valldemossa MallorcaDie Preludes entfalten sich jeweils aus einem motivischen Kerngedanken der haufig nur einen Takt oder Taktteil umspannt Dabei bindet die zyklische Abfolge die einzelnen Stucke in eine ubergeordnete Dramaturgie ein Die Form ist proportioniert die Entwicklung des Materials verzichtet auf fliessende Grenzen oder verschleierte Phrasen 1 In der Regel handelt es sich um einfache zwei oder dreiteilige Liedformen Der klavieristische Anspruch des Zyklus reicht von einfachen Stucken uber solche mittleren Grades bis zu hochvirtuosen Kompositionen wie dem dramatischen nur von herausragenden Pianisten zu meisternden b Moll Prelude Nr 16 mit den Oktav Sprungen der linken und den rasenden Sechzehntel Laufen der rechten Hand oder dem abschliessenden Stuck in d Moll das mit seiner weitgriffigen Bassfigur den Verzierungen Trillern in die hohen Lagen rasenden Tonleitern und der fortissimo abwarts fallenden Terzkaskade ab Takt 55 als pianistischer Hohepunkt der Sammlung betrachtet werden kann 2 Die Faktur dieser Werke verbindet sie mit den Etuden op 10 und op 25 ebenfalls 24 Stucke die sich wie die Preludes aus einer thematischen Keimzelle entfalten und bei denen jeweils ein bestimmter klaviertechnischer Aspekt bis an die Grenze des Spielbaren ausgereizt wird Auch durch die knappe Sprache expressive Tiefe Dramatik und seelische Vielschichtigkeit sind beide Gattungen verbunden Wenige Stucke der Sammlung erinnern an Nocturnes so das traumerische in Fis Dur Nr 13 wahrend andere Nr 7 in A Dur an eine Mazurka angelehnt sind oder an einen Trauermarsch erinnern Nr 20 in c Moll Einige Preludes erfreuen sich auch bei Amateuren und Klavierschulern grosser Beliebtheit Hierzu gehort das Des Dur Prelude Nr 15 mit dem dusteren Mittelteil ein Werk das seit dem Bericht von George Sand uber die Entstehung auf Mallorca oft Regentropfen Prelude genannt wird 3 Hintergrund und weitere Stucke BearbeitenNeben Wolfgang Amadeus Mozart schatzte Chopin vor allem Johann Sebastian Bach Dessen Wohltemperiertes Klavier beherrschte er auswendig und pflegte sich auf eigene Konzerte mit der Interpretation von Werken Bachs vorzubereiten Seine Neigung zu Bach ging indes uber pianistische und spieltechnische Aspekte hinaus Gerade wahrend der Entstehung seiner Preludes beschaftigte er sich intensiv mit dem grossen Vorbild 4 Es existieren noch drei weitere Preludes ausserhalb des Zyklus neben einem Werk in cis Moll op 45 1841 und einem in As Dur Presto con leggierezza 1834 gibt es ein unvollendetes in es Moll dem Jeffrey Kallberg in Anlehnung an die Teufelstrillersonate von Giuseppe Tartini den Beinamen Devil s Trill gab Das recht haufig gespielte Prinzessin Elisabeth Czernicheff gewidmete cis Moll Prelude ist in mehrfacher Hinsicht ungewohnlich Neben der relativen Lange uberrascht es durch seine improvisatorische Einleitung die aus einer Folge tonal scheinbar losgeloster absteigender Sextakkorde uber drei Takte besteht die expressive bisweilen entruckte Stimmung die durch die bestandige Achtelbewegung der linken Hand intensiviert wird sowie die Cadenza leggierissimo e legato die mit gewagten chromatischen Modulationen paralleler Quint und Sext Bewegungen nach einer dynamischen Steigerung im Quartsextakkord forte endet und das schmerzliche Ende des Stuckes einleitet Widmung BearbeitenDer Pianist und Komponist Joseph Christoph Kessler widmete Chopin 1835 seine Etuden op 31 so dass ihm Chopin im Gegenzug seine Preludes op 28 widmen wollte Der Name Kessler findet sich noch auf dem Autograph und einer Abschrift Erst im Marz 1839 schrieb Chopin in einem Brief an seinen Freund Julian Fontana das Werk solle Camille Pleyel gewidmet werden Fur die deutsche Erstausgabe die bei Breitkopf amp Hartel erschien kam diese Nachricht jedoch zu spat so dass diese tatsachlich eine Widmung an Kessler enthalt Nur die franzosische Erstausgabe ist Pleyel zugeeignet Wirkung und Rezeption BearbeitenDie Dichte und Konzentration der Stucke sollte sich als ebenso stilbildend erweisen wie manche harmonische Kuhnheiten so im verstorend modern wirkenden zweiten Stuck in a Moll nbsp Der junge Rachmaninow 1901Robert Schumann der sich bewundernd uber Chopin geaussert hatte Hut ab ihr Herren ein Genie fand in seiner Rezension in ihnen etwas Krankes Fieberndes Abstossendes Es handele sich um Skizzen Etudenanfange Ruinen einzelne Adlerfittiche alles sei bunt und wild durcheinander gemischt Theodor W Adorno befasste sich nicht nur in seinen musiksoziologischen Schriften mit Chopin der fur ihn ein bedeutender Komponist von grosser Originalitat und unverwechselbarem Ton war 5 Die Preludes seien neben den Kinderszenen Robert Schumanns wegen ihres fragmentarischen Charakters ihrer fragend ins Unendliche deutenden Kurzform bemerkenswert und stellten eine Neuerung dar ohne die Anton Weberns expressionistische Miniaturen oder Arnold Schonbergs op 19 nur schwer denkbar seien Die Sammlung inspirierte zahlreiche Komponisten zu eigenen Preludes bei denen der Einfluss des Chopinschen Vorbildes in unterschiedlichem Masse zu spuren ist Zu ihnen zahlen Alexander Skrjabin Karol Szymanowski Sergei Rachmaninow und Claude Debussy ebenso wie Dmitri Schostakowitsch der nach seinem Zyklus mit 24 Preludes op 34 1932 1933 eine weitere Sammlung von 24 Praludien und Fugen fur Klavier veroffentlichte die zum Bachjahr 1950 entstand Skrjabin legte mit seinem Opus 11 ebenfalls einen Zyklus mit 24 Preludes vor nach dem er noch mehrere andere Stucke dieser Gattung komponierte Deren Entstehungsgeschichte zeigt nebenbei wie er schrittweise das Chopinsche Vorbild uberwand das anfangs fast epigonal pragend war und wie er in der Entwicklung der Harmonik bis an die Grenze der Tonalitat und zur Neuen Musik vordrang Rachmaninows insgesamt 24 Preludes entstanden uber einen langen Zeitraum an dessen Beginn das beruhmte cis Moll Prelude op 3 Nr 2 1892 93 steht dem sich spater die beiden Sammlungen der 10 Preludes op 23 1901 1903 sowie der 13 Preludes op 32 1910 anschlossen Literatur BearbeitenJean Jacques Eigeldinger 24 Preludes Opus 28 Genre Structure Significance London Cambridge University Press 1988 Marilyn Anne Meier Chopin twenty four preludes opus 28 1993 PDF Egon Voss Man denkt naturlich zuerst an Bachsche Praeludien Gedanken zu Fryderyk Chopins Preludes op 28 in Die Musikforschung Jg 66 2013 S 120 127 Anatole Leikin The Mystery of Chopin s Preludes Burlington Ashgate Publishing Company 2015 Digitalisat Tadeusz A Zielinski Chopin Sein Leben sein Werk seine Zeit Schott Mainz 2008 S 579 603Einzelnachweise Bearbeiten Die Darstellung orientiert sich stellenweise an Harenberg Klaviermusikfuhrer 600 Werke vom Barock bis zur Gegenwart Frederic Chopin 24 Preludes Meyers Mannheim 2004 S 264 269 So etwa Tadeusz A Zielinski Chopin Sein Leben sein Werk seine Zeit Schott Mainz 2008 S 602 Ulrich Moller Arnsberg Preludes op 28 BR Klassik 19 Mai 2015 abgerufen am 15 Juli 2016 Chopin Frederic Francois in Die Musik in Geschichte und Gegenwart Band 2 Barenreiter Verlag 1986 S 1225 1226 Theodor W Adorno Einleitung in die Musiksoziologie 4 Klassen und Schichten in Gesammelte Schriften Band 14 S 243Weblinks BearbeitenPreludes op 28 Noten und Audiodateien im International Music Score Library Project Online Chopin Variorum Edition Digitale Reproduktion von Chopins Autograph aus der Biblioteka Narodowa Warschau Diverse Aufnahmen von Preludes als freie Aufnahmen der Piano SocietyNormdaten Werk GND 300037678 lobid OGND AKS VIAF 181903532 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Preludes Chopin amp oldid 211851597