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Pilgerzeichen auch als Pilgermarken bezeichnet sind Abzeichen meist in Form kleiner Plaketten Medaillen oder Flachgusse aus einer Blei Zinn Legierung die vorwiegend im Mittelalter an Wallfahrtsorten verkauft und auf der Pilgerfahrt am Hut oder an der Kleidung getragen wurden Schlichtes Pilgerzeichen gefunden in Suffolk Pilgerzeichen auf einer Glocke der Dorfkirche in ProtzenInhaltsverzeichnis 1 Aufkommen und Nutzung 2 Herstellung 3 Entwicklung und Erforschung 4 Literatur 5 Weblinks 6 EinzelnachweiseAufkommen und Nutzung BearbeitenBereits die fruhen Christen suchten besondere Orte wie das Grab Christi oder Begrabnisstatten der Apostel auf um dort zu beten Diese Statten lagen uberwiegend im Heiligen Land oder in Rom und konnen als die ersten Wallfahrtsorte bezeichnet werden Gegen Ende des Fruhmittelalters breitete sich das Wallfahrtswesen dann massiv aus so entwickelte sich ab etwa 900 n Chr eine rege Wallfahrt zum Grab des Heiligen Jakobus nach Santiago de Compostela Ab dem 11 Jahrhundert kamen weitere Wallfahrtsorte in Mitteleuropa hinzu Bei den Pilgern entstand das Bedurfnis eine Erinnerung an die Wallfahrt mitnehmen zu konnen einerseits als Zeichen der Frommigkeit aber auch als Beleg dass man tatsachlich an der heiligen Statte gewesen war Bereits fruher hatte es den Brauch gegeben Pilgerandenken vom Wallfahrtsort mitzunehmen die in ihrer Bedeutung den spateren Pilgerzeichen ahnelten Dies konnten Reliquien im engeren Sinne Kontaktreliquien oder auch generell ortstypische Objekte der jeweiligen heiligen Statte sein 1 Im Laufe des 12 Jahrhunderts bildete sich nun die Tradition aus an den Wallfahrtsorten kleine Abzeichen auszugeben 2 Ein juristisch anerkannter Beweis fur den Besuch an der Pilgerstatte waren die Pilgerzeichen jedoch nicht zumal auch Falschungen kursierten also Marken eines Erinnerungsortes teilweise auch anderswo hergestellt und vertrieben wurden 3 In der Regel wurden die Stucke an die Pilger verkauft zuweilen auch nach dem Pilgersegen auszugeben nbsp Pilgerzeichen des Heiligen Nikolaus 13 Jh gefunden in Plau am SeeDie Pilgerzeichen bildeten entweder den Heiligen oder dessen Attribute ab dort verehrte Reliquien oder das Heiligtum selbst Das bekannteste Beispiel ist die Jakobsmuschel als Abzeichen fur die Wallfahrt nach Santiago de Compostela Weitere Beispiele sind Abbildungen von Petrus und Paulus fur die Wallfahrt nach Rom oder der Heiligen Drei Konige fur die Wallfahrt nach Koln Neben ihrer Funktion als Erinnerungsstuck wurde ihnen auch eine wundertatige Wirkung zugeschrieben die unmittelbar mit dem verehrten Heiligen in Verbindung stand Der Glaube an die heilkraftige Wirkung ging so weit dass man das Pilgerzeichen zur Heilung auf einen erkrankten Korperteil auflegte Ebenso gab man Kranken Wasser oder Wein zum Trinken in die man das Abzeichen getaucht hatte Die Medaillen galten auch als Amulette zur Abwehr des Bosen und wurden zu diesem Zweck im Haus oder Stall aufgehangt oder auf dem Feld vergraben Daneben schutzten sie den Trager bei seiner Reise da Pilger unter besonderer religioser Protektion standen und nicht angegriffen werden durften 3 Vor allem ab dem 14 Jahrhundert wurden Pilgerzeichen auch auf Kirchenglocken mit abgegossen 4 Dahinter stand der Glaube dass sich die segensreiche Wirkung des Heiligen mit dem Glockenklang uber das Land verbreiten sollte nbsp Steinform zum Giessen von Pilgerzeichen gefunden im nordirischen Kloster DevenishHerstellung BearbeitenZweifellos waren Herstellung und Verkauf von Pilgerzeichen ein eintragliches Geschaft das wesentlich zum Reichtum einiger Wallfahrtsorte beitrug Ublicherweise handelt es sich beim Material um eine Blei Zinn Legierung es gab aber auch kostbarere Varianten aus edleren Metallen wie Silber oder Gold Charakteristisch sind kleine Osen an den Randern mit denen die Objekte an der Kleidung oder der Kopfbedeckung des Pilgers befestigt werden konnten 3 Anfangs sind die Objekte als Flachguss meist mit glatter Ruckseite ausgefuhrt im Verlauf des 14 Jahrhunderts werden sie filigraner und sind oft durchbrochen Gitterguss 5 An manchen Orten wurden sie farbig bemalt wie aus Darstellungen auf Gemalden und einzelnen erhaltenen Stucken beispielsweise einem rot bemalten in Wilsnack hervorgeht Die Grosse der Zeichen schwankt um ein Mass von etwa 4 4 cm nur selten sind sie wesentlich grosser Neben den Pilgerzeichen aus Zinn Blei wurden vereinzelt auch andere Materialien verwendet Relativ weit verbreitet war beispielsweise die Nutzung von Jakobsmuscheln als Pilgerzeichen da die Muschel als Attribut des Apostels und Heiligen Jakobus des Alteren des Schutzpatrons der Pilger galt Besonders typisch waren die Muscheln als Pilgerzeichen fur eine Wallfahrt nach Santiago de Compostela wo sich mit dem Grab des Heiligen Jakobus eine wichtige Pilgerstatte befand 6 Eine den Pilgermarken vergleichbare Rolle spielten auch die Pilgerhorner wie sie in Aachen verteilt wurden und die Wallfahrtsspiegel Um 1490 tauchen fur kurze Zeit in Metallblech gepragte Abzeichen auf nbsp Pilgerzeichen aus Zinn und Blei gefunden am Hagenmarkt in Braunschweig nbsp Plattenformiges Pilgerzeichen aus Blei Darstellung der Apostel Petrus und Paulus nbsp Pilgerzeichen aus einer Kupferlegierung vermutlich den Heiligen Thomas Becket darstellend nbsp Pilgerzeichen mit der Darstellung des Heiligen Prokop von Sazava gefunden in Karlova Hut Beispiel fur Gitterguss nbsp Pilgerzeichen aus Blei in Form einer Jakobsmuschel nbsp Moderner Nachguss eines Aachener Pilgerzeichens von 1330 nbsp Neuzeitliche Pilgerzeichen aus Guadalajara Mexiko Entwicklung und Erforschung BearbeitenDer Brauch der Pilgerzeichen erreichte seinen Hohepunkt im 14 und 15 Jahrhundert So wurden im Jahr 1466 im Kloster Einsiedeln binnen zweier Wochen 130 000 Pilgerzeichen verkauft 1519 und 1520 wurde bei der Wallfahrt zur Schonen Maria in St Kassian in Regensburg ein Umsatz von 119 370 Pilgerzeichen aus Blei und 12 193 Stucken aus Silber verzeichnet 7 Gegen 1530 kommt uberall in Mitteleuropa auch in katholischen Gegenden die Ausgabe von Pilgerzeichen zum Erliegen In einigen Regionen lebt der Glaube an die Schutzwirkung von Pilgerzeichen aber bis heute fort Fur Historiker sind Funde von Pilgerzeichen beispielsweise als Grabbeigaben bedeutend da sie geeignet sind Pilgerzuge und Reisewege im Mittelalter zu belegen 8 Grossere Sammlungen von Pilgerzeichen befinden sich unter anderem im Germanischen Nationalmuseum in Nurnberg im Focke Museum Bremen im Museum of London oder im Musee national du Moyen Age in Paris Literatur BearbeitenChristoph Daxelmuller Marcell Restle Pilgerandenken zeichen In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 6 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1993 ISBN 3 7608 8906 9 Sp 2154 2156 hauptsachlich zu weiteren Formen der Pilgerandenken Kurt Koster Pilgerzeichen Studien Neue Beitrage zur Kenntnis eines mittelalterlichen Massenartikels und seiner Uberlieferungsformen In Bibliotheca docet Festgabe fur Carl Wehmer Amsterdam 1963 S 77 100 Kurt Koster Pilgerzeichen und Pilgermuscheln In Sankt Elisabeth Furstin Dienerin Heilige Aufsatze Dokumentationen Katalog der Ausstellung zum 750 Todestag der hl Elisabeth Marburg Sigmaringen 1981 S 452 459 Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Symposion in memoriam Kurt Koster 1912 1986 und Katalog der Pilgerzeichen im Kunstgewerbemuseum und im Museum fur Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin Europaische Wallfahrtsstudien Band 4 Schriftenreihe Museum Europaischer Kulturen Band 5 Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Jan Hrdina Hrsg Wallfahrer aus dem Osten Mittelalterliche Pilgerzeichen zwischen Ostsee Donau und Seine Beitrage der Tagung Perspektiven der europaischen Pilgerzeichenforschung 21 bis 24 April 2010 in Prag Europaische Wallfahrtsstudien Band 10 Peter Lang Frankfurt am Main u a 2010 ISBN 978 3 631 62147 9 Hartmut Kuhne Klaus Herbers Hrsg Pilgerzeichen Pilgerstrassen Gunter Narr Verlag Tubingen 2013 Jorg Poettgen Europaische Pilgerzeichenforschung Die Zentrale Pilgerzeichenkartei PZK Kurt Kosters 1986 in Nurnberg und der Forschungsstand nach 1986 In Jahrbuch fur Glockenkunde Band 7 8 1995 1996 erschienen 1997 Weblinks Bearbeiten nbsp Commons Pilgrim badges Sammlung von Bildern Videos und Audiodateien Pilgerzeichen Datenbank Verbundzentrale des GBV abgerufen am 19 Mai 2022 fruher an bei der Humboldt Universitat Berlin angebunden 9 Kunera laatmiddeleeuwse insignes en ampullen Radboud Universitat Nijmegen abgerufen am 19 Mai 2022 niederlandisch englisch Datenbank Einzelnachweise Bearbeiten Christoph Daxelmuller Pilgerandenken zeichen I In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 6 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1993 ISBN 3 7608 8906 9 Sp 2154 f Robert Platz Signum peregrinationis Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 47 70 hier S 54 57 a b c Robert Platz Signum peregrinationis Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 47 70 hier S 69 Uberblick uber dieses Phanomen und seine Erforschung Jorg Poettgen Der Beitrag der Glockenkunde zur Pilgerzeichenforschung von Kurt Koster bis heute In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 31 46 Andreas Haasis Berner Das Wallfahrtswesen im 14 Jahrhundert im Spiegel der Pilgerzeichen Eine These zur Geschichte des Wallfahrtswesens im Heiligen Romischen Reich Deutscher Nation In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 143 151 hier S 144 Robert Platz Signum peregrinationis Heilige Erinnerung und spiritueller Schutz In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 47 70 hier S 58 68 Christoph Daxelmuller Pilgerandenken zeichen I In Lexikon des Mittelalters LexMA Band 6 Artemis amp Winkler Munchen Zurich 1993 ISBN 3 7608 8906 9 Sp 2154 f hier Sp 2155 Carina Brumme Pilgerzeichen Erhaltungsbedingungen und Verbreitungsraume In Hartmut Kuhne Lothar Lambacher Konrad Vanja Hrsg Das Zeichen am Hut im Mittelalter Europaische Reisemarkierungen Peter Lang Frankfurt am Main u a 2008 ISBN 978 3 631 57408 9 S 127 142 Christiane Laudage Eine Datenbank gibt Aufschluss uber mittelalterliche Pilgerzeichen In katholisch de 19 Mai 2022 abgerufen am 19 Mai 2022 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Pilgerzeichen amp oldid 237643891