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Als Personliche Gleichung wird bei Sternbeobachtungen in der Astronomie und Geodasie die durchschnittliche Reaktionszeit des Beobachters bezeichnet Sie betragt je nach Messmethode und Erfahrung des Beobachters zwischen einigen Hundertstel und Zehntelsekunden Anders als die zufalligen Zeitfehler die sich bei der Mittelung vieler Messungen grossteils herausheben wirkt die personliche Gleichung als systematischer Fehler immer in dieselbe Richtung Sie beeinflusst daher die Messergebnisse merklich sodass man sie durch Referenzmessungen oder spezielle Experimente z B kunstlicher Stern bestimmen und rechnerisch berucksichtigen muss Auch bei automatisierten Messungen durch optoelektronische Sensoren oder Ahnliches gibt es kleine systematische Effekte die analog instrumentelle Gleichung genannt werden Fur eine Messgenauigkeit von beispielsweise 0 1 0 1 Winkelsekunden muss die Zeit bei Teleskopen auf der Erdoberflache auf die Hundertstelsekunde 0 01 s gemessen werden weil sich die Sterne infolge der Erdrotation um bis zu 15 pro Sekunde bewegen Inhaltsverzeichnis 1 Uberblick durchschnittliche Werte 2 Visuelle Messung von Sterndurchgangen 3 Messungen am Registriermikrometer 4 Messungen mit motorisierter Nachfuhrung Fotografie oder Sensoren 5 Neuere Methoden der Kosmischen Geodasie 6 Geschichte 7 Siehe auch 8 Fachliteratur Auswahl und Weblink 9 EinzelnachweiseUberblick durchschnittliche Werte BearbeitenDie Personliche Gleichung hat wie der Name andeutet fur jeden Beobachter einen charakteristischen Wert der meist uber Zeitraume von vielen Monaten recht stabil ist Er andert sich auch nur relativ wenig durch Mudigkeit oder aussere Umstande Deshalb kann dieser Wert sehr verlasslich durch Referenzmessungen bei denen das Soll Ergebnis bekannt ist bestimmt werden und von den gemessenen Zeiten abgezogen werden Ausserdem hangt die Personliche Gleichung von der Erfahrung des Beobachters ab In der Fachliteratur werden folgende typische Werte angegeben Visuelle Sterndurchgange Fernrohr mit mindestens 30 facher Vergrosserung Erfahrene Beobachter 0 05 s bis 0 20 s wobei der Wert um etwa 0 03 s schwanken kann bei manchen Personen kann die Personliche Gleichung auch negativ sein was eine im Bereich von 0 1 s zu fruhe Reaktion bedeutet Wenig erfahrene Beobachter zwischen 0 1 und 0 4 s mit Schwankungen von etwa 0 05 s Zwischen der 2 und 5 Messnacht stabilisiert sich der Wert jedoch auf personentypisches Niveau Am Registriermikrometer manuelle Nachfuhrung zwischen 0 01 und 0 15 s Schwankung um circa 0 02 s Bei automatischer Nachfuhrung und manueller Korrektion unter 0 10 Sekunden Bei Sternbedeckungen durch den Mond durchschnittlich 0 3 Sekunden So kurze Reaktionszeiten mogen dem Laien unglaubwurdig erscheinen liegen sie doch weit unter der sogenannten Schrecksekunde Ein Sterndurchgang ist jedoch nicht uberraschend sondern genau vorhersehbar Ist ein Ereignis hingegen wirklich unerwartet zum Beispiel eine Sternschnuppe so muss auch ein erfahrener Astronom mit einer grosseren Verzogerung rechnen die bis zu 1 Sekunde betragen kann Bis zu einem gewissen Grad kann man sie im Nachhinein in der Vorstellung am besten bei geschlossenen Augen abschatzen Visuelle Messung von Sterndurchgangen BearbeitenZahlreiche Verfahren der Astrometrie und Astrogeodasie beruhen auf der Messung von Sterndurchgangen durch ein Fadenkreuz oder Fadennetz eines geeigneten Fernrohrs Zu erwahnen sind unter anderem die genaue Bestimmung der Sternzeit und der Sternorter Rektaszension Deklination der geografischen Koordinaten exakter astronomische Breite und Lange insbesondere fur Lotabweichung und Geoidbestimmung sowie fur die Richtungsbestimmung Azimut und die Grosse von Himmelskorpern Bei der Messung eines Sterndurchgangs im Gesichtsfeld eines Theodolits oder Durchgangsinstruments registriert der Beobachter den Zeitpunkt zu dem sich der Stern genau hinter dem Faden befindet oder von ihm biseziert wird Dies kann mittels digitaler Stoppuhr mit Handtaster und Chronograf oder mit Auge Ohr Methode erfolgen Uber die Nachfuhrung am beweglichen Faden siehe unten Die vom Beobachter erreichbare mittlere Genauigkeit wird Durchgangsfehler genannt Abgesehen von Fehlern im Zeitsystem z B Uhrenfehler Zeitzeichen und bei der Einrichtung des Instruments kommt es beim Sterndurchgang oder einer ganzen Serie von Fadenantritten zur Uberlagerung zweier personlicher Einflusse eine verzogerte Reaktion um einen personentypischen Wert in extremen Fallen sagt die Alltagssprache lange Leitung eine etwas unsymmetrische Auffassung der Bisektion Der erste Einfluss ist unvermeidlich aber auf etwa 0 03 s konstant Der zweite kann durch ruhige Aufmerksamkeit beziehungsweise mit zunehmender Erfahrung minimiert werden und lasst sich durch spezielle Messanordnungen eliminieren zum Beispiel durch ein Umkehrprisma oder die Beobachtung symmetrischer Sternpaare Messungen am Registriermikrometer BearbeitenIn der 2 Halfte des 19 Jahrhunderts erfand der Instrumentenbauer Johann Adolf Repsold das nach ihm benannte Registriermikrometer Ein im Fadennetz beweglich angeordneter Faden lasst sich dem Stern nachfuhren und ist mit einer Messspindel verbunden die in genau definierten Abstanden elektrische Kontakte schliesst Bildet man das Mittel der so registrierten Zeiten entspricht dies dem Sterndurchgang am Mittelfaden des Gesichtsfeldes Das Repsold sche Mikrometer wird auch unpersonliches Mikrometer genannt obwohl es die Personliche Gleichung nicht vollig eliminiert Es verringert jedoch die systematischen Messfehler erheblich Sie lassen sich analog zu oben in zwei Anteile zerlegen den Bisektions und den Nachfuhrfehler Bisektions fehler bedeutet dass der Beobachter den beweglichen Faden nicht genau auf dem Sternzentrum Beugungsscheibchen halt sondern stets etwas rechts oder stets etwas links von der Mitte Er ist von der scheinbaren Sterngeschwindigkeit abhangig und betragt bei einem Stern nahe dem Himmelsaquator fur die meisten Beobachter zwischen 10 und 30 Millisekunden 0 01 bis 0 04 s Er lasst sich eliminieren wenn das Zielfernrohr nach der Mitte umgelegt und die Bewegungsrichtung des Sterns umgekehrt wird Beim gebrochenen Fernrohr zum Beispiel Universalinstrumente vom Bautyp T4 oder DKM3 erfolgt dies von selbst wahrend ein geradsichtiges Fernrohr ein Okularreversionsprisma benotigt Nachfuhrfehler bedeutet dass man den beweglichen Faden dem Stern geringfugig vorangehen oder nachfolgen lasst Wird der Bisektionsfehler eliminiert ist der Nachfuhrfehler identisch mit der Personlichen Gleichung Sie kann mit einer speziellen Versuchsanordnung kunstlicher Stern bestimmt werden und liegt nach Steinert zwischen 20 und 40 ms Messungen mit motorisierter Nachfuhrung Fotografie oder Sensoren BearbeitenUm den Beobachter vom konzentriert gleichmassigen Drehen des Registriermikrometers zu entlasten hat man fur einige grossere Instrumente Meridiankreis Danjon Astrolabium Zirkumzenital eine motorgetriebene Nachfuhrung konstruiert die nur noch geringfugig der Sterngeschwindigkeit anzupassen ist Sie verringert die Personliche Gleichung abermals wobei die Restbetrage sehr konstant und durch Messung an Referenzstationen gut bestimmbar sind Beim Danjon Astrolab muss der Beobachter zwei entgegengesetzt laufende Sternbilder mit einem Handrad auf gleicher Hohe halten was auf circa 0 01 s gelingt Ganzlich kann die Personliche Gleichung nur durch automatische Beobachtungsmethoden vermieden werden optoelektronische Durchgangsmessungen SEV oder CCD Sensoren Fotografisches Zenitteleskop engl PZT Zenitkamera und verwandte InstrumenteJedoch erkauft man sich dies mit instrumentellen Fehlern die teilweise nur schwer mathematisch zu modellieren sind Neuere Methoden der Kosmischen Geodasie BearbeitenAls man in den 1970er Jahren in den Genauigkeitsbereich der Millisekunden vordringen wollte waren diese kleinen Restfehler ein nur schwer zu uberwindendes Hindernis Daher wurden die geschilderten Messverfahren nach und nach durch andere voll automatisierbare Messprinzipien ersetzt In der Astrogeodasie teilweise CCD Instrumente Photogrammetrie und Komparatoren Im Monitoring der Erdrotation durch GPS VLBI und SLR Zur Astrometrie von Sternortern durch lichtelektrische Meridiankreise und HipparcosNach wie vor sind jedoch Methoden im Einsatz bei denen die Personliche Gleichung eine zwar geringe aber doch noch eine Rolle spielt so etwa bei der genauen Bestimmung astronomischer Langendifferenzen so genannter Langenausgleich uber kontinentale Vermessungsnetze fur Referenzstationen der absoluten Lotabweichung fur ein kontinentales Zentimetergeoid insbesondere mit dem Ni2 Astrolab im Hochgebirge und fur einige Sonderzwecke Da sich die Personliche Gleichung eines visuellen Beobachters in fast allen Fallen rechnerisch beseitigen lasst Restfehler je nach Methode und Aufwand unter 0 01 bis 0 03 s bleibt die Frage nach weiteren Automatisierungsmethoden eine solche nach dem Kosten Nutzen Verhaltnis Fur das Monitoring zum Beispiel der Erdrotation und der Polbewegung ging sie um 1980 an die modernen Satelliten und Quasar Methoden siehe Kosmische Geodasie und IERS wahrend fur Expeditionen und einige Geoid Projekte weiterhin die Astrogeodasie geeignete Methoden anbietet Geschichte BearbeitenIm Jahr 1796 entliess der Astronomer Royal Nevil Maskelyne seinen Assistenten Kinnebrooke weil dieser Sternantritte im Mikrometer im Durchschnitt 0 8 Sekunden spater aufgezeichnet hatte als Maskelyne selbst 1 Der Effekt wurde zunachst vergessen bis der Konigsberger Astronom Friedrich Wilhelm Bessel im Jahr 1816 auf die Geschichte Kinnebrookes aufmerksam wurde Bessel stellte bis 1821 systematische Untersuchungen zu diesem Effekt an die er mit seinem Assistenten Walbeck durchfuhrte 2 Er stellte fest dass zwischen den Beobachtungen Walbecks und seinen eigenen uber eine Sekunde Differenz vorhanden war 1 Spater setzte Bessel die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit anderen Astronomen fort 3 Er gilt damit als Entdecker der Personlichen Gleichung Siehe auch BearbeitenInstrumentelle Gleichung Zeitmessung Intervallzahler Prismenastrolab PassageninstrumentFachliteratur Auswahl und Weblink BearbeitenKarl Ramsayer Geodatische Astronomie Band IIa des Handbuchs der Vermessungskunde JEK J B Metzler Verlag Stuttgart 1969 Gottfried Gerstbach Analyse personlicher Fehler bei Durchgangs Beobachtungen von Sternen Geowissenschaftliche Mitteilungen Band 7 S 51 102 TU Wien 1975 Albert Schodlbauer Geodatische Astronomie Grundlagen und Konzepte De Gruyter Verlag Berlin New York 2000 Ivan Mueller Spherical and Practical Astronomy Frederic Ungar Publ New York 1969 K G Steinert Die personlichen Fehler bei Zeitbestimmungen mit dem Passageinstrument Diss TH Dresden Auszug in Mittlg Lohrmann Instituts Nr 4 Dresden 1961 Beobachtungstechnik mit Mikrometer am Memento vom 30 August 2006 im Internet Archive Meridiankreis Einzelnachweise Bearbeiten a b Duncombe R L Personal equation in astronomy In Popular Astronomy Band 53 1945 S 2 Jurgen Hamel Friedrich Wilhelm Bessel Biographien hervorragender Naturwissenschaftler Techniker und Mediziner Bd 67 ISSN 0232 3516 BSB Teubner Verlagsgesellschaft Leipzig 1984 S 41 Christoph Hoffmann Unter Beobachtung Naturforschung in der Zeit der Sinnesapparate Wallstein Verlag Gottingen 2006 S 147 166 detaillierte Bearbeitung der Besselschen Untersuchungen zur Personlichen Gleichung Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Personliche Gleichung amp oldid 239447996