www.wikidata.de-de.nina.az
Partizipatorische Demokratie oder Partizipative Demokratie von Partizipation Teilhaben Teilnehmen und Demokratie Volksherrschaft bezeichnet eine vornehmlich normative demokratietheoretische Stromung welche die politische Mitwirkung moglichst Vieler in moglichst vielen Bereichen fordert Die Ausdehnung des Demokratieprinzips auf verschiedene gesellschaftliche und wirtschaftliche Bereiche und zum Teil insbesondere in feministischen Demokratietheorien auch auf die Privatsphare steht im Zentrum partizipatorischer Demokratietheorien Die Legitimitat einer Demokratie wird dementsprechend uber die Beteiligung an und Einflussnahme auf Entscheidungen auf verschiedenen politischen Ebenen und in der Zivilgesellschaft gewahrleistet Partizipatorische Demokratietheorien enthalten also eine starke Betonung des politischen Inputs durch die Burger 1 Inhaltsverzeichnis 1 Konzeption und Modelle partizipatorischer Demokratie 2 Abgrenzung zu anderen Demokratietheorien 3 Theorievarianten 4 Beispiele in Deutschland 5 Partizipatorische Demokratie in Europa 5 1 Europaische Union 5 2 Kommunen 6 Kritik 7 Zitate 8 Siehe auch 9 Literatur 10 Weblinks 11 EinzelnachweiseKonzeption und Modelle partizipatorischer Demokratie BearbeitenGrundlegend fur die partizipatorische Demokratie ist ein wahrgenommener Mangel an Beteiligungschancen in den existierenden liberalen reprasentativen Demokratien der von den Theorien partizipatorischer Demokratie kritisch vorausgesetzt wird 2 3 Davon ausgehend sind die partizipativen Demokratietheorien jedoch kein homogenes Theoriegebaude sondern ein vielfaltiges Spektrum von Ansatzen die allerdings verschiedene Grundzuge teilen Die gesellschaftlichen Entscheidungen sollen aus der wirksamen und gleichen Partizipation aller Gesellschaftsmitglieder hervorgehen 4 Partizipatorische Demokratietheorien bewerten die Teilhabe und politische Willensbildung der Burger in der Regel hoher als Reprasentation und Effektivitat der politischen Steuerung 1 Die Forderung demokratische Partizipation solle uber den Bereich der traditionellen politischen Institutionen wie Regierung und politische Parteien hinaus auf Bereiche wie Wirtschaft Arbeitswelt Bildungssystem und insbesondere in der feministischen Theorie auch auf die Privatsphare ausgeweitet werden ist von grosser Bedeutung 5 6 Die Direktheit der Beteiligung der Burger ist ein zentrales Merkmal verschiedener Varianten der partizipatorischen Demokratie 2 Partizipatorische Demokratietheorien gehen davon aus dass durchschnittliche Burger zu mehr und besserer Beteiligung befahigt sind oder befahigt werden konnen und haben insofern ein optimistisches Bild vom Staatsburger 7 Die deliberativen Demokratietheorien werden zuweilen zu den partizipatorischen Demokratietheorien gezahlt Unter dieser Voraussetzung kann die Deliberation als weiteres zentrales Merkmal verschiedener Modelle partizipatorischer Demokratie identifiziert werden 2 Andererseits gibt es aber auch Bestrebungen partizipatorische und deliberative Demokratie voneinander abzugrenzen 8 Die einzelnen Vertreter der partizipatorischen Demokratie haben unterschiedliche Vorstellungen uber die Umsetzung beispielsweise bei der Frage inwieweit Institutionen der Zivilgesellschaft wie Vereine und andere Initiativen an Entscheidungen und Aufgaben beteiligt werden sollten oder eher die vorhandenen staatlichen Institutionen mit mehr Burgerbeteiligung am Entscheidungs und Umsetzungsprozess arbeiten sollten siehe dazu z B Benjamin R Barbers Starke Demokratie Abgrenzung zu anderen Demokratietheorien BearbeitenAllgemein zeichnen sich partizipatorisch demokratische Ansatze aus durch mehr Reichweite des demokratischen Prinzips also Demokratie nicht nur als Staatsform sondern auch als Lebens oder Seinsform damit einhergehend eine Ausdehnung des Politischen auf alle Spharen der Gesellschaft sowie letztlich das Endziel einer unmittelbaren Volksherrschaft Kritik an klassischer reprasentativer Demokratie Reprasentation wird von Theoretikern der partizipatorischen Demokratie als Machtabgabe verstanden und fuhrt zu einer Herrschaft weniger uber viele Oligarchie Es wird infrage gestellt ob gewahlte Parteien oder Politiker wirklich als demokratisch legitimiert gelten Eine grosse Wahlenthaltung der Burger delegitimiere die gewahlten Politiker im Namen des Volkes zu sprechen Partizipation wird durch Wahl gehemmt Eigeninitiative wird verdrangt gesellschaftliche Selbstorganisation kann sich nicht voll entfalten Unterschiede zur direkten Demokratie Generell kann die direkte Demokratie auch als eine Form der partizipatorischen Demokratie angesehen werden da auch hier mehr Burger in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden werden Direkte Demokratie im engeren Sinne und oder auf ihre Instrumente oder Elemente eingeschrankt will politische Fragen unmittelbar durch Volksabstimmung entscheiden wahrend partizipatorische Demokratie Mitwirken nicht nur als Abstimmung sondern auch als andere Formen der Teilhabe versteht Partizipatorische Demokratie zielt auf die Ausweitung des demokratischen Prinzips auch auf andere Bereiche wie Wirtschaft Theorievarianten BearbeitenDie folgenden theoretischen Konzepte konnen allerdings zum Teil nur im weiteren Sinne der demokratietheoretischen Stromung der partizipatorischen Demokratie zugeordnet werden expansive Demokratie Warren extensive Demokratie Anton Pelinka starke Demokratie Benjamin R Barber assoziative Demokratie Paul Hirst dialogische Demokratie Anthony Giddens deliberative Demokratie James S Fishkin Jurgen Habermas Seyla Benhabib Demokratie und Erziehung John Dewey Demokratie dynamisch Philipp Jurschitz Beispiele in Deutschland BearbeitenDer Freiwilligensurvey die Enquete Kommission Zukunft des burgerschaftlichen Engagements des Bundestags und das Internationale Jahr der Freiwilligen sind Beispiele fur die Bedeutung des dritten Sektors Ehrenamt heute und dessen Forderung durch den Staat und die Politik Auch eine Burgerwerkstatt wie sie beispielsweise die Stadt Bonn im Oktober 2005 zur Gestaltung des Bereiches vor dem Hauptbahnhof eingerichtet hat kann eine Moglichkeit der aktiven Einbeziehung von Burgern von staatlicher Seite sein Die Entwicklung der Gesellschaft hin zu einer Informationsgesellschaft wird in verschiedenen Ansatzen der E Demokratie und der Liquid Democracy berucksichtigt Partizipatorische Demokratie in Europa BearbeitenEuropaische Union Bearbeiten Bereits in den Verfassungsentwurfen der Europaischen Union fanden sich Elemente der partizipatorischen Demokratie Der Vertrag von Lissabon ubernahm diesen Artikel 1 1 in den seit 2009 gultigen EU Vertrag Art 11 EUV 1 Die Organe der Union geben den Burgerinnen und Burgern und den reprasentativen Verbanden in geeigneter Weise die Moglichkeit ihre Ansichten zu allen Bereichen des Handelns der Union offentlich bekannt zu geben und auszutauschen 2 Die Organe der Union pflegen einen offenen transparenten und regelmassigen Dialog mit den reprasentativen Verbanden und der Zivilgesellschaft 3 Um die Koharenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewahrleisten fuhrt die Kommission umfangreiche Anhorungen der Betroffenen durch 4 Mindestens eine Million Burgerinnen und Burger aus einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten konnen die Kommission auffordern geeignete Vorschlage zu Themen zu unterbreiten zu denen es nach Ansicht der Burgerinnen und Burger eines Rechtsakts der Union bedarf um diese Verfassung umzusetzen Die Bestimmungen uber die besonderen Verfahren und Bedingungen die fur eine solche Burgerinitiative gelten werden durch ein Europaisches Gesetz festgelegt Durch den Vertrag von Lissabon wurden die rechtlichen Grundlagen einer Europaischen Burgerinitiative geschaffen Aber auch uber dieses konkrete Instrument hinaus wurden Grundlagen fur die partizipatorische Demokratie in der EU festgelegt 9 In der EU gilt ferner der Europaische Wirtschafts und Sozialausschuss als Instrument der partizipatorischen Demokratie Siehe auch Europaische Interessenvertretung Kommunen Bearbeiten Zahlreiche Kommunen und Regionen Europas wenden in der einen oder anderen Form das Prinzip der partizipativen Demokratie an Hier findet die Burgerbeteiligung Partizipation auf verschiedenen Gebieten und in unterschiedlichen Bereichen der kommunalen oder regionalen Entscheidungsebenen statt Burgerhaushalt kommunale Bauplanung und andere Fachgebiete kommunaler Selbstverwaltung Kritik BearbeitenFolgende Kritikpunkte werden gegenuber der partizipativen Demokratietheorie geaussert 1 6 nach Manfred G Schmidt Demokratietheorien Primat des Normativen Die Behauptung von Bachrach siehe Zitate ist nicht empirisch abgesichert und bezieht sich hauptsachlich auf jungere Burger mit postmaterieller Wertevorstellung Tocquevilles Problem Umfassende Demokratisierung steigert die Gefahr des Minderheits oder Mehrheitsdespotismus Destabilisierung durch Ubermobilisierung Durch den Uberschuss an Beteiligung und Anspruchen kann sich die politische Ordnung destabilisieren Eindimensionalitat Qualitat und Folgeprobleme politischer Entscheidungen werden weitgehend vernachlassigt Zu optimistisches Menschenbild Burger versuchen individuellen Eigennutz zu maximieren und sind nur unter speziellen Bedingungen zu gemeinwohlorientierter Kooperation motiviert Uberschatzung der Burgerkompetenzen Moglicherweise sind die Burger die vernunftige Entscheidungen treffen sollen nicht dazu befahigt Aktive und passive Offentlichkeit Normalerweise beteiligen sich nur aktive Burger Wie konnen auch die von sich aus passiven aber dennoch stimmberechtigten Burger am Entscheidungsprozess teilnehmen Zitate BearbeitenJohn S Dryzek If democracy is a good thing then more democracy should presumably be an even better thing Wenn Demokratie etwas Gutes ist dann ist wohl mehr Demokratie etwas noch Besseres In John S Dryzek Political Inclusion and the Dynamics of Democratization APSR 87 S 48 60 Jurgen Habermas Demokratie arbeitet an der Selbstbestimmung der Menschheit Siehe Studie Student und Politik Peter Bachrach Die Mehrheit der Individuen kann nur durch eine aktivere Partizipation an bedeutsamen Entscheidungen des Gemeinwesens Selbstbewusstsein gewinnen und ihre Fahigkeiten besser entfalten Das Volk hat daher im Allgemeinen ein doppeltes politisches Interesse Interesse an den Endresultaten und Interesse am Prozess der Partizipation Siehe Peter Bachrach Die Theorie demokratischer Elitenherrschaft 1970 S 119 f Siehe auch BearbeitenBurgerbeteiligung RadikaldemokratieLiteratur BearbeitenBernhard Kornelius Dieter Roth Politische Partizipation in Deutschland Ergebnisse einer reprasentativen Umfrage Hrsg Bertelsmann Stiftung Bundeszentrale fur politische Bildung Hrsg Schriftenreihe Band 471 Bonn 2004 ISBN 3 89331 583 7 Kurzbeschreibung Memento vom 7 Oktober 2005 im Internet Archive Elke Rajal trafo K Oliver Marchart Nora Landkammer Carina Maier Hg Making Democracy Aushandlungen von Freiheit Gleichheit und Solidaritat im Alltag transcript Bielefeld 2020 ISBN 978 3 8376 5016 7 Download PDF 13 MB Weblinks BearbeitenEuropaisches Burgergutachten uber die Rolle des landlichen Raums im Europa von morgen BLK Programm Demokratie lernen und leben Deutsche Gesellschaft fur Demokratiepadagogik Gutachten zur Burgerbeteiligung im Rahmen der Kommunal und Verwaltungsreform in Rheinland PfalzEinzelnachweise Bearbeiten a b Vgl Manfred G Schmidt Partizipatorische Demokratie In ders Worterbuch zur Politik Kroners Taschenausgabe Band 404 2 vollstandig uberarbeitete und erweiterte Auflage Kroner Stuttgart 2004 ISBN 3 520 40402 8 S 524 a b c Vgl Dieter Fuchs Modelle der Demokratie Partizipatorische Liberale und Elektronische Demokratie In Andre Kaiser und Thomas Zittel Hrsg Demokratietheorie und Demokratieentwicklung VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2004 S 19 53 hier S 35 Vgl Clausjohann Lindner Kritik der Theorie der partizipatorischen Demokratie Westdeutscher Verlag Opladen 1990 S 15 S 20 Clausjohann Lindner Kritik der Theorie der partizipatorischen Demokratie Westdeutscher Verlag Opladen 1990 S 15 Vgl Manfred G Schmidt Demokratietheorie Eine Einfuhrung 5 Auflage VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 S 238 Vgl Clausjohann Lindner Kritik der Theorie der partizipatorischen Demokratie Westdeutscher Verlag Opladen 1990 S 20 Manfred G Schmidt Demokratietheorie Eine Einfuhrung 5 Auflage VS Verlag fur Sozialwissenschaften Wiesbaden 2008 S 240 f Beispielsweise Carole Pateman Participatory Democracy Revisited In Perspectives on Politics 2012 10 Jg Nr 01 S 7 19 hier S 8 Vgl Bernd Huttemann Europaisches Regieren und deutsche Interessen Demokratie Lobbyismus und Art 11 EUV Erste Schlussfolgerungen aus EBD Exklusiv 16 November 2010 in Berlin In EU in BRIEF Nr 1 2011 ISSN 2191 8252 netzwerk ebd de PDF 267 kB abgerufen am 15 April 2020 Normdaten Sachbegriff GND 7612245 1 lobid OGND AKS Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Partizipatorische Demokratie amp oldid 238754699