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Der mozarabische Ritus auch mozarabische Liturgie westgotische Liturgie oder altspanische Liturgie genannt ist ein liturgischer Ritus der romisch katholischen Kirche der sich auf der Iberischen Halbinsel entwickelt hat und heute noch an einigen wenigen Orten in Spanien praktiziert wird Auch andere Bezeichnungen wie Toledanischer Ritus oder Isidorianischer Ritus nach Isidor von Sevilla sind vereinzelt zu finden Kathedrale von Toledo Inhaltsverzeichnis 1 Geschichtliche Entwicklung 2 Neubelebung durch Francisco Jimenez de Cisneros 3 Besonderheiten und Verbreitung 4 Einzelnachweise 5 Literatur 5 1 Quellen 5 2 Darstellungen 6 WeblinksGeschichtliche Entwicklung BearbeitenIm Zuge der raschen Ausbreitung des Christentums im Romischen Reich entstanden in den einzelnen Teilkirchen diverse liturgische Riten unter denen der romische Ritus zunachst noch keine besondere Vorrangstellung besass Die Entstehung und Durchsetzung des auf der Iberischen Halbinsel gefeierten Ritus war ein Zeichen der erstarkenden Kirche in den hispanischen Provinzen und ihrer lange aufrechterhaltenen relativen Unabhangigkeit von Rom Die Liturgie ist schon im 4 und 5 Jahrhundert belegt also kurz nach der Erhebung des Bistums Toledo zum Erzbistum Zu dieser Zeit beherrschten die Westgoten die Iberische Halbinsel Sie waren zunachst Arianer bekehrten sich aber ab etwa 589 zur nizanischen Dreifaltigkeitslehre Unter westgotischer Agide breitete sich der Ritus uber deren gesamten Herrschaftsbereich aus die grosste Verbreitung wird fur das 7 Jahrhundert angenommen Nach dem Einfall der Mauren in Hispanien im Jahre 711 und der damit verbundenen Ausbreitung des Islams gerieten die meisten Christen auf der Iberischen Halbinsel unter maurische Herrschaft Sie passten sich in der ausseren Lebensform den neuen Herren an daher der Name Mozaraber und feierten weiter ihre Gottesdienste in der uberkommenen westgotischen Liturgieform Auch in den nichtmaurischen Gebieten der Pyrenaenhalbinsel blieb es zunachst bei diesem Ritus Zur Ubernahme der romischen Liturgie und Kirchenordnung kam es schrittweise und ausgehend von den Pyrenaen mit ihren karolingischen Einflussen hauptsachlich jedoch im 11 und 12 Jahrhundert im Rahmen der Europaisierung der Iberischen Halbinsel Dieser Prozess ging mit der wachsenden politischen und kirchenpolitischen Einflussnahme romischer normannischer und franzosischer Machte auf die inneriberischen Verhaltnisse und die dort von christlichen Herrschern betriebene Reconquista einher nbsp Mozarabische Kirche San Miguel de Escalada bei LeonDie Eroberungszuge und der Aufbau neuer weltlicher und kirchlicher Strukturen in den von den Christen neu gewonnenen Gebieten zogen nicht nur viele Adlige und Kleriker aus anderen christlichen Regionen Europas ins Land sondern man ubernahm zum Teil auch neue rechtliche Grundsatze und Organisationsformen Besonders das Papsttum das mit den Kirchenreformen des 11 Jahrhunderts die Zentralisierung der Kirche vorantrieb unterstutzte diesen Prozess der sich unter anderem in der Besetzung von Bischofssitzen mit franzosischen Klerikern im wachsenden Einfluss des benediktinischen Monchtums vor allem der Cluniazenser aber auch zum Beispiel in der Ablosung der traditionellen westgotischen Schrift durch die im ubrigen Westeuropa schon lange allgemein ubliche karolingische Minuskel und anderes mehr ausdruckte Nachdem Papst Alexander II den Wechsel zum romischen Ritus angeordnet haben soll wurde dieser zuerst im Konigreich Konigreich Aragon eingefuhrt 1074 wurde die mozarabische Liturgie durch Papst Gregor VII ausdrucklich verboten und der romische Ritus 1080 auf einem Konzil in Burgos von den papstlichen Gesandten fur in allen Landern der Iberischen Halbinsel verbindlich erklart Gegen die Durchsetzung des romischen Ritus gab es vielfaltigen Widerstand da der Rituswechsel den jurisdiktionellen Anschluss der bis dahin sehr eigenstandigen iberischen Kirche an Rom bedeutete Damit verbunden war auch eine deutliche Schwachung des Einflusses der Laien in den Kirchen und Klostern was wiederum die Grundlagen der Herrschaft des Adels einschrankte und letztlich die Zentralgewalt des Konigtums starkte Nach der Eroberung Toledos im Jahr 1085 weigerte sich die dortige mozarabische Bevolkerung die romische Liturgie zu feiern Darauf erlaubte der Papst sechs Pfarreien im Erzbistum Toledo den mozarabischen Ritus weiterhin zu praktizieren Spater bestatigte das Konzil von Trient den mozarabischen Ritus im jeweils bestehenden Umfang neben dem Ambrosianischen als zulassig Neben diesen sechs Gemeinden wurde der mozarabische Ritus fortan nur noch von den Christen der maurischen Herrschaftsgebiete gefeiert und erhielt so seinen Namen nbsp Titelblatt des Missale Mixtum secundum regulam beati Isidori dictum Mozarabes aus dem Jahr 1500Neubelebung durch Francisco Jimenez de Cisneros BearbeitenDie sechs Gemeinden Toledos denen der Papst die Verwendung des mozarabischen Ritus genehmigt hatte waren Personalpfarreien die sich von den ortlichen Territorialpfarreien nur durch den Ritus unterschieden Die verwendeten Sprachen waren Latein und Kastilisch Die Zahl der Gemeindemitglieder und damit die Einnahmen der Gemeinden verminderten sich im Lauf der Zeit Das fuhrte dazu dass sich kaum geeignete Bewerber fur die schlecht bezahlten Pfarrstellen fanden Es gab Pfarrer die die Zeremonien und Gesange nicht kannten Sie konnten auch die Informationen die in den liturgischen Manuskripten dazu enthalten waren nicht lesen da diese vor Jahrhunderten in westgotischen Lettern geschrieben waren 1 Bereits die Vorganger des Erzbischofs Cisneros Alfonso Carrillo und Pedro Gonzalez de Mendoza hatten Massnahmen zur Verbesserung der Situation durch Umorganisation der Gemeinden ergriffen 2 Als Francisco Jimenez de Cisneros Erzbischof von Toledo wurde stand die mozarabische Liturgie kurz vor ihrem Verschwinden 3 Die Liturgien in den sechs Gemeinden waren nicht einheitlich Die vorhandenen Manuskripte waren teilweise kaum verwendbar und unvollstandig Francisco Jimenez de Cisneros hielt das Fehlen von verbindlichen liturgischen Buchern fur eines der wichtigsten Probleme Er beauftragte den Kanoniker Alonso Ortiz der sich bereits fruher mit Fragen der romischen Liturgie befasst hatte das vorhandene Material zu sichten und druckfahige Vorlagen fur ein Missale und ein Breviarium zu schaffen die den Originaltexten aus der Zeit der Westgoten moglichst nahe kommen sollten Im Jahr 1500 wurde das Missale mixtum secundum regulam beati Isidori dictum mozarabes 4 und 1502 das Breviarium secundum regulam beati Hysidori 5 in der Druckerei des Pedro Hagenbach in Toledo gedruckt 6 An der Kathedrale von Toledo liess Erzbischof Francisco Jimenez de Cisneros in den Jahren 1502 bis 1510 eine Kapelle errichten die Capilla del Corpus Christi in der die Gottesdienste nach dem mozarabischen Ritus abgehalten werden sollten Die Kapelle ist heute allgemein als Capilla Mozarabe bekannt Sie wurde nach den Planen und unter der Leitung des Baumeisters Enrique Egas auf den Grundmauern des Sudturmes der Kathedrale errichten An dieser Stelle befand sich vorher der Kapitelsaal Die Kapelle die den Namen Corpus Christi Kapelle Capilla del Corpus Christi erhielt ist etwa 8 70 m lang und 8 90 breit Der Altarraum ist 3 00 m lang 7 50 m breit 7 Die Kuppel die 1622 ausbrannte wurde 1631 durch eine neue ersetzt Die personelle Ausstattung der Kapelle bestand aus dreizehn Kaplanen und weiteren Personen die fur diese Stellen ausgebildet waren und als besonders geeignet galten Im September 1508 wurde zwischen Kardinal Cisneros und Vertretern des Domkapitels eine Verfassung fur die Kapelle vereinbart die die Besetzung der Stellen die Tatigkeit der Kaplane und die Finanzierung sicherstellte Die erste mozarabische Messe wurde in der Kapelle am 15 Juli 1511 gehalten 8 In der Kapelle finden auch heute noch regelmassig Gottesdienste nach dem mozarabischen Ritus statt 9 Besonderheiten und Verbreitung BearbeitenDer Historiker Klaus Herbers beschreibt die Unterschiede zwischen der mozarabischen und der romischen Liturgie die sich vorrangig in den zeremoniellen Formen und der Zahl und Abfolge der liturgischen Handlungen zeigen So besass die traditionelle westgotische Liturgie eine grossere Anzahl von Lesungen aus dem Alten Testament eine andere Anordnung einzelner Teile der Messe eine eigenstandige und von der benediktischen stark abweichende Monchsliturgie Stundengebet einen differenzierteren Festkalender mit anderen Heiligenfesten Die mozarabische Messfeier war in altkirchlicher Tradition in zwei klar voneinander getrennte Abschnitte eingeteilt die Katechumenenmesse d h die Verkundigung an die Gemeinde und die erwachsenen Taufschuler systematisch in etwa dem modernen Wortgottesdienst entsprechend die den Kirchenraum anschliessend verlassen mussten wahrend die bereits getauften Gemeindemitglieder auch am zweiten Teil der Feier der Eucharistie teilnahmen Die Kommunion wurde unter beiderlei Gestalten gereicht das Vaterunser wurde vor der Wandlung gesprochen und das Credo war in das Hochgebet der Messe integriert Heute wird der mozarabische Ritus in der Kathedrale von Toledo in Salamanca bei den Monchen auf dem Montserrat und in der Abtei Santo Domingo de Silos sowie von Priestern mit Spezialerlaubnis gefeiert Obschon nur noch begrenzt verbreitet wurde die mozarabische Liturgie nach dem Vatikanum II durch die Herausgabe des Missale Hispano Mozarabicum 1991 durch die Spanische Bischofskonferenz und den Erzbischof von Toledo als eine der romischen Liturgie grundsatzlich gleichwertige und ebenburtige bestatigt Einzelnachweise Bearbeiten Ramon Gonzalvez Ruiz Cisneros y la reforma del rito hispano mozarabe In Anales toledanos Nr 40 2004 ISSN 0538 1983 S 174 spanisch 1 abgerufen am 16 Februar 2020 Joseph Perez Cisneros el cardenal de Espana Taurus Barcelona 2014 ISBN 978 84 306 0948 2 S 223 spanisch Ramon Gonzalvez Ruiz Cisneros y la reforma del rito hispano mozarabe In Anales toledanos Nr 40 2004 ISSN 0538 1983 S 205 spanisch 2 abgerufen am 16 Februar 2020 Alfonso Ortiz Missale mixtum secundum regulam beati Isidori dictum mozarabes Pedro Hagenbach Toledo 1500 Latein 3 abgerufen am 16 Januar 2020 Alfonso Ortiz Breviarium secundum regulam beati Hysidori Pedro Hagenbach Toledo 1502 Latein univ tours fr abgerufen am 15 August 2020 Angel Fernandez Collado Alonso Ortiz Real Academia de la Historia 2018 abgerufen am 25 Februar 2000 spanisch Francisco de Sales Cordoba Sanchez Bretano Los Mozarabes de Toledo Hrsg Instituto Provincial de Investigaciones y Estudios Toledanos Diputacion Provincial Toledo 1985 ISBN 84 00 05848 8 S 38 spanisch 4 PDF abgerufen am 16 Januar 2020 Lynette M F Bosch Art Liturgy and Legend in Renaissance Toledo Pennsylvania State University Press Pennsylvania 2000 ISBN 978 0 271 01968 0 S 63 englisch Mozaragische Kapelle Catedral Primada Toledo 2016 abgerufen am 7 August 2020 stark fehlerhafte deutsche Fassung Literatur BearbeitenQuellen Bearbeiten Marius Ferotin Hrsg Le Liber Mozarabicus Sacramentorum Monumenta Ecclesiae liturgica VI Paris 1912 Messformulare fur das ganze Jahr Abkurzung LMS Jose Janini Hrsg Liber Missarum de Toledo y Libros Misticos I II Instituto de estudios visigotico mozarabes Toledo 1982 1983 Diese neue Quellenausgabe umfasst die Messbucher von Toledo und die damals gebrauchlichen libri mistici eine Mischung des Breviers und des Vollmissale in der mozarabischen Epoche Abkurzung LM Jose Vives Hrsg Orational Visigotico Monumenta Hispaniae sacra series lit I Barcelona Madrid 1946 enthalt Orationen der sonn und festtaglichen Stundenliturgie Abkurzung OV Jorge Pinell Hrsg Liber Orationum Psalmographus Monumenta Hispaniae sacra series lit IX Barcelona Madrid 1972 Gebete zum Psalter in der Stundenliturgie der Kathedralen aber nur an Werktagen verwendet Abkurzung LPs Conferencia Episcopal Espanola Hrsg Missale Hispano Mozarabicum 2 Bde Toledo 1991 1994 Band I enthalt die Messformulare fur alle Sonn und Festtage Band II die Messformulare fur die Feste und Gedenktage der Heiligen sowie Votivmessen und die Wochentage Abkurzung MMoz dazu gehort das Lektionar Liber Commicus ed Conferencia Episcopal Espanola et Arzopisbado de Toledo 2 Bde Toledo 1991 1995 Susana Zapke Hrsg Hispania Vetus Musical Liturgical Manuscripts From visigothic origins to the franco roman transition 9th 12th centuries Fundacion BBVA Bilbao 2007 ISBN 978 84 96515 50 5Darstellungen Bearbeiten Ludwig Vones Geschichte der Iberischen Halbinsel im Mittelalter 711 1480 Reiche Kronen Regionen Thorbecke Sigmaringen 1993 ISBN 3 7995 7113 2 hier besonders S 83 ff Klaus Herbers Geschichte Spaniens im Mittelalter Vom Westgotenreich bis zum Ende des 15 Jahrhunderts Kohlhammer Stuttgart 2006 ISBN 978 3 17 018871 6 hier besonders S 150 ff Weblinks BearbeitenAnton Thaler Die altspanische Liturgie Schweizerische Kirchenzeitung Nr 5 1998 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mozarabischer Ritus amp oldid 233838365