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Die Mechanische Baumwoll Spinnerei war einer der drei grossen Spinnereibetriebe in Bayreuth Bayern Mechanische Baumwoll Spinnerei Bayreuth um 1900 Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Lage 3 Geschichte 3 1 19 und fruhes 20 Jahrhundert 3 2 Zeit des Nationalsozialismus 3 3 Nach dem Zweiten Weltkrieg 4 Anmerkungen 5 Literatur 6 Weblinks 7 EinzelnachweiseVorgeschichte BearbeitenGrunder der Fabrik war der aus Augsburg stammende Ludwig August Riedinger 1809 1879 Als Hauptaktionar brachte er 125 000 Gulden fl in das Unternehmen ein und bewog u a Alexander Friedrich Wilhelm von Wurttemberg sich mit hohen Betragen daran zu beteiligen Auf Fabrikanten und Kaufleute folgten das Stadtoberhaupt Friedrich Carl Dilchert hohere Beamte Offiziere Arzte und Apotheker Schliesslich trugen sich auch kleine Leute in die Aktionarsliste ein die im Volksmund Mechanische genannte Spinnerei wurde zu einer Angelegenheit der ganzen Stadt 1 Lage BearbeitenDas Gelande der Spinnerei schloss sich unmittelbar ostlich an den Hauptbahnhof an Ursprunglich nordlich der Markgrafenallee gelegen breitete sich der Betrieb uber die Strasse nach Suden aus Die 1886 eroffnete Weberei lag nordlich der Hammerstrasse seit 1947 Friedrich Ebert Strasse Wohngebaude fur Arbeiter und Angestellte entstanden ab der Jahrhundertwende in diesem Bereich und bildeten die Keimzelle des Stadtviertels Hammerstatt Vom nahen Bahnhof fuhrte ein Gleisanschluss an der Nordwestseite des Hauptgebaudes entlang 2 Geschichte Bearbeiten nbsp Der Bahnhof von 1856 dahinter die Mechanische Baumwoll Spinnerei nbsp Von der Mechanischen errichtete Arbeiterwohnhauser in der Sozialsiedlung Burg 1972 nbsp Erhalten gebliebener Wasserturm der Mechanischen 19 und fruhes 20 Jahrhundert Bearbeiten Am 30 Oktober 1853 wurde die Mech Baumwollen Spinnerei zu Bayreuth mit einem Kapital von 1 038 000 fl gegrundet wobei 519 Aktien zu 1000 fl und 1038 Aktien zu 500 fl ausgegeben worden waren 3 Bald nach der Eroffnung des Bahnhofs am 28 November 1853 wurde unmittelbar nach dem notariellen Grundstuckskauf 1854 mit dem Bau der Anlage begonnen Das funfeinhalbstockige Fabrikgebaude wurde innerhalb von knapp sieben Monaten fertiggestellt Mit Turmen und Zinnen glich das 86 Meter lange und 24 Meter breite weiss verputzte Gebaude einer Festung 1 es war einer der hochsten industriellen Steinbauten im Konigreich Bayern Am 8 November 1855 wurde eine von der Maschinenbau AG Nurnberg gelieferte Dampfmaschine erstmals angeheizt und die Spinnmaschinen liefen an Ende Dezember jenes Jahres wurde der Betrieb mit 29288 Spindeln eroffnet 3 Der Arbeitstag dauerte von 5 bis 19 Uhr mit einer viertelstundigen Pause um 7 30 Uhr und einer einstundigen um 12 Uhr 4 Der Stundenlohn der Arbeiter lag bei 2 Kreuzern qualifizierte Fachkrafte erhielten 2 Kreuzer Fur ein Pfund Fleisch musste etwa sechs Stunden fur eine Mass Bier vier Stunden und fur ein Brotchen mindestens eine halbe Stunde gearbeitet werden Es gab keinen Urlaub Kranken und Sozialversicherungen existierten zunachst nicht 1857 sammelten Fabrikarbeiter der Mechanischen zwanzig Gulden fur die Opfer einer Brandkatastrophe 5 1877 wurde eine zweite Spinnerei Shedspinnerei mit 20 000 Spindeln gebaut 1881 das Kapital auf 1 660 000 Mark festgesetzt 3 1886 wurde der Betrieb mit einer Weberei erganzt und der Firmenname anderte sich in Mech Baumwoll Spinnerei und Weberei Bayreuth 3 1860 zahlte er 620 Beschaftigte 1935 war deren Zahl auf 1440 angewachsen mit 1450 erreichte sie 1940 ihren Hochststand Die Spindelzahl das Mass fur die Grosse einer Spinnerei belief sich 1940 auf 100 000 6 Ihrer Zeit voraus war die Mechanische mit ihren seinerzeit spektakularen Sozialleistungen 5 Im benachbarten Ortsteil Burg errichtete sie 1861 die erste bayerische Sozialsiedlung Daruber hinaus bot sie preiswerte Lebensmittel und Kleidung an 4 unterhielt ab den 1870er Jahren betriebseigene Speisehauser eine Werksbibliothek eine Nah und Strickschule und sogar einen Kindergarten Kleinkinderschule 5 Vorbildlich waren seit 1856 auch die Pensionskasse des Betriebs und die Betriebskrankenkasse die fur eine gewisse Zeit den Lohnausfall sowie Arzt und Arzneikosten erstattete 4 Ab 1862 erhielten auch die Ehefrauen und Kinder der Werksangehorigen kostenlose arztliche und medikamentose Hilfe 5 Auf dem Grundstuck Rosestrasse 4 baute das Unternehmen eine Sportplatzanlage fur seine Arbeiter 7 Am 1 Mai 1890 legten die Weber der Mechanischen die Arbeit nieder und zogen in geschlossenen Haufen durch die Stadt Nach den vielen Jahren Bismarckscher Repression wurde damit erstmals der im Vorjahr in Paris ausgerufene Weltkampftag des Proletariats in Bayreuth begangen 8 Zeit des Nationalsozialismus Bearbeiten Am 13 Januar 1941 wurde Bayreuth Ziel eines ersten Bombenangriffs der Royal Air Force Ein oder zwei mehrmotorige Flugzeuge uberflogen zwischen 3 17 Uhr und 4 56 Uhr im Tiefflug die drei Spinnereien der Stadt Aus 200 300 m Hohe wurden zwei Leucht drei Spreng und ca 33 Brandbomben abgeworfen Am schwersten wurde die Mechanische Baumwoll Spinnerei getroffen deren Baumwollvorrate vollstandig vernichtet wurden Personen kamen nicht zu Schaden obwohl die Loschtrupps infolge fehlender Flakeinheiten wiederholt mit Maschinengewehrfeuer belegt wurden Der Schaden belief sich auf rund 450 000 Reichsmark ab dem 18 Januar ruhte ca einen Monat lang die Fabrikation 9 1942 sollte die Mechanische stillgelegt werden was zunachst jedoch verhindert werden konnte Zum 1 Januar 1943 wurde ein Teil der Produktion der Siemens Schuckertwerke SSW von Berlin nach Bayreuth in die Mechanische Baumwoll Spinnerei verlagert Neben der Herstellung von Kontaktreglern mit der 500 Zwangsarbeiter beschaftigt gewesen sein sollen wurden am 22 Februar ein Zahlerwerk im Saal 5 des Hochbaus und am 1 Marz eine Zahlerwerkstatte in Betrieb genommen 7 Im Oktober 1943 wurde der Betrieb durch Rustungsminister Albert Speer fur die Rustungsindustrie beschlagnahmt Die Vereinigten Kugellagerfabriken in Schweinfurt konnten aufgrund der Zerstorungen durch alliierte Bombenangriffe nicht mehr produzieren Eine Herstellungseinheit konnte jedoch geborgen und wieder betriebsfertig gemacht werden Sie wurde ab Dezember 1943 ebenfalls in die Mechanische verlagert 10 Auf dem Sportgelande an der Rosestrasse wurden zwei Unterkunftsbaracken eine Wirtschaftsbaracke mit Kantine und ein Luftschutz Deckungsgraben fur die Ostarbeiter aus Schweinfurt errichtet Bei Fliegeralarm durften die Zwangsarbeiter nicht die Luftschutzkeller aufsuchen 65 von ihnen vorwiegend Jungen und Madchen aus der Sowjetunion wurden am 5 April 1945 in dem Deckungsgraben an der Rosestrasse von Sprengbomben zerrissen Ihre verstummelten Leichen wurden auf den Friedhof St Georgen geschafft In der Eisenbahnunterfuhrung Tunnelstrasse kamen am 5 und 11 April 60 Zwangsarbeiter der Mechanischen ums Leben die in einem Massengrab auf dem Stadtfriedhof verscharrt wurden 7 Daneben wurde die Baumwollverarbeitung weitergefuhrt Im Fruhjahr 1945 waren noch 100 000 Spindeln und 1800 Webstuhle in Betrieb 1450 Personen waren im Betrieb beschaftigt 11 Neunzig Jahre lang war das riesenhafte Fabrikgebaude eines der Wahrzeichen der Stadt Nachdem bei der Bombardierung des Bahnhofs am 5 April 1945 bereits etwa ein Drittel der Anlage zerstort worden war 11 wurde beim schwersten Bombenangriff auf Bayreuth am 11 April das Hauptgebaude weitgehend vernichtet nur ein Teil der Aussenmauern blieb erhalten Da die auslandischen Zwangsarbeiter der Spinnerei uberwiegend 16 bis 20 jahrige russische Jungen und Madchen bei Fliegerangriffen nicht in die Luftschutzkeller durften kamen 99 von ihnen in Splittergraben und 60 unter der Eisenbahnbrucke in der Tunnelstrasse ums Leben 12 In den Jahren 1947 48 wurden die Ruinen des Hauptgebaudes wegen ihres Aussehens im Volksmund Heidelberger Schloss genannt 13 gesprengt Nach dem Zweiten Weltkrieg Bearbeiten Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Inlandsmarkt mit Ausnahme des wirtschaftstechnischen Bedarfs fur die Spinnereien zunachst gesperrt Im Dezember 1947 arbeitete die Bayreuther Textilindustrie noch fur das Omgus Programm Anm 1 14 Im unversehrt gebliebenen Zweigbetrieb im nahen Friedrichsthal wurde bereits ab Juli 1945 wieder produziert ab dem Spatherbst 1949 dann auch im neu errichteten Gebaude in der Stadt 7 Am 16 Dezember 1949 wurden 770 Beschaftigte gemeldet 14 In der Festschrift zum 100 jahrigen Bestehen der Mechanischen blieben die Zwangsarbeiter unerwahnt 7 Im Zuge des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit wurde 1959 wieder die Zahl von eintausend Beschaftigten erreicht 1970 wurde ein komplettes automatisches Vorwerk installiert was fur Deutschland ein Novum darstellte 15 In der Nacht vom 3 auf den 4 Juni 1971 geriet nach einem Blitzeinschlag das Transformatorenhaus der Spinnerei in Brand Im Verlauf der Loscharbeiten kam es zu einer Explosion bei der ein Betriebselektriker schwer verletzt wurde 16 Von der Wirtschaftskrise von 1974 75 wurde die ortliche Textilindustrie mit ihren drei Grossbetrieben hart getroffen Die Mechanische verausserte Grundstucke und die Sozialsiedlung Burg konnte die Eroffnung eines Vergleichsverfahrens am 18 Mai 1981 aber nicht mehr abwenden Die Spinnerei wurde verkauft die Weberei unter neuem Namen weitergefuhrt Seit 2016 gehorte dieser Betrieb SR Webatex GmbH der technische Textilien herstellte zur Getzner Textil Aktiengesellschaft 17 Ende Juli 2021 stellte der Mutterkonzern den Betrieb in Bayreuth ein 18 Ein Relikt aus der Anfangszeit der Mechanischen ist ihr erhalten gebliebener Wasserturm nbsp Laderampe an der Werkshalle aus der Nachkriegszeit nbsp Westseite des Fabrikgebaudes aus der Nachkriegszeit nbsp Reste des Gleisanschlusses auf dem ehemaligen Fabrikgelande im Hintergrund der HauptbahnhofAnmerkungen Bearbeiten OMGUS Office of Military Government for Germany United StatesLiteratur BearbeitenBernd Mayer Machtiger Sprung ins Industriezeitalter In Heimat Kurier Nr 4 2003 S 6 7 Herbert Popp Bayreuth neu entdeckt Ellwanger Bayreuth 2007 ISBN 978 3 925361 60 9 Weblinks BearbeitenFruhe Dokumente und Zeitungsartikel zur Mechanischen Baumwoll Spinnerei Bayreuth in den Historischen Pressearchiven der ZBWEinzelnachweise Bearbeiten a b Bernd Mayer Machtiger Sprung ins Industriezeitalter im Heimat Kurier des Nordbayerischen Kuriers 4 2003 S 6 f Das Bw Bayreuth Loseblattsammlung des GeraNova Verlags Munchen S 26 a b c d Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Bayreuth bei albert gieseler de abgerufen am 18 November 2018 a b c Rainer Trubsbach Geschichte der Stadt Bayreuth 1194 1994 Druckhaus Bayreuth 1993 ISBN 3 922808 35 2 S 192 a b c d Bernd Mayer Bayreuth wie es war Blitzlichter aus der Stadtgeschichte 1850 1950 2 Auflage Gondrom Bayreuth 1981 S 20 Bernd und Gerda Mayer Arbeiten und leben in Bayreuth Sutton Erfurt 2010 ISBN 978 3 86680 745 7 S 33 a b c d e Vergessene Siemens Zwangsarbeiter in Nordbayerischer Kurier vom 16 17 Februar 2019 S 10 Bernd Mayer Der 1 Mai Feiertag im Sturm der Zeiten in Heimatkurier 4 1996 des Nordbayerischen Kuriers S 3 f Christoph Kuhl Luftschutz und Luftkrieg in Oberfranken 1933 1945 In Historischer Verein fur Oberfranken Hrsg Archiv fur Geschichte von Oberfranken 88 Band Ellwanger 2008 ISSN 0066 6335 S 347 Bernd Mayer Helmut Paulus Eine Stadt wird entnazifiziert Die Gauhauptstadt Bayreuth vor der Spruchkammer Ellwanger Bayreuth 2008 ISBN 978 3 925361 67 8 S 187 a b Der mysteriose Fliegerangriff in Nordbayerischer Kurier vom 7 April 2020 S 9 Peter Engelbrecht Ende und Neubeginn Bayreuth Im April 1945 herrscht Frieden Spathling Weissenstadt 2022 ISBN 978 3 942668 87 3 S 70 f Bernd Mayer Bayreuth April 1945 1 Auflage Wartberg Gudensberg Gleichen 2004 ISBN 3 8313 1463 2 S 44 a b Rainer Trubsbach Geschichte der Stadt Bayreuth 1194 1994 Druckhaus Bayreuth Bayreuth 1993 ISBN 3 922808 35 2 S 345 ff Vor 50 Jahren in Nordbayerischer Kurier vom 25 September 2020 S 8 Vor 50 Jahren in Nordbayerischer Kurier vom 5 6 Juni 2021 S 10 SR Webatex bei wer zu wem de abgerufen am 10 Juli 2020 Alles muss raus bei Webatex in Nordbayerischer Kurier vom 18 November 2020 S 7 49 950153 11 58175 Koordinaten 49 57 0 6 N 11 34 54 3 O Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Mechanische Baumwoll Spinnerei Bayreuth amp oldid 229364035