www.wikidata.de-de.nina.az
Die Maximalbelastungstheorie ist in der Bankbetriebslehre eine von Wolfgang Stutzel im Jahre 1959 aufgestellte Theorie die die Verlustausgleichsfunktion der Eigenmittel betont und dabei liquiditatsorientierte Dispositionsregeln formuliert Inhaltsverzeichnis 1 Entstehungsgeschichte 2 Kern der Maximalbelastungstheorie 3 Wirtschaftliche Aspekte 4 EinzelnachweiseEntstehungsgeschichte BearbeitenWolfgang Stutzel hielt im September 1959 in Kiel einen Vortrag vor Sparkassenprufern den er und seine Schuler ausbauten und unter dem Stichwort Maximalbelastungstheorie einen festen Platz in der wissenschaftlichen Bankbetriebslehre verschafften 1 Als Banken durch die im Oktober 1851 gegrundete Berliner Disconto Gesellschaft Depositen annahmen wurden Bankkredite erstmals nicht durch Eigenkapital sondern durch Fremdkapital finanziert so dass Fristeninkongruenzen mit dem Risiko der Fristentransformation entstanden 2 Theoretischer Ausgangspunkt war die von Otto Hubner 1854 entwickelte Goldene Bankregel in der er verlangte dass der Credit welchen eine Bank geben kann ohne Gefahr zu laufen ihre Verbindlichkeiten nicht erfullen zu konnen muss nicht nur im Betrage sondern auch in der Qualitat dem Credite entsprechen welchen sie geniesst 3 Hiermit sprach er sich fur eine absolute quantitative und qualitative Fristenkongruenz zwischen Aktiva und Passiva aus Adolph Wagner modifizierte 1857 diese Fristenkongruenz durch seine Bodensatztheorie die er mit dem Gesetz der grossen Zahlen verband aber ist ganz unrichtig daraus den Schluss zu ziehen dass 1000 ebenfalls fallige Depositen ebenfalls nicht verwendet werden durfen 4 Karl Knies weitete die Bodensatztheorie 1897 auf die Rediskontierung von Wechseln aus weil die Reichsbank den Instituten eine Quelle der Beschaffung von Zentralbankgeld zur Verfugung gestellt hatte bei der sie auch durch Monetarisierung von zirkulationsfahigen Aktiva wie Wechseln Liquiditat schaffen konnten 5 Kern der Maximalbelastungstheorie BearbeitenStutzel erkannte dass im Falle der maximalen Liquiditatsbelastung die Bodensatztheorie ausser Kraft gesetzt ist da man sich nun nicht mehr einer sehr grossen Zahl voneinander unabhangiger Einzelrisiken gegenubersieht 6 Dadurch verschwindet selbst der Bodensatz der wegen des entstehenden Bank Run zu einem Dominoeffekt mit einem massiven Einlagenabzug fuhrt dem die betroffenen Banken durch eine Monetarisierung ihrer Vermogensgegenstande entgegenzuwirken versuchen 2 Hierbei treten immer mehr Liquidationsverluste auf die zu Deckungsproblemen der Auszahlungsanspruche bei Bankeinlagen fuhren Die Verlusthohe richtet sich nach der Bonitat der Schuldner Adressenausfallrisiko und dem Zinsertrag der Forderungen Zinsanderungsrisiko 7 Diese spezifischen Risiken werden von Stutzel in der Einlegerschutzbilanz optisch veranschaulicht Das vorhandene Eigenkapital muss schliesslich ausreichen um die Liquidationsverluste zu decken Die Summe der Verluste die bei einer derartigen vorzeitigen Abtretung gewisser Aktiva hingenommen werden mussen darf nie grosser sein als das Eigenkapital 8 Wirtschaftliche Aspekte Bearbeiten nbsp Wertminderungen von Vermogenspositionen Aktiva reduzieren die bilanztechnische Grosse des Eigenkapitals Passiva Dem mochte eine harte Kernkapitalquote entgegenwirken Damit liefert die Maximalbelastungstheorie auch einen ersten Hinweis auf die Frage wie viel Eigenkapital zur Sicherung des Liquiditatsrisikos vorhanden sein muss Zudem hat Stutzels Theorie gezeigt dass die Bodensatztheorie in Krisenzeiten insbesondere wenn es zu einem Bank Run kommt nicht anwendbar ist Je illiquider die Markte sind desto hoher sind die Abschlage beim Verkauf von Vermogenswerten und umso hoher muss das Eigenkapital sein und umgekehrt Ein funktionierender Kredithandel ist uberfordert wenn gleich mehrere Banken zu Notverkaufen von ganzen Kreditportfolien gezwungen sind so dass Kreditverkaufe tendenziell zu zunehmenden Verlusten fuhren konnen Die heutige bankenaufsichtsrechtliche Forderung nach einer Mindesthohe des Quotienten aus Risikopositionen und Eigenmitteln weist eine gedankliche Nahe zur Maximalbelastungstheorie Stutzels auf 9 Die gesetzliche Einlagensicherung soll das Risiko des Bank Run ausschalten und damit einen Haupteffekt der Maximalbelastungstheorie neutralisieren Im Rahmen der Stresstests werden heute auch Szenarien der Maximalbelastungstheorie simuliert Die Maximalbelastungstheorie erhielt ihren Namen durch die maximale Belastung der sich eine Bank beim Extremszenario eines vollstandigen Abzugs der Einlagen durch ihre Glaubiger ausgesetzt sieht ohne dass diese prolongiert oder substituiert werden Um die Auszahlungswunsche ihrer Glaubiger zu befriedigen muss sie auch illiquides Vermogen verlustbringend veraussern In dieser Hinsicht wurde die Theorie durch zahlreiche Bankenkrisen verifiziert Der Konkurs der Herstatt Bank im Juni 1974 brachte ihren Glaubigern mit durchschnittlich 65 eine Konkursquote die bewies dass die Verwertung der Konkursmasse zu Verlusten gefuhrt hat die das Eigenkapital uberstiegen Als die Lehman Brothers im September 2008 in Konkurs gerieten gaben sich die Kreditinstitute untereinander im Interbankenhandel keine Kredite mehr so dass in Europa die EZB als Ersatzglaubiger massiv einspringen musste Hierdurch geriet zunehmend im Bank und Versicherungswesen die Risikotragfahigkeit in den Fokus der Bank und Versicherungsaufsichtsbehorden Sie verwirklicht die Grundlagen der Maximalbelastungstheorie im Finanzwesen durch regulatorische Vorschriften 10 Im Bankwesen muss das okonomische Kapital das gesamte maximal mogliche Finanzrisiko eines Kreditinstituts abdecken Als okonomisches Kapital bezeichnet man die Gesamtheit der Risikodeckungspotenziale die mindestens vorgehalten werden muss um selbst dann wenn die vorab definierte Maximalbelastungssituation eintreten sollte solvent zu bleiben 11 Einzelnachweise Bearbeiten Jan Kornert Die Maximalbelastungstheorie Stutzels als Beitrag zur einzelwirtschaftlichen Analyse von Dominoffekten im Bankensystem in Eberhart Ketzel Hartmut Schmidt Stefan Prigge Hrsg Wolfgang Stutzel moderne Konzepte fur Finanzmarkte Beschaftigung und Wirtschaftsverfassung 2001 S 81 ff a b Jan Kornert Die Maximalbelastungstheorie Stutzels als Beitrag zur einzelwirtschaftlichen Analyse von Dominoffekten im Bankensystem in Eberhart Ketzel Hartmut Schmidt Stefan Prigge Hrsg Wolfgang Stutzel moderne Konzepte fur Finanzmarkte Beschaftigung und Wirtschaftsverfassung 2001 S 88 f Otto Hubner Die Bank Band 1 1854 S 28 f Adolph Wagner Beitrage zu Lehre von den Banken 1857 S 167 Carl Knies Das Geld Darlegung der Grundlehren von dem Gelde 1873 S 154 ff Wolfgang Stutzel Ist die Goldene Bankregel eine geeignete Richtschnur fur die Geschaftspolitik der Kreditinstitute in Vortrage fur Sparkassenprufer 1959 S 772 f Wolfgang Stutzel Ist die Goldene Bankregel eine geeignete Richtschnur fur die Geschaftspolitik der Kreditinstitute in Vortrage fur Sparkassenprufer 1959 S 775 Wolfgang Stutzel Ist die Goldene Bankregel eine geeignete Richtschnur fur die Geschaftspolitik der Kreditinstitute in Vortrage fur Sparkassenprufer 1959 S 43 Stephan Germann Strategische Implikationen des Kreditrisikomanagements von Banken 2004 S 133 FN 343 Eduard Gaugler Richard Kohler Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre 100 Jahre Fachdisziplin zugleich eine Verlagsgeschichte 2002 S 290 Martin Kohlhaussen Eigenkapital der Kreditinstitute in Wolfgang Gerke Manfred Steiner Hrsg Handworterbuch des Bank und Finanzwesens 2001 Sp 588 ISBN 978 3791080475 Abgerufen von https de wikipedia org w index php title Maximalbelastungstheorie amp oldid 237183239